Sparpaket: Radikale Einschnitte für die freie Kunst- und Kulturszene Österreichs zu befürchten

Seit Monaten brütet die österreichische Regierung über einem Sparpaket. Viele verschiedene einnahmen- wie ausgabenseitige Ideen wurden öffentlich diskutiert, der genaue Verhandlungsstand wird natürlich österreich-typisch geheim gehalten. Die OÖN haben heute in einem Bericht unbestätigte Detailinformationen veröffentlicht, von denen mir eine ins kulturpolitische Auge sticht:

Förderungen: Sämtliche Förderungen, die derzeit von den Ministerien ohne gesetzlichen Auftrag, also im freien Ermessen vergeben werden, sollen um einen fixen Prozentsatz (diskutiert wird eine Spanne zwischen fünf und 15 Prozent) gekürzt werden. Einschnitte soll es auch in der Parteienförderung geben. Streichungen sind auch in Bereichen vorgesehen, wo Bund und Länder fördern.

Ein Großteil der Kulturförderung der unabhängigen Kunst- und Kulturszene Österreichs ist in den Ermessensausgaben angesiedelt. Nicht nur Basissubventionen, besonders auch Projektförderungen, Sonderfördertöpfe, etc. Werden diese Budgetposten um 5-15% gekürzt, wird diese Kürzung auch voll auf die vielen tausenden KünstlerInnen durchschlagen, deren prekäre soziale Lage 2008 in einer vom BMUKK selbst in Auftrag gegeben Studie so beschrieben wird:

Unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze leben 37% der Kunstschaffenden – dieser Anteil beträgt in der Gesamtbevölkerung 13% und unter allen Erwerbstätigen 7%.

Stimmen die Angaben der OÖN, dann plant die SPÖ mit ihrem Partner ÖVP den größten Kahlschlag der österreichischen Kunst- und Kulturszene der letzten Jahre. Und das obwohl das Kulturministerium sogar derzeit von der SPÖ-Ministerin Schmied geführt wird.

Weiters lässt der etwas vage Satz „Streichungen sind auch in Bereichen vorgesehen, wo Bund und Länder fördern.“ befürchten, dass das bis dato geltende Credo Drittelfinanzierung Bund-Stadt-Land aufgehoben wird. Dies wird mangels mehrjähriger Verträge ebenfalls besonders auf die freie Szene durchschlagen. Und was mich noch betroffener macht: Die SPÖ/ÖVP scheint auf die FPÖ zuzugehen, fordert diese doch seit Monaten das einstellen von „Doppel- und Dreifachförderungen“. Und wen die FPÖ da im Visier hat, daraus macht sie gar keinen Hehl:

So erhält etwa das „Autonome Zentrum von und für Migranten“ Förderungen von insgesamt 19 Stellen der öffentlichen Hand. Die Palette an Veranstaltungen, die von den insgesamt 35 angestellten Mitarbeitern betreut werden, reicht vom „Hurentag 2009“ bis hin zu „WIR und IHRtum – Ein Postulat für Identität als mobiles Hängemattenkonzept“. Angesichts der angespannten Budgetsituation und der erfolgten Herabstufung der Kreditwürdigkeit Österreichs sei diese Art des Umgangs mit Steuergeld untragbar. „Es ist unausweichlich, die zahllosen Subventionstöpfe zu reduzieren“, so Strache.

Ich appelliere daher an die SPÖ: Keine Kürzungen der Ermessensausgaben im Kulturbereich!

Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich tagtäglich zu Hungerlöhnen im österreichischen freien Kulturbetrieb verausgaben. Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, welche ihre kulturelle Arbeit als Arbeit an der Gesellschaft verstehen. Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die noch Hoffnung in den kulturpolitischen Gestaltungswillen der Sozialdemokratie haben.

Wer meine Befürchtung teilt, kann zum Beispiel ein E-Mail an SPÖ Kulturministerin Claudia Schmied schicken: claudia.schmied@bmukk.gv.at.

Agenda Freie Kunst- und Kulturszene Linz

Zur Auflockerung der alte Schmäh „Welche Begriffsdefinition steht im Duden auf Wikipedia“;

Agenda: Das zu Treibende oder zu Tuende, d.h. das, was getan werden muss.“

Agenda als PDF

Die Kulturstadt Linz hat jetzt also eine Agenda zur freien Szene, eine Reaktion auf den offenen Brief der freien Szene, den ich mitverfasst und unterzeichnet habe. Damit haben sich die politischen VertreterInnen, der Definition folgend, sich also eingestanden, dass etwas für die freie Szene getan werden muss.

Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, denn in den vergangen Jahren wurden die Beschwerden der freien Szene oft entweder ignoriert oder deren Lösung mit Verweis auf Heilsbringern wie dem Kulturhauptstadtjahr schlicht vertagt. Das große Medienecho auf den offenen Brief, die Lightkultur-Proteste und die wissenschaftliche Grundlagenarbeit zum Kulturentwicklungsplan Neu haben nun allerdings endlich genug Druck aufgebaut, um Hoffnung auf eine substantielle Änderung im Linzer Kultursubventionswesen und im Umgang mit der freien Szene aufkommen zu lassen.

Was ist zu dieser Agenda gekommen?

Im Dezember wurde, auf Drängen vom Kultursprecher der Grünen Linz Severin Mayr und mir, der offene Brief im Kulturausschuss des Gemeinderats behandelt. Wie so oft wurde darauf hin die Verwaltung, in Person vom Kulturdirektor Julius Stieber, beauftragt, sich mit dem Brief auseinander zu setzen. Weiters gab es einen Gesprächstermin mit dem Kulturreferenten Erich Watzl, Julius Stieber und VertreterInnen der freien Szene. Aus den Erkenntnissen dieses Gesprächs heraus hat der Kulturdirektor nun die vorliegende Agenda geschrieben. Sie wurde heute im Linzer Kulturausschuss besprochen und deren Kommunikation nach außen über den Stadtkulturbeirat beschlossen. Da ich dort als Vertreter der freien Szene im Vorsitz sitze, nehme ich mir nun die Freiheit heraus, diese hier zu veröffentlichen.

Was steht nun also in dieser Agenda?

Auf den ersten Seiten reflektiert Stieber über die Entwicklung der freien Szene und zollt ihr Anerkennung:

Linz hat sich seit den 1980er Jahren mit der Stadtwerkstatt, dem Theater Phönix, dem Moviemento, vielen anderen Initiativen und vielen Einzelkünstlerinnen und -künstlern als spannender und innovativer Standort einer Freien Kunst- und Kulturszene in Österreich und darüber hinaus einen Namen gemacht.

Und auch seine Definition der Rolle der freien Szene ist eine, die sich mit der Eigenwahrnehmung deckt und die ich durchaus unterschreiben würde:

Zum einen ist sie eine der Säulen einer innovativen Kulturentwicklung in Linz, die Freiraum für Experimente nutzt, jungen Talenten eine Chance gibt sowie zeitaktuell und rasch auf Strömungen und Themen der Gegenwart reagieren kann. […] Zum anderen trägt sie wesentlich zum gesellschaftspolitischen Diskurs in der Stadt bei, sei es über die Freien Medien als kritische Stimmen in der Stadt, sei es über Stadtteilprojekte, die Defizite der Stadtentwicklung bearbeiten, sei es durch Diskussionen über Themen wie die Verlandung des Linzer Hafens oder das Zusammenleben unterschiedlicher Ethnizitäten, oder über Theater- und Kulturinitiativen, die zeitaktuelle Themen zu ihrem Anliegen machen und gesellschaftlichen Randthemen ein Forum geben. Freie Kunst- und Kulturszene bedeutet für die Stadt ein kritisches Korrektiv und ein künstlerisch-innovatives Potenzial, das auch das moderne, dynamische, zukunftsorientierte Image der Stadt Linz bis heute mit Leben und Inhalten gefüllt hat.

Schön zu hören, und wohl auch eine Darstellung, welche die meisten PolitikerInnen zwar selten so formulieren, aber auch nicht in Abrede stellen würden. Doch der hehren Worte genug, er kommt ohne Umschweife schon im ersten Absatz zum wohl wichtigsten Befund:

„Die generellen Rahmenbedingungen für die Freie Kunst- und Kulturszene haben sich allerdings in den letzten Jahren – insbesondere durch stagnierende Budgets – zugespitzt. Das Entwicklungspotenzial kann dadurch nicht voll entfaltet werden […] Anlass, grundsätzlich über Möglichkeiten der budgetären und strukturellen Weiterentwicklung nachzudenken.“

Schwarz auf Weiß steht es da, die Kulturstadt Linz gesteht sich ein, dass ihre freie Kunst- und Kulturszene durch die Budgetsituation gefährdet ist. Und wer Martin Hellers Vision „Linz muss 2015 die spannendste Stadt Österreichs sein“ so wie ich eher als Drohung wahrgenommen hat, der wird sich über Stiebers Linz des Jahres 2020 freuen:

Ein Linz des Jahres 2020 sollte ein Linz sein, dass die Existenzbedingungen für Kunst- und Kulturschaffende wesentlich verbessert hat und als Hot Spot einer innovativen Freien Kunst- und Kulturszene in Österreich und auch im Ausland wahrgenommen wird.

Die Linz Kultur hat ihre vorgeschlagenen Maßnahmen auf vier Punkte zusammengefasst, die ich mir im folgenden ansehen möchte:

  1. Finanzielle Ressourcen optimieren
  2. Raumressourcen sichern
  3. Kooperationen ermöglichen
  4. Öffentlichkeit schaffen

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C’est de la censure.

...wäre Magritte in Tirol geboren...

„Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.“ (Staatsgrundgesetz, Artikel 17a , BGBl. Nr. 262/1982).

Die Freiheit der Kunst endet in der Realität dort, wo die Künstler zu schwach sind, sich über Begrenzungen hinwegzusetzen.Der israelische Künstler Ronen Eidelman hat vor kurzem in einem Interview mit der Jungleworld folgende schöne Gedanken über den Umgang der Grenze zwischen Kunst und Politik geäußert: „Zieht man als Künstler eine deutliche Grenze, sichert man sich durch die Autonomie der Kunst ab, geht aber das Risiko ein, ihr die Effektivität zu nehmen. (…) Wer auf dem Autonomiestatus der Kunst beharrt, macht ihre Rezeption und Bewertung vorhersehbar.“ Es kommt also darauf an, sich der Grenzen bewusst zu sein, diese aber gleichzeitig zu verwischen und dadurch zu erweitern. Dadurch sind noch Grenzverstöße möglich, wie ich 2010 selbst erleben musste, als die Landeskulturdirektion auf Grund von Interventionen der FPÖ eine Projektförderzusage an mich zurückzog. Die Begründung? „Es handelt sich nicht um Kunst“. Die Folge? Eine Halbierung des KUPF-Innovationstopfs, aus dem das Projekt hätte gefördert werden sollen.

Schon damals habe ich befürchtet, dass das Beispiel Schule machen wird, und jetzt ist es soweit. Das Land Tirol hat die Förderung zweier Projekte im Rahmen des „TKI-Openabgelehnt, nach dem diese von einer unabhängigen Jury zur Förderung empfohlen wurden.

Eines davon hieß „Wahlen sind Betrug“, eingereicht vom Künstler Oliver Ressler, der Plakate wie dieses in der Öffentlichkeit aufhängen wollte:

Die Begründung der Tiroler Kulturdirektion:

Die Arbeit kann nicht gefördert werden, da der Text auf dem Plakat falsch ist.

Es sagt viel über den Zustand der Demokratie eines Landes aus, wenn Personen mit einem solchen Kunstverständnis und -kenntnis über Wohl und Wehe der Kunst- und Kulturschaffenden entscheiden dürfen. Denn diese Entscheidung ist nicht nur haarsträubend dumm, sondern in meinen Augen ein klarer Verfassungsbruch. Ich empfehle meinem Kollegen den Gang vor den Verfassungsgerichtshof, auch wenn es traurig ist, dass man im Österreich des dritten Jahrtausends noch um die grundlegende Freiheit der Kunst kämpfen muss.

Doch man kann diesen Skandal auch als Chance wahrnehmen: Als Chance, wieder einmal grundlegend über die Ziele österreichischer Kultur- und Kunstförderung zu diskutieren. Denn das sich diese in den letzten Dekaden hauptsächlich auf die Etablierung touristisch verwertbarer Formate und Institutionen gerichtet hat, ist kein Geheimnis. KünstlerInnen, brecht aus euren Gefängnissen aus, raus aus den Museen, raus aus den Festspielen, raus aus den Kulturgroßevents! Baut autonome Strukturen auf, erkämpft euch die Unabhängigkeit und verteidigt sie mit Zähnen und Klauen gegen jene, die eure Kunst nur so lange dulden, wie sie euch am Gängelband wissen und kontrollieren können. Zeigt den Willen, nicht nur über die Gesellschaft zu reflektieren, sondern diese auch aktiv zu gestalten.

Übrigens, das zweite Projekt, dessen Förderung abgelehnt wurde? Eines, das sich mit der NS-Vergangenheit Tirols auseinandergesetzt hätte. Wen wunderts, in einem Land, in dem Partys von Rechtsextremen als Weltkulturerbe gelten?

Geht’s der KAPU gut, geht’s uns allen gut.

Der folgende Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe der KAPUzine erschienen. KAPUzine, fragt ihr, wurde das nicht im vergangenen Herbst aus finanziellen Gründen eingestellt? Ja, wurde es, die Linzer KAPU musste einen rigiden Sparkurs einlegen um sich über Wasser zu halten. Mit Müh und Not wurde nun aber eine neue Ausgabe finanziert, und sogar ein sehr freshes Redesign vorgenommen. Ein Magazin, das ich allen an Alternativkultur interessierten Menschen ans Herz lege.

Genug geschwaffelt, hier mein Beitrag zur Lightkultur Kampagne der KAPU:

Wer Politik als Steuerung der gesellschaftlichen Entwicklung versteht, der muss sich beim beobachten der Linzer Kulturpolitik Sorgen machen: Kultur als Tourismusbringer, Kreativität als Wirtschaftsmotor und die Kunst als notwendiges Übel oder Nebenprodukt. Statt Raum zum Experiment Raum für Großraumdiskos, statt kritischem Diskurs Kuschel-“Journalismus“ in Hochglanzmagazinen, statt kultureller Vielfalt Massenevents mit den ewig gleichen Konzepten und Visagen auf den Bühnen. Und die freie Szene, ein Sammelbecken und Identitätsbegriff für jene Menschen, welche sich am offensivsten und kritischsten mit künstlerischen Mitteln mit drängenden gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen, steht immer stärker unter Druck.

Sonntags, ja Sonntags wird er immer betont, der Wert der Kultur, auch jener der freien, doch die heeren Worte sind schnell vergessen, wenn es um handfeste Unterstützung und Förderzusagen geht. Seit Jahren wird die freie Szene finanziell ausgehungert und aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt. Immer mehr Initiativen müssen sich einen immer kleineren Kuchen teilen. Während das kleinere Salzburg ihre freie Szene mit mehr als vier Millionen Euro unterstützt, müssen die LinzerInnen mit 1,2 Millionen Euro auskommen. Ich pack schon mal die Koffer, wer zieht mit?

Wie sieht also die Zukunft der Linzer Kulturszene aus? Die Lightkultur-Kampagne der KAPU zeichnet ein düsteres Bild: Bühnen ohne Strom stehen verloren zwischen den grell-leuchtenden Fassaden der Konsumtempel, die Botschaften der KünstlerInnen gehen im hektischen Treiben unter und bleiben unerhört und unerkannt. Kein Raum mehr für Reflektion, kein Raum mehr für Kritik, kein Raum mehr für Experimente, nur noch Raum für Jubel, Trubel, Heiterkeit, Konsum und Saufen, Stumpfsinn und geistiger Ödnis.

Und das in einer Zeit, in der sich unsere Gesellschaft unter dem Druck des immer wilder um sich schlagenden Kapitalismus mehr und mehr entfremdet und damit die Menschen in die Hände von Ratenfängern vom Schlage eines HC Straches oder eines Detlef Wimmers treibt. Wer als PolitikerIn tatenlos zusieht, wie die kritischen Kräfte unserer Gesellschaft in immer existenzbedrohlichere Positionen gedrängt werden, der braucht sich nicht wundern, wenn bald auch in Österreich die Schaufenster eingeschlagen werden. Wer das verhindern möchte, der muss einstehen für mehr Demokratie, für mehr Bildung, für mehr Vielfalt. Der muss in die Zivilgesellschaft investieren und damit auch in die freie Kultur.

Linz braucht nicht eine KAPU, sondern zehn! Linz braucht nicht hundert Kulturinitiativen, sondern tausend! Linz braucht keine Lightkultur, sondern ein starkes Bekenntnis der Lokalpolitik zu ihrer freien Kulturszene. Und da Budgets bekanntlich in Zahlen gegossene Politik sind, heißt das am Ende immer wieder: Her mit dem Zaster!

Interview mit dem ehemaligen Linzer Kulturdirektor Sigi Janko

Ich kann mich genau ererinnern, ich lebte erst seit kurzem in der oberösterreichischen Landeshauptstadt, als ich überraschenderweise eine Einladung des Vizebürgermeisters Dr. Erich Watzl zu einem Umtrunk anlässlich der Eröffnung des Pflasterspektakels bekam. Ich kannte noch nicht viele Menschen in Linz und kam am Buffet mit einem eloquenten Herren älteren Semesters ins Plaudern. Wir sprachen über den chinesischen Kommunismus und Wege der Kapitalismuskritik in Kunst und Kultur, und mein Gegenüber war zwar einerseits klar vom Geist der 68er Bewegung beseelt aber dennoch überraschend radikal in seinen Sicht- und Denkweisen. Und genau so überrascht war ich später, als sich mein Gesprächspartner als der damals noch amtierede Kulturamtsdirektor Sigi Janko entpuppte.

Sigi Janko

Siegbert Janko (geb. 1945) war zwischen 1990 und 2010 Kulturdirektor der Stadt Linz und damit auch maßgeblich an der Entwicklung des ersten Linzer Kulturentwicklungsplan (kurz KEP) beteiligt. Dieser wurde im Jahr 2000 im Gemeinderat beschlossen und hat maßgeblich die kulturelle Entwicklung der Stadt beeinflusst. Unter Leitung seines Nachfolgers Julius Stieber soll nun ja ein neuer KEP erarbeitet werden.

Aus diesem Anlass haben Thomas Philipp und ich für die Zeitung Versorgerin der Stadtwerkstatt Siegbert Janko zu politischen Versprechungen der Kulturentwicklung und den Auswirkungen auf die freie Szene interviewed. Diesen und viele andere spannende Texte wie ein Interview mit Sigis Nachfolger Julius Stieber, eine Reflektion von Tanja Brandmayr zum KEP-Prozess oder einem Bericht zur Light-Kultur Aktion der KAPU könnt ihr in der aktuellen Ausgabe 12/11 der Versorgerin lesen. Und an dieser Stelle: Danke an Stephan Roiss für die schmeichelnde Zuschreibung im Light-Kultur Bericht: „Der kulturpolitische Tausendsassa Thomas Diesenreiter“ – das freut mich!

So, und jetzt endlich das Interview, viel Spaß!

Thomas Philipp: Die Stadt Linz arbeitet derzeit am neuen KEP. Wieso eigentlich? Was ist deiner Meinung nach der Hintergrund?

Siegbert Janko: Der erste KEP war von vornherein auf etwa zehn bis 15 Jahre angelegt und stand auch unter dem Aspekt „work in progress“. Damit war schon geplant, dass Entwicklungen während dieser Zeit immer wieder Berücksichtigung im KEP finden sollen. Der zweite Aspekt, der dazu gekommen ist, war das Europäische Kulturhauptstadtjahr. Damit hat es relativ schnell nach dem Inkrafttreten des KEP markante Änderungen in verschiedenen Bereichen gegeben. Ich glaube, es scheint die Zeit sehr richtig, dass jetzt über eine Neuformulierung des KEP nachgedacht wird.

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Warum streicht die Sozialstadt Linz die Förderung der interkulturellen Medienwerkstadt Pangea? *update*

Update 25.11.2011: Bei einem Termin mit Bürgermeister Dobusch und Finanzstadtrat Mayr haben wir heute die frohe Botschaft vernommen, dass es keine Förderkürzung bei Pangea geben wird. Angeblich ein Missverständniss auf Verwaltungsebene, dass sich aber wohl ohne den öffentlichen Druck nicht so schnell (wenn überhaupt) gelöst hätte.

Auf Initiative von Daniel Friesenecker starten wir eine Blogparade zum Frage: „Was würde der Gesellschaft ohne freie Initiativen fehlen?“. Nun, verfolgt man die derzeitigen politischen Entscheidungen in Linz, so wird die nächste Blogparade-Frage in naher Zukunft wohl den Konjunktiv verlieren und lauten: „Was fehlt der Gesellschaft ohne freie Initiativen?“

Weil man schon leicht den Überblick verliert, hier eine kleine Zusammenfassung: Die Linzer KAPU musste ihr Magazin KAPUzine einstellen und hat ihren Protest auf die Straße getragen. Das Kunst- und Kulturmagazin „spotsZ“ wurde zum Bedauern von vielen letztes Jahr eingestellt, obwohl sich die Stadt in ihrem Kulturentwicklungsplan 2000 zu freien Medien und der Unterstützung von Kunstzeitungsprojekten bekannt hat. Die freie Medienplattform junQ.at wird sowieso seit jeher mit Minibeträgen abgespeist. Die Subvention der KünstlerInnengruppe Socialimpact wurde zuerst von 8.000 € auf 3.000 € gekürzt, und erst dank des offenen Briefs und massiven öffentlichen Drucks wieder auf 6.000 € angehoben. Fazit: Die freie Szene steht finanziell immer mehr in der Ecke und hat ihren Unmut auch schon in einem offenen Brief geäußert. Reaktion des Kulturreferenten, sinngemäß: „Gut, dass wir das jetzt wissen, danke für die Info, ändern wird sich aber nichts.“

Kurz: Der Stadt Linz ist ihre Kunst- und Kulturszene immer weniger wert.

Neuester Coup: Der interkulturellen Medienwerkstadt Pangea wurde eine Förderung in Höhe von 10.000 € aus dem Sozialreferat gestrichen, die sie seit dem Jahr 2006 bekommt. Der Zeitpunkt der Förderabsage: 21. November 2011, mehr als acht Monate nach dem Einreichen des Förderansuchens. Warum das so lange gedauert hat? In der Sachverhaltsdarstellung liest man Erstaunliches:

Telefonische Nachfrage bei Herrn Weiss Ende Juli/Anfang August 2011 – Vertröstung auf Herbst, da über den Sommerzeitraum nichts entschieden würde. Erneute Nachfrage bei Herrn Weiss im September – Vertröstung auf 2-3 Wochen, da eine gewisse Aklimatisierungsphase gebraucht würde nach dem Urlaub.  Erneute Nachfrage bei Herrn Weiss Mitte Oktober – Zusicherung einer Benachrichtigung bis spätestens Ende Oktober/Anfang November.

Da merkt man schon das Machtungleichgewicht zwischen Förderwerber und Fördergeber: Die einen arbeiten unter prekären Bedingungen 11 Monate aus Engagement mit persönlichem Risiko. Denn Pangea ist so wie die Meisten als Verein organisiert, was eine private Haftung der Vorstandsmitglieder mit sich bringt. Die anderen hingegen lassen sich mit Entscheidungen monatelang Zeit, und lassen dabei nicht unbedingt den Eindruck aufkommen, dass ihnen etwas an der Arbeit der freien Initiativen liegt. Und mit Fördergeber mein ich jetzt Verwaltung und Politik, die oft genug auch noch Verantwortungen und Entscheidungen zwischen sich herschieben.

Also, was wird der Gesellschaft fehlen, wenn es Pangea nicht mehr gibt? Eine Initiative, die jungen AsylwerberInnen und MigrantInnen Medienkompetenz vermittelt, ihnen Zugang zu Produktionsmittel verschafft und ihnen damit die Möglichkeit gibt, ihre Probleme und Anliegen der Öffentlichkeit zu kommunzieren. Ein im digitalen Zeitalter elementares Tool, um seine BürgerInnenrechte und Menschenrechte durchzusetzen. Und wir wissen, gerade in Österreich ist es nötig, den vom Alltagsrassismus, Medienrassismus und Politikrassimus geprägten Bildern der AusländerInnen, MigrantInnen und AsylwerberInnen etwas entgegen zu setzen.

An dieser Stelle zu sparen hilft vor allem einem gesellschaftlichen Flügel: Den HetzerInnen der FPÖ. Und es erstaunt um so mehr, dass sich die Stadt Linz in einer Pressekonferenz am selben Tag als Sozialstadt präsentierte, als sie die Pangeakürzung publik machte. Zwei der dort veröffentlichten Ziele:

2. Schaffung von kulturellen Begegnungsmöglichkeiten
3. Verstärkung der beruflichen Qualifizierung von MigrantInnen.

Beides hat Pangea hervorragend geleistet! Und das mit einem Ansatz, der den angesprochenen Personen die Möglichkeit gab, autonom zu arbeiten und sich zu bilden. Ich fordere daher die Linzer Stadtpolitik auf, sich selbst beim Wort zu nehmen: Sichern sie das Überleben dieser wertvollen Initiative!

Die große Light-Show – Kultur für Lau

Letzten Samstag initierte die Linzer KAPU eine Protestaktion auf der Landstraße. Die Ansage war klar: Die Linzer Kunst- und Kulturszene braucht mehr finanzielle Unterstützung, denn 2,73 % des Kulturbudgets sind einfach zu wenig. Bei einem Gesamtbudget der Stadt Linz von 666 Millionen € würde die Verdoppelung der finanziellen Mittel der freien Szene lediglich 0,18% Prozent des Gesamtbudgets ausmachen. Und sieht man sich an, dass die Finanzierung einer umstrittenen Stadtwache oder eines umstrittenen Straßenprojekts kein Problem ist, dann sollte es trotz der Krise möglich sein, in das kulturelle Leben der Stadt zu investieren.

Morgen Abend geht die Diskussion weiter, die Linzer KAPU lädt zu einem Gespräch im Keplersalon, morgen, 18.11.11 um 19:00 Uhr. Mit dabei: Philipp ‚Flip‘ Kroll, Obmann der KAPU, der Linzer Kulturdirektor Julius Stieber, Kunstuni-Professorin Gitti Vasicek und meine Wenigkeit. Durch das Gespräch wird Stefan Haslinger von der Kulturplattform Oberösterreich führen. Wir sollen den Fragen nachgehen, welche Rolle die Freie Szene in Linz überhaupt spielt, wie wichtig ihre Arbeit für die Stadt ist und was wir brauchen um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Hier noch ein super Videobericht zur Aktion und ein paar Fotos von Uli Hager:

Mehr Fotos gibts noch auf Flickr.