Offene Fragen zum Brucknerhaus Skandal

Der künstlerische Intendant der LIVA, Dietmar Kerschbaum, wurde heute vom Aufsichtsrat der LIVA freigestellt. Ich habe mir die PK des Bürgermeisters angesehen. Folgende Fragen sind für mich offen:

1. 14 Tage, nachdem Luger über den Verdacht der Schiebung der Vergabe und die weiteren groben Verstöße durch den Whisteblower informiert wurde, hat es eine LIVA-Aufsichtsratssitzung gegeben – genau am 15. Dezember. In dieser Sitzung hat Luger bewusst darauf verzichtet, die anderen Mitglieder über die aufgetauchten Ungereimtheiten zu informieren. Er begründet das damit, dass das Gremium – der gesellschaftsrechtliche Aufsichtrat! – nicht vertrauenswürdig sei. Das ist erstens eine erstaunliche Feststellung und zweitens meiner Meinung nach keine mögliche Ausrede, warum die Informationspflicht nicht mehr gilt. Hätte es den Falterbericht nicht gegeben, wäre dann der Aufsichtsrat nie darüber informiert worden? Was mich wundert: Warum protestieren Die Grünen Linz und die ÖVP Linz und die anderen Aufsichtsratsmitglieder nicht gegen diese Aussage? Was ist die Konsequenz, wenn ein Bürgermeister feststellt, dass ein Kontrollorgan nicht mehr vertrauenswürdig sei? Müsste es dann nicht aufgelöst werden?

2. Laut Luger soll ein Rechtsgutachten ergeben haben, dass es keine strafbare Handlung war, die Fragen vorab zugespielt bekommen zu haben. Wohl aber war es strafbar, diese Fragen Kerschbaum zuzuspielen. Kerschbaum kannte genau zwei Personen des Auswahlgremiums persönlich, der mögliche Kreis der Verdächtigen ist also klein. Welche Form der Ermittlungen wird es geben, um herauszufinden, wer ihm die Fragen zugespielt hat? Wird das Magistrat intern ermitteln? Wenn es strafrechtlich relevant ist, wird eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft von der Stadt eingebracht? Es gibt hier Zeugen zu befragen und Beweismaterial auszuwerten.

3. Selbst wenn es vertraglich zulässig gewesen wäre, dass Kerschbaum am eigenen Haus nochmal extra für Auftritte kassiert: Dass er sowohl für sich als auch seine eigene Frau die 25-fache Gage im Vergleich zum am selben Tag auftretende andere Künstler auszahlen hat lassen, ist meiner Meinung nach potentiell auch strafrechlich relevant, weil es einfach eine eindeutige Überbezahlung darstellt. (Es gilt die Unschuldsvermutung). Warum wurde das heute bei der PK als nebensächlich dargestellt?

4. Wer klärt die Vorgänge rund um das „Internationale Kultur- & Wirtschaftsforum Linz“, kurz IKW Linz, auf? Das ist ein eigenständiger Verein, der aber den Sitz im Brucknerhaus hat, seine Website ist ein Eintrag auf der Brucknerhaus-Website, es hat eine Mailadresse ikw@liva.linz.at und im Aufsichtsrat sitzen sowohl Kerschbaum selbst als auch Mitarbeiter der LIVA. Das IKW Linz hat bei Veranstaltungen Sponsorengelder eingesammelt – was ist mit diesen Geldern passiert? Welche Geldflüsse gab es zwischen dem Verein und dem Brucknerhaus, welche zwischem dem Verein und Kerschbaum? Auch hier braucht es Transparenz – nur wer kann für diese Sorgen? Denn das Kontrollamt hat hier natürlich kein Einblicksrecht. Welche Schritte unternimmt hier die Stadt? Eine Kontoöffnung könnte auch hier nur die Staatsanwaltschaft erreichen.

Zum Brucknerhaus Desaster (inklusive Kontrollamtsbericht)

2016 habe ich einen Beitrag dazu geschrieben, dass das Brucknerhaus Linz neu gedacht werden muss. Anlass war der Abgang von Hans-Joachim Frey und der damals schon nicht gute Zustand des Hauses. Auf mich hat man leider nicht gehört – wenig überraschend. Es wurde einfach der nächste Blender engagiert. Unter sehr dubiosen Umständen, wie wir seit gestern dank des Falters wissen, und wo noch einiges aufzuklären bleibt.

Kerschbaums Zeit am Brucknerhaus wird wohl Ende der Woche schon Geschichte sein, es werden aber auch noch politische Konsequenzen folgen müssen. Wie etwa, wer genau Herr Kerschbaum die Fragen der Jury vorab zukommen ließ. Oder wer dafür gesorgt hat, dass als „unabhängige Expertin“ in der Auswahlkommission ausgerechnet eine Kerschbaum nahestehende Person verpflichtet wurde, die sich dann auch in der Sitzung massiv für ihn aussprach. Es deutet alles darauf hin, dass schon lange vor der Ausschreibung Kerschbaum als Fixkandidat gesetzt war. Vielleicht zahlt es sich als Journalist auch aus, einmal bei Hans-Joachim Frey nachzufragen, wie sein Abtrittsgespräch gelaufen ist.

Lohnenswert wäre es ebenso, die Vorgänge und Geldflüsse rund um das Festival Lido Sounds zu durchleuchten – auch hier gibt es eine ähnliche Konstellation mit einer externen Agentur, die städtische Ressourcen zum eigenen Vorteil nutzen konnte. Hat davon Kerschbaum auch persönlich profitiert?

Unter Kerschbaum ist es im Brucknerhaus noch weiter bergab gegangen, wie der Kontrollamtsbericht zeigt. Leute, die den Betrieb kennen, erzählen wilde Geschichten von Zuständen, die überall anders undenkbar wären. Wer Entscheidungen Kerschbaums kritisiert hat, musste mit Problemen rechnen, Kündigungen und Versetzungen wurden ausgesprochen. Viele gute Leute haben in den letzten Jahren das Haus verlassen, mittlerweile muss man immer stärker ganze Projekte und Produktionen auslagern. Das kostet und ist wohl eine weitere Ursache für das explodierende Minus des Brucknerhauses. Dass Kerschbaum dann die komplette Programmplanung an eine externe Künstleragentur ausgelagert hat, die dann einfach ihre eigenen Leute bucht, ist wohl folgerichtig und ebenso folgenschwer. So führt man keinen öffentlichen Kulturbetrieb.

Angesichts der massiven und immer dramatischeren Auslastungsprobleme gilt das, was ich 2016 geschrieben habe, um so mehr: Das Brucknerhaus muss komplett neu gedacht werden, vielleicht auch umgebaut werden. Ich warne die Linzer Spitzenpolitik davor, nichts aus den Episoden Frey und Kerschbaum zu lernen und einfach den nächsten Blender zu engagieren, der wieder das Blaue vom Himmel verspricht. Und man weiterhin zulasten der Popularkultur, zulasten des Posthofs und zulasten der freien Szene ohne Konzept Geld in einen Betrieb ohne zukunftstaugliche Strategie pumpt.

Nächste Woche feiert das Brucknerhaus sein 50-jähriges Bestehen mit einen großen Festakt. Das verhagelte Jubiläum sollte man statt zu feiern dazu nutzen, darüber nachzudenken, welche Rolle das Haus die nächsten 50 Jahre im Linzer Kulturuniversum spielen soll.

Der Kontrollamtsbericht

Zuletzt veröffentliche ich hier noch den Kontrollamtsbericht zur LIVA, da ich finde, dass die breite Öffentlichkeit das Recht hat, diesen zu lesen. Öffentliche Einrichtungen wie das Brucknerhaus, der Posthof und die anderen Unternehmen der LIVA gehören uns allen, der Allgemeinheit. Wir finanzieren sie auch und haben ein Recht zu wissen, wie gut oder eben schlecht sie funktionieren. Generell gehört geändert, dass die Berichte des Linzer Kontrollamts nicht veröffentlicht werden – bei Berichten des Bundesrechnungshofs und der Landesrechnungshöfe ist die Veröffentlichung schon lange eine Selbstverständlichkeit. Das wäre auch im Interesse der Politik und Verwaltung, denn viele Kontrollamtsberichte stellen der Linzer Verwaltung auch gute Noten aus. Dem Brucknerhaus aber eben nicht:

Kommunale Kulturbudgets

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #181/2022 erschienen.

Wie viel Geld sehen die Statutarstädte Linz, Wels und Steyr für Kultur vor? Wofür geben sie ihr Kulturbudget aus? Eine Recherche von Thomas Diesenreiter und Florian Walter.

Große Städte verfügen über signifikante Kulturbudgets. Wie beim Bund und den Ländern werden diese für den Betrieb eigener Kulturstätten, für Veranstaltungsformate, die Kulturverwaltung sowie die Subvention von freier Szene, Künstler*innen, Volkskultur, Denkmalschutz und Kirchen verwendet.

Linz

Das Kulturbudget der Landeshauptstadt beträgt aktuell etwa 5% des Gesamtbudgets. Das sind etwa 44 Mio von insgesamt 852 Mio Euro. Wichtig ist hier zu wissen, das sowohl LIVA, die Museen der Stadt Linz als auch das Ars Electronica ausgelagerte Unternehmen sind. Im Kulturbudget werden nur die Zuschüsse der Stadt abgebildet, deren Budgets sind aber deutlich größer. Weiters sind noch etwa 2 Mio € Ausgaben für das Stadtarchiv zu berücksichtigen, die zwar nicht im Kulturbudget selbst enthalten sind, aber dem Kulturbereich zugerechnet werden. Und schließlich fließen regelmäßig Förderungen aus den Mitteln der Finanzdirektion (Gruppe 0: Vertretungskörper und allgemeine Verwaltung), die ebenfalls daher nicht im Kulturbudget aufscheinen, an Kulturvereine.

Aufschlüsselung Ausgabenbereiche Kulturbudget Linz. Quelle: Voranschlag 2022, Finanzierungshaushalt. Summe aus Aufwendungen (SU 22/32) und Investiv-Auszahlungen (SU 34) ohne Finanzierungen

Den Ausgaben stehen Einnahmen von 9,6 Mio Euro gegenüber. „Echte“ Einnahmen sind lediglich die jene der Musikschule, die 1,1 Mio Euro Schulgeld erwirtschaftet sowie 3,2 Mio Euro Landeszuschüsse erhält. Der Rest sind interne Zahlungsflüsse zwischen der Stadt und ihren ausgelagerten Unternehmen wie Mieterlöse, Betriebskosten und Zahlungen für Personalüberlassungen.

Wels

Die Stadt Wels hat derzeit nur etwa 1,6% des Gesamtbudgets für Kultur gewidmet, das entspricht etwa 4 Mio von 262 Mio Euro. Dazu kommen etwa 1,2 Mio Euro für die Volkshochschule und die Stadtbücherei aus dem Bildungsbudget.

Aufschlüsselung Ausgabenbereiche Kulturbudget Wels. Quelle: Voranschlag 2022, Finanzierungshaushalt. Summe aus Aufwendungen (SU 22/32) und Investiv-Auszahlungen (SU 34) ohne Finanzierungen

Auch in Wels fließen Mittel aus der Gruppe 0 in die Subventionierung von Kultur. Diese umfassen mindestens 25.000 Euro und sind weder im Voranschlag noch in den Rechnungsabschlüssen eindeutig zuordenbar. Anders als in Linz gibt es in Wels jedoch keine in GmbHs ausgelagerten Kulturinstitutionen.

Steyr

Die Stadt Steyr verfügt ebenfalls über keine ausgelagerten Unternehmen. Der größte Kulturbetrieb, das Museum Arbeitswelt, ist als unabhängiger Verein organisiert, daneben gibt es eine Reihe an freien Kulturinstitutionen wie das Röda oder das AKKU. Das Kulturbudget ist schwierig zu lesen, da nicht der klassische Budgetierungsansatz verwendet wird. Auffällig ist beispielsweise der vergleichsweise große Anteil des Verwaltungsaufwands. Allerdings werden hier auch Transfers an private Organisationen von 200.000 € ausgewiesen, was normalerweise Förderungen sind.

Langjähriger Trend

Wie habe sich die Kulturbudgets in den letzten 20 Jahren entwickelt? Die in der Grafik erkennbaren Spitzen sind in der Regel mit Sonderinvestitionen wie dem Kulturhauptstadtjahr oder Neubauten und Renovierungen von Kultureinrichtungen begründet. Auch spielen budgetäre Effekte wie Verschiebungen zwischen den Kalenderjahren oder die Umstellung in der Art der kommunalen Buchführung im Jahr 2020 eine Rolle. Während im Fall von Linz in den langjährigen Trends eine gewisse Stabilität erkennbar ist, sieht es in Wels anders aus. Seit 2017 ist ein Absinken des Budgetanteils zu erkennen, das im Kürzungskurs unter FPÖ Bürgermeisters Rabl begründet ist. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Kultur liegen in Linz derzeit bei etwa 212 Euro pro Einwohner*in, in Steyr bei 67 € und in Wels lediglich bei 64 €.

Vergleich Förderbudget

Für die freie Szene ist vor allem relevant, wie hoch der  Anteil der Subventionen am Kulturbudget ist. Denn nur ein Bruchteil der Ausgaben wird in die Förderung von Vereinen und Initiativen investiert. Bei der Stadt Linz sind das derzeit etwa 6%, bei der Stadt Wels 12,6%. Die Stadt Steyr publiziert leider keinen Förderbericht, wodurch hier keine Datenanalyse vorgenommen werden konnte. Die Kapitaltransfers an private Organisationen und Privathaushalte summieren sich im steyrischen Kulturbudget auf 900.000 €, das würde einem Förderanteil von 21% entsprechen.

Wesentlich für die Kulturinitiativen ist am Ende des Tages aber nicht der Anteil des Förderbudgets, sondern die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel. Hier zeigt sich sowohl in Wels als auch in Linz, dass der Wert der Förderung inflationsbedingt seit Jahren stagniert. Die jüngst angekündigte Erhöhung der langjährigen Förderverträge durch die Stadt Linz um durchschnittlich 6%  ist zwar klar zu begrüßen. Bei einer aktuellen Inflationsrate von 5-6% bedeutet das aber, dass die Subventionsmittel am Ende der Förderperiode wieder weniger wert sein werden als zuvor. Gekoppelt mit den explodierenden Energiepreisen stehen besonders Kulturvereine mit eigenen Räumen in den nächsten Jahren vor dramatischen finanziellen Engpässen. Die KUPF OÖ und ihre Mitglieder werden also weiterhin für die Verbesserung der Finanzierung der freien Szene kämpfen müssen.


Quellen und Zahlenmaterial:

Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Städte Wels, Linz, Steyr

offenerhaushalt.at

Förderberichte der Stadt Linz

Daten Grafiken bis 2019 (Kameralistik): Kulturbudgets Kapitel 3, Summe aus ordentlichen und außerordentlichen Budgets.

Zahlenangaben im Text entstammen bei allen drei Städten dem Voranschlag für das Jahr 2022

Daten Grafiken ab 2020 (Doppik): Finanzierungshaushalte. Summe aus Aufwendungen (SU 22/32) und Investiv-Auszahlungen (SU 34), ohne Finanzierungen (SU 36).

Hinweis: Budgetanalysen über längere Zeiträume sind immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, da Verschiebungen zwischen einzelnen Posten, Auslagerungen und andere budgetäre Effekte die Vergleichbarkeit erschweren.

Vom Winde fairpayed

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #181/2022 erschienen.

Die schwarz-grüne Koalition im Bund hat erstmals gerechte Bezahlung für Kulturtätige in ihr Regierungsprogramm aufgenommen. Seither wurde oft beteuert, dass „Fair Pay“ bald umgesetzt sein wird. Doch der Weg ist steinig. Von Thomas Diesenreiter.

Seit bald zwei Jahren fragen sich Verwaltung und Politik: Was ist Fair Pay? Was brauchen wir dafür? Und wie kommen wir dorthin?

Die Antworten darauf sind so komplex wie der Kulturbereich selbst. Denn „Fairness“ ist ein abstraktes Ziel mit vielen Unschärfen. Wenn es dabei um Geld gehtibt, stellen sich Fragen wie: Was ist faire Bezahlung? Was zu viel, zu wenig? Für wen? Was ist – für Arbeitgeber*innen (oder so) – überhaupt leistbar?

Das Kulturministerium unter Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer hat im letzten halben Jahr das Gallup Institut beauftragt herauszufinden, wie hoch der „Fair Pay Gap“ tatsächlich ist. Gefragt wurde, wie viel Österreichs Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen arbeiten, wie viel sie verdienen und wie viel sie eigentlich verdienen sollten. Als Erhebungszeitraum wurden die Sommermonate gewählt, was der Rücklaufquote genau so wenig dienlich war, wie das umständliche zweistufige Erhebungsverfahren.

Das traurige Ergebnis: Von 792 angemeldeten Organisationen und Personen füllten nur 262 den Fragebogen aus. Der Sozialwissenschaftler und Gründer des Linzer Instituts für qualitative Analysen (LIquA) Thomas Philipp dazu: „”Die Ergebnisse sind für den österreichischen Kunst- und Kulturbereich nicht ausreichend aussagekräftig. Die Studienautor*innen schreiben, dass es sich um eine Zufallsstichprobe handle, die keinen Repräsentativitätsanspruch erfüllen könne. Neben dem fehlenden Repräsentativitätsanspruch ist dabei zu bemängeln, dass es sich auch nicht um eine Zufallsstichprobe handelt. Dafür hätte eine Grundgesamtheit an Kunst- und Kultureinrichtungen in Österreich bestimmt werden müssen, aus der dann methodisch angeleitet eine zufällige Auswahl gezogen hätte werde müssen. Stattdessen wurde über verschiedene Wege eine Anmeldung zur Umfrage ermöglicht. Im Klartext: Die Ergebnisse sind für repräsentative Schlussfolgerungen auf den österreichischen Kunst- und Kulturbereich nicht brauchbar.”

Der ursprüngliche Plan, den Fair Pay Gap auch auf einzelne Bundesländer aufzuschlüsseln, musste aufgrund der geringen Rücklaufquote verworfen werden. Das gestehen auch die Autor*innen der Studie selbst ein: „”Wir möchten darauf hinweisen, dass bei Darstellungen in Untergruppen die Basis oft eine sehr geringe ist.” Überhaupt zeigt die Bundesländer-Statistik eine klare Verzerrung. Während aus Wien 45% der Daten stammen, ist etwa Oberösterreich mit 10% deutlich unterrepräsentiert.

Im Ergebnis konstatiert die Studie einen angeblichen Fair Pay Gap von 21%. Diese Zahl ist sachlich nicht haltbar. So identifizierten sich 6% der Teilnehmer*iInnen als GmbHs, deren Personalkosten mit 48% der Gesamtsumme angegeben wurden. Da bei diesen der Fair Pay Gap nur 2% betrug, verzerrte sich alleine dadurch der berechnete Fair Pay Gap massiv. Wer diese GmbHs sind, bleibt unklar. Es steht der Verdacht im Raum, dass es sich hier um Staatsbetriebe handelt. Das würde die gezogenen politischen Schlüsse weiter verfälschen.

Basierend auf dem Wert von 21% hat Staatssekretärin Mayer angekündigt, jenen Teil des Fair Pay Gaps zu schließen, für den ihr Ministerium „zuständig“ ist.. Dafür wurden die in den dem Ministerium „“vorliegenden” Anträgen genannten Personalkosten summiert und ein Betrag von 6,5 Mio € berechnet. Diesen hat das Ministerium nun für Fair Pay gewidmet.

Weil die Ausgangszahlen falsch sind, ist dieser Betrag eine Farce. Die reale Finanzierungslücke wird verschleiert. Auch das gewählte Vorgehen ist der Sache nicht dienlich. Das Ministerium hat die einmalige Chance verpasst, die Bundesländer in die weiteren Schritte einzubeziehen und die zusätzlichen Mittel als Hebel für Anhebungen seitens der Länder zu verwenden. Es steht zu befürchten, dass sich das Kulturministerium nun auf die Position zurückzieht, seinen Teil geleistet zu haben, und das Thema für beendet erklärt. Der Entwurf des ebenfalls angekündigten „Fairness-Codex“ lässt diesbezüglich Übles vermuten. 

Gerade angesichts explodierender Energiepreise, sich beschleunigender Inflation und immer weiter schrumpfender Reallöhne, wäre es Aufgabe der Kulturpolitik, die strukturellen Probleme der Kulturszene Schritt für Schritt zu lösen. Dafür braucht es nicht ein paar Millionen Euro mehr, sondern hunderte. Wenn aufgrund des Kriegs in der Ukraine  das Budget des Bundesheeres um fast 50% erhöht werden kann, so sollte dies auch im Kulturbereich möglich sein. Denn, wie sagte die deutsche Kulturstaatssekretärin Claudia Roth? „”Kulturpolitik ist Sicherheitspolitik.”

Quellen: Bericht „Fair-Pay-Gap in Kunst und Kultur“, Das Österreichische Gallup-Institut GmbH, 2022

Struktur, Macht, Verantwortung

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #180/2021 erschienen.

Sylvia Amann war Teil der Jury, die vor gut zwei Jahren die Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut ausgewählt hat. Wie bewertet die Expertin die aktuelle Lage vor Ort, die Rolle von Bewerbungsbüchern und das Modell Europäische Kulturhauptstadt insgesamt? Thomas Diesenreiter fragt nach.

Hinweis: Am Ende des Beitrages findet sich das ungekürzte Interview als Audioversion.

Thomas Diesenreiter: Seit dem Zuschlag zur Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut hat man dort bis auf diverse Personalwechsel nicht allzu viel vorzuweisen und hinkt dem Zeitplan hinterher. Ist dieser Rückstand noch aufzuholen?

Sylvia Amann: Es gibt keine Kulturhauptstadt, die nicht irgendwann einmal Probleme zu lösen hätte. Das ist bei so einem komplexen Projekt immanent. Tatsächlich scheint es eine strukturelle Herausforderung zu geben: Oft wird das Team aus dem Ausschreibungsverfahren nach erfolgtem Zuschlag von einem Team zur Umsetzung des Vorhabens abgelöst. Mit den damit verbundenen Problemen ist das Salzkammergut nicht allein, auch Bodø in Norwegen erging es zuletzt ähnlich. Meine Überlegung dazu: Wäre es nicht zielführender, die künstlerische Leitung bereits im Ausschreibungsverfahren einzubinden?

Im Bewerbungsbuch wurde ein siebenköpfiges Executive Board als künstlerische Leitung vorgeschlagen – was von der Jury besonders hervorgehoben wurde. Jetzt gibt es mit einer Einzelperson eine klassische künstlerische Leitung. Wie viel ist ein Bewerbungsbuch wert, wenn die Kulturhauptstädte nach dem Zuschlag machen, was sie wollen?

Das Problem liegt in der Struktur der Europäischen Union. Sie ist ein seltsames Konstrukt, eher mit einem Verein als mit einem Nationalstaat vergleichbar. Die EU hat keine Verfassung, und damit nahezu keine Sanktionsmöglichkeiten. Das zeigt sich derzeit auch in anderen Politikfeldern, etwa bei der Rechtsstaatlichkeit.

Bei der Kulturhauptstadt können Probleme zwar angesprochen werden im Sinne von: Ihr wolltet aber ursprünglich etwas Anderes machen. Wenn dann erklärt wird, warum es Abweichungen benötigt, gibt es jedoch keine Handhabe, solange die Umsetzung dem Geist des Bewerbungsbuchs in großen Teilen entspricht.

Und welche Möglichkeiten haben Projektträger*innen, die im Bewerbungsbuch stehen? Die teilweise schon seit drei Jahren unentgeltlich Konzepte entwickelt haben und oft immer noch nicht wissen, ob sie Projekte umsetzen können?

Es gibt leider immer wieder Fälle, in denen die Jury in Bezug auf Streitigkeiten rund um Verträge kontaktiert wird – sowohl aus der Bewerbungsphase als auch in der Umsetzung. Es ist schwer, dazu generell etwas zu sagen, weil ich die konkreten Verträge nicht kenne.

Die Frage zeigt aber, wie Kulturarbeit leider überall – auch abseits der Kulturhauptstadt – funktioniert. Man investiert viel Zeit in Vorarbeiten und Konzepte. Gerade EU-Förderungen sind sehr anspruchsvoll, aber auch auf nationaler und regionaler Ebene steigen die Ansprüche. Konzeptarbeit wird trotzdem praktisch nie finanziert. Auch eine Kulturhauptstadt funktioniert nach dieser Logik.

Ein Beispiel, wie es anders gehen kann, gab es im Rahmen der COVID-19-Hilfsmaßnahmen des Bundes, als explizit Konzepterstellung finanziert wurde. Hier sehe ich eine Chance, aus der Pandemie einen Strukturwandel anzustoßen, damit Projektvorbereitung künftig abgegolten wird. Es gibt also Bewegung in diesem Bereich, wir sind aber sicher noch weit entfernt vom Idealzustand. Und natürlich wäre es spannend, im Rahmen der Kulturhauptstädte nach Modellen zu suchen, die auch regional funktionieren könnten.

Wenn die EU so machtlos ist: Wäre es dann nicht überlegenswert, eine Beteiligung im Aufsichtsrat anzustreben? Die EU stellt immerhin 15%* der Finanzierung, genauso viel wie die 23 beteiligten Gemeinden. Da könnte sie doch zumindest ein Veto-Recht oder die Einhaltung des Bewerbungsbuchs einfordern?

Würde man einen solchen Ansatz umsetzen wollen, müsste man bereit sein, den Kulturhauptstädten deutlich mehr personelle Ressourcen zu widmen. Das gesamte Team der Europäischen Kommission zur Administration aller Europäischen Kulturhauptstädte besteht derzeit aus zwei Personen. Für solche Änderungen müsste man auch den rechtlichen Rahmen für die Europäischen Kulturhauptstädte ändern. Die aktuelle Regelung gilt noch bis 2033, die Kulturhauptstädte 2033 werden aber schon fünf Jahre vorher ausgewählt. Das heißt, bis 2029 muss es eine neue Rechtsgrundlage geben, damit weiter Kulturhauptstädte ernannt werden können. 

In diesem Rahmen sollte es auch um das Thema Mitentscheidung sowie die Trends gehen, die wir jetzt beobachten – etwa, dass immer mehr kleinere Städte und Regionen tätig werden. Das ist unzureichend abgebildet. Dafür braucht es Strategien.

Wird auch die Grundsatzfrage gestellt werden, ob es das Modell Kulturhauptstadt weiterhin geben kann?

Wenn wir diese Frage stellen, sollten wir uns zuerst bewusst sein, dass wir mit der Europäischen Kulturhauptstadt ein weltweit verständliches kulturelles Tool zur Verfügung haben. Wenn man in Asien oder Afrika unterwegs ist, ist damit vergleichsweise einfach zu illustrieren, wie man sich auf EU-Ebene für Kultur engagiert. Die Europäische Kulturhauptstadt stand auch Modell für zahlreiche andere Kulturhauptstadtinitiativen weltweit.

Nach innen muss man tatsächlich ein bisschen genauer überlegen. In den Städten und Regionen, die sich bewerben, ist die Darstellung einer europäischen Dimension nach wie vor eine der größten Herausforderungen. Selbst nach vielen Jahren EU-Mitgliedschaft ist es nicht selbstverständlich, dass Städte oder Kulturakteur*innen in Städten europaweit vernetzt sind; dass sie die europäischen Netzwerke kennen; dass sie sich für Europäische Kulturpolitik engagieren; dass sie sich an Projekten, an Peer-Learning oder an sonstigen Initiativen wie dem Solidarity Corps beteiligen. Das wird bei zukünftigen Überlegungen zu berücksichtigen sein.

* Anmerkung: Die 15% Anteil der EU teilen sich auf eine fixe Zusage von 1,5 Mio € (= 5%), den sogenannten Melina Mercouri Prize sowie 3,0 Mio € auf (=10%), die über diverse EU Förderprogramme zusätzlich eingeworben werden müssen. Der tatsächliche EU Anteil wird erst am Ende bezifferbar sein.

Interview Audioversion

Von wachsenden Kulturbudgets

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #180/2021 erschienen.

Von 3G über Kapazitätsbeschränkungen bis zum Lockdown: Für Kulturvereine waren die vergangenen Monate von ständig wechselnden Regeln geprägt. Als Ausgleich für die damit verbundenen Strapazen gibt es im Jahr 2022 Budgeterhöhungen. Eine Analyse von Thomas Diesenreiter.

Interessenvertretungen wie die KUPF OÖ kämpfen seit Jahrzehnten um eine bessere, gerechtere Finanzierung der Kulturarbeit – besonders für die Freie Szene. Nun hat ausgerechnet die Covid19-Pandemie dazu geführt, dass die staatlichen Investitionen in den Kulturbereich ungeahnte Dimensionen annehmen. Nicht nur die Hilfsmaßnahmen wie Kurzarbeit, NPO Fonds und die zahlreichen Sondertöpfe bringen mehr Geld: Nach Jahrzehnten des Stillstands oder gar Rückgangs bewegen sich auch die Förderbudgets des Bundes und des Landes OÖ endlich wieder nach oben.

Mehr Budget im Bund 

Im Jahr 2020 hat der Bund 447 Mio Euro in die Finanzierung des österreichischen Kunst- und Kultursektors investiert. 80% dieser Gelder sind laut Kunst- und Kulturbericht an öffentliche Einrichtungen und  Großveranstaltungen wie die Salzburger Festspiele gebunden. Das restliche Fünftel, im Jahr 2020 etwa 90 Mio Euro, sind frei verfügbare Mittel. Diese gehen zu etwa 70% an freischaffende Künstler*innen und Kulturvereine, 30% kommen dem Filmbereich zu. Die traditionelle Volkskultur spielt mit 0,1% beim Kulturministerium eine untergeordnete Rolle.

Die frei verfügbaren Mittel hat der Bund bereits im Jahr 2021 um 10 Mio Euro erhöht. Für das Jahr 2022 wurde eine weitere Erhöhung um 10 Mio Euro angekündigt. Das Plus von 20 Mio Euro innerhalb von zwei Jahren bedeutet also eine Gesamtsteigerung von 22% im freien Förderbereich. Das wird ein spürbarer Schub sein und helfen, die Auswirkungen der Pandemie abzufedern. Staatssekretärin Andrea Mayer sieht darin zurecht einen großen Verhandlungserfolg. 

Offen ist aber noch, wie genau die Mittel verteilt werden, denn Transparenz ist beim Kulturministerium nicht besonders groß geschrieben. Der größte Nachholbedarf besteht aus Sicht der KUPF OÖ jedenfalls im drastisch unterfinanzierten Topf für die regionalen Kulturinitiativen, dessen Budget 2021 nur um 700.000 Euro auf nun 5,5 Mio Euro erhöht wurde. Das von der KUPF OÖ geforderte Ziel, das gesamte Kulturbudget auf 1 Milliarde Euro pro Jahr zu erhöhen, ist in weiter Ferne.

Trendwende in Oberösterreich?

Auch das Land Oberösterreich hat eine erfreuliche Überraschung für uns parat: Das Budget für die Freie Szene wird erstmals seit den 2017 umgesetzten drastischen Kürzungen um 10,4% erhöht. In absoluten Zahlen sind das 567.000 € mehr im Bereich der Zeitkultur. Ein wichtiger und notwendiger Schritt, der nach vielen Jahren der Streitigkeiten rund um das Kulturbudget dennoch überraschend kommt. Dass Landeshauptmann und Kulturreferent Thomas Stelzer hier einen neuen Pfad beschreitet, ist einerseits der konsequenten Arbeit der KUPF OÖ zu verdanken; andererseits dürften auch neue Berater*innen in seinem Umfeld wie die neue Kulturdirektorin Margot Nazzal oder der Vorsitzende des Landeskulturbeirats Josef Stockinger eine Rolle gespielt haben. Der Landeskulturbeirat hat kürzlich in einem Empfehlungspapier eine Erhöhung der Förderung der Freien Szene um 20% vorgeschlagen. Der erste Schritt ist 2022 getan, es steht zu hoffen, dass im Folgejahr eine weitere Erhöhung erfolgt. Da 2023 keine Landesausstellung geplant ist, sollte dies budgetär möglich sein.

Durch die Erhöhung wird das Budget für zeitgenössische Kunst und Kultur im Jahr 2022 erstmals wieder das Niveau von 2015 erreichen. Berücksichtigt man die Inflation, so beträgt der Wertverlust seit Anfang des Jahrtausends jedoch immer noch satte 43%. Die KUPF OÖ wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass diese Lücke geschlossen wird – gerade angesichts der aktuell stark steigenden Preisentwicklung.

Das gesamte Kulturbudget des Landes steigt 2022 um 2,2% auf 218 Mio Euro. Da das Landesbudget aber deutlich stärker steigt, erreicht das Kulturbudget mit einem Anteil von 3,0% an den Gesamtausgaben einen neuen Tiefstand. Zu den Verlierer*innen gehören im vorliegenden Voranschlag die Bildungsschlösser, deren Budget sich fast halbiert; die Bruckneruniversität, die um 13% gekürzt wird; und auch die Musiktheater-Holding muss ein Minus von 1,1 Mio Euro einkalkulieren. Das Budget der Landesgartenschau liegt 2022 bei 6,2 Mio Euro. Erstmals enthalten ist auch ein Finanzierungsbeitrag für die Kulturhauptstadt Salzkammergut in Höhe von 2 Mio Euro.

Klar ist, dass zwischen der budgetären Planung (Voranschlag) und Umsetzung (Rechnungsabschluss) oft große Abweichungen liegen. So haben in den vergangenen Jahren die öffentlichen Einrichtungen meist deutlich mehr ausgegeben als geplant, während die frei verfügbaren Mittel oft nicht ausgeschöpft wurden. Angesichts der starken Erhöhung des nächsten Budgets ist nun die Landeskulturdirektion gefordert, dafür zu sorgen, dass das Geld rasch bei den Kulturvereinen und Künstler*innen ankommt.

Von Unterstützungen und Überraschungen

Dieses Interview ist erstmals in der KUPFzeitung #179/2021 erschienen.

Wie kann es nach der Coronakrise im Kulturbereich weitergehen? Über notwendige Budgeterhöhungen, faire Arbeitsbedingungen und eine unabhängige Förderverwaltung spricht KUPF-Geschäftsführer Thomas Diesenreiter mit Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer.

Thomas Diesenreiter: Sie sind die wichtigste Kulturpolitikerin des Landes. Wie ist Ihre Einschätzung: Hat der Kunst- und Kulturbereich die Coronakrise überwunden?

Andrea Mayer: Es war eine sehr schwierige Zeit, besonders natürlich für Künstler*innen und Kulturtätige. Kunst und Kultur hat für Österreich eine große Bedeutung und daher war es klar, dass man so schnell wie möglich Unterstützung geben muss. Wir haben nach und nach oft sehr kurzfristig mit Unterstützungsmaßnahmen reagiert. Es werden natürlich Narben bleiben, aber ich glaube, es ist gelungen, die Vielfalt des österreichischen Kunst- und Kulturlebens zu erhalten.

Im Kunst- und Kulturbericht 2020 wird auf eine Studie zu den Auswirkungen im Kunst- und Kulturbereich verwiesen. Dort sind die entstandenen Schäden mit 1,5 bis 2 Mrd. Euro angegeben. Dem gegenüber stehen Unterstützungsmaßnahmen von 220 Mio. Euro. Wie viel Schaden wird am Ende bestehen bleiben?

Die genannten 220 Mio. Euro sind nur die Hilfen, die im Jahr 2020 zur Verfügung gestellt wurden. Mittlerweile stehen wir im Kunst- und Kulturbereich bei ungefähr 350 Mio. Euro an kulturspezifischen Coronahilfen. Und das unabhängig von Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss, Veranstalter*innenschutzschirm, Comeback-Zuschuss, Mehrwertsteuersenkung und den anderen Unterstützungsleistungen. 100 % aller Schäden kann man nie auffangen, aber ich denke, die Bundesregierung hat klar gemacht, dass sie den Kunst- und Kulturbereich gut ins neue Leben nach der Coronkrise führen möchte.

Österreich liegt laut Eurostat bei den öffentlichen Ausgaben für Kunst und Kultur nur im unteren Mittelfeld der Mitgliedstaaten. Sollten wir angesichts des Werts, welcher der Kunst und Kultur von der Politik stets zugesprochen wird, Stichwort Kulturnation, nicht eigentlich im Spitzenfeld liegen?

Ich werde mich immer dafür einsetzen, dass das Kunst- und Kulturbudget steigt. Das haben kürzlich auch die Landeskulturreferenten auf einer Tagung noch einmal festgelegt. Hier geht es nicht um Wünsche oder abstrakte Prozentzahlen, ich orientiere mich lieber an der Realität und die sagt: Wir haben durch die Erhöhung um 30 Mio. Euro im Jahr 2020 – 10 Mio. davon für die Freie Szene – ein höheres Kulturbudget als je zuvor. Das ist für mich ein Anlass zur Freude und gibt uns kulturpolitische Gestaltungsmöglichkeit.

Diese 30 Mio. Euro decken aber angesichts der Stagnation der letzten 10 Jahre bestenfalls die Inflation ab. Müssten wir das Budget nicht viel stärker erhöhen?

Lassen Sie sich von den nächsten Budgets überraschen, Herr Diesenreiter.

Positiv überraschen?

Ja, nur positiv.

In unseren Mitgliedsvereinen gibt es Geschäftsführer*innen, die für einen Vollzeitjob zwischen 1.300 und 1.600 Euro brutto verdienen. Stichwort Fair Pay: Müsste man hier nicht dringend handeln?

Die Pandemie hat manche Probleme, wie etwa die prekären Arbeitsbedingungen, noch einmal deutlicher werden lassen. Diese wollen wir gemeinsam mit der Kulturbranche in einer großen Kunst- und Kulturstrategie des Bundes diskutieren. Es ist das erste Mal, dass der Bund in der Kulturpolitik einen derart großen partizipativen Prozess startet. Dabei geht es auch um Bezahlung. Wenn ich in einem Förderantrag lese, es bekommt jemand acht Euro in der Stunde, dann kann da etwas nicht stimmen. Fair Pay ist ja seit Jahren ein Thema, aber wir machen jetzt wirklich etwas und haben uns mit den Bundesländern auf einen gemeinsamen Prozess und gemeinsame Maßnahmen verständigt. Ende September werden wir Zwischenbilanz ziehen und erste Maßnahmen präsentieren. Wir können nur zu einer Verbesserung kommen, wenn alle Fördergeber*innen hier an einem Strang ziehen.

In Österreich muss jeder Verein für dasselbe Programm oder Projekt bei Bund, Land und Gemeinde um Förderung ansuchen. Ist das effizient? Wäre es nicht gescheiter, man führt das auf einer Ebene zusammen?

Der Föderalismus in Österreich besagt, dass die Kulturförderung Sache der Bundesländer ist. Der Bund hat sich aber darauf verständigt, dass in bestimmten Bereichen auch die Republik Kulturförderung übernimmt, etwa bei den Bundesinstitutionen und bei Tätigkeiten mit überregionaler Bedeutung. Ich glaube, dass das ein gutes System ist, es bildet die genannte Breite und Vielfalt ab. Ich sehe es zudem nicht als Doppelgleisigkeit, sondern als Ko-Finanzierung.

Könnte nicht eine neue Institution, etwa eine Kulturstiftung, über Förderungen entscheiden? Das würde die inhaltliche Einflussnahme der Politik eindämmen.

Das Kunstfördergesetz des Bundes sieht genau das vor. Nicht Politiker*innen oder hohe Verwaltungsbeamt*innen treffen Entscheidungen. Expert*innen geben in Beiräten und Jurys Empfehlungen ab. Dieses System hat sich gut bewährt.

Seit einigen Jahren können gemeinnützige Vereine unter bestimmten Voraussetzungen den Status der Spendenabsetzbarkeit erreichen. In ganz Österreich gibt es aber nur einen einzigen zeitgenössischen Kunst- und Kulturverein, der diese Möglichkeit in Anspruch nehmen kann. In Deutschland ist dagegen jeder gemeinnützige Verein berechtigt, Spender*innen eine Bestätigung auszustellen. Diese können dann bis zu 10 % ihres Einkommens mit Spenden absetzen. Wäre das nicht auch ein sehr gutes Modell für Österreich?

Andrea Mayer: Unabhängig von dem genannten Modell finde ich es wichtig, zu erleichtern, dass private Gelder für Kunst und Kultur eingesetzt werden. Eine erweiterte, erleichterte Spendenabsetzbarkeit gehört ebenso dazu, wie eine Fülle von anderen Maßnahmen. Das steht im Regierungsprogramm, ich habe es in dieser Legislaturperiode auf meiner Agenda und ich bin mir sicher, dass uns auch hier etwas gelingen wird.