Kulturlandretten: Es geht nicht nur ums Geld

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #165 publiziert.

Nach dem Kulturlandretten ist vor dem Kulturlandretten: Der Kampf um die Zukunft der oberösterreichischen Kulturszene hat gerade erst begonnen.

Anlegen

Es war ein stürmischer Herbst. Die Ankündigung der oberösterreichischen Landesregierung, im Kulturbereich 30 % der freien Fördermittel zu streichen, hat über die Grenzen des Bundeslandes hinaus für Aufsehen gesorgt. Oder besser gesagt: Der Kampf gegen diese Kürzung, maßgeblich von der KUPF in Form der Kampagne «Rettet das Kulturland OÖ» angeführt. Es passiert nicht allzu oft, dass sich Landeshauptleute anderer Bundesländer zu den Vorhaben ihrer KollegInnen äußern. Und so stand auf einmal die nö. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner auf Seite der KUPF und hat ihrerseits Kürzungen im Kulturbereich wie in Oberösterreich klar abgelehnt. Trotz großen Medienechos, Kritik von allen Seiten und mehr als 17.000 Unterschriften der Petition konnte der Kahlschlag im Kulturbudget nicht verhindert werden: Trotz kleinen Zugeständnissen beim runden Tisch wurde das Zahlenwerk unverändert beschlossen. Das gesicherte Wissen darum, dass die Kürzungen ohne die Kampagne wohl noch höher ausgefallen wären, ist zwar schön, aber auch kein Grund zu jubeln.

Absagen

Hat sich der Sturm nun gelegt? Nein. Die Auswirkungen der Kürzungen im Budget werden erst mit den konkreten Förderentscheidungen sichtbar werden. Bisher, Stand Anfang März, wurden aber kaum Anträ- ge bearbeitet. Für Aufsehen sorgt aber die Ankündigung der Beamten, dass die Projektförderung im Bereich der darstellenden Kunst, also Tanz und Theater, zu 100 % eingestellt werden soll. Den entsprechenden Absagen des Landes OÖ folgten prompt auch Förderabsagen des Bundes: Wenn das Land OÖ nicht mitfördert, gibt es eben auch aus Wien kein Geld mehr. Genau davor hat die KUPF im Rahmen der Kampagne eindringlich gewarnt, leider ungehört. Wenn zwei von drei Förderstellen die Förderung beenden, bleiben nur noch die Gemeinden übrig. Dass diese aber ihre Budgets nun verdreifachen, ist unwahrscheinlich. Die genauen Folgen für Oberösterreich sind noch schwer abzuschätzen. Vielleicht werden manche KünstlerInnen irgendwie weitermachen, sich selbst noch mehr ausbeuten. Vielleicht steigen die Kartenpreise fürs Publikum. Vielleicht, und am wahrscheinlichsten aber ist, dass viele schlicht aufgeben werden. Oder in jene Bundesländer ziehen, in denen zeitgenössischer Tanz und Theater mehr Zukunft haben.

Abwarten

Ein weiteres Problem ist die seit letztem Jahr spürbar gestiegene Bearbeitungsdauer der Förderanträge. Mehr als einmal musste die KUPF für ihre Mitglieder und auch für sich selbst intervenieren, damit mehrere Monate offene Förderanträge bearbeitet oder zugesagte Förderungen ausbezahlt werden. Davon waren und sind nicht nur kleine Förderungen betroffen, auch größere Festivals mussten teils bis zu 10 Monate auf Förderzusagen warten. Dass Förderzu- oder -absagen teilweise sogar erst Monate nach den zu fördernden Veranstaltungen eintrudeln, ist schlicht nicht zu akzeptieren: Die Verantwortlichen in den Kulturvereinen müssen so nämlich große, persönliche Risiken und Haftungen eingehen. Durch die Kürzungen im Budget verschärft sich dieses Risiko nochmal: Wo man früher zumindest im Normalfall davon ausgehen konnte, dass Subventionen vermutlich fortgeschrieben wurden, so kommt nun die Gefahr dazu, massiv gekürzt zu werden oder ganz aus der Förderung zu fallen. Die KUPF fordert daher vom Land OÖ eine dringende Überarbeitung der Förderprozesse im Kulturbereich ein. Die Stichworte lauten: Entbürokratisierung, Verkürzung der Bearbeitungsdauer von Anträgen auf maximal acht Wochen, mehrjährige Förderverträge auch für Initiativen aus der Freie Szene.

Ansagen

Es braucht einen grundlegenden Sinneswandel in der Herangehensweise und im Denken des Landes: Kulturvereine, egal ob Freie Szene, Blasmusik oder Volkskulturinitiative sind de facto Dienstleister des Landes Oberösterreichs. Sie sind es, die dem Land OÖ helfen, seinen gesetzlich verankerten Kulturauftrag zu erfüllen:

Das Land Oberösterreich hat die Aufgabe für eine geordnete Gesamtentwicklung des Landes zu sorgen, die den wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung insbesondere auch in Wahrung der Verantwortung für künftige Generationen Rechnung trägt.

Auszug aus dem Landesverfassungsgesetzes, Artikel 9 (1) 1.

Wenn das Land OÖ zur Erfüllung dieses Auftrages die Dienste der Kulturvereine in Anspruch nimmt, muss sie mit diesen auch auf Augenhöhe umgehen. Die Verantwortlichen müssen wegkommen vom Bild des lästigen Subventionssuchers, der froh sein muss, wenn er ein paar Netsch für seine Arbeit bekommt. Kulturarbeit ist Teil einer Grundversorgung der Bevölkerung, einer gesamtgesellschaftlichen Daseinsvorsorge, einer Basisinfrastruktur wie Strom, Wasser und dem öffentlichen Verkehr. Die Erhaltung des breiten Kulturschaffens des Bundeslandes darf nicht das I-Tüpfelchen beim Industrieland sein – die Leistungen der Kulturszene sind auch Teil des Erfolgs des Wirtschaftsstandorts. Wir arbeiten daran, dass auch das Land OÖ und der neue Kulturreferent und Landeshauptmann Thomas Stelzer erkennen, was sie an ihrer Kulturszene haben. Und dass die Rahmenbedingungen im Kulturbereich nach vielen Rückschritten wieder besser werden. Wir wollen Fortschritt, und das jetzt.

Neue Zeit, neue Verteilung

Dieser Beitrag wurde ursprünglich im VÖKK Journal des Verbands österreichischer KunsthistorikerInnen, Ausgabe 01/2018, publiziert.

Seit gut zweieinhalb Jahren regiert im Land ob der Enns eine schwarz-blaue Koalition. Diese hat mit dem laufenden Budget erstmals empfindliche Einschnitte im Kultur- und Sozialbereich vorgenommen. Wohin steuert also ein Land unter schwarz-blau?

Die erste Plakatwelle des neuen oberösterreichischen Landeshauptmanns und Kulturreferenten Thomas Stelzer kündigte im vergangenen April eine “Neue Zeit” an. Und diese ist auch auf Bundesebene gekommen: “Zeit für Neues” lautete der Slogan, mit dem Sebastian Kurz in die Wahlschlacht zog und aus der er als Bundeskanzler hervorging. Was diese neuen Zeiten auf Bundesebene bedeuten, lässt sich aus dem Regierungsprogramm und ersten Reformvorschlägen erahnen. In Oberösterreich hingegen sind die neuen Zeiten schon Realität. Und bedeuten derzeit vor allem: Umverteilung. Dafür muss zuerst gekürzt, eingespart und gestrichen werden. Und zwar besonders bei den Familien (Nachmittagsbetreuung im Kindergarten, Mindestsicherung), Frauen (Beratungsstellen), MigrantInnen und Geflüchteten (Kürzung der Mindestsicherung, Streichung von Beratungsleistungen), BettlerInnen (Streichung der Winternotversorgung), Sozialleistungen und nicht zuletzt bei der Kultur.

Nutznießer – und auch Auslöser – der Umverteilungspolitik sind Wirtschaft und Industrie. Sie haben jahrelang für radikale Kürzungen im Kulturbereich lobbyiert und werden nun für ihre Mühen belohnt. Mit neuen Förderprogrammen für Skipisten, subventionierten Internetanschlüssen für Großkonzerne oder Anschaffungsprogrammen für Sicherheitssysteme. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Budgets wurden die Kürzungen im Kultur- und Sozialbudget auch konkret damit begründet, dass man nur so in die Zukunft des Bundeslandes investieren könne. Gehört Oberösterreichs Kultur nun der Vergangenheit an?

Die konkreten Änderungen der wichtigsten Budgetansätze im heurigen Budget der Landesregierung zeigen jedenfalls ein dramatisches Bild im Bereich der zeitgenössischen Kunst und Kultur: Musik -33%, Bildende Kunst -31%, Literatur -34%, Kunstpflege -20%, Filmförderung -28%, regionale Kulturinitiativen -10%. Auch die Volkskultur und die Blasmusik wurden um 28% gekürzt. Am wenigsten müssen die großen Institutionen zum Kürzungskurs des Landes beitragen: Sie erhalten meist nur zwischen 3% und 6% weniger. Und das Landesmusikschulwerk und die Landesausstellungen dürfen sich sogar über ein Plus von 1,5 Mio. € und 0,9 Mio. € freuen. Von der neuen Kulturpolitik sind also primär jene tausenden ehrenamtlichen Vereine und EinzelkünstlerInnen betroffen, die die Basis des Kulturland OÖ bilden. Solche radikalen Einschnitte gab es im Kultursektor zuletzt Anfang der 80er Jahre, der erfolgte Aufschrei war daher enorm. Mehr als 17.000 Menschen haben innerhalb weniger Wochen die Petition „Rettet das Kulturland OÖ!“ der Kulturplattform Oberösterreich gegen diesen Kulturkahlschlag unterschrieben – angesichts der knappen Ressourcen der Kulturszene ein Achtungserfolg. Genutzt hat es aber wenig: Kleineren Zugeständnissen zum Trotz wurde das Budget unverändert beschlossen, weitere Nachverhandlungen sind am laufen, runde Tische mit den Interessenvertretern fixiert.

Eine Datenanalyse der KUPF OÖ zeigt, dass mit dem vorliegenden Budget die Förderungen für zeitgenössische Kultur seit Beginn des Jahrtausends bereits ein Minus von 66% verzeichnen. Wie sich diese jüngste Kürzungswelle im Kulturbereich konkret auswirken wird, ist derzeit aber noch offen. Es wurden bisher schlicht kaum Förderanträge abgearbeitet, da sich auch die Bearbeitungszeit neuer Förderanträge massiv verlängert hat. Konnte man früher mit Antworten nach etwa 2-3 Monaten rechnen, hat sich die Bearbeitungsdauer wegen neuer interner Abläufe nun teils auf 6-12 Monate erhöht. Manche Förderanträge für Jahresprogramme großer Kulturinstitutionen der freien Szene wurden letztes Jahr erst im September bearbeitet. Selbst führende Festivals und Aushängeschilder des Kulturlands mussten ihre Veranstaltungen ohne klare Förderzusagen bestreiten. Die Folge: Eine massive Belastung der ehrenamtlichen Vereinsvorstände, die so nun auch noch das finanzielle Haftungsrisiko für ihr kulturelles Engagement tragen müssen. Wertschätzung sieht anders aus.

Auf Bundesebene ist Kulturpolitik bei der neuen Bundesregierung bisher kaum ein Thema gewesen. Die Ansage, Förderungen kürzen zu wollen, war allerdings ein fixer Bestandteil seiner Wahlreden. Im Wahlprogramm der ÖVP fand sich ein Bekenntnis zu Österreich als Kulturland und der öffentlichen Kulturfinanzierung. Den regionalen Initiativen wurden “flexiblere Förderinstrumente, die unbürokratisch unterstützen und eine schnellere Abwicklungen als heute ermöglichen” versprochen. Sieht man sich das neue Regierungsprogramm an, findet sich davon wenig. In der Förderpolitik will man „weg vom Gießkannenprinzip“ und „alle Förderungen ab 100.000 € evaluieren“. Auch diese Formulierung lädt zur Spekulation ein: Nur noch Spitzenförderung statt Breitenförderung?

Diesen Entwicklungen wird die KUPF weiterhin vehement entgegentreten. Die gesellschaftliche Relevanz von Kunst und Kultur wird und muss weiter ansteigen, die kulturelle Vielfalt des Landes muss erhalten werden. Die KUPF arbeitet daran, dass auch das Land OÖ und der neue Kulturreferent und Landeshauptmann Thomas Stelzer erkennen, was sie an ihrer Kulturszene haben. Und dass die Rahmenbedingungen im Kulturbereich nach Jahren des Rückschritts nun endlich wieder besser werden müssen. Es braucht Fortschritt, und das jetzt.

Wer die KUPF bei ihrem Engagement unterstützen will, kann dies entweder über eine einmalige Spende, oder besser noch, über ein Abo der KUPFzeitung tun. Mehr dazu unter www.kupf.at

Warum, Herr Stelzer?

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #164 publiziert.

Politik funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Es gibt den öffentlichen Diskurs und es gibt Hinterzimmergespräche. Es gibt den Fachdiskurs, es gibt die Sicht der BeamtInnen, es gibt Gerüchte, Vermutungen und Erwartungen. Wer, wie die KUPF, auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen will, muss aus diesen vielen Ebenen herauslesen können, wohin die Reise geht. Nach dem letzten Jahr haben wir aber mehr offene Fragen, als uns lieb ist.

Egal, mit wem wir in den letzten Monaten gesprochen haben: Warum der neue Landeshauptmann und Kulturreferent einen Kahlschlag in Oberösterreichs Kulturwirtschaft vorantreibt, darauf hat niemand so recht eine Antwort. Während andere Landeshauptleute ihr Image mit Kunst und Kultur aufpolieren, beschädigt sich der neue Landeshauptmann mit dieser Kürzungsstrategie öffentlich selbst. Diejenigen, die am lautesten applaudieren, sind die rechten Regierungspartner in Form der FPÖ. Diese können sich entspannt zurücklehnen, während sich Stelzer die Finger dreckig und jener Szene den Garaus macht, aus deren Richtung die FPÖ den größten Widerstand spürt. In Kärnten haben die Freiheitlichen damals diese Drecksarbeit noch selbst machen müssen.

Ob es auch bei Stelzer eine Frage eines anderen Kulturbegriffs ist? Eher nicht. Rund um Presseauftritte beim Festival der Regionen oder auch im Kennenlerngespräch mit der KUPF hatten wir den Eindruck, dass seine Sympathien eher bei einem progressiven Kulturbegriff liegen. Unser Gespräch war so lange einvernehmlich, bis es um die Finanzen ging. Als wir, mit guten Argumenten und Zahlen unterfüttert, eine dringend notwendige Erhöhung der Förderungen forderten, war die Antwort des Finanz- und Kulturreferenten deutlich: Mehr gibt es sicher nicht, im besten Fall wird es nicht weniger.

Dieser beste Fall ist nun anscheinend nicht eingetreten. Im Gegenteil: Im Budgetentwurf 2018 ist nun die größte Kürzungswelle, seit die KUPF Aufzeichnungen führt, geplant. Und sie trifft vor allem den Förderbereich, und das in allen Sektoren. Von der Volkskultur bis zu den zeitgenössischen Kulturinitiativen, von der Blasmusik bis zu den EinzelkünstlerInnen – in Summe werden bei den Förderungen, vulgo Ermessensausgaben, 30 % gekürzt. Wohl schon Dank der #kulturlandretten Initiative der KUPF wird der Sektor der zeitgenössischen Kunst und Kultur «nur» um 18,4 % gekürzt. Bei den öffentlichen Einrichtungen ist das Bild diverser: Während auch das Landestheater oder die Bruckneruni Federn im einstelligen Prozentbereich lassen müssen, können sich das Landesmusikschulwerk und die Landesausstellung wieder über ein Plus freuen. In Summe bleibt ein Minus von 0,9 % bei den öffentlichen Einrichtungen übrig. Wie unsere Datenanalyse zeigt, liegt mit diesem Budgetentwurf der Wertverlust der zeitgenössischen Kulturförderung des Landes seit 2001 bei unvorstellbaren 68 %.

Was uns hier wichtig ist, zu betonen: Es geht nicht um das Ausspielen eines Teils der Kulturszene gegen einen anderen. Die großen Häuser haben ihren Platz, ihre Aufgaben und spielen auch als AuftraggeberInnen vor allem für die KünstlerInnen eine wichtige Rolle. Wie der Linzer Stadtkulturbeirat in einer Stellungnahme richtig geschrieben hat, müssen wir in der Kulturpolitik weg von der Kürzungsdiskussion kommen, hin zur Frage, wie wir kulturelle Angebote weiterentwickeln und verbessern können. Wie aber der neue Kulturreferent zu dieser Frage steht, ist uns ein Rätsel.

Herr Landeshauptmann, gestatten Sie daher ein paar Fragen: Wohin wollen Sie Oberösterreich kulturell führen? Ist es eine bewusste Entscheidung, die gemeinnützigen Kulturvereine im Stich zu lassen? Ist das Zeitalter der professionellen Kulturarbeit hierzulande wieder vorüber, wollen Sie abseits der großen Häuser nur noch Laientheater und ehrenamtliche Kulturarbeit in Oberösterreich? Reicht es, wenn sich nur noch in den großen Städten professionelle Kulturbetriebe halten können und der ländliche Raum kulturell verdunkelt? Warum verteilen Sie als Kulturreferent Gelder aus dem Kulturbereich in die Wirtschaftsförderung um? Warum wollen Sie Arbeitsplätze im Kulturbereich abbauen, warum sind diese weniger wert als Jobs im Straßenbau oder in der Breitbandindustrie?

Herr Landeshauptmann, ich glaube, Sie haben einfach die falschen BeraterInnen. ExpertInnen für Private Banking sind vielleicht bestens mit den Anliegen der Reichen und Reichsten vertraut. Von Volkswirtschaft oder Kulturpolitik haben sie aber wohl wenig Ahnung, wie diese fatalen politischen Entscheidungen zeigen. Herr Kulturreferent Stelzer, warum hören Sie nicht mal auf uns KulturexpertInnen? Und tun das Richtige für die Zukunft unseres Bundeslandes: Retten Sie mit uns das Kulturland Oberösterreich.