Warum das Brucknerhaus neu gedacht werden muss

Was mich im Kulturbereich immer wieder verwundert, ist, warum in den großen Häusern noch viel zu oft die Leitung Menschen in die Hand gegeben wird, die man als Blender bezeichnen kann. Hans Joachim Frey, derzeit Chef der LIVA und des Brucknerhauses, kann man auch zu diesen zählen. Seine letztes Engagements in Deutschland im Bremer Theater endete als teures Desaster.  Er hinterließ der Stadt einen Schuldenberg von mehr als 4,3 Millionen €, bei einem Budget von 26 Millionen eine beachtliche Summe. Der Bremer Bürgermeister hat die deswegen erfolgte Prüfung der Amtszeit von Frey so zusammengefasst: „Es gab Mängel im Controlling, kein Risikomanagement, das Bestellwesen war nicht organisiert, gegen Beschlüsse des Aufsichtrats wurde verstoßen. In Summa: Es gab keine geordnete Geschäftsführung.“

Nichtsdestotrotz holte ihn die Stadtpolitik nach Linz. Kritische Stimmen wurden ignoriert, zu groß waren die Versprechen, die er der Stadt präsentierte. Es ging darum, dem Musiktheater des Landes OÖ Paroli zu bieten, denn die öffentlichen Kulturinstitutionen wurden ein weiterer Austragungsort der Konkurrenz zwischen der roten Stadt und dem schwarzen Land. HJ Frey hat anfangs das Blaue vom Himmel versprochen, eine Neuerfindung Bruckners, den Ausbau der traditionellen Schienen und viele, viele tolle Neuerungen. Dafür hat ihm die Stadt anfangs auch zusätzliche Geldmittel zugesprochen und ihm ein stolzes Jahr Einarbeitungszeit parallel zu seinem Vorgänger Wolfgang Winkler gewährt.

Foto: Ars Electronica: CC BY NC https://www.flickr.com/photos/arselectronica/7920636722/

Foto: Ars Electronica: CC BY NC https://www.flickr.com/photos/arselectronica/7920636722/

Wenige Jahre später sieht das Ergebnis ernüchternd aus: Das Linzer Kontrollamt hat einen vernichtenden Bericht zum Brucknerhaus vorgelegt. Die Auslastungszahlen sind weiter abgestürzt, das Management ist mangelhaft, die unzähligen Nebentätigkeiten Freys in Russland seien vertraglich nicht gedeckt. Die Positionierung am Veranstaltungsmarkt funktioniere offensichtlich nicht mehr, die Einnahmen sind gesunken, die Ausgaben gestiegen. Die Rücklagen der LIVA in Höhe von 2,8 Millionen € wurden unter Frey in wenigen Jahren (in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat) komplett aufgezehrt. Neben dem Koloss Musiktheater, mit riesigen Summen aus dem Kulturbudget des Landes bedacht, kann das kleine Brucknerhaus nicht bestehen.

Es ist gut, dass Frey nun den Platz räumt. Bevor der oder die Nächste mit dem Versprechen antritt, den ungleichen Kampf gegen das Musiktheater aufzunehmen, sollten wir nun aber die Chance nutzen, über eine Neuausrichtung des Brucknerhauses zu sprechen. Der Kampf gegen das Musiktheater und das Land OÖ ist aussichtslos. Es fehlen schlicht die KulturkonsumentInnen, um beide hochkultur- und bürgerlich orientierten Häuser auf Dauer mit den vorhandenen Resourcen auszulasten.

Was soll Linz nun also tun?

Linz war immer stark, wenn es sich auf progressive Kunst und Kultur stürzte. Die Ars Electronica, die freie Szene und die Kunstuniversität waren und sind die maßgeblichen Impulsgeber der kulturellen Entwicklung der Stadt. Die Stadt könnte Mut fassen, dem Land OÖ das bürgerliche, traditionelle Kulturfeld und die klassische Musik überlassen und sich auf ihre Stärken besinnen. Es steht nirgends geschrieben, dass das Brucknerhaus nicht auch für andere Nutzungen taugt. Die junge Kunst- und Kulturszene könnte in diesem Haus eine riesige Experimentierfläche vorfinden, andere Musikarten aus dem Clubbereich (oder gar selbst ein Club) könnten in dem Haus Platz finden. Das dies funktionieren kann, beweist im Übrigen Jahr für Jahr das Ars Electronica Festival. Auch  Ausstellungsflächen könnten im Brucknerhaus Platz finden, gemeinsam mit Ateliers und Produktionsflächen. Das Brucknerhaus verfügt derzeit über ein nicht kleines Budget, mit dem man im progressiven Kunst- und Kulturbereich einen großen Schritt nach vorne machen könnte. Nebenbei könnte man wohl locker das Salzamt geöffnet lassen, wenn man ein paar Prozent bei den Ausgaben einspart

Linz als urbane, progressive Kulturstadt zu positionieren wäre ein klügerer Anspruch, als der aussichtslose Versuch, den bürgerlichen Kulturbegriff zu imitieren. Das Brucknerhaus hat abgesehen von der Klangwolke nie erfolgreich die Bevölkerung in ihrer Breite ansprechen können. Besonders Junge und MigrantInnen waren selten gesehen Gäste, auch das aus sozialdemokratischer Sicht wichtige ArbeiterInnenmilieu konnte nicht gelockt werden. Wichtig ist festzuhalten, dass das derzeitige Konzept des Brucknerhauses als Ganzes offensichtlich gescheitert ist. Dies liegt nicht nur an der Person des Hans Joachim Frey, seine kurze Amtszeit hat dieses Scheitern aber greifbar gemacht.

Freys Abgang öffnet nun die Chance, eine zukunftsgewandte Ausrichtung des Brucknerhauses und der Stadt Linz als Ganzes zu diskutieren. Bleibt nur zu hoffen, dass die Linzer Stadtpolitik beginnt, sich wieder für einen offenen, kulturpolitischen Diskurs zu interessieren. Denn derzeit muss man leider attestieren, dass dieser inexistent ist, Stichwort LinzFest, Salzamt, Medienwerkstatt und die fortwährende Ignoranz des eigenen Kulturentwicklungsplan und des selbstgeschaffenen Stadtkulturbeirats. Sowohl die ÖVP, die den Kulturreferenten stellt, als auch die SPÖ, die Linz als Stadt der Innovation positionieren möchte, würden gut daran tun, den Austausch mit den ExpertInnen der lokalen Kulturszene zu suchen und sich Zeit zu nehmen, ohne Tabus neue Ideen für das Brucknerhaus zu entwickeln.

PS: Frey geht übrigens wenig überraschend nach Russland. Dort wird er für ein „Premiumpublikum“ auf dem Olympiagelände das „größte Kulturzentrum Russlands, wenn nicht sogar Europas“ aufbauen. Gleich 6-7 Festivals in Größe der Salzburger Festspiele soll es geben. Ihm wurde gesagt „wovon man immer träumt: Mach dir erst mal keine Gedanken um Geld und Budget„. Dass Frey dafür sorgte, dass dem jetztigen Auftraggeber Putin 2009 der Dresdner St. Georgs Ordens des SemperOpernballs für den „Kampf für das Gute“ verliehen wurde, hat sich also wohl ausgezahlt.

Rettet das Salzamt!

Die Stadt Linz überlegt, das Atelierhaus Salzamt zu schließen. Ich halte das aus den folgenden Gründen für eine sehr schlechte Idee:

  1. Das Salzamt ist eine der wenigen öffentlichen Kultureinrichtungen in Linz, die zielgerichtet jungen KünstlerInnen die Chance gibt zu arbeiten und sich zu präsentieren. Viele der NutzerInnen sind AbsolventInnen der Kunstuniversität, die nach dem Abschluss im Salzamt in die professionelle Kunstwelt starten konnten.
  2. Mit seinen internationalen Austauschprogrammen eröffnet das Salzamt die lokale Kunst- und Kulturszene internationale Netzwerke. Diese Internationalität ist etwas, die von der Szene übrigens auch immer wieder gefordert wird.
  3. Die Schließung des Salzamts steht in krassem Widerspruch zum Linzer Kulturentwicklungsplan, der erst vor wenigen Jahren beschlossen wurde. Darin wird dem Salzamt an vielen Stellen eine strategische Rolle für die Umsetzung zugesprochen. Wie sollen die Vorhaben im Kulturentwicklungsplan dann umgesetzt werden? Entweder werden sie ganz fallen gelassen, oder die Projekte werden woanders umgesetzt, nur wäre dann ja wieder kein Spareffekt gegeben.
  4. Die Stadt Linz ist seit kurzem City of Media Arts, und das Salzamt ist eines der wenigen öffentlichen Institutionen, die sich mit Medienkunst beschäftigte. Es ist ja eh schön, dass wir die Valie Export mit dem Vorlassankauf ehren – aber wo sollen denn bitte die Valie Exports von morgen herkommen, wenn man die kulturelle Infrastruktur aufgibt?
    Salzamt. Foto CreArt. Red de Ciudades por la Creación Artística
  5. Man wirft damit sorglos ein jahrelang mühsam aufgebautes Projekt mit gutem Image weg. Holger Jagersberger und sein Team haben hier über viele Jahre sehr gute Arbeit geleistet, die auch im aktuellen Diskurs leider wenig Würdigung findet.
  6. Das Salzamt hat besonders auch Frauen ermöglicht, ihre künstlerische Karriere voranzubringen. Darauf hat die Stadt Linz im KEP stolz verwiesen – zu recht. Das ist in dem noch immer oft männderdominierten Feld ein wichtiger Faktor, der nicht vergessen werden sollte.
  7. Es wäre eine Geldverschwendung. Die Stadt Linz hat das Gebäude im Jahr 2005 für 650.000 € gekauft und dann bis 2009 für 4.000.000 € generalsaniert und für die jetztige Nutzung ausgestattet. Diese Investitionen nach so kurzer Zeit wieder aufzugeben ist ökonomisch fragwürdig.
  8. Der Zuschussbedarf des Salzamts liegt bei derzeit etwa 240.000 € pro Jahr, davon gehen aber auch nochmal 70.000 € als Miete an die stadteigene ILG. Es geht also um ein Einsparpotential von 170.000 € pro Jahr. Zur Erinnerung: Die Stadtwache Linz kostet uns heuer 1.400.000 € (Strafzettel und Miete könnte man noch gegenrechnen).

Fazit: Liebe Politik, bitte schließt das Salzamt nicht. Bitte reißt keine schwere Lücke in die eh schon angeschlagene Kulturstadt Linz.

PS: Die Schließung von Bibliotheken am Stadtrand halte ich aus bildungspolitischer Sicht übrigens für einen genauso großen Fehler.

salzamt-eroeffnung-geheime-dimension

Ergänzung: Mittlerweile hat sich ein breites Spektrum der Gesellschaft gegen die Schließung des Salzamts ausgesprochen. Eine Übersicht dazu findet ihr auf der Website der KUPF OÖ.

Offener Brief: Rücktritt als Vorsitzender des Stadtkulturbeirats aus Protest gegen die Einführung des sektoralen Bettelverbots

Ich habe heute meine Position als Vorsitzender des Linzer Stadtkulturbeirats zurückgelegt und dazu folgenden Brief an die Mitglieder des Linzer Gemeinderats geschickt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

aus Protest gegen die anhaltende Verfolgung und Kriminalisierung von BettlerInnen und Armutsbetroffenen durch die Stadt Linz und Teilen der politischen Parteien lege ich hiermit die ehrenamtliche Position des Vorsitzenden des Linzer Stadtkulturbeirats zurück.

Ich kann es nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, mich für eine Stadt zu engagieren, die zwar davon spricht, sich kulturell und gesellschaftlich zu öffnen, aber gleichzeitig gezielt einzelne Menschengruppen ausschließt und verfolgt.

Linz hat sich in den vergangenen Jahrzehnten darum bemüht, eine liberale und offene Stadt zu werden, die mutig nach vorne blickt. Diesen erfolgreichen Pfad hat das offizielle Linz in den letzten beiden Jahren verlassen, mit einer erschreckenden Geschwindigkeit und Entschlossenheit. Aus Angst vor einem Erstarken rechter Politik haben die beiden ehemaligen Volksparteien SPÖ und ÖVP selbst einen Rechtskurs eingeschlagen und in Folge ihre eigenen Prinzipien und Wertevorstellungen aufgegeben. Die Verfolgung der in Linz lebenden Notreisenden ist nur eine Komponente von vielen, aber sie ist das augenscheinlichste Beispiel für jene unsoziale Politik der ehemaligen Sozialstadt Linz, gegen die ich protestiere. Statt soziale Antworten auf ein soziales Problem zu suchen, wird nun mit Sicherheitskräften und Verboten eine Law&Order Politik verfolgt, die Probleme nicht löst, sondern nur verlagern wird. Diese Verdrängungspolitik wird bloß zu räumlichen Verlagerungseffekten in die Nebenstraßen und zu Verlagerungseffekten im Verhalten führen, die aus Verzweiflung zu mehr Kriminalität oder Prostitution führen können.

Ich appelliere nochmals an alle Mitglieder des Gemeinderats, morgen gegen die weitere Verschärfung der Bettelverbote und das sektorale Bettelverbot zu stimmen. Suchen wir lieber gemeinsam echte Lösungen, statt weiter die Menschen in Linz gegeneinander aufzustacheln. Es ist die Aufgabe der Politik, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die derzeitige Richtung führt aber nur zu einer tieferen Spaltung der Menschen, zu einem Einteilen in Gut und Böse, zu Trennung statt zu Zusammenhalt. Wohin das Ausspielen von verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander führen kann, müssen wir in Österreich besonders wissen. Die derzeitige Politik der Ausgrenzung und Vertreibung insbesondere der Volksgruppe der Roma erinnert an ein dunkles Kapitel unserer Geschichte. Die selbe Stadt, die sich in den letzten Jahrzehnten durchaus engagiert um die Aufarbeitung ihrer Rolle in der NS-Zeit bemüht hat, führt nun das erste Mal seit 1939 wieder systematisch eine „Zigeunerliste“ – heute nennen wir sie Bettlerdatenbank. Es sind die selben Vorurteile, die heute wie damals zu der Verfolgung der Roma führten: Die pauschale Unterstellung von Kriminalität und Asozialität. Die Rechtsgrundlage für den „Festsetzungserlass“ des Deutschen Reiches war der „Erlass zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“. Die Tragweite dieses Erlasses war eine viel drastischere, aber der Mechanismus ist der selbe: Die pauschale Kriminalisierung einer Menschengruppe und ihres Verhaltens. Während in der Mehrheitsbevölkerung der Zusammenhalt innerhalb der Familie propagiert wird, nennen wir den selben Zusammenhalt bei Roma-Familien eine „organisierte Bettelbande“ und „Bettelmafia“. Diese Hetze wird durch die Stadt sowohl in ihrer Pressearbeit verbreitet, als auch auf der stadteigenen Plattform Schau.auf.Linz toleriert oder gar unterstützt.

Der so durch Politik und Medien geschürte Hass auf BettlerInnen führte in den letzten Monaten zu drei Brandanschlägen auf ihre bescheidenen Zeltlager. Statt zu helfen hat die Stadt Linz wenige Wochen später, bewusst als Pressetermin inszeniert, auch das vierte Zeltlager mit Unterstützung der Polizei geräumt. Dass der mehrfache Verlust ihres Hab und Guts zu mehr Verzweiflung und teilweise aufdringlicherem Verhalten geführt hat, wird nun zynischerweise als Rechtfertigung für das sektorale Bettelverbot gesehen. Es ist eine empathielose Politik, die sich weigert, sich auch nur für einen Moment in die Position jener Menschen zu versetzen, die am Rande der Stadt im Freien schlafen und ihre Kinder in Brunnen und der Donau waschen müssen. Es ist eine empathielose Politik, die sich weigert, Kinder von BettlerInnen in Kindergärten und Schulen aufzunehmen, und gleichzeitig den BettlerInnen vorwirft, dass sie daher ihre Kinder beim Betteln mitnehmen. Es ist eine empathielose Politik, die gleichzeitig keine legalen Nächtigungsmöglichkeiten ermöglicht und den BettlerInnen dann illegales Campieren vorwirft.

Wir müssen endlich der Tatsache ins Auge blicken, dass steigende Armut sowohl in Österreich als auch in Europa etwas reales ist, das nicht durch Verbote abgeschafft werden kann. Ich erwarte mir von der Politik eine langfristige Strategie, die die soziale Frage und die Frage nach Verteilungsgerechtigkeit in den Vordergrund stellt. Ich erwarte mir von der Politik eine Enscheidungsfindung basierend auf Fakten statt auf Vorverurteilungen des Boulevards und Stimmungsbildern einer aufgehetzten Bevölkerung. Ich erwarte mir besonders von ÖVP und SPÖ ein entschiedenes Entgegentreten gegen Rechtsextremismus statt der reflektionslosen Übernahme rechter Positionen.

Ich danke meinen langjährigen KollegInnen im SKB, der LinzKultur und den Mitgliedern des Kulturausschusses für die gute und produktive Zusammenarbeit der letzten Jahre und verspreche, mich auch weiterhin für die kulturelle Szene der Stadt Linz zu engagieren. Aber es ist mir wichtiger, heute ein deutliches Zeichen gegen die Verfolgung der Armen zu setzen, als ein ehrenwertes Amt zu bekleiden.

Mit den besten Grüßen,
Thomas Diesenreiter

Thomas Diesenreiter - Foto Jürgen Grünwald 1

Foto: Jürgen Grünwald

Und jetzt, Herr Fuchs?

Vor drei Wochen habe ich den ehemaligen stellvertretenden Intendanten der europäischen Kulturhauptstadt Linz09 getroffen, den Kulturmanager Ulrich Fuchs. Die KUPF Oberösterreich hat mich gebeten, mich mit ihm für die aktuelle Ausgabe der KUPF Zeitung über die oberösterreichische Kulturlandschaft zu unterhalten. Es war ein, wie ich meine, recht interessantes und anregendes Gespräch. Weiter unten finden sie gekürzte und komprimierte Textversion der KUPF Zeitung, das Gespräch ist in voller Länge auch im CBA zu hören:

D: Im Verhältnis zwischen Land OÖ und Stadt Linz hatte man in den letzten Jahren den Eindruck, dass es zwischen den Beiden eher um einen Wettbewerb als um Kooperation geht.

F: Wenn ich an den Ausgangspunkt zurückgehe, als Martin Heller und ich 2005 nach Linz kamen, haben wir nach relativ kurzer Zeit begriffen, dass es einen politischen Wettbewerb gibt zwischen Stadt und Land auf vielen Feldern, auch in der Kulturpolitik. Ich finde überhaupt, dass Österreich durch die Konkurrenz von Rot-Schwarz geprägt ist, weitaus mehr als ich das aus Deutschland kannte. Das sage ich jetzt nicht belehrend, es ist einfach eine Feststellung. Was ich in Österreich gelernt habe, war, dass es einen roten und einen schwarzen Kindergarten gibt, das gibt es in Deutschland nicht. Die sozialdemokratischen Kulturpolitiker und ihre schwarzen Pendants haben ein anderes Verhältnis, also ein konkurrenzhafteres und abgrenzenderes. Für einen Kulturkonsumenten ist es aber beispielsweise völlig egal, ob das Brucknerhaus von der Stadt oder vom Land betrieben wird.

Da die Kulturhauptstadt aber ein Auftrag war, der von den drei Gebietskörperschaften (Bund, Land und Stadt) erteilt wurde, war für uns ziemlich schnell klar, falls es da Gegensätze gibt, dass man die schnell überwinden muss. Ich glaube, es ist uns dann auch über den Aufsichtsrat und über die Zusammenarbeit von beiden Seiten gelungen, dass da gewisse Grenzen aufgeweicht wurden.

KUPFzeitung152_2014_titelseite

D: Stichwort Brucknerhaus und Musikthteater: Gibt es aus einer kulturpolitischen Perspektive einen Bedarf für zwei solche Häuser mit relativ ähnlichem Publikum?

Es war schon von vornherein klar, dass es mit dem Musiktheater nicht einfach sein würde, den richtigen Umgang in Bezug auf das Brucknerhaus zu finden. Die optimale Kooperation zwischen beiden Häusern scheint mir auch bis heute noch nicht gefunden. Das Brucknerfest gleichzeitig mit dem Auftakt zur Spielzeiteröffnung des Musiktheaters und des Landestheaters – das ist eine ungute Konkurrenz.

Man muss bei der Größe beider Einrichtungen sicherlich über die Einwohnerzahl von Linz hinaus denken. Um nur das hiesige Publikum zu bedienen, wären zwei solche großen „Schlachtschiffe“ sicherlich überfordert. Der Einzugskreis muss nach meiner Einschätzung weit über Linz hinausgehen, auch weit über das Bundesland hinaus. Ob das bisher gelungen ist, weiß ich nicht. Linz ist eine untypische Stadt, wenn man an europäische Kultur denkt, so wenig mit dieser bildungsbürgerlichen Tradition behaftet. Für das Brucknerhaus und das Musiktheater müsste das meiner Meinung nach heißen, Formate und auch eine ästhetische Linie zu finden, die so besonders sind, dass man sagt, das bekomme ich in Salzburg nicht, sondern nur in Linz.

Als positives Beispiel möchte ich die Museen in Linz anführen, die sehr gut über die „Grenzen“ von Stadt und Land hinweg zusammenzuarbeiten. Ich glaube auch, dass bei der freien Szene ein Stadt-Land Denken nicht so ausgeprägt ist.
D: Der zweite große kulturpolitische Schwerpunkt des Landes ist neben dem Musiktheater das Landesmusikschulwerk. Ist das deiner Meinung nach eine sinnvolle Investition?

F: Dieses Landesmusikschulwerk ist etwas absolut Einzigartiges in Europa. Ruhr 2010 hat mit dem Slogan geworben: „Jedem Kind ein Instrument“. Da hab ich damals zu den Kollegen in Essen gesagt, dass das in OÖ längst der Fall ist. Vergleichsweise in Europa ist das ein einzigartiger Schatz an frühkindlicher und früh-musikalischer Erziehung, der da aufgebaut wurde. Ich weiß, dass das Landesmusikschulwerk 40 Prozent des Budgets des Landes für Kultur beansprucht. Meiner Ansicht wird das konservativ regierte Land OÖ der sozialdemokratischen Idee von „Kultur für alle“ damit mehr als gerecht – und das auf einem sehr hohen Niveau.

In den Verteilungskämpfen um ein Kulturbudget kann ich nachvollziehen, wenn diejenigen, die nicht aus dem Bereich der musikalischen Pädagogik kommen, sagen, dass ihnen eine andere Verteilung lieber wäre. Aber das ist eine politische Auseinandersetzung um Prioritätensetzungen.

D: In einem Interview zum neuen Kulturentwicklungsplan (KEP) assoziierst du mit Linz „ungenügende politische Konsequenzen“, kannst du das ausführen?

F: Gerade in diesen Tagen sehe ich diese Einschätzung bestätigt. Es ist nicht die Kulturpolitik, die die Frage stellt, wo man nach Linz09 steht, sondern der Tourismus. Und dass der Tourismusverband Linz das Erbe von Linz09 am kreativsten verwaltet, deutet darauf hin, dass die Linzer Kulturpolitik mit dem Erbe von Linz09 nicht genügend offensiv, nicht genügend nach außen tretend umgeht. Aber um es auch klar zu sagen: für Erfolge und Fehlleistungen von Linz09 sind wir alle verantwortlich – die Intendanz, das Linz09-Team und die Linzer Politik.

D: Das nächste große Projekt nach Linz09 war der neue Kulturentwicklungsplan.

F: Ich habe großen Respekt davor, wie sich die Linzer Kulturdirektion und die Kulturszene diesem wirklich schwierigen und partizipativen Prozess gestellt hat. Dass dabei ein so qualitativer Text herausgekommen ist, finde ich beeindruckend. Angesichts der knappen Mittel und der Finanznot in welche die Stadt zum Glück nicht durch Linz09, sondern durch andere Entwicklungen hineingerutscht ist, ist das wirklich hervorragend. Ob es nicht nur ein Plan bleibt, sondern auch umgesetzt wird, das steht auf einem anderen Blatt. Aber dafür seid ihr als Kulturakteure verantwortlich, den entsprechenden Druck aufzubauen.

D: Im Ruhrgebiet wurde mit Urbane Künste Ruhr gewährleistet, dass es nach dem Kulturhauptstadtjahr weitergeht. Genau das ist in Linz aus verschiedenen Gründen nicht in der Intensität passiert, 2010 waren spürbar weniger Ressourcen da.

F: Obwohl wir ja von Linz09 her noch einen beachtlichen Überschuss hatten. 1,3 Millionen, die dann auch sinnvoll verwendet worden sind. An dem Kulturhauptstadtprojekt lag es bestimmt nicht, dass ab dem Jahr 2010 die Spielräume enger wurden, eigentlich im Gegenteil. Im Nachhinein sehe ich es als Fehler, dass die Linz09 GmbH abgewickelt und nicht umgewandelt worden ist, mit völlig anderen Personen an der Spitze und einem neuen Auftrag. Beispielsweise die Entwicklung der Tabakfabrik als Fortsetzung und neue Etappe von Linz09. Mit einer solchen Entscheidung hätte Linz auch international die Nachhaltigkeit der Kulturhauptstadt verdeutlicht,

D: Stichwort nächste Etappe: Du hast 2011 das nach Linz09 zu festigende Bindeglied zwischen Wirtschaft und Kultur in Linz angesprochen, mittlerweile gibt es dafür die Creative Region Linz & Upper Austria.

F: Ich glaube, dass es sinnvoll ist, dass zwischen Kultur und Wirtschaft Verständigungen gesucht werden, die außerhalb des engen (partei-)politischen Feldes liegen. Viele Kulturakteure der freien Szene sind eigentlich auch Unternehmer, Entrepreneurs, die ihre Aktivitäten als Kleinunternehmen betreiben. Manche Kultureinrichtungen sind verselbstständigt und sind unterwegs als GmbH oder in anderen Formen, jedenfalls nicht mehr als nachgeordnete Dienststellen des Landes oder der Stadt. Insofern passt das ganz gut, sich da mit Leuten aus der sogenannten freien Wirtschaft zusammenzuschließen oder Synergien zu suchen.

D: Du hast besonders im Bereich Design und Architektur in Linz Potentiale gesehen, mittlerweile hat sich Linz bei Open Design einen Namen gemacht. Generell scheinen die „Open Everything“ Initiativen ein großer Schwerpunkt von Linz zu werden. Siehst du darin das Potential für jene Internationalität, die ihr von der Szene immer eingefordert habt?

F: Absolut. Das ist genau das, wo Linz sich profilieren muss. Bevor Salzburg überhaupt wusste was „Open Source“ ist, war Linz an dem Thema schon dran. Das ist eine Stärke der hiesigen Szene, sowohl im freien Bereich als auch in den Institutionen wie Lentos, Ars Electronica und Offenes Kulturhaus, gibt es dafür Offenheit und Innovationsgeist.

Ich glaube, dass sich Linz international aktiver zeigen und deutlicher machen sollte, dass es im Open Bereich noch mehr Qualitäten bietet. Vielleicht entsteht in der Tabakfabrik dafür eine Art Brutstätte, dann würde Linz eine noch viel größere Rolle spielen können.

D: Vielleicht in Verbindung mit der Bewerbung zur UNESCO City of Media Arts?

F: Der ich viel Erfolg wünsche und hoffe, dass es klappt. Aber das muss man dann auch nutzen und fördern. Ich hab die Aussage bei der Tourismuskonferenz am 6. November 2014 , dass Linz sich 2024 erneut als Kulturhauptstadt bewerben kann, nur bedingt ernstgemeint. Was ich damit sagen wollte, ist, dass sich Linz solchen Herausforderungen stellen sollte. Das kann auch ein ganz anderes Format haben, aber die Tendenz zum Stillstand ist das Gefährliche. Wenn man sich die aktuellen Kulturhauptstadtbewerbungen in anderen Ländern ansieht, dann sind das hoch ambitionierte Projektentwürfe mit einem sehr starken commitment von Seiten der politisch Verantwortlichen. Eine Bewerbung wie sie seinerzeit für Linz09 entwickelt wurde, würde heute nicht mehr reichen.

D: Abschließend noch eine medienpolitische Frage: Der Wiener Falter hat in der Zeit vor Linz09 überlegt, eine Oberösterreich Ausgabe zu gründen. Kannst du erzählen, warum das nicht passiert ist?

Wie das in der österreichischen Medienlandschaft so ist, hätte das nicht ohne einen kräftigen Anschub der öffentlichen Hand geklappt. Nach meinem Kenntnisstand ist es daran gescheitert, dass die öffentliche Hand sich nicht dazu in der Lage sah, eine Anschubfinanzierung zu leisten, wir von Linz09 waren daran jedenfalls nicht beteiligt.

Ein Wort noch zur Linzer Medienlandschaft. Ich hüte mich vor einer pauschalen Aussage, das wäre auch unfair gegenüber den Medien wie zum Beispiel der Kronenzeitung, die Linz09 kritisch, aber fair begleitet haben. Aber es war schon eine unvergleichbar negativ destruktive Kampagne gegen Linz09, wie sie von den OÖN geführt wurde. Der Chefredakteur wollte offenbar partout nicht, dass Linz09 ein Erfolg wird und vertritt diese Haltung bis heute. Das hat es in keiner Kulturhauptstadt gegeben, dass eine Zeitung bis in das Kulturhauptstadtjahr hinein alles Mögliche unternommen hat, um das Projekt schlecht zu machen.

D: Wenn man die Medienlandschaft als Ganzes betrachtet, fehlt ein eher liberaleres, vielleicht linksorientiertes Medium?

F: Absolut, sicher. Ich lebe jetzt zehn Jahren nicht mehr in Deutschland und bin auch kein Nationalist. Aber wenn ich von außen auf Deutschland schaue, bin ich auf zwei Dinge besonders stolz. Einmal die Medienlandschaft in ihrer Vielfalt, sowohl im Zeitungswesen als auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen. Das gibt es in keinem Land Europas so qualitätsvoll. Das zweite ist das System des Föderalismus. Frankreich und Österreich sind zwei Länder, die sich mit ihren Hauptstädten so herausgebildet haben, dass sich die anderen Städte des Landes ständig in einer Defensivhaltung befinden. In Deutschland ist Berlin zwar die politische, aber weder die Medienhauptstadt noch die Finanz-, Kultur- oder Fussballhauptstadt. Es gibt keine Machtkonzentration an einer Stelle, sondern einen föderalen Ausgleich mehrerer Zentren, die untereinander auch konkurrieren. Dadurch ergibt sich eine Vielfalt, auch in den Medien. In Österreich und in Frankreich hat man den Eindruck, dass die Vielfalt der Medien doch sehr eingeschränkt ist, dass Berichtserstattung nicht nur redaktionell erfolgt, sondern durch finanzielle Deals. Je weiter man in die Provinz geht, desto dramatischer ist der Qualitätsverfall. Das ist etwas, woran Österreich leidet und speziell in Oberösterreich ist das ein lamentabler Zustand.

KUPFzeitung152_2014_interviewfuchskomplett

Kleines Erratum zum OÖN Artikel zum Kulturtalk im Kunstraum Goethestraße

Letzte Woche fand im Kunstraum Goethestraße xtd auf Einladung der regionalen Tageszeitung OÖN eine Diskussion mit dem Linzer Kulturreferenten Bernhard Baier statt. Thema: Die freie Szene. Auslöser war die Ankündigung, die sogenannten Ermessensausgaben der verschiedenen Ressort im laufenden Jahr um 10% zu kürzen. Das hat auch den Kulturbereich getroffen, und dabei vor allem die freie Szene, die ihre Mittel aus diesem Budgetbereich bekommt. Die Folge war eine starke Proteststimmung, unter anderem hat sich der Linzer Stadtkulturbeirat gegen die Kürzung ausgesprochen.

Da die Kürzung innerhalb weniger Wochen ohne großer öffentlicher Diskussion und ohne Einbindung der Betroffenen durchgedrückt wurde, gab es ein großes Interesse der freien Szene, welche konkreten Schritte der ÖVP Kulturreferent Bernhard Baier nun ankündigt. Denn sowohl er als auch die Linzer SPÖ haben betont, dass sie nicht möchten, dass die Kürzung zu Einbußen der freien Szene führt. Da das Ermessens-Budget dennoch gekürzt wurde, muss nun entweder aus anderen Bereichen umgeschichtet werden, die Förderung von Nicht-Freie Szene Initiativen gekürzt werden oder neue Finanzierungquellen erschlossen werden um dieses Versprechen einzuhalten.

Kulturtalk Kunstraum Thomas Diesenreiter

Wie man sieht, ein komplexes Thema. Daher ist es schade, dass die Nachberichterstattung der OÖN (mit Video) einige Punkte entweder ungenau oder falsch dargestellt haben, was ich nun einerseits zurechtrücken und andererseits mit Hintergründen ausführen möchte.

Erstens

Die OÖN machen mich zum Wutbürger:

Diesenreiter ärgert auch, dass das Lentos „zwei Drittel des Betriebs durch eine Spende der Linz AG finanziert.“

Nein, das ärgert mich gar nicht. Im Gegenteil habe ich bei meiner Wortmeldung besonders betont, dass das ein großartiges Engagement der Linz AG und natürlich für das Lentos selbst ebenso positiv ist. Der Hintergrund dieser Konstruktion ist übrigens, dass die Spende der Linz AG steuerlich begünstigt ist und es so daher wirtschaftlich für die Stadt günstiger kommt, als wenn die Dividende an die Stadt auszahlt wird und diese dann den selben Betrag dem Lentos zuweist. Aber wie dann im Artikel richtig vermerkt wird, sind solche Deals für die freie Szene ohne das politische Backing eines Stadtbetriebs viel schwerer zu haben, bzw. eigentlich unmöglich. Hier sei auch auf die Wortspende von servus.at Geschäftsführerin Ushi Reiter verwiesen, die erzählte, dass sie bei einer Subvention der Stadt in Höhe von 16.000 € ganze 7.400 € an die Linz AG für Infrastruktur zahlen müssen. Was in Bezug auf die Linz AG leider im Artikel fehlt, war mein Vorschlag, dass diese analog der Lentos Konstruktion einen mit einer Million Euro dotierten Betrag für Spenden an die freie Szene im Budget zur Seite stellt. Dieser könnte in Kooperation mit dem Büro Linz Kultur, dem Kulturreferenten und dem Stadtkulturbeirat und externen ExpertInnen an Initiativen der freie Szene vergeben werden. Letztes Jahr hatte die Linz AG übrigens einen Jahresgewinn von 18 Millionen Euro.

Was mich wirklich ärgert, ist vielmehr, dass durch die ungerechte finanzielle Behandlung durch das Land Oberösterreich der Handlungsspielraum der Stadt Linz immer weiter eingeengt wird. Es braucht aber sowohl auf Landes- als auch auf Stadtebene eine fundamentale Neuausrichtung der gesellschafts- und kulturpolitischen Schwerpunktsetzung und die dementsprechenden Mittelzuweisungen.

Zweitens

Im Artikel wird auch meine andere Frage an Bernhard Baier aufgegriffen, ob er die Förderpraxis seines Vorgängers Erich Watzls beibehalten wird. Ich hab dabei fünf Beispiele aus dem Jahr 2012 genannt: Eine Förderung in Höhe von 3.200 € an die Ursulinenkirche, 2.700 € an die evangelische Pfarrgemeinde, 7.500 € an die Jesuitenresidenz Alter Dom, 5.000 € an die Bischof-Rudiger-Stiftung und zu guter Letzt 5.000 € an das Landesgericht Linz. Dass die OÖN im Bericht just die kirchlichen Beispiele ausgelassen haben, hat wohl etwas mit der konservativen Blattlinie zu tun. Die Antwort des Kulturreferenten war zwar etwas ausweichend, aber nicht überraschend: Wichtig sei die Qualität des Projekts, der Linzbezug und der Sitz in Linz.

Meine Frage hat jedenfalls sehr neutral auf eine generelle inhaltliche Qualitätssicherung in der Förderung abgezielt, in Bezug auf die folgende Maßnahme im Kapitel „Freie Kunst- und Kulturszene fördern“ im 2013 beschlossen Linzer Kulturentwicklungsplan:

Linz Kultur erstellt in Abstimmung mit der freien Kunst- und Kulturszene und den Schwerpunktsetzungen des Kulturentwicklungsplans entsprechend einen leicht verständlichen Kriterienkatalog zur Bewertung der Qualität von Projekt- und Fördereinreichungen.

Einen solche Kriterienkatalog gibt es bis dato noch nicht. Hätte es diesen zu Zeiten des ÖVP Kulturrefernten Erich Watzls schon gegeben, wäre es wohl leichter gewesen, die Validität mancher Zuwendungen der Stadt in Frage zu stellen. Denn idealerweise sollte einem solchen Kriterienkatalog ein progressives Verständnis von zeitgenössischem Kunst- und Kulturschaffen zu Grunde liegen. Und dann würde es spannend werden, wie bei Anträgen von Initiativen der Kirche oder des Heimatverbands, der Trachtenvereine oder dem Dragonerregiment mit seinem demokratiefeindlichen Sehnen nach einer Rückkehr der Monarchie entschieden wird.

Die Förderung für das Landesgericht betraf im Übrigen eine Ausstellung über den Prozess von Adolf Eichmann, was eine sehr zu begrüßende Initiative war, deren Förderwürdigkeit ich nicht in Frage stellen will. Wie gesagt ging es mir lediglich darum, die Position des neuen Kulturreferenten zu erfahren.

Drittens

Ich bin nicht Obmann, sondern Vorsitzender des Linzer Stadtkulturbeirates. Dieser ist kein Verein, sondern wurde auf Vorschlag des Kulturausschusses des Gemeinderates ins Leben gerufen.

Fazit

Ausgelöst durch die jüngsten Kürzungen ist eine gewisse Dynamik in den lokalen kulturpolitischen Diskurs gekommen, was prinzipiell zu begrüßen ist. Von allen Seiten hört man Bekenntnisse zur freien Szene, erste Lösungsansätze wie eine biennale Austragung des LinzFestes werden ernsthaft diskutiert. Auch die Linzer SPÖ ist aufgewacht und hat erkannt, dass sie den Kulturbereich als wichtiges gesellschaftspolitisches Handlungsfeld nicht der ÖVP alleine überlassen sollte. Für die nächsten Wochen hat die SPÖ Linz eine Podiumsdiskussion mit hohen EntscheidungsträgerInnen angekündigt, am 27. Mai hat die GfK sogar den neuen Kulturminister Josef Ostermayer nach Linz eingeladen.

Es bleibt also spannend.

Spar doch nicht im Kulturbereich, Linz!

Etwas komisch ist das schon. Tritt etwas ein, was man seit langem erwartet hat und wogegen man versucht hat anzuarbeiten, ertappt man sich selbst in einer gewissen Lethargie. So, als möchte man sich sparen, sich als Kassandra zu fühlen, also als ProphetIn eines unausweichlichen Ereignis.

So geht es mir angesichts der geplanten 10% Kürzung der Ermessensausgaben der Stadt Linz. Denn diese droht im Kulturbereich im Besonderen die freie Kunst- und Kulturszene zu treffen. Um genau das abzuwenden, wurde in den letzten Jahren einiges an Zeit und Energie der vielen engagierten Menschen der Kulturszene aufgebracht. Es gab Offene Briefe, kreative Protest, kreative Protestveranstaltungen, unzählige Termine mit PolitkerInnen und wohl am wichtigsten: Eine breite Partizipation bei der Erstellung eines neuen Kulturentwicklungsplans durch die freie Kunst- und Kulturszene. Eines der für mich wichtigsten Ergebnisse war die Verankerung der folgenden beiden Maßnahmen:

  • Die Stadt Linz erhöht schrittweise das Budget von Linz Kultur zur Förderung der freien Kunst- und Kulturszene gemäß den im Kulturentwicklungsplan genannten Schwerpunktsetzungen.
  • Linz Kultur erstellt in Abstimmung mit der freien Kunst- und Kulturszene und den Schwerpunktsetzungen des Kulturentwicklungsplans entsprechend einen leicht verständlichen Kriterienkatalog zur Bewertung der Qualität von Projekt- und Fördereinreichungen.

Dieser neue Kulturentwicklungsplan wurde nach einem fast dreijährigen Prozess mit breiter Zustimmung aller Parteien im Jänner 2013 im Linzer Gemeinderat verabschiedet. Damals habe ich Hoffnung geschöpft, dass damit eine Trendwende in der Schwerpunktsetzung der Linzer Kulturpolitik eingeleitet werden kann. Doch ein gutes Jahr später soll nun das Kulturbudget im Ermessensbereich um 10% gekürzt werden. Dem ist im Jahr 2012 eine Kürzung der Budgets der Linzer Kulturinstitutionen (AEC, Lentos, Posthof, Brucknerhaus, etc) um ebenfalls 10% vorausgegangen.

Daraus könnte man nun ableiten, dass auch die Kürzung im freien Bereich gerechtfertig ist. Denn dass die Stadt angesichts der sehr begrenzten Möglichkeiten eigene Steuern zu erheben, gezwungen ist, ihr Budget ausgabenseitig zu sanieren, um wieder ausgeglichen budgetieren ist den meisten klar.

Allerdings kann man diese beiden Bereiche nicht vergleichen. Im Bereich der Institutionen werden (zum Glück) arbeitsrechtliche Standards beachtet. Die Angestellten haben Kollektivverträge, bekommen dadurch vernünftige, wenn auch nicht übermäßige Löhne und im Regelfall jährlich einen Inflationsausgleich. Durch diese vertragliche Verpflichtungen ist es klar, dass die Stadt die Budgets der eigenen Institutionen über die Jahre immer wieder angehoben hat.

Dem gegenüber sind die Förderungen der freien Kunst- und Kulturszene schon seit Jahren eingefroren. Von Inflationsausgleichen kann man in diesem Bereich leider nur träumen. Viele Beschäftige im freien Bereich müssen nebenbei andere Jobs annehmen, um ihre eigenen Betriebe aufrecht zu erhalten. Viele sind für 20 oder 30 Stunden angestellt, arbeiten aber regelmäßig 40-50 Stunden. Die prekären Lebensumstände der KulturarbeiterInnen sind seit vielen Jahren Thema der Interessensvertretungen wie der IG Kultur oder KUPF OÖ (siehe fairpay). Doch nicht mal diese selbst können sich an ihre eigenen Lohnempfehlungen halten und müssen ihre Angestellten schlechter als gefordert entlohnen.

Egal wo man hinsieht, überall fehlt im Kulturbereich das Geld. Im Übrigen ist auch der institutionelle Bereich teilweise ausgehungert und kann seinen Aufgaben eher schlecht als recht nachkommen (man denke beispielsweise an die Budgets für Kunstankäufe).

Daher hat sich nun der Linzer Stadtkulturbeirat in einem offenen Brief gegen weitere Kürzungen des Linzer Kulturbudgets ausgesprochen:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte StadträtInnen,
sehr geehrte GemeinderätInnen,

laut Medienberichten wird als Teil des Sparkurses der Stadt Linz eine Kürzung der freiwilligen Ermessensausgaben von 10% erwogen. Wie sie sicher wissen, betrifft diese Kürzung besonders den Kulturbereich und darin fast ausschließlich die freie Szene, die im Schnitt 75-80% der freiwilligen Subventionen erhält. Für 2014 ist damit eine Kürzung von 90.000 € angekündigt, 2015 ist zu befürchten, dass der Betrag auf bis zu 200.000 € steigen wird.

Es ist kaum auszudenken, welche Konsequenzen dieser Schritt auf das kulturelle Leben unserer Stadt haben wird. Viele Vereine sind schon heute am Rand des finanziellen Ruins, die meisten Initiativen werden durch Selbstausbeutung, Ehrenamt und unter höchst prekären Arbeitsumständen erhalten. Die 3-Jahres-Basisförderungen wurden beispielsweise seit mehr als 10 Jahren nicht mehr erhöht, was einer Inflations-Entwertung von mehr als einem Viertel entspricht. Eine weitere Kürzung von 10% werden viele Organisationen, aber auch viele engagierte Menschen in der freien Kunst- und Kulturszene nicht mehr verkraften.

Dieses Vorhaben steht damit im krassen Widerspruch zum neuen Kulturentwicklungsplan, der Anfang 2013 nach einem langen zivilgesellschaftlichen Beteiligungsprozess und mit breiter, politischer Unterstützung im Gemeinderat beschlossen wurde. Im Kapitel „Potentiale Fördern“ wurde als zentrale Maßnahme verankert, die finanzielle Ausstattung der freien Szene schrittweise zu erhöhen. Dass der erste Schritt nun in die genau falsche Richtung geht, ist absurd und kann nicht hingenommen werden.

Die freie Kunst- und Kulturszene leistet einen wichtigen Beitrag für den gesellschaftlichen Diskurs, die Beteiligung von Minderheiten an politischen Prozessen und ganz allgemein für die Qualität der Lebensstadt Linz. Ein abwechslungsreiches kulturelles Leben ist laut zahlreichen Studien eines der wichtigsten weichen Kriterien für die Lebensqualität einer Stadt und damit auch für die Entwicklung dieser unabdingbar. Eine Kürzung der freien Szene würde zwangsläufig zu einer Ausdünnung des Angebots und der kulturellen Diversität führen und damit das mühsam aufgebaute Image der Kulturstadt Linz zerstören.

Die Streichung der Kulturförderung ist aber auch eine soziale Frage. Eine so radikale Kürzung wird zwangsläufig zu einer weiteren Verschärfung der Arbeitsbedingungen im Kulturbereich und damit zu einer weiteren Verarmung der AkteurInnen führen. Und diese sind, wie wir seit dem 2008 präsentierten Bericht zur sozialen Lage der österreichischen KünstlerInnen durch das BMUKK wissen, schon jetzt zu 37% armutsgefährdet.

Der Stadtkulturbeirat Linz als offizielles Beratungsgremium der Linzer Politik spricht sich hiermit entschieden gegen eine Kürzung des Kulturbudgets im Bereich der Ermessensausgaben aus. Es muss bessere Lösungen geben als diese.

Mit den besten Grüßen,
Thomas Diesenreiter für die Mitglieder des Stadtkulturbeirats Linz
Linz, am 6.4.2014

Der offene Brief als Download

Der offene Brief als Download

Mittlerweile gab es auch einige Reaktionen. So haben sich die Grünen und ihr Kultursprecher Severin Mayr der Position des SKB angeschlossen:

Vielen Dank für die Übermittlung des ​offenen Briefes zu den geplanten Kürzungen im Kulturbereich, dessen Inhalt wir Grüne vollinhaltlich unterstützen.

Seit vielen Jahren fordern wir eine Erhöhung der Mittel der Freien Szene, ebenso lange wird uns mitgeteilt, dass das aus budgetären Gründen nicht möglich sei und eine nominelle Stagnation als Erfolg gesehen werden sollte. Dass es nunmehr auch zu Kürzungen im Bereich der freien Kulturförderungen – die ohnehin seit Jahren massiv unterdotiert sind – kommen soll, ist aus unserer Sicht nicht nur inakzeptabel, sondern widerspricht auch dem am 24. Jänner 2013 beschlossenen Kulturentwicklungsplan (KEP), der eine schrittweise Erhöhung des Budgets zur Förderung der freien Kunst- und Kulturszene gemäß den im KEP genannten Schwerpunktsetzungen vorsieht.

Die Linzer ÖVP hat sich nun generell gegen eine Kürzung aller Ermessensausgaben ausgesprochen. Die Linzer SPÖ wiederum meint, dass es in der Hand des Kulturreferenten liegt, wer im Kulturbereich die Kürzung zu spüren bekommt, die freie Szene also bei gutem Willen verschont werden kann. Beide spielen auch mit der Idee, das LinzFest in Zukunft nur noch biennal stattfinden zu lassen, was budgetär eine Einsparung in etwa der selben Höhe wäre.

Auch die Tageszeitung Österreich (leider kein Scan verfügbar) hat am Montag groß über das Thema berichtet, die Linzer Rundschau hat in der morgigen Ausgabe einen großen Bericht. Für Donnerstag haben auch die OÖN noch einen Bericht angekündigt, Radio FRO wird morgen in der Frozine darüber berichten. Weiters haben sich auch KUPF OÖ und Fiftitu mit Presseaussendungen zu den geplanten Kürzungen geäußert.

Der Diskurs ist also eröffnet, aber das Zeitfenster ist kurz. Denn schon am Donnerstag, den 10. April  soll die Kürzung im Linzer Gemeinderat durchgewunken werden, also wenige Wochen nachdem die Idee bei der Sparklausur der Stadtregierung am 18. Februar das erste Mal diskutiert wurde. Es bleibt zu hoffen, dass die Linzer Stadtregierung eine Lösung findet, die die freie Kunst- und Kulturszene weitgehend verschont. Denn ansonsten wird dieses Bild vielleicht doch Wirklichkeit, dass 2011 im Rahmen der Lightkultur-Proteste entstanden ist: Bands, die sich ihre Musikinstrumente nicht mehr leisten können.

Erste Reflektion zur 2. Linzer Burschitour

Danke fürs zahlreiche Erscheinen an alle SpaziergängerInnen! An die 100 Leute waren schon zum Vortrag gekommen, 80 konnten wir dann bei der Tour im Bus und mehreren Autos unterbringen. Ein großes Sorry an die 20 Leute, die keinen Platz mehr fanden und wieder heimgehen mussten. Nächstes Mal mehr Busse, versprochen. Und Kudos an die beiden Radfahrer, die die gesamte Strecke wirklich geradelt sind.

2. Linzer Burschitour 1

Danke an den Vortragenden Sami Kilic für seinen Vortrag, seine Ausdauer und sein Engagement, trotz Erkrankung. Es war mir eine Freude!

Danke an die Stadtwerkstatt, DorfTV, KPÖ Linz und die Grünen Linz für ihre Unterstützung. Dank diesem starken Netzwerk war die Organisation der Veranstaltung sehr einfach erledigt.

Danke an die Polizei für das korrekte und freundliche Begleiten der Veranstaltung. Es gab keine Vorkommnisse, wie mehrere Medien berichtet haben verlief alles friedlich.

Danke an die Burschis der Arminia Czernowitz, dass sie ihr eigenes Haus extra für uns am Nachmittag so schön angemalt haben. Unser Lachen kriegt ihr aber trotzdem nie.

2. Linzer Burschitour 2

Erste Presseberichte:

Bessere Fotos und das DorfTV Video kommen noch nach und werden an dieser Stelle eingebaut, wer noch interessantes Material hat, her damit. Ich freue mich weiters über jedes Feedback zur Veranstaltung, entweder in den Kommentaren oder als Mail, siehe Kontakt.

So, und jetzt geh ich ins Bett, damit ich morgen fit bin für die Demo. 19:00 Uhr, Bahnhofsplatz Linz, wir sehen uns!