Linz verendet – ohne freie Kultur! Eine Replik

Vor drei Wochen hat die freie Szene Linz einen Protestbrief an den Kulturreferenten Dr. Erich Watzl adressiert, um auf Missstände in der Entwicklung des Kulturbudgets der Stadt Linz aufmerksam zu machen. Er wurde von einem Großteil der Linzer Kulturinitiativen und einer Vielzahl von Privatpersonen, auch mir, unterzeichnet:

Offener Brief der freien Szene Linz

Im Kern geht es natürlich wieder einmal ums liebe Geld:

Nicht erst seit der jüngsten Krise, sondern seit 2004 stagniert das der freien Szene zuordenbare Budget. Der Anteil der freien Szene am gesamten Kulturbudget beträgt derzeit circa 2,7%, in absoluten Zahlen müssen sich die mehr als fünfzig Kulturinitiativen und hunderte KünstlerInnen 1,2 Millionen Euro teilen. Und das in einer Zeit, in der Linz kulturell aufblüht – fast monatlich gründen sich neue Kulturinitiativen, deren InitiatorInnen mit viel Elan und Engagement das Leben in dieser Stadt bereichern!

Der Ernst der Lage wird einem bewusst, vergleicht man die Entwicklung des Budgets der freien Szene mit dem gesamten Kulturbudget der Stadt und mit der Inflationsrate:

Für manche Kulturvereine wie der Kapu zum Beispiel wird es schon so knapp, dass sie ihr Printmagazin KAPUzine einstellen mussten; neue, junge, engagierten Initiativen wie junQ.at werden mit 1.000er Beträgen abgespeist; bewährte Fördermittel wie die CD-Produktionsförderungen wurden ersatzlos gestrichen: Eine konsequente Umsetzung des Kulturentwicklungsplans aus dem Jahr 1999 würde anders aussehen! Denn dort wurde als eine der vier Säulen für die kulturelle Entwicklung der Stadt die Freie Szene identifiziert und festgeschrieben.

Nach einem großen Medienecho kam nun ein Antwortbrief des Linzer Vizebürgermeisters und Kulturreferenten Dr. Erich Watzl:

Antwortbrief Dr. Watzl

Zunächst einmal möchte ich mich für den Brief bedanken, der zeigt, dass die freie Kunst und Kulturszene Linz nach wie vor ein kritischer Beobachter der Linzer Kulturentwicklung ist und die Nase gegen den Wind hält. Es ist legitim und gut, Kritik zu üben und den eigenen Standpunkt lautstark zu vertreten. Davon lebt die Demokratie, aber insbesondere der so wichtige Dialog in der Kultur.

Na, das freut uns! Allerdings ist er im Detail wenig überraschend etwas anderer Meinung als wir. Dann sehen wir uns mal seine Gegenargumente an.

… dass in einigen Fällen nicht nur Erhöhungen möglich wurden (z.B. KunstRaum Goethestraße), sondern auch neue Projekte, wie z.B. das Jahresprogramm der Kulturinitiative kiosque, gefördert werden konnten. Auch für die Reduktion der Jahresförderung bei dem von Ihnen genannten Verein junq.at konnte über eine Förderung aus Investmittel im Vergleich zum Vorjahr mehr als ein Ausgleich erreicht werden. Zur Unterstützung der Programmkinos Moviemento und City Kino habe ich bereits Stadtsenatsanträge in Höhe von insgesamt € 50.000.- für nötige Adaptierungsarbeiten in beiden Häusern eingebracht.

Ja, manche Vereine haben tatsächlich Erhöhungen bekommen, es gab tatsächlich ein paar Umschichtungen die neues ermöglicht haben. Dies ändert aber nichts daran, dass viele Vereine gekürzt wurden und die kalte Progression im Laufe der letzten Jahre die Budgets angeknabbert hat. junQ.at wurde von 3.000 € (2009) auf 1.500 € (2010) auf 1.000 € (2011) gekürzt – 1.000 € zusätzlich als Investitionsförderung sind zwar nett, versetzen aber auch keine Berge. Die 50.000 € Investitionsförderung an das Moviemento und City Kino betrifft die Digitalisierung der fünf Kinosäle, also 10.000.–/Saal bei einem Investitionsvolumen von ca. 75.000 bis 80.000.–/Saal ohne MwSt, laut Moviemento-Geschäftsführer Wolfgang Steininger.

Nun zum Budget allgemein: Hier geht mir in Ihrer Darstellung ein Vergleichswert ab, der zeigt, welch großen Stellenwert die freie Kunst- und Kulturszene in meinem zu verantwortenden Bereich, dem Förderbudget der Linz Kultur, hat: immerhin nimmt der Anteil der freien Kunst- und Kulturszene an den frei verfügbaren Fördermitteln rund ¾ der Jahresbudgets 2010 und 2011 ein.

Ja, das mag schon stimmen, dass 72% der Ermessensausgaben an die freie Szene gehen. Doch diese sehr selektive Sichtweise relativiert sich, wenn man weiß, dass diese nur 3,73% des gesamten Kulturbudgets ausmachen. Die restlichen 96,27% sind veranschlagt für die Verwaltung, die eigenen Veranstaltungen wie Linzfest und die Institutionen wie Lentos, LIVA und Ars Electronica.

Aber es verwundert, wenn der Kulturreferent meint, dass sich sein Einflußbereich lediglich auf die sogennanten Ermessensausgaben bezieht. Natürlich ist das gesamte Kulturbudget in Abstimmung mit dem BürgerInnenmeister und dem Finanzreferenten zu erstellen. Aber wäre der politische Wille vorhanden, könnte das Budget anders gestaltet werden. Lediglich „die Situation der freien Szene im Auge zu behalten“ wird nichts ändern. Der Kulturreferent muss nur mit einer klaren öffentlichen Ansage in die Budgetverhandlungen gehen und sich für die freie Szene einsetzen, wenn er ihr wirklich helfen möchte.

Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass viele weitere Leistungen seitens der Stadt für Mitglieder der freien Kunst- und Kulturszene erbracht werden, die nicht direkt aus dem Linz Kultur Budget kommen und daher in Ihrer Aufstellung nicht aufscheinen, wie z.B. die Mietrefundierung für die KAPU (€ 47.261.-) oder die Stundung der Miete für die Stadtwerkstatt (€ 35.000.-), die beide in stadteigenen Häusern beheimatet sind. Dazu kommen noch Förderungen für dorf.tv (€ 70.000.-) und den Kepler Salon (€ 50.000.-) aus dem Budget der Stadtkämmerei, die ebenfalls der freien Kunst- und Kulturszene zuzurechnen sind.

Sowohl die KAPU als auch Stadtwerkstatt sind in stadteigenen Häusern beheimatet und zahlen Miete. Dass die hohen Mieten in einem Gnadenakt wieder refundiert werden, ist zwar schön, allerdings ein Nullsummen-Spiel. Würden Sie eine Million Miete verlangen und diese dann wieder refundieren würde das auch nichts an der finanziellen Situation der Häuser ändern. Und ja, die Förderungen für dorf.tv und Kepler Salon sind der freien Szene zuzuordnen, tut man dies, erhöht sich der freie Szene Anteil am Kulturbudget um zwei Promille auf 2,93%.

Und nicht zuletzt möchte ich auch noch auf die Beteiligungen von Vereinen und AktivistInnen der freien Kunst- und Kulturszene an Veranstaltungen der Stadt Linz, wie Ars Electronica Festival oder Linzfest verweisen, die ebenfalls als Unterstützungsleistung der Stadt Linz zu sehen sind.

Es ist eine langjährige Forderung der freien Szene, sich auch an den stadteigenen Veranstaltungen beteiligen zu können, und es ist gut, dass dies passiert. Die freie Kulturarbeit definiert sich allerdings über einen autonomen Ansatz, also über selbstermächtigendes und selbstverantwortliches Handeln, und die Mitarbeit an den Projekten wird selten so gut bezahlt, dass damit die eigenen Betriebe signifikant betrieben werden können.Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass die Mitarbeit von freien Szenen Initiativen als Unterstützungsleistung AN die Stadt Linz zu sehen sind. Aber lassen wir das und gehen weiter.

Wenn man dann noch die heuer mit Linz09-Restmittel finanzierten Projekte hinzuzählt, wie Crossing Europe Filmfestival (€ 20.000.-), Nextcomic Festival (€ 15.000.-), die beide diese Mittel zusätzlich zum normalen Förderbudget erhalten haben, Lange Nacht der Bühnen (€ 60.000.-), das Projekt „Exchange Radical Moments!“ der Fabrikanten (€ 112.000.-) sowie das Stadtteilkulturprojekt „Déjà vu“ (€ 150.000.- in Nachfolge von Bellevue), die entweder selbst Teil der freien Kunst- und Kulturszene sind bzw. bei denen die freie Kunst- und Kulturszene wesentlich – auch finanziell – partizipiert hat, kann man erahnen, dass die von Ihnen angeführten Zahlen in keiner Weise vollständig sind und daher auch nicht den tatsächlichen Ausgaben für die freie Kunst- und Kulturszene entsprechen.

Auch das ist inhaltlich richtig: Aus den 1,3 Millionen € Restmittel der Linz09 GmbH sind 0,36 Millionen der freien Szene zugeflossen, circa 27%. Der Vollständigkeit halber müsste man noch an merken, dass die Mitteln von Linz09 von Stadt, Land, Bund, EU und Eigenerlösen stammen, der Anteil der Stadt liegt bei 29%.

Dennoch: Wunderbar! Hätte ja auch anders ausgegeben werden können. Aber trotzdem sind dies einmalige Zahlungen, die keine strukturelle Weiterentwicklung erlauben, denn die Mittel sind nächstes Jahr aufgebraucht.

Zusammengefasst: Auch wenn Dr. Watzl in einigen Punkten Recht haben mag, so hat er leider in seiner Antwort den Kern unserer Kritik ignoriert. Es braucht eine langfristige Erhöhung des Basisbudgets der freien Szene, und das dringend. Das Argument, dass kein Geld vorhanden ist, lässt sich mit Blick auf die allgemeine Entwicklung des Kulturbudgets leicht entkräften.

Wir bleiben dabei: So kann es nicht weitergehen! Wir fordern daher eine sofortige Maßnahme zur Absicherung der freien Szene, um die schlimmsten finanziellen Engpässe zu beheben. Mittelfristig, bis spätestens 2015, fordern wir eine schrittweise Erhöhung des Anteils der freien Szene auf 5 % des Kulturbudgets, oder in absoluten Zahlen ausgedrückt auf mindestens 2,3 Millionen Euro. Anders gesagt: Es braucht eine Freie Szene Million!

PS: Die KAPU organisiert diesen Samstag eine Protestaktion auf der Linzer Landstraße:

Uns reichts! Wir haben die Zustände in der Kulturpolitik endgültig satt. Während immense Geldbeträge in Großprojekte und „Volkskultur“ fließen, wird die freie Kunst- und Kulturszene immer mehr ausgedünnt. Überall wird gekürzt. Viele Vereine müssen monatelang warten, um zu erfahren ob sie im laufenden Jahr überhaupt gefördert werden. Und trotzdem brüstet sich die Stadt mit ebendieser Freien Szene. Da passt nichts mehr zusammen und wir sind es leid. Wir verlangen die Wertschätzung, die uns zusteht.

Mehr Infos findet ihr auf Facebook.

Ein Gedanke zu „Linz verendet – ohne freie Kultur! Eine Replik

  1. Was unsere (junQ.at) Invest-Förderung angeht, Zielbetrag wären 2.500,– gewesen (damit wir endlich Rechner und Audioausrüstung für unsere Freiwilligen anschaffen können – die bisher ausschließlich auf privaten Geräten arbeiten und damit auch das Risiko von Diebstahl, Beschädigung, … – vor allem bei Berichterstattungen von öffentlichen Veranstaltungen – auf privater Basis tragen).

    Außerdem kam die Zusage für die Invest-Förderung, praktischerweise 4 Tage nach Veröffentlichung des offenen Briefs … ein Schelm wer Böses denkt.

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