Wie Europa ändern?

Foto myri_bonnie CC by-nc-nd 2.0 -> https://www.flickr.com/photos/myri_bonnie/5553328934/

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Europaweit erstarken seit einigen Jahren rechte und rechtsextreme Strömungen wie schon lange nicht mehr. Bei der Bestimmung der Ursachen gibt es in den fortschrittlichen Teilen der Linken zu großen Teilen Übereinstimmung: Trotz einem quantitativen Anstieg des Wohlstands haben stetig wachsende Teile der Gesellschaft existentielle Angst vor Armut, Abstieg und Ausschluss. Genau diese Angst kapitalisieren rechte Populisten , in dem sie einfache Antworten auf schwierige Sachverhältnisse bieten. Dabei werden die Rechten durch ein unterfinanziertes Bildungssystem unterstützt, das sich zudem heute über weite Teile auf die Berufs-Ausbildung denn auf die Bildung mündiger und kritischer Menschen konzentriert. Hand in Hand damit geht über weite Strecken eine Medienlandschaft, die heute zwar nicht mehr oder weniger kommerziell als vor 100 Jahren ist, aber durch die exponentiell gestiegene Vielfalt des Medien- und Kulturangebots in einer Abwärtsspirale im Kampf um die mehr und mehr geteilte Aufmerksamkeit gefangen ist. Auch die zunehmende Mechanisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt und die dadurch entstehende Verknappung von Arbeit befeuert den Abstiegskampf, den mehr und mehr Menschen heute kämpfen müssen.

Nun gibt es hunderte Konzepte und Ideen, wie eine bessere Bildungspolitik aussieht. Eine mutige Medienpolitik wird die Inseratschleusen zu den Boulevardmedien schließen und stattdessen Qualitäts- und selbstorganisierte Medien unterstützen. Eine Verkürzung der Arbeitszeit und die Einführung einer Maschinen- oder Kapitalsteuer sorgt für eine gerechte Verteilung von Arbeit und damit Einkommen. All das würde langfristig den Rechten die Grundlage ihrer Erfolge rauben.

Aber warum werden diese lösbaren Probleme nicht gelöst? Warum schaffen es die Rechten immer und immer wieder, Diskurse maßgeblich zu besetzen und zu steuern, während linke Ideen nur in Fachkreisen und kleinen Elitezirkeln diskutiert werden?

Sehen wir uns diese Fragestellung strategisch an. Viele Diskurse der Linken scheitern daran, dass sie nicht auf Länder oder gar Kommunalebene greifen, während die vermeintlichen Lösungen der Rechten sowohl emotional als auch sachlich nahe an den Menschen sind. Beispielsweise hat der Anstieg von BettlerInnen aus anderen EU Ländern dazu geführt, dass in vielen Ländern und Städten gegen jede Vernunft restriktive Bettelverbote durchgesetzt wurden. Die Rechten schaffen es, oft in Kooperation mit dem Boulevard, zuerst die Stimmung aufzuheizen, um sich dann nach einem Einknicken der Konservativen sowie leider oft der Sozialdemokratie als Retter feiern zu lassen. Es entstand ein internationales Wettrennen der Inhumanität, in dem BettlerInnen (oft Rom und Sintis) von einem Land ins Nächste, von einer Stadt in die Nächste, vertrieben werden, wo freilich die nächsten rechten Hetzer warteten und die nächsten Linken daran verzweifeln, sinnvollere politische Ansätze zu vermitteln. Eine vernünftige Politik würde dafür sorgen, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern, darauf weisen viele AktivistInnen seit Jahren hin. Das würde freilich Solidarität und ein gemeinsames Vorgehen über die Staatsgrenzen hinweg erfordern, das weit und breit nicht in Sicht ist.

Foto: Rasande Tyskar CC by-nc-2.0

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Das Gleiche kann prinzipiell auch über die aktuelle „Asylkrise“ gesagt werden, die vielmehr ein Versagen der politischen Linken darin darstellt, sich der Angstpropaganda der Rechten und Konservativen wirkungsvoll entgegenzustellen. Auch hier bräuchte es eine supranationale Perspektive und internationale Politik, statt sich in endlose Debatten zu verstricken, welches Land nun welche Quote erfüllt oder nicht. So wird die Bühne von PolitikerInnen wie der österreichischen Innenministerin oder dem ungarischen Premierminister besetzt, die wechselweise künstlich die realen und symbolischen Probleme verschärfen, in dem sie Grenzkontrollen einsetzen, Zelte aufbauen oder Asylverfahren stoppen und so eine fremdenfeindliche Stimmung vorantreiben.

Das strategische Problem ist meiner Meinung nach also in einem grundsätzlichen Übel zu finden: Die überholte Konstruktion des Nationalstaats. Dies spiegelt sich in Europa maßgeblich in zwei Facetten wieder:

1) Es gibt einen Mangel an Demokratie und demokratischer Legitimierung der EU und ihrer obersten Gremien: Das EU Parlament als einzig direkt gewähltes Gremium hat zwar über weite Strecken großartige PolitkerInnen, aber zuwenig Kompetenzen. Die nicht gewählte EU Kommission fungiert als Regierung ohne Kontrolle und ist in einem hohen Maße von der Wirtschafts- und Industrielobby gesteuert. Der europäische Rat ist schließlich durch seine föderale Konstruktion in Vertretung der Nationalregierungschefs nicht fähig, auf das Gesamte zu blicken. Um dies zu ändern braucht es einen neuen EU Vertrag – kein Honigschlecken, aber machbar. Eine sowohl reale als auch symbolische Entmachtung der Nationalstaaten muss daher Hand in Hand mit einer radikalen Aufwertung des EU Parlaments geschehen. Dieses muss wie es einer Demokratie gebührt als oberstes demokratisches Gremium die EU Kommission bestellen und mit umfangreichen Resourcen und Rechten ausgestattet auch kontrollieren. Gleichzeitig muss es eine gemeinsame Anstrengung geben, diesem neuen Europa auch eine neue Vision voranzustellen. was uns zur zweiten Facette des nationalstaatlichen Problems bringt:

2) Die zersplitterte Kompetenzaufteilung innerhalb der EU: Während auf EU Ebene die Spielregeln der Wirtschaft und der Finanzierungspolitik beschlossen werden, sind die Nationen weiterhin für alles gesellschaftspolitisch Relevante wie Soziales oder Kultur zuständig. Ein gemeinsamer Wirtschafts- und Währungsraum kann aber nur funktionieren, wenn es auch einen gemeinsamen Gesellschafts- und also Sozialraum gibt. Das mag angesichts der Unfähigkeit des österreichischen Systems, ein paar Zehntausend AsylwerberInnen zu versorgen und gerecht aufzuteilen, illusorisch klingen. Aber natürlich ist ein solches Projekt nicht von Heute auf Morgen zu stemmen, sondern muss über Jahrzehnte gedacht werden. Der erste EKGS Vertrag zur Bildung der Montanunion wurde 1951 mit einer Laufzeit von 50 Jahren abgeschlossen. Das tatsächliche Zusammenwachsen des europäischen Wirtschaftsraums, dass wir heute in Form einer Vielzahl von Verordnungen und Harmonisierungen beinahe wöchentlich erleben, ist eine direkte Folge dieses ersten EKGS Vertrags. Nichts hindert die europäischen Kräfte daran, mit ebensolchen Weitblick einen neuen EU Vertrag in Angriff zu nehmen. Dieser sollte schrittweise die gesamte Verantwortlichkeit auf europäischer Ebene bündeln und so für eine Europa zu sorgen, in dem nicht nur den Firmen, sondern auch allen Menschen die gleiche Rechte und Chancen zustehen.

Damit moderne linke Politik wirkmächtig wird, braucht es also nicht nur inhaltliche Konzepte, sondern auch Strategien für deren Umsetzung. In der gegenwärtigen Konstruktion Europas als Mischform von Nationen einerseits und einem demokratisch mangelhaften EU Apparat können sich linke inhaltliche Diskurse offensichtlich nur schwer durchsetzen. Daraus müssen wir den Schluss ziehen, dass die Zukunft linker Politik darin liegen muss, verstärkt auf internationaler Ebene Strukturen aufzubauen und die nationalen Strukturen schrittweise zu überwinden. Die Zukunft Europas liegt also in der Stärkung einer europäischen Idee des grenzenlosen, solidarischen Handelns.

Foto: urbanartcore.eu CC-by-nc-2.0

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Linz09 – Bilanz ziehen?

Der folgende Beitrag wurde in der heute erschienen KUPFZeitung 151 veröffentlicht:

Ziehen tut man nicht nur den Strudelteig, sondern auch Bilanzen. Für den perfekten Apfelstrudel gibt es wahrscheinlich eben- so viele Techniken wie Köch*innen. Ähnlich verhält es sich beim Ziehen von Bilanzen. Während in der Küche aber das Ziel, der gelungene Strudel, bei allen das selbe ist, entscheidet beim Bilanzieren die eigene Position über das Endergebnis. Ein Backversuch:

Kupfzeitung-151-screenIn der 2010 erschienen Broschüre «Eine Bilanz – Linz 2009» nannte Intendant Martin Heller Linz09 ein sich lohnendes Wagnis, während sich Altbürgermeister Dobusch und Ex-Kulturministerin Schmied über die gelungene Präsentation als moderne, offene und lebendige Kulturstadt freuten. Landeshauptmann Josef Pühringer wiederum war sichtbar stolz auf die vielen neuen Kulturbauten und Parteikollege Erich Watzl, vormals Kulturstadtrat, dankte besonders der Wirtschaft, Hotellerie und Gastronomie für ihren Beitrag, den Künstler*innen und Kulturschaffenden im Übrigen nicht.

Wer heute die offizielle Homepage besucht, kann folgendes lesen: «Die BesucherInnen sind diejenigen, die über den Erfolg eines Kulturhauptstadtjahres entschieden haben» und «Linz09 kann auch als touristische Erfolgsgeschichte gesehen werden: […] Linz konnte ein Nächtigungsplus von 9,5 % verzeichnen.» In Kürze wird anlässlich des fünfjährigen Jubiläums erneut Bilanz zum Europäischen Kulturhauptstadtjahr gezogen, diesmal vom Tourismusverband Linz[1]. Ziel der Veranstaltung liegt laut Einladungstext in der Darstellung der Zusammenarbeit zwischen Kultur und Tourismus und in «kritischer Reflexion». Damit derlei Selbstkritik aber im richtigen Rahmen bleibt, wird zur Sicherheit klargestellt, dass Linz09 hinsichtlich Programm, Durchführung und Nachhaltigkeit nun das best practice Beispiel in Europa sei.

Analysiert man diese verschiedenen Bilanzen, ist es ein Leichtes, auf die Erwartungshaltungen an das Kulturhaupstadtjahr im Speziellen und auf die dahinterstehenden kulturpolitischen Vorstellungen im Allgemeinen zu schließen. Jede dieser Bilanzen ist ohne große Mühe als Abbild und Produkt des jeweiligen politischen Umfelds oder der jeweiligen politischen und organisatorischen Funktion(-en) zu interpretieren. Darauf möchte ich im Detail aber nun verzichten und lieber versuchen, eine allgemeinere These herauszuarbeiten:

Umwegargumentationen

Aus den angeführten Bilanzen lässt sich nämlich viel über den Rechtfertigungsdruck von Kunst und Kultur im Allgemeinen sagen. Gerade bei einem so großen, mit 60 Millionen Euro durch die öffentliche Hand subventionierten Prestigeprojekt wie Linz09. Förderungen solcher Dimensionen werden in Bereichen wie der Wirtschaft ohne viel Aufhebens im Wochentakt vergeben. Geht es um die Förderung von Kunst und Kultur, gar zeitgenössischer, werden aber ganz andere Register gezogen. Wo es im Wirtschaftsbereich oft reicht, die geschaffenen Arbeitsplätze zu quantifizieren, da sollte die Kunst zumindest gleichzeitig das internationale Image verbessern, die lokale Wirtschaft stärken, einen Beitrag zur Demokratisierung leisten und dann bitte auch noch unterhalten und zum Denken anregen. Am besten natürlich alles gleichzeitig.

Je größer die Förderung, desto eher wird diese Beweisführung der Kulturnützlichkeit auch öffentlich verteidigt: Bei Förder-Ankündigungen, Eröffnungsreden, in aufwendigen Broschüren oder eben in dicken Bilanzbüchern, die vermutlich dann doch allesamt niemand liest. Und wenn das alles nichts hilft, wird eine Umwegrentabilitätsstudie in Auftrag gegeben. In Oberösterreich wurde beispielsweise berechnet, dass alleine der Bau des Musiktheaters um damals prognostizierte 143 Millionen einen regionalen BIP Effekt von 194 Millionen Euro erzeugt.[2] Ähnliche euphorische Studien wurden auch für das Kulturhauptstadtjahr durchgeführt.

So mutet das offizielle, politische und mediale Bilanzieren oft als Rechtfertigung der getätigten monetären Investition vor der Bevölkerung an. Inhaltliche Aspekte werden dabei selten genannt. Noch seltener wird die Ausübung der Kultur um der Kultur, bzw. der Kunst um der Kunst willen ins Spiel gebracht. Kurz: In der Kulturpolitik wird zunehmend um den heißen Brei herumgeredet.

Kulturpolitik-Kritik-Krise

Vor kurzem las ich in einer Tageszeitung, dass Kunst und Kultur nur in der medialen Rezeption und Kritik ihre Wirkung entfalten können. Da diese durch den Medienwandel allerdings im Rückzug begriffen ist, entstehe laut Autor eine große gesellschaftliche Gefahr. Ich lehne diese These als unscharf ab, da hier die mediale mit der allgemeinen Öffentlichkeit verwechselt wird. Noch nie zuvor gab es so viele Foren der Kulturkritik wie heute. Jedes online zu konsumierende Stück Kunst wie Musik oder Film wird kommentiert, bewertet, geteilt und damit einer unmittelbaren und andauernden Kritik unterworfen. Ich glaube, der Artikel war eher als Unbehagen darüber zu lesen, dass den Medien die Deutungshoheit über die Wertigkeit von Kunst und Kultur abhanden gekommen ist.

Wo ich die These in Bezug auf Kultur selbst ablehne, so möchte ich diese These aber auf die Kulturpolitik an sich übertragen. Die Kritik der Kulturpolitik wird in der medialen Öffentlichkeit oft nur noch dann zum Thema, wenn finanzielle oder betriebswirtschaftliche Probleme oder gar ein BesucherInnenschwund publik werden. Die Einschätzung, ob Betriebe und Organisationen inhaltlich auf der Höhe der Zeit sind, trauen sich nur noch wenige Personen und noch weniger Journalist*innen vorzunehmen. Es ist grotesk: Noch nie in der Geschichte dieses Staates wurde so viel öffentliches Geld für Kunst und Kultur ausgegeben. Gleichzeitig gab es noch nie so wenig Diskussion darüber, welche Ziele man damit verfolgt.

Kulturpolitik ist zu einem absoluten Nischenthema geworden, geführt von wenigen Expert*innen und Medien. Es ist in fast allen Parteien schwer geworden, Politiker*innen zu finden, die sich sachlich intensiv mit Kulturpolitik auseinandersetzen. Und für diese wenigen Hartnäckigen ist es wiederum noch schwerer geworden, medial Gehör zu finden.

Leitbild-Leiden

Das ist schade, denn ein scharfer Blick und ein offen geführter Diskurs sind sowohl im institutionellen als auch im freien Bereich überfällig. In den letzten Jahren haben viele Kommunen und Bundesländer eigene Kulturentwicklungsziele und -pläne definiert, welche oft von erstaunlich hoher Qualität sind. Sie stellen hervorragende Werkzeuge dar, um die Öde der quantitativen Argumente zu verlassen und die kulturpolitischen Entscheidungen an qualitativen Kriterien zu messen und zu diskutieren. Bloß werden sie nur viel zu selten als solche verwendet. Es gibt viele Gründe im Linzer Kulturentwicklungsplan zu finden, um die Förderung des Kronefests sofort einzustellen. Es wäre spannend, viele der verstaubten und verschlossenen oberösterreichischen Landesinstitutionen auf die im Kulturleitbild definierten Kriterien der Beteiligung von sozialen Randgruppen zu überprüfen. Ebenso lassen sich bei den Förderungen des Bundes ohne großen Aufwand Diskrepanzen zwischen den kulturpolitischen Vorgaben und der realpolitischen Umsetzung und der Verteilung der Ressourcen nachweisen. Und auch viele freie Initiativen täten ein Gutes daran, ihre eigenen Leitbilder auf den Prüfstand zu stellen und sich zu fragen, ob ihre Strukturen und Ziele nach 35 Jahren noch zeitgemäß sind. Am Besten in einem offenen und partizipativen Diskurs.

Die Kulturpolitik und ihre politischen, medialen und auch verwaltenden Proponent*innen sollten also den Mut aufbringen, sich nicht nur hinter ökonomischen und quantitativen Argumenten zu verstecken. Diese sind nicht per se falsch, unwahr oder unwichtig. Aber es besteht die Gefahr, dass wir als Gesellschaft durch diese argumentative Schieflage aus den Augen verlieren, warum wir Kunst und Kultur einen so hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft einräumen. Dieser wird in den Sonntagsreden oft gut und ausführlich begründet.

Es gibt also auf politischer und medialer Ebene durchaus ein Bewusstsein für die der Kultur und Kunst inhärenten Qualitäten. Wir sollten dafür sorgen, dass sich diese wieder stärker im medial- politischen Alltag widerspiegeln und daraus kulturpolitische Konsequenzen gezogen werden. In dem Sinne lasse ich meinen Meinungsteig nun rasten und bereite schon mal fünf Kerzchen für das Geburtstagskind Linz09 vor. Heuer darf es sich nochmal sorglos feiern. Aber nächstes Jahr wird unerbittlich Bilanz gezogen. Denn wie hieß es zu Beginn im Mission Statement so schön? «Linz 2009 ist auch Linz 2015, und daran wollen wir gemessen werden.» Alles klar?

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[1] Veranstaltung am 6. November, Schlossmuseum Linz
[2] Schneider / Dreer: „Volkswirtschaftliche Analyse des neuen Musiktheaters in Linz“, 2006, → land-oberoesterreich.gv.at/cps/rde/xchg/ ooe/hs.xsl/48803_DEU_HTML.htm

Kartell-TV #3: Medienstadt Linz?

Morgen, am 16.11.11 um 20:00 Uhr moderiere ich eine Diskussionrunde auf Dorf TV zur Frage, wie es um die Medienstadt Linz bestellt ist. Anlässe um sich diese Frage zu stellen, gibt es viele. Das Szene-Magazin Spotsz wurde 2010 mangels finanzieller und politischer Unterstützung eingestellt, jüngst musste die Linzer KAPU ihre KAPUzine aus Budgetnot einstellen, die Medieninitiative junQ.at wird seit Beginn an mit Kleinstbeträgen abgespeist. Auf der anderen Seite gibt es mit Dorf TV in Linz eine der wenigen freien Fernsehstationen Österreichs und das freie Radio FRO ist eines der aktivsten in der Radioszene und Vernetzungsknoten der Linzer Zivilgesellschaft. Und auch beim KEP-Workshop am nächsten Tag wird es eine Arbeitsgruppe zum Thema Medien, Open Source und Open Commons geben.

Die DiskutantInnen vertreten verschiedene Medienbereiche und Ansätze, ihnen allen gemein ist eine langjährige Praxis-Erfahrung. Die Medienkünstlerin und servus.at-Geschäftsführerin Ushi Reiter ist als kritische Begleiterin der neuen Medienwelt bekannt,  Andrea Mayer-Edoloeyi hat sich als Bloggerin und Socialmedia Expertin einen Namen gemacht. Thomas Kreiseder setzt sich seit vielen Jahren für Radio FRO ein, für eine jüngere Initiative sitzt Daniel Friesenecker von junQ.at am Podium. Und Stefan Pawel von der Open Commons Region Linz werde ich fragen, wie die Medienszene von den Open Everything Ansätzen profitieren kann.

Hier noch die offizielle Sendungsbeschreibung: Weiterlesen

Drei Jahre Meinungsvielfalt – Happy B-Day junQ.at!

Ich erinnere mich noch genau, als ich vor knapp drei Jahren im Moviemento Büro mit zwei jungen Menschen namens Oliver und Daniel über die Tabakwerke und unseren Kulturverein plaudern durfte. Daraus wurde ein Interview für das gerade frisch gegründete Onlinemedium junQ.at, heute subtext.at. Man spürte deutlich den Drang der beiden, nicht nur einen interessanten Text zu produzieren, sondern auch einen kritischen politischen Beitrag zu leisten in einer an tiefergehender intellektueller Diskussion armen lokalen Medienumgebung.

Heute, drei Jahre später, weist mich ein SMS von Markus Reindl auf eine lesenswerte Debatte rund um einen kontroversiellen Artikel auf subtext zum Thema Social Media hin. In dieser vertritt Florian Schwalsberger die etwas kulturpessimistische Ansicht, dass, verkürzt gesagt, unsere zwischenmenschlichen Beziehungen unter den virtuellen sozialen Beziehungen leiden. Kurz und knackig, pointiert und provokant und dabei funktional – denn kurz darauf entsteht, natürlich wo sonst, auf Facebook die erwähnte hitzige Debatte über den Inhalt des Artikels. Daniel, mittlerweile berufstätig als Social Media Experte, hat klarerweise eine andere Ansicht zu diesem Thema und schon fliegen die Hackl hin und her.

Ich möchte nicht all zu sehr inhaltlich auf die Diskussion eingehen, da gibt es versiertere KommentatorInnen. Warum ich das alles erwähne hat einen Grund: junQ.at mit ihrem Blog subtext.at und ihrem Magazin frischluft schaffen Raum für Debatten und dieser wird auch genutzt, wenn man sich die Vielzahl an Menschen ansieht, die an diesen ambitionierten Projekten mitarbeiten. Selbstermächtigende Medienarbeit: Junge Menschen, die sich mit ihren eigenen Themen beschäftigen können abseits von kommerziellen Interessen. Offen und transparent, autonome Kulturarbeit wie sie im Buche steht. Und das ganze mit dem politisch-kulturellen Selbstverständnis, dass sie Teil jener alternativen Kulturszene sind, die sie mit ihrer Arbeit fördern. Und auch, wenn man manchen Artikeln anmerkt, dass sie nicht von professionellen SchreiberInnen stammen, und auch, wenn manche Debatte in der Hitze des Gefechts am Kern vorbei geht, so beweist das für mich vor allem:

Dass hier Menschen mit Leidenschaft am werken sind! Junge Menschen, die sich nicht zufrieden geben mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und nicht nur jammern, sondern aktiv vorleben, wie es anders geht. Und dass es nicht immer um Reichweiten und deren ökonomischer Verwertung gehen muss, sondern um Meinungsvielfalt und Diskurs. Und da kann sich so manches andere Medium eine Scheibe abschneiden.

So, und ich freu mich jetzt auf die junQ.at Geburtstagsparty, heute Abend in der Stattwerkstatt, wo ich mit jenem Markus Reindl aka Aka Tell nach seinem Auftritt und dem Daniel bei einem Bier ganz real und sozial weiterdiskutieren werde.

Happy Birthday, junQ.at, und weiter so!