Nicht jammern, agieren!

Dieses Interview wurde ursprünglich im WUK Magazin, Ausgabe Februar 2018, publiziert.

Zuerst kam Wels. Dann Oberösterreich. Und jetzt auch auf Bundesebene: Schwarz-Blau ist wieder auf allen Ebenen unseres Landes angekommen. Ohne Zweifel, der politische Trend in Österreich zeigt nach rechts. Wie lange sich dieser Trend halten kann, ist aber noch ungewiss und hängt davon ob, wo und wie sich Widerstand formiert:

Mit einer schwachen Opposition und einer bequemen Mandatsmehrheit von 62% ausgestattet, kann der rechts-rechtsextremen Koalition von ÖVP und FPÖ außer eigenen Fehlern oder internen Streitereien kaum etwas in die Quere kommen. Freilich, es gibt durchaus Bruchstellen: Wie lange werden sich die Bünde und die mächtigen Landeshauptleute der ÖVP zurückhalten, wenn gegen ihre Interessen gehandelt wird? Werden die schwarzen Quereinsteiger in der Regierung ohne Parteinetzwerke politisch durchsetzungsfähig sein? Wie lange dauert es, bis die WählerInnen der FPÖ merken, dass Strache und Kickl ein Regierungsprogramm gegen ihre eigenen Interessen vereinbart haben? Wird sich Haimbuchner, dessen oberösterreichische FPÖ bei der Amtsvergabe leer ausgegangen ist, weiter als parteiinterner Kritiker gebärden, wie er es auch schon als einziger blauer Spitzenpolitiker am Tag der Regierungsbekanntgabe tat?

Abgesehen von diesen internen Faktoren gibt es externe Quellen potentiellen Ärgernis für die schwarzblaue Herrlichkeit. Dies ist zu einem die Zivilgesellschaft, die als Summe der nicht parteinahen Vereine, BürgerInitiativen und Interessenvertretungen definiert werden kann, die in Österreich beispielsweise maßgeblich im Kultur- und Sozialbereich aktiv und prägend sind. Weiters sind Arbeiterkammer und Gewerkschaften als traditionell sozialdemokratisch dominierte Interessenvertretungen stark mobilisierungsfähig und bieten besonders für die SPÖ ein Personalreservoir. Dann die jungen Menschen und Studierenden, die in der ÖH eine klare politische Akteurin haben. Die wenigen, verbliebenen kritischen Medien, vom ORF, zur Wiener Zeitung, dem Standard bis hin zu den freien Radios und Fernsehsendern. Oder die großen Städte, wobei hier im wesentlichen nur noch Wien übrig bleibt. Nach dem überraschenden Verlust von Salzburg und angesichts einer Linzer SPÖ, die von einem Rechtsausleger geführt bereits mit der FPÖ koaliert, ist die Bundeshauptstadt aber die letzte große urbane Bastion mit einer bisher eindeutigen, linken Mehrheit.

All das wissen auch die ParteistrategInnen rund um Sebastian Kurz. Und dies erklärt auch viele Punkte, die mal deutlicher, mal weniger klar im Regierungsprogramm formuliert sind. Die ÖH beispielsweise soll auf eine reine Servicefunktion zurückgestutzt werden und ihr allgemeinpolitisches Mandat verlieren. Das hat die ÖVP-nahe AG immer wieder gefordert, aber mangels einer Mehrheit nie umsetzen können, nun soll es die Bundespartei richten, was demokratisch nicht errungen werden konnte. Die verpflichtende Kammernmitgliedschaft wurde nun zwar doch nicht aufgehoben, aber die Daumenschrauben werden über eine drohende Senkung der Mitgliedsbeiträge sicher weiter angezogen werden.

Die Zivilgesellschaft wiederum soll über eine Senkung der Förderungen geschwächt werden. Wenn die neue Bundesregierung nun wie angekündigt auf Bundesebene Kürzungen von 190 Millionen € bei den Förderungen vornehmen wird, kann man davon ausgehen, dass sie dies wie in OÖ auch im Kultur- und Sozialbereich und nicht im Wirtschaftsbereich tut. Im Land ob der Enns gibt es 2018 im Bereich der Kulturförderung ein Minus von 30% zu schlucken. Nach Jahren der Nichtanpassung der Inflation und kleineren Kürzungsrunden haben die durchaus kritischen Kulturvereine und KünstlerInnen damit 66% weniger öffentliche Unterstützung zur Verfügung als noch zu Beginn des Jahrtausends. Auch im Sozialbereich wurden in OÖ besonders bei den Förderungen gekürzt: Getroffen waren besonders unabhängige Sozialvereine, die in der Familienberatung, der Flüchtlingsberatung oder der Frauenunterstützung aktiv sind. Viele Initiativen im Kultur- und Sozialbereich werden nun zusperren müssen, neben dem minimalen Spareffekt im öffentlichen Haushalt das eigentliche Ziel der rechten Regierungsmehrheit in OÖ.

Auch das finanzstarke rote Wien wird solche drohenden Förderverluste nicht zur Gänze auffangen werden. Tut sie es doch, wird das Defizit weiter steigen und den schwarzen Narrativ der schlecht wirtschaftenden Sozialdemokratie weiter stärken. Ein politisches Spiel, wie es die ÖVP meisterhaft beherrscht, beispielsweise in OÖ mit der finanziellen Belastung der roten Städte durch die Sprengelbeiträge. Oder der Nichtzuweisung von ihnen eigentlich zustehenden Budgetmitteln an rote Gemeinden wie in NÖ. Die ÖVP wird alle Hebeln in Bewegung setzen, um das linke, das progressive Wien zu schwächen. Sebastian Kurz weiß: Wenn er es schafft, auch Wien zu knacken, wird der rechte Staatsumbau viel einfacher zu bewerkstelligen sein. Linke Strukturen, die in mühevoller Arbeit jahrzehntelang aufgebaut wurden, könnten in wenigen Jahren zerstört werden. Soziokulturelle Räume wie das WUK oder die Arena, die als Infrastrukturknoten zentrale Funktionen des Austausches und Diskurses für eine progressive, urbane Szene bieten, sind bedroht. Besonders dort, wo die Gebäude der Stadt selbst gehören, kann eine rechte Regierung schnell unliebsame AkteurInnen unter Druck setzen, wie man in Wels anhand des Schl8hofs sehen kann.

Diese, unsere Räume gilt es in den nächsten Jahren mit allen Mitteln zu erhalten. Die Prekarität wird weiter ansteigen, die 80er Jahre lassen grüßen. Als Gegenmittel hilft Solidarität, Vernetzung und kluges, strategisches Vorgehen. Nicht jammern, agieren!

Kultur-Arbeits-Amt

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #163 publiziert.

Warum in Österreich wann welche Beschlüsse von wem gefasst werden, hat dank der berühmten Hinterzimmer immer etwas Mystisches an sich. Mythen entwickeln sich mit der Anzahl der verstrichenen Jahre gerne zu Legenden weiter. Und eine dieser Legenden geht so:

Vor 35 Jahren saß der Wiener Theaterregisseur Georg Mittendrein in einer Audienz bei Kanzler Kreisky. Sein vorgetragenes Problem: Von der Kultur könne man in Österreich kaum leben, es gäbe dringenden Handlungsbedarf. Ein paar Telefonate mit Hilmar Hoffmann, dem «Kultur für Alle»­-Erfinder aus Frankfurt, und Sozialminister Dallinger später entstand so die «Aktion 8.000». Die Aktion 8.000 sollte dazu beitragen, die steigende Arbeitslosigkeit mithilfe von individueller Beratung, Unterstützung und Förderung zu verhindern und damit Vollbeschäftigung zu erreichen. Gefördert wurden Vollzeitarbeitsplätze im Kultur­ und Sozialbereich. Laut Schätzungen in einer Studie des AMS Österreich aus dem Jahr 2016 konnten mit der Aktion 8.000 zwischen 1983 und 1995 rund 11.500 dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen werden. So entstand nicht nur eine vielfältige Landschaft im Bereich der Sozialen Dienstleistungen, sondern auch Teile der Kultur­ und Kreativwirtschaft haben ihre Wurzeln in der experimentellen Arbeitsmarktpolitik.

Hört man sich bei den alten Hasen und Häsinnen in der Szene um, bestätigt sich dieser Eindruck. Der Kanal in Schwertberg, für viele eine der wichtigsten Geburtsstätten der zeitgenössischen Kulturszene Oberösterreichs, konnte so seinen ersten Mitarbeiter anstellen. Auch die Linzer KAPU hat ihren ersten bezahlten Geschäftsführer auf diese Weise finanziert und damit ein Stück ihres Weges der Professionalisierung weg vom Jugendtreff hin zum Club zurückgelegt. Dem pflichtet Wolfgang Steininger, Gründer und Leiter der Local­Bühne und des Moviemento bei:

Ohne die Aktion 8.000 würde es die Local­Bühne in der heutigen Form nicht geben. Es war eine rasche, unbü­rokratische Entscheidung vor Ort.

In Erinnerung an dieses Erfolgsprojekt hat die Bundesregierung heuer auf Drängen der SPÖ die Aktion 20.000 ins Leben gerufen. Und hier schließt sich der Kreis: Dank Lobbying der KUPF ist dieses neue Arbeitsmarktprojekt in Oö bereits in der Pilotphase für Kulturvereine zugänglich. Gefördert werden Vollzeitarbeitsplätze für langzeitarbeitslose Überfünfzigjährige bis Mitte 2019 in einer Höhe bis zu 100 %. Derzeit ist die Aktion 20.000 noch auf die Bezirke Linz und Urfahr­-Umgebung limitiert, ab dem 1. Jänner fällt diese Schranke allerdings. In Linz haben bereits die ersten Personen so neue Jobs in Kulturinitiativen gefunden, auch das KUPFbüro hat einen neuen Arbeitsplatz geschaffen.

Es gibt noch weitere Tätigkeitsgebiete und Förderungsmöglichkeiten für Kulturinitiativen im Feld der Arbeitsmarktpolitik. Beispielsweise hat das Radio B138 seit seiner Gründung vielfältige Erfahrungen in Projekten gesammelt. In der Gründungszeit wurden überhaupt die ersten drei MitarbeiterInnen für ein Jahr über Arbeitsstiftungen finanziert und danach von B138 übernommen. Heute ist das Freie Radio selbst im Arbeitsmarkt als Wissensvermittler aktiv: Für das Frauenberufszentrum halten sie regelmäßig Workshops in Steyr, Kirchdorf und Rohrbach ab, in denen die TeilnehmerInnen Radiomachen lernen. Noch intensiver wird es in einer Kooperation mit dem WIFI, für das sie zweimal im Jahr ein vierwöchiges Medienmodul für bis zu 10 TeilnehmerInnen durchführen. Neben der Betriebsfinanzierung hat dies nicht nur den Effekt, dass so auch mehr Menschen mit dem Freien Radio in Berührung kommen. Für Mike Schedlberger ergibt sich

für uns immer ein recht cooler Einblick in die Situation von Arbeitssuchenden. Das ist für uns eine total bereichernde Initiative.

Es bleibt zu hoffen, dass die neue Aktion 20.000 an den Erfolg seines Vorgängerprojekts anknüpfen kann. Und viele Kulturinitiativen diese einmalige Chance für sich und die Arbeitssuchenden nutzen. Denn auch wenn Kulturarbeit oft ein hartes Geschäft ist – besser als zuhause sitzen zu müssen ist sie allemal.

Re-Publik

Dieser Artikel ist ursprünglich in der KUPFzeitung #159 erschienen.

Thomas Diesenreiter über das Öffentliche im Zeitalter des Individualismus: Was kann alles „Öffentliches“ sein und wer ist dafür zuständig?

kupfzeitung-159Das Öffentliche ist seit der Aufklärung die zentrale gesellschaftliche Diskurszone. Befeuert von der Digitalisierung und dem Fortschreiten des neoliberalen Umbaus werden nun lange festgezogene Grenzen des Öffentlichen wieder neu verhandelt. Zentrales Konstrukt ist dabei das sogenannte öffentliche Interesse, das bedeutet, das Gemeinwohl über das Wohl eines Individuums zu stellen. Die Trennlinien des Öffentlichen verlaufen dabei nicht zwischen der staatlichen und der privaten Sphäre, wie manche glauben. Denn im öffentlichen Interesse denken und handeln ist Aufgabe aller Teile einer Gesellschaft, egal ob Partei, Behörde, Firma, Kulturverein oder Individuum. Das Thema führt uns daher zur GIS und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den für alle zugänglichen öffentlichen Raum und auch zu den Subventionen für das Staatstheater und den kleinen Kulturverein ums Eck.

Wie wir in dieser Ausgabe der KUPFzeitung zeigen, sind alle diese Bereiche derzeit heftig umstritten. Nicht wenige fordern, die öffentlichen Subventionen für Medien, seien es öffentlich-rechtliche, private oder freie, abzuschaffen oder zumindest stark zu kürzen. Die Ausgaben der öffentlichen Hand für Kultur sind in den letzten Jahren anteilsmäßig gesunken und in den besten Fällen in absoluten Zahlen gleich geblieben. Wer im öffentlichen Raum betteln, wer Bier trinken, wer werben und wer sich wie präsentieren darf, Stichwort Burkaverbot, wird täglich im Boulevard ausgehandelt. Aber überall dort, wo das Gemeinwohl private Profitinteressen bedroht, kommt es stark in Bedrängnis und Erklärungsnot. Im Diskurs werden private Interessen von einzelnen AkteurInnen pointiert vertreten, doch wer vertritt im öffentlichen Diskurs dann das Gemeinwohl?

Die Antwort ist einfach: Es ist die Aufgabe der Politik, dass das Gemeinwohl nicht zu kurz kommt. Damit der Interessensausgleich im gesellschaftlichen Diskurs nicht nur zwischen einzelnen Partikularinteressen geschieht, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes im Auge hat, braucht es politische AkteurInnen, die das abstrakte Gemeinwohl konkretisieren und vertreten können. Es ist diese Fähigkeit, die man derzeit bei unserer Politik, aber auch in unserer Gesellschaft am meisten vermisst. Der Pluralitätszuwachs, bei dem sich jede und jeder selbst in den sozialen Medien am öffentlichen Diskurs beteiligen kann, haben den Stimmen der Individuen eine noch nie dagewesene Aufmerksamkeit beschert. Doch vor lauter Einzelinteressen verlieren wir allzu oft den Blick auf das Gemeinsame.

Es gibt Gegenströmungen: Die Open Everything Bewegung, das Recht auf Stadt, die Gemeinwohlökonomie, die Freien Medien und nicht zuletzt die alternative Kulturszene arbeiten daran, das Bewusstsein für öffentliche und gemeinschaftliche Räume, Wissen und Gesellschaften zu schärfen und diese auszubauen. Mit Creative Commons und der Open Source Community haben sich im digitalen Bereich gemeinwohlorientierte Modelle etabliert, die weit über Nischenphänomene hinausgehen. Die wachsende Zahl kultureller Initiativen eröffnet Räume, erobert den öffentlichen Raum zurück und versucht, unterprivilegierten Ansichten mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Neue Wirtschaftsinitiativen versuchen, nachhaltig und fair zu arbeiten und damit ein anderes, kooperatives Denken statt der auf bedingungsloser Konkurrenz aufbauenden klassischen Wirtschaft zu etablieren.

Während die herrschende Politik das öffentliche Interesse in den letzten zwei Jahrzehnten primär im Ausbau des Überwachungsstaates und der Verstärkung des Sicherheitsapparats gesehen hat, blieb sie dort untätig, wo das Gemeinwohl von privaten Profitinteressen bedroht ist. Die oben skizzierten Gegenströmungen und die Wahlerfolge progressiver Parteien lassen aber auf ein neues Bewusstsein, gerade der nachkommenden Generation schließen. Es wird noch Jahre dauern, bis die derzeitige Hegemonie des neoliberalen Denkens und Wirkens von einem neuen Paradigma abgelöst wird. Doch der aktuelle Diskurs zeigt, dass darin das Gemeinwohl wieder einen stärkeren Platz einnehmen wird.

Offener Brief: Rücktritt als Vorsitzender des Stadtkulturbeirats aus Protest gegen die Einführung des sektoralen Bettelverbots

Ich habe heute meine Position als Vorsitzender des Linzer Stadtkulturbeirats zurückgelegt und dazu folgenden Brief an die Mitglieder des Linzer Gemeinderats geschickt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

aus Protest gegen die anhaltende Verfolgung und Kriminalisierung von BettlerInnen und Armutsbetroffenen durch die Stadt Linz und Teilen der politischen Parteien lege ich hiermit die ehrenamtliche Position des Vorsitzenden des Linzer Stadtkulturbeirats zurück.

Ich kann es nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, mich für eine Stadt zu engagieren, die zwar davon spricht, sich kulturell und gesellschaftlich zu öffnen, aber gleichzeitig gezielt einzelne Menschengruppen ausschließt und verfolgt.

Linz hat sich in den vergangenen Jahrzehnten darum bemüht, eine liberale und offene Stadt zu werden, die mutig nach vorne blickt. Diesen erfolgreichen Pfad hat das offizielle Linz in den letzten beiden Jahren verlassen, mit einer erschreckenden Geschwindigkeit und Entschlossenheit. Aus Angst vor einem Erstarken rechter Politik haben die beiden ehemaligen Volksparteien SPÖ und ÖVP selbst einen Rechtskurs eingeschlagen und in Folge ihre eigenen Prinzipien und Wertevorstellungen aufgegeben. Die Verfolgung der in Linz lebenden Notreisenden ist nur eine Komponente von vielen, aber sie ist das augenscheinlichste Beispiel für jene unsoziale Politik der ehemaligen Sozialstadt Linz, gegen die ich protestiere. Statt soziale Antworten auf ein soziales Problem zu suchen, wird nun mit Sicherheitskräften und Verboten eine Law&Order Politik verfolgt, die Probleme nicht löst, sondern nur verlagern wird. Diese Verdrängungspolitik wird bloß zu räumlichen Verlagerungseffekten in die Nebenstraßen und zu Verlagerungseffekten im Verhalten führen, die aus Verzweiflung zu mehr Kriminalität oder Prostitution führen können.

Ich appelliere nochmals an alle Mitglieder des Gemeinderats, morgen gegen die weitere Verschärfung der Bettelverbote und das sektorale Bettelverbot zu stimmen. Suchen wir lieber gemeinsam echte Lösungen, statt weiter die Menschen in Linz gegeneinander aufzustacheln. Es ist die Aufgabe der Politik, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die derzeitige Richtung führt aber nur zu einer tieferen Spaltung der Menschen, zu einem Einteilen in Gut und Böse, zu Trennung statt zu Zusammenhalt. Wohin das Ausspielen von verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander führen kann, müssen wir in Österreich besonders wissen. Die derzeitige Politik der Ausgrenzung und Vertreibung insbesondere der Volksgruppe der Roma erinnert an ein dunkles Kapitel unserer Geschichte. Die selbe Stadt, die sich in den letzten Jahrzehnten durchaus engagiert um die Aufarbeitung ihrer Rolle in der NS-Zeit bemüht hat, führt nun das erste Mal seit 1939 wieder systematisch eine „Zigeunerliste“ – heute nennen wir sie Bettlerdatenbank. Es sind die selben Vorurteile, die heute wie damals zu der Verfolgung der Roma führten: Die pauschale Unterstellung von Kriminalität und Asozialität. Die Rechtsgrundlage für den „Festsetzungserlass“ des Deutschen Reiches war der „Erlass zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“. Die Tragweite dieses Erlasses war eine viel drastischere, aber der Mechanismus ist der selbe: Die pauschale Kriminalisierung einer Menschengruppe und ihres Verhaltens. Während in der Mehrheitsbevölkerung der Zusammenhalt innerhalb der Familie propagiert wird, nennen wir den selben Zusammenhalt bei Roma-Familien eine „organisierte Bettelbande“ und „Bettelmafia“. Diese Hetze wird durch die Stadt sowohl in ihrer Pressearbeit verbreitet, als auch auf der stadteigenen Plattform Schau.auf.Linz toleriert oder gar unterstützt.

Der so durch Politik und Medien geschürte Hass auf BettlerInnen führte in den letzten Monaten zu drei Brandanschlägen auf ihre bescheidenen Zeltlager. Statt zu helfen hat die Stadt Linz wenige Wochen später, bewusst als Pressetermin inszeniert, auch das vierte Zeltlager mit Unterstützung der Polizei geräumt. Dass der mehrfache Verlust ihres Hab und Guts zu mehr Verzweiflung und teilweise aufdringlicherem Verhalten geführt hat, wird nun zynischerweise als Rechtfertigung für das sektorale Bettelverbot gesehen. Es ist eine empathielose Politik, die sich weigert, sich auch nur für einen Moment in die Position jener Menschen zu versetzen, die am Rande der Stadt im Freien schlafen und ihre Kinder in Brunnen und der Donau waschen müssen. Es ist eine empathielose Politik, die sich weigert, Kinder von BettlerInnen in Kindergärten und Schulen aufzunehmen, und gleichzeitig den BettlerInnen vorwirft, dass sie daher ihre Kinder beim Betteln mitnehmen. Es ist eine empathielose Politik, die gleichzeitig keine legalen Nächtigungsmöglichkeiten ermöglicht und den BettlerInnen dann illegales Campieren vorwirft.

Wir müssen endlich der Tatsache ins Auge blicken, dass steigende Armut sowohl in Österreich als auch in Europa etwas reales ist, das nicht durch Verbote abgeschafft werden kann. Ich erwarte mir von der Politik eine langfristige Strategie, die die soziale Frage und die Frage nach Verteilungsgerechtigkeit in den Vordergrund stellt. Ich erwarte mir von der Politik eine Enscheidungsfindung basierend auf Fakten statt auf Vorverurteilungen des Boulevards und Stimmungsbildern einer aufgehetzten Bevölkerung. Ich erwarte mir besonders von ÖVP und SPÖ ein entschiedenes Entgegentreten gegen Rechtsextremismus statt der reflektionslosen Übernahme rechter Positionen.

Ich danke meinen langjährigen KollegInnen im SKB, der LinzKultur und den Mitgliedern des Kulturausschusses für die gute und produktive Zusammenarbeit der letzten Jahre und verspreche, mich auch weiterhin für die kulturelle Szene der Stadt Linz zu engagieren. Aber es ist mir wichtiger, heute ein deutliches Zeichen gegen die Verfolgung der Armen zu setzen, als ein ehrenwertes Amt zu bekleiden.

Mit den besten Grüßen,
Thomas Diesenreiter

Thomas Diesenreiter - Foto Jürgen Grünwald 1

Foto: Jürgen Grünwald

Offener Brief: Lieber Bettelverbote abschaffen als Brathendl essen

Heute hat mich ein nettes E-Mail von der Führungsebene der SPÖ Oberösterreich erreicht:

Email SPOÖ Wahl 2015 Brathendl

Es war wohl zwar falsch adressiert, aber diese Gelegenheit wollte ich nutzen, um für eine Angelegenheit einzustehen, die mir am Herzen liegt:

Sehr geehrter Herr Landesparteivorsitzender Entholzer, sehr geehrte Frau Soziallandesrätin Jahn, sehr geehrter Herr Klubobmann Makor, sehr geehrte Landtagspräsidentin Weichsler-Hauer!

Danke für Ihre Einladung zu Ihrer Wahlkampfveranstaltung. Dass Sie mich aber mit „Genosse“ ansprechen, überrascht mich etwas, da mir kein Beitritt zur Sozialdemokratischen Partei Oberösterreichs erinnerlich ist.

Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, ihnen auszuführen, was mich davon abhält, Mitglied ihrer Partei zu sein. Es ist eine vertrackte Sache: Denn prinzipiell bin ich ein großer Anhänger der Prinzipien der Sozialdemokratie, also Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität. Ich versuche diese und andere Grundsätze täglich in meiner Arbeit und in meinem Engagement umzusetzen und zu leben.

Selbiges vermisse ich allerdings in der Arbeit und der Positionierung der SPOÖ. Besonders der Kurswechsel der SPOÖ in der Frage der Bettelverbote im vergangenen Jahr hat nachdrücklich meine Meinung zur SPOÖ und den derzeit handelnden Personen negativ beeinflusst.

Das betrifft einerseits die inhaltliche Ebene: Wer das soziale Phänomen der Armut mit sicherheitspolitischen Ansätzen behandelt, löst nicht das Ursprungsproblem. Im Gegenteil, eine solche Politik führt zur Verschleierung der Ursachen von Armut, da nun nebulöse Begriffe wie „Bettlermafia“ und „Bettelbanden“ alle BettlerInnen unter einen Generalverdacht stellen. Bis heute konnte trotz massiver Recherche der Polizei kein Beweis für die Existenz einer organisierten „Bettelmafia“ erbracht werden, lediglich einzelne Fälle von ausgenutzten Abhängigkeitsverhältnissen wurden bekannt. Unter Sozialwissenschaftlern gilt es als erwiesen, dass diese Begrifflichkeit nichts anderes als ein Kampfbegriff der Rechten ist, dem in der Realität jede Grundlage entbehrt. Bitte hinterfragen sie, ob sie ihre Politik wirklich auf Wörter und Argumente der Rechten stützen wollen.

Was hat die von ihnen propagierte Verschärfung der Bettelgesetze also gebracht? Die Verfolgung und Bestrafung von BettlerInnen hat in Oberösterreich zu einem menschenrechtlichen Ausnahmezustand geführt. Besonders die Lage der Armutsreisenden hat sich dramatisch verschärft. Sie bereichten von regelmässigen Beschimpfungen, Gewalt und massiver Repression durch die Sicherheitsbehörden. Die Möglichkeit der Bestrafung von Bettelns, die sie gemeinsam mit der ÖVP und der FPÖ durch die letzte Verschärfung des Sicherheitspolizeigesetzes bewusst herbeigeführt haben, wird von den Sicherheitsorganen exzessiv ausgenutzt. BettlerInnen, die mehrmals pro Tag einen 100 € Strafschein bekommen, sind die Regel, nicht die Ausnahme. Dies führt entweder dazu, dass sie noch mehr betteln müssen, um die Strafe zu bezahlen. Oder dass sie sich Geld ausborgen müssen und damit in Abhängigkeitsverhältnisse rutschen. Oder dazu, dass sie Haftstrafen antreten oder ohne Einkommen abreisen müssen. Nichts davon hilft ihnen in irgendeiner Weise, ihrer Armut zu entkommen. Eine zusätzliche Dimension ergibt sich noch dadurch, dass die Sicherheitsbehörden nach unserern Erfahrungen gezielt ausländische BettlerInnen verfolgen, besonders Menschen aus der Gruppe der Roma und Sinti. Es handelt sich hier um nichts anderes als um strukturellen Rassismus und strukturellem Antiziganismus.

Besonders Mütter mit Kinder werden massiv durch die derzeitige Gesetzeslage belastet, die das Betteln mit Kindern verbietet. Was auf den ersten Blick im Sinne des Kindeswohl nachvollziehbar klingt, ist aber kurz gedacht. Denn ohne Verwandte und ohne Kinderbetreuungsmöglichkeiten stehen die Frauen vor der Wahl, entweder ihr Kinder zum Betteln mitzunehmen, oder diese alleine am Stadtrand in ihren Zelten oder in den Abbruchhäusern, in denen sie leben müssen, zurückzulassen. Wie würden sie in dieser Lage handeln, wenn sie ein einjähriges Kind haben? Das ist keine Polemik: Das ist die Realität, die wir in der Bettellobby OÖ im Umgang mit den Betroffenen ihrer Politik sehen müssen.

Die zweite Ebene ist eine politisch-strategische: Denn vor fünf Jahren hat sich die SPOÖ noch deutlich gegen Bettelverbote ausgesprochen und sogar durch die Zivilgesellschaft angespornt eine Verfassungsklage eingebracht. Das wenige Jahre später eine Kampagne der Kronenzeitung ausreicht, dass die SPOÖ binnen 14 Tage eine 180 Gradwendung durchführt und sogar selbst die massive Verschärfung der Bettelgesetze vorantreibt, war für mich und viele in der Zivilgesellschaft ein massiver und nachhaltiger Schock.

Eine sozialdemokratische Partei, die nicht im Stande ist, soziale Antworten auf soziale Probleme zu finden, wird untergehen. Das haben wir in Griechenland, in Spanien und in Großbritannien gesehen. Wenn sie vermeiden wollen, als Kleinpartei zu enden, dann müssen sie wieder anfangen, ihre eigenen Grundsätze ernstzunehmen und sie zur Grundlage ihres Handelns zu machen.

Ein erster Schritt wäre die sofortige Abkehr von allen Bettelverboten. Wenn sie diesen Weg einschlagen, dann esse ich gerne auch ein halbes Brathendl mit ihnen.

Freundschaft!
Thomas Diesenreiter

Was auf den Trümmern von Dublin bauen?

Die Ereignisse überschlagen sich im Moment, daher hier der Versuch einer Deutung der Geschehnisse.

Der Fall der Berliner Mauer 1989 hat das Ende des Kommunismus und damit das „Ende der Geschichte“ eingeläutet. Damit war gemeint, dass das Doppelpack Demokratie und Kapitalismus ohne ernsthafte Gegenmodelle als das bestmögliche System hervorgegangen war. Viele haben angenommen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis sich beides europa- und auch weltweit durchsetzen würde.

Ohne ernsthaften Gegner war es dem Kapitalismus möglich, sämtliche Schranken zu überwinden, Schritt für Schritt. Für die Demokratie war es hingegen schwieriger geworden, neue Bereiche zu erobern. Die Stärke des Einen und die Schwäche des Anderen führte dazu, dass sich das Vermögen und damit die Macht immer ungleicher verteilte. Eine Entwicklung, die bis heute anhält und die es besonders den rechten PolitikerInnen ermöglichte, weitreichend Fuß zu fassen. Österreich war hier mit Jörg Haider ausnahmsweise mal früher dran, später folgten Le Pen, Berlusconi, Gert Wilders und noch viele andere. Während die Linke Mühe hatte, die Menschen mit einem positivem Zukunftsbild für sich begeistern, bauten die Rechten nicht nur ihre eigene Macht aus, sondern drängten auch noch die Gesellschaft als Ganzes nach rechts. Plötzlich besetzte die Sozialdemokratie Positionen, die vor 30 Jahren noch undenkbar, weil reaktionär und unsolidarisch waren. Und die Konservativen haben viele Positionen der Rechten übernommen. Manchmal aus Kalkül, oft aus mangelnder Reflektion. Genutzt hat es den beiden großen Volkspartei-Strömungen in Europa wenig, beide hatten in den letzten Jahren mit einem massiven Mitglieder- und WählerInnenschwund zu kämpfen.

Diese politische Entwicklung hat viele Bereiche beeinflusst: Sozialstaatliche Errungenschaften standen wieder zur Debatte. Die Gewerkschaften wurden geschwächt. ArbeiterInnenrechte wurden reduziert oder abgeschafft. Randgruppen wie BettlerInnen oder Roma und Sinti wurden mehr und mehr stigmatisiert. Förderungen für Kunst- und Kultur wurden reduziert oder für Repräsentationskunst im Sinne der Förderer umgeleitet. Besonders im Asylwesen verschärfte sich der Ton zunehmends. In Österreich war vor wenigen Wochen auf einmal der rechte Volkshetzer in Umfragen auf dem ersten Platz. Während die lärmende Minderheit die rechten Parolen lautstark auf der Straße und in Onlinemedien wiederholte, die sie in Discos und Bierzelten von den rechten PolitikerInnen hörte, war die schweigende Mehrheit wie paralysiert. Und aus viele Gesprächen heraus glaube ich vor allem deswegen, weil es niemand schaffte, dem Mob etwas entgegenzustellen, der sich hier zusammenbraute. Jeden Tag eine weitere schlechte Nachricht: Flüchtlinge, die im Freien schlafen müssen. Hetzer, die ihnen wahlweise den Tod durch Vergasung, Flammenwerfer oder Bomben wünschen. Politische Alianzen zwischen Sozialdemokraten und Freiheitlichen, die genau diese Stimmung salonfähig und mehrheitsfähig machen.

Foto: Jürg Christandl

Foto: Jürg Christandl

Aber diese Pendelbewegung scheint nun an ihrem Scheitelpunkt angenommen zu sein. Die schweigende Mehrheit dürfte langsam realisieren, dass sie selbst gefragt ist, sich gesellschaftlich und politisch zu engagieren. Es werden Gruppen gegründet, die rechte HetzerInnen systematisch suchen und anzeigen. Die Spendenbereitschaft ist groß wie nie. Flüchtlingshilfsprojekte schießen wie die Schwammerl aus dem Boden, viele können sich vor dem Ansturm kaum retten, wie wir selbst in der Tabakfabrik gesehen haben. Auf dem Nukefestival nehmen 20.000 Leute vor einer Bühne an einer Schweigeminute teil und applaudierend tosend bei der klaren Ansage Refugees Welcome. Und weil tausende Menschen in einer Nacht heute die Grenze von Ungarn nach Österreich überqueren, kaufen Menschen die Supermärkte leer und bringen ihnen Proviant an den Bahnhöfen. Es scheint sich etwas quer über alle Bevölkerungsschichten zu bewegen.

Und heute Nacht könnte etwas historisches passieren: Nach Deutschland haben nun auch Ungarn und Österreich die Dublin Verordnung, die für viele Missstände in der Flüchtlingspolitk verantwortlich ist, effektiv gekippt. Freilich aus fast diametral verschiedenen Gründen, aber immerhin. Die Dublinverordnung besagt, dass Asylverfahren von Flüchtlingen in jenem Land durchgeführt werden müssen, wo sie als erstes Mal registriert werden. Damit haben die EU-Kernländer ohne Außengrenzen ihre Verantwortung nach außen delegiert – just an jene Länder, die in der aktuellen Wirtschaftskrise die schlechteste Ausgangslage hatten, diese wahrzunehmen. Eine Lösung, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt wurde, weil sie jegliche gesellschaftliche und soziale Realität ignorierte.

Wien Demo Menschlich sein 2015 Daniel Landau

Foto: Daniel Landau

Das öffnet ein kleines Zeitfenster, um nicht nur das Dublin Verfahren, sondern auch die EU selbst zu reformieren. Denn das Versagen der EU in der Flüchtlingsfrage kommt nicht überraschend, sondern steht stellvertretend für einen grundlegenden Konstruktionsfehler der europäischen Union: Sie ist eine Wirtschaftsunion und keine Sozialunion. Doch soziale Herausforderungen wie jene der Flüchtlingsverteilung, der Armut oder der Menschenrechte kann man nur mit Sozialpolitik und nicht mit Wirtschaftspolitik alleine lösen. Wer einen gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum bildet, muss auch einen gemeinsamen Gesellschaftsraum bilden. An einem Europa der vereinigten Staaten führt a la long kein Weg vorbei. Darüber habe ich vor kurzem schon geschrieben.

Dieses Problem muss Europa nun in Angriff nehmen. So gut wie heute Nacht waren die Chancen dafür vielleicht noch nie.

Ein persönlicher Jahresrückblick auf 2014

Jahresrückblick sind wahrscheinlich schon abgedroschen. Da ich aber nicht immer die Zeit finde, meine diversen Tätigkeiten und Projekte auf diesem Blog zu dokumentieren, schreibe ich hier ein paar Zeilen zu den letzten Monaten. Sowohl, um diese für mich selbst zu ordnen, als auch um mich bei all den tollen, kreativen Menschen bedanken zu können, mit denen ich jeden Tag arbeiten darf.

Tabakfabrik Linz

Prägend für mich ist natürlich nach wie vor meine Arbeit in der Tabakfabrik Linz, der ich einen Großteil meiner täglichen Arbeitszeit widme. Dort zeichne ich mich seit mittlerweile drei Jahren leitend für die Kommunikation zuständig, habe an der allgemeinen Konzeption und Ausrichtung mitgewirkt und wickle Kooperationsprojekte ab. Im Mai haben wir beispielsweise eine wunderschöne neue Website online gestellt (www.tabakfabrik-linz.at), gestaltet von dem grandiosen Grafik Guru Michael Holzer und umgesetzt vom Code-Genie Bene Reiter. Die Inhalte kamen und kommen von der Jetsetliteratin Marianne Jungmaier und Nina Fuchs, die seit Jahresanfang auch die Pressearbeit professionell und gelungen abwickelt. Generell stehen wir konstant im Schnitt bei etwa 80-90 Presseberichten pro Monat und etwa 30-40.000 Views auf unserer Website und in den sozialen Medien, eine Reichweite, mit der ich glaube ich zufrieden sein kann. Darüber hinaus sind viele tolle Projekte und Kooperationen in der Fabrik entstanden, zuviele um alle aufzuzählen. Und das schöne ist, es bleibt spannend, denn wir haben erfreulicherweise im November grünes Licht vom Linzer Gemeinderat bekommen, dass wir den nächsten Entwicklungsschritt im Bau 1 umsetzen können. Yeah!

Burschitour

Zum zweiten Mal habe ich im Jänner einen Aktionstag zur Linzer Burschenschafterszene organisiert. Währen wir bei der ersten Burschitour noch zu Fuß unterwegs waren, haben wir diesmal einen großen Reisebus organisiert, mit dem wir nach einem spannenden Vortrag eines Rechtsextremismus-Experten ein paar der Linzer Buden besucht haben.

2. Linzer Burschitour 1

Übrigens: Die nächste Demo gegen den Linzer Burschenschaftsball findet am 10. Jänner 2015 statt – hingehen!

Stadtkulturbeirat Linz

Seit 2010 bin ich Mitglied des Linzer Stadtkulturbeirats, seit Beginn dieses Jahres auch dessen Vorsitzender. Der von der Stadt offiziell bestellte und ehrenamtliche Beirat besteht aus 24 Kunst- und KulturexpertInnen und tagt derzeit zweimal jährlich im Plenum. Die Arbeit besteht üblicherweise aus dem Verfassen von kulturpolitischen Empfehlungen an die Linzer Stadtpolitik, teilweise mischt er sich auch ins Tagesgeschäft ein, wie bei der heuer leider erfolgten Kürzung der Förderungen der freien Szene. Das nächste Empfehlungspapier wird übrigens im Februar präsentiert, ich werde es auch hier im Blog verlinken.

Bettellobby OÖ

Vor auch schon wieder vier Jahren war ich einer der Mitinitiatoren der Bettellobby OÖ, die sich in den politischen Diskurs rund um Armut, Migration und Verteilungsfragen einmischt. Anlass war damals die erste geplante Verschärfung der Bettelgesetzgebung, in denen „aggressives“, „aufdringliches“ und „organisiertes“ Betteln verboten werden sollten. Trotz eines durchaus breiten zivilgesellschaftlichen Protestes wurde die Gesetzgebung damals verschärft. Dass auch die sozialdemokratische Partei heuer im Mai nach einer heftigen Kampagne der Krone OÖ (diese hatte innert 9 Tage 8 hetzerische Aufmacher gegen BettlerInnen auf dem Cover und wurde dafür später auch vom Presserat gerügt) ihre bisherige Position fallen ließ und nun sogar selbst auf weitere Verschärfungen im Bettelgesetz drängte, war für mich und viele andere Linke ein Schock, der bis heute anhält. Durch die Novelle wurde schließlich trotz heftiger Protesten mit Stimmen der SPÖ, ÖVP und FPÖ das „gewerbliche“ Betteln in Oberösterreich untersagt. Durch die Schwammigkeit der Begrifflichkeiten all dieser Strafbestände steigt die Missbrauchsgefahr und leider auch -häufigkeit durch Stadtwache und Polizei weiter, viele Berichte von betroffenen BettlerInnen bestätigten die Befürchtungen der Bettelobby. Die jahrelange Aufbauarbeit der rechten Parteien in Kombination (oder Kooperation?) mit den medialen Hetzkampagnen des Boulevards hat ein Klima der Angst und Verunsicherung erzeugt, in dem es die Position, dass soziale Probleme wie Armut nur mit sozialen Lösungen behoben werden können, sich nur schwer Gehör verschaffen kann. Wie gesagt: Dass sogar die Sozial(!)demokratie nun die armen Menschen aus dem öffentlichen Raum verdrängen will, ist ein trauriges Zeichen für eine breit-entsolidarisierte Gesellschaft.

Verleihung-Menschenrechtspreis-2014-Bettellobby_Foto-Daniel-Weber-03-764x1024Umso erfreulicher, dass die Liga für Menschenrechte die österreichischen Bettellobbys heuer mit dem Menschenrechtspreis 2014 ausgezeichnet hat. Ich habe den Preis mit Christian Diabl (einer der großartigsten Menschen zum Diskutieren über Politik übrigens!) in Wien entgegengenommen, einen sehenswerten Bericht gibt es dazu in der ZIB2:

Cultural Broadcasting Archive

Heuer war ein spannendes Jahr für das CBA: Derzeit führen wir ein gefördertes EU-Projekt gemeinsam mit Radio Corax aus Deutschland, NearFM Media aus Irland und der Central European University durch, was viel Reisen und Austausch bedeutet. Und ausgetauscht wurde auch fleissig bei der zum zweiten Mal veranstalteten internationelen Konferenz Archivia, bei der viele spannende Vortragende aus ganz Europa teilnahmen. Weiters hat der VFRÖ, der Träger des CBA, heuer im Sommer Verträge mit den Verwertungsgesellschaften abschließen können, was nun heißt, dass auch Musik in den archivierten Beiträgen enthalten sein kann. Ein großer Erfolg für ein so kleines Projekt wie das CBA, da es im Gegensatz zum analogen Rundfunk im digitalen Raum keine Lizenzpflicht der Verwertungsgesellschaften gibt. Wir haben im Übrigen etwa fünf Jahre auf diesen Punkt hingearbeitet und einiges an Lobbying leisten müssen. Und hier liegt auch noch einiges an Arbeit vor uns, denn noch immer ist das UrheberInnenrechtssystem groso Modo nicht den Erfordernissen der modernen Zeit angepasst. Allerdings wird es in Zukunft wohl noch stärker als bisher um die Vernetzung auf europäischer Ebene gehen – es bleibt also spannend.

Achja, und an dieser Stelle ein großer Dank an Ingo Leindecker, mit dem ich seit 2007 an diesem großartigen Projekt arbeiten darf (und der übrigens ein ziemlich tolles Werk produziert hat, das ihr euch kaufen solltet!)

Kulturpolitisches

Abgesehen von meiner Arbeit für den SKB habe ich noch Beiträge für die KUPF Zeitung geschrieben (ein Text zu Linz09 und ein Interview mit Kulturmanager Ulrich Fuchs), einen Text des Linzer Kulturdirektors Julius Stieber veröffentlicht, an Kultur-Diskussionen beispielsweise in St. Pölten teilgenommen  oder eine Tour durch die freie Szene mit dem neuen Kulturreferenten Bernhard Baier Baier organisiert. Aja, und ich darf im Verwaltungsausschuss von Radio FRO meinen Senf zu den zukünftigen Wegen des freien Radios dazugeben, eine ehrenvolle und spannende Arbeit mit lauter hochmotivierten Menschen, die sich für dieses wichtige alternative Medienprojekt ins Zeug hauen. Weiters habe ich auch das Projekt Intermezzo von MAIZ begleiten dürfen – da ich euch und ihnen noch immer einen Abschlusstext dazu schuldig bin, verweise ich wegen Details auf diesen. Kommt bald, versprochen!

Schließlich …

… gilt mein Dank den vielen freundlichen, offenen, kreativen, hilfsbereiten Menschen in meinem Umfeld und Netzwerken, mit denen ich zusammen lebe, arbeite, streite, feiere, trauere und diskutiere. Und natürlich geht ein besonderer Fistbump an eine Person im Speziellen, deren scharfsinnigen Geist ich nicht mehr missen möchte  – du weißt, wen ich meine.

Also, ich hoffe, wir bleiben uns auch 2015 erhalten!