Kommunale Kulturbudgets

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #181/2022 erschienen.

Wie viel Geld sehen die Statutarstädte Linz, Wels und Steyr für Kultur vor? Wofür geben sie ihr Kulturbudget aus? Eine Recherche von Thomas Diesenreiter und Florian Walter.

Große Städte verfügen über signifikante Kulturbudgets. Wie beim Bund und den Ländern werden diese für den Betrieb eigener Kulturstätten, für Veranstaltungsformate, die Kulturverwaltung sowie die Subvention von freier Szene, Künstler*innen, Volkskultur, Denkmalschutz und Kirchen verwendet.

Linz

Das Kulturbudget der Landeshauptstadt beträgt aktuell etwa 5% des Gesamtbudgets. Das sind etwa 44 Mio von insgesamt 852 Mio Euro. Wichtig ist hier zu wissen, das sowohl LIVA, die Museen der Stadt Linz als auch das Ars Electronica ausgelagerte Unternehmen sind. Im Kulturbudget werden nur die Zuschüsse der Stadt abgebildet, deren Budgets sind aber deutlich größer. Weiters sind noch etwa 2 Mio € Ausgaben für das Stadtarchiv zu berücksichtigen, die zwar nicht im Kulturbudget selbst enthalten sind, aber dem Kulturbereich zugerechnet werden. Und schließlich fließen regelmäßig Förderungen aus den Mitteln der Finanzdirektion (Gruppe 0: Vertretungskörper und allgemeine Verwaltung), die ebenfalls daher nicht im Kulturbudget aufscheinen, an Kulturvereine.

Aufschlüsselung Ausgabenbereiche Kulturbudget Linz. Quelle: Voranschlag 2022, Finanzierungshaushalt. Summe aus Aufwendungen (SU 22/32) und Investiv-Auszahlungen (SU 34) ohne Finanzierungen

Den Ausgaben stehen Einnahmen von 9,6 Mio Euro gegenüber. „Echte“ Einnahmen sind lediglich die jene der Musikschule, die 1,1 Mio Euro Schulgeld erwirtschaftet sowie 3,2 Mio Euro Landeszuschüsse erhält. Der Rest sind interne Zahlungsflüsse zwischen der Stadt und ihren ausgelagerten Unternehmen wie Mieterlöse, Betriebskosten und Zahlungen für Personalüberlassungen.

Wels

Die Stadt Wels hat derzeit nur etwa 1,6% des Gesamtbudgets für Kultur gewidmet, das entspricht etwa 4 Mio von 262 Mio Euro. Dazu kommen etwa 1,2 Mio Euro für die Volkshochschule und die Stadtbücherei aus dem Bildungsbudget.

Aufschlüsselung Ausgabenbereiche Kulturbudget Wels. Quelle: Voranschlag 2022, Finanzierungshaushalt. Summe aus Aufwendungen (SU 22/32) und Investiv-Auszahlungen (SU 34) ohne Finanzierungen

Auch in Wels fließen Mittel aus der Gruppe 0 in die Subventionierung von Kultur. Diese umfassen mindestens 25.000 Euro und sind weder im Voranschlag noch in den Rechnungsabschlüssen eindeutig zuordenbar. Anders als in Linz gibt es in Wels jedoch keine in GmbHs ausgelagerten Kulturinstitutionen.

Steyr

Die Stadt Steyr verfügt ebenfalls über keine ausgelagerten Unternehmen. Der größte Kulturbetrieb, das Museum Arbeitswelt, ist als unabhängiger Verein organisiert, daneben gibt es eine Reihe an freien Kulturinstitutionen wie das Röda oder das AKKU. Das Kulturbudget ist schwierig zu lesen, da nicht der klassische Budgetierungsansatz verwendet wird. Auffällig ist beispielsweise der vergleichsweise große Anteil des Verwaltungsaufwands. Allerdings werden hier auch Transfers an private Organisationen von 200.000 € ausgewiesen, was normalerweise Förderungen sind.

Langjähriger Trend

Wie habe sich die Kulturbudgets in den letzten 20 Jahren entwickelt? Die in der Grafik erkennbaren Spitzen sind in der Regel mit Sonderinvestitionen wie dem Kulturhauptstadtjahr oder Neubauten und Renovierungen von Kultureinrichtungen begründet. Auch spielen budgetäre Effekte wie Verschiebungen zwischen den Kalenderjahren oder die Umstellung in der Art der kommunalen Buchführung im Jahr 2020 eine Rolle. Während im Fall von Linz in den langjährigen Trends eine gewisse Stabilität erkennbar ist, sieht es in Wels anders aus. Seit 2017 ist ein Absinken des Budgetanteils zu erkennen, das im Kürzungskurs unter FPÖ Bürgermeisters Rabl begründet ist. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Kultur liegen in Linz derzeit bei etwa 212 Euro pro Einwohner*in, in Steyr bei 67 € und in Wels lediglich bei 64 €.

Vergleich Förderbudget

Für die freie Szene ist vor allem relevant, wie hoch der  Anteil der Subventionen am Kulturbudget ist. Denn nur ein Bruchteil der Ausgaben wird in die Förderung von Vereinen und Initiativen investiert. Bei der Stadt Linz sind das derzeit etwa 6%, bei der Stadt Wels 12,6%. Die Stadt Steyr publiziert leider keinen Förderbericht, wodurch hier keine Datenanalyse vorgenommen werden konnte. Die Kapitaltransfers an private Organisationen und Privathaushalte summieren sich im steyrischen Kulturbudget auf 900.000 €, das würde einem Förderanteil von 21% entsprechen.

Wesentlich für die Kulturinitiativen ist am Ende des Tages aber nicht der Anteil des Förderbudgets, sondern die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel. Hier zeigt sich sowohl in Wels als auch in Linz, dass der Wert der Förderung inflationsbedingt seit Jahren stagniert. Die jüngst angekündigte Erhöhung der langjährigen Förderverträge durch die Stadt Linz um durchschnittlich 6%  ist zwar klar zu begrüßen. Bei einer aktuellen Inflationsrate von 5-6% bedeutet das aber, dass die Subventionsmittel am Ende der Förderperiode wieder weniger wert sein werden als zuvor. Gekoppelt mit den explodierenden Energiepreisen stehen besonders Kulturvereine mit eigenen Räumen in den nächsten Jahren vor dramatischen finanziellen Engpässen. Die KUPF OÖ und ihre Mitglieder werden also weiterhin für die Verbesserung der Finanzierung der freien Szene kämpfen müssen.


Quellen und Zahlenmaterial:

Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Städte Wels, Linz, Steyr

offenerhaushalt.at

Förderberichte der Stadt Linz

Daten Grafiken bis 2019 (Kameralistik): Kulturbudgets Kapitel 3, Summe aus ordentlichen und außerordentlichen Budgets.

Zahlenangaben im Text entstammen bei allen drei Städten dem Voranschlag für das Jahr 2022

Daten Grafiken ab 2020 (Doppik): Finanzierungshaushalte. Summe aus Aufwendungen (SU 22/32) und Investiv-Auszahlungen (SU 34), ohne Finanzierungen (SU 36).

Hinweis: Budgetanalysen über längere Zeiträume sind immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, da Verschiebungen zwischen einzelnen Posten, Auslagerungen und andere budgetäre Effekte die Vergleichbarkeit erschweren.

Vom Winde fairpayed

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #181/2022 erschienen.

Die schwarz-grüne Koalition im Bund hat erstmals gerechte Bezahlung für Kulturtätige in ihr Regierungsprogramm aufgenommen. Seither wurde oft beteuert, dass „Fair Pay“ bald umgesetzt sein wird. Doch der Weg ist steinig. Von Thomas Diesenreiter.

Seit bald zwei Jahren fragen sich Verwaltung und Politik: Was ist Fair Pay? Was brauchen wir dafür? Und wie kommen wir dorthin?

Die Antworten darauf sind so komplex wie der Kulturbereich selbst. Denn „Fairness“ ist ein abstraktes Ziel mit vielen Unschärfen. Wenn es dabei um Geld gehtibt, stellen sich Fragen wie: Was ist faire Bezahlung? Was zu viel, zu wenig? Für wen? Was ist – für Arbeitgeber*innen (oder so) – überhaupt leistbar?

Das Kulturministerium unter Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer hat im letzten halben Jahr das Gallup Institut beauftragt herauszufinden, wie hoch der „Fair Pay Gap“ tatsächlich ist. Gefragt wurde, wie viel Österreichs Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen arbeiten, wie viel sie verdienen und wie viel sie eigentlich verdienen sollten. Als Erhebungszeitraum wurden die Sommermonate gewählt, was der Rücklaufquote genau so wenig dienlich war, wie das umständliche zweistufige Erhebungsverfahren.

Das traurige Ergebnis: Von 792 angemeldeten Organisationen und Personen füllten nur 262 den Fragebogen aus. Der Sozialwissenschaftler und Gründer des Linzer Instituts für qualitative Analysen (LIquA) Thomas Philipp dazu: „”Die Ergebnisse sind für den österreichischen Kunst- und Kulturbereich nicht ausreichend aussagekräftig. Die Studienautor*innen schreiben, dass es sich um eine Zufallsstichprobe handle, die keinen Repräsentativitätsanspruch erfüllen könne. Neben dem fehlenden Repräsentativitätsanspruch ist dabei zu bemängeln, dass es sich auch nicht um eine Zufallsstichprobe handelt. Dafür hätte eine Grundgesamtheit an Kunst- und Kultureinrichtungen in Österreich bestimmt werden müssen, aus der dann methodisch angeleitet eine zufällige Auswahl gezogen hätte werde müssen. Stattdessen wurde über verschiedene Wege eine Anmeldung zur Umfrage ermöglicht. Im Klartext: Die Ergebnisse sind für repräsentative Schlussfolgerungen auf den österreichischen Kunst- und Kulturbereich nicht brauchbar.”

Der ursprüngliche Plan, den Fair Pay Gap auch auf einzelne Bundesländer aufzuschlüsseln, musste aufgrund der geringen Rücklaufquote verworfen werden. Das gestehen auch die Autor*innen der Studie selbst ein: „”Wir möchten darauf hinweisen, dass bei Darstellungen in Untergruppen die Basis oft eine sehr geringe ist.” Überhaupt zeigt die Bundesländer-Statistik eine klare Verzerrung. Während aus Wien 45% der Daten stammen, ist etwa Oberösterreich mit 10% deutlich unterrepräsentiert.

Im Ergebnis konstatiert die Studie einen angeblichen Fair Pay Gap von 21%. Diese Zahl ist sachlich nicht haltbar. So identifizierten sich 6% der Teilnehmer*iInnen als GmbHs, deren Personalkosten mit 48% der Gesamtsumme angegeben wurden. Da bei diesen der Fair Pay Gap nur 2% betrug, verzerrte sich alleine dadurch der berechnete Fair Pay Gap massiv. Wer diese GmbHs sind, bleibt unklar. Es steht der Verdacht im Raum, dass es sich hier um Staatsbetriebe handelt. Das würde die gezogenen politischen Schlüsse weiter verfälschen.

Basierend auf dem Wert von 21% hat Staatssekretärin Mayer angekündigt, jenen Teil des Fair Pay Gaps zu schließen, für den ihr Ministerium „zuständig“ ist.. Dafür wurden die in den dem Ministerium „“vorliegenden” Anträgen genannten Personalkosten summiert und ein Betrag von 6,5 Mio € berechnet. Diesen hat das Ministerium nun für Fair Pay gewidmet.

Weil die Ausgangszahlen falsch sind, ist dieser Betrag eine Farce. Die reale Finanzierungslücke wird verschleiert. Auch das gewählte Vorgehen ist der Sache nicht dienlich. Das Ministerium hat die einmalige Chance verpasst, die Bundesländer in die weiteren Schritte einzubeziehen und die zusätzlichen Mittel als Hebel für Anhebungen seitens der Länder zu verwenden. Es steht zu befürchten, dass sich das Kulturministerium nun auf die Position zurückzieht, seinen Teil geleistet zu haben, und das Thema für beendet erklärt. Der Entwurf des ebenfalls angekündigten „Fairness-Codex“ lässt diesbezüglich Übles vermuten. 

Gerade angesichts explodierender Energiepreise, sich beschleunigender Inflation und immer weiter schrumpfender Reallöhne, wäre es Aufgabe der Kulturpolitik, die strukturellen Probleme der Kulturszene Schritt für Schritt zu lösen. Dafür braucht es nicht ein paar Millionen Euro mehr, sondern hunderte. Wenn aufgrund des Kriegs in der Ukraine  das Budget des Bundesheeres um fast 50% erhöht werden kann, so sollte dies auch im Kulturbereich möglich sein. Denn, wie sagte die deutsche Kulturstaatssekretärin Claudia Roth? „”Kulturpolitik ist Sicherheitspolitik.”

Quellen: Bericht „Fair-Pay-Gap in Kunst und Kultur“, Das Österreichische Gallup-Institut GmbH, 2022

Struktur, Macht, Verantwortung

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #180/2021 erschienen.

Sylvia Amann war Teil der Jury, die vor gut zwei Jahren die Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut ausgewählt hat. Wie bewertet die Expertin die aktuelle Lage vor Ort, die Rolle von Bewerbungsbüchern und das Modell Europäische Kulturhauptstadt insgesamt? Thomas Diesenreiter fragt nach.

Hinweis: Am Ende des Beitrages findet sich das ungekürzte Interview als Audioversion.

Thomas Diesenreiter: Seit dem Zuschlag zur Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut hat man dort bis auf diverse Personalwechsel nicht allzu viel vorzuweisen und hinkt dem Zeitplan hinterher. Ist dieser Rückstand noch aufzuholen?

Sylvia Amann: Es gibt keine Kulturhauptstadt, die nicht irgendwann einmal Probleme zu lösen hätte. Das ist bei so einem komplexen Projekt immanent. Tatsächlich scheint es eine strukturelle Herausforderung zu geben: Oft wird das Team aus dem Ausschreibungsverfahren nach erfolgtem Zuschlag von einem Team zur Umsetzung des Vorhabens abgelöst. Mit den damit verbundenen Problemen ist das Salzkammergut nicht allein, auch Bodø in Norwegen erging es zuletzt ähnlich. Meine Überlegung dazu: Wäre es nicht zielführender, die künstlerische Leitung bereits im Ausschreibungsverfahren einzubinden?

Im Bewerbungsbuch wurde ein siebenköpfiges Executive Board als künstlerische Leitung vorgeschlagen – was von der Jury besonders hervorgehoben wurde. Jetzt gibt es mit einer Einzelperson eine klassische künstlerische Leitung. Wie viel ist ein Bewerbungsbuch wert, wenn die Kulturhauptstädte nach dem Zuschlag machen, was sie wollen?

Das Problem liegt in der Struktur der Europäischen Union. Sie ist ein seltsames Konstrukt, eher mit einem Verein als mit einem Nationalstaat vergleichbar. Die EU hat keine Verfassung, und damit nahezu keine Sanktionsmöglichkeiten. Das zeigt sich derzeit auch in anderen Politikfeldern, etwa bei der Rechtsstaatlichkeit.

Bei der Kulturhauptstadt können Probleme zwar angesprochen werden im Sinne von: Ihr wolltet aber ursprünglich etwas Anderes machen. Wenn dann erklärt wird, warum es Abweichungen benötigt, gibt es jedoch keine Handhabe, solange die Umsetzung dem Geist des Bewerbungsbuchs in großen Teilen entspricht.

Und welche Möglichkeiten haben Projektträger*innen, die im Bewerbungsbuch stehen? Die teilweise schon seit drei Jahren unentgeltlich Konzepte entwickelt haben und oft immer noch nicht wissen, ob sie Projekte umsetzen können?

Es gibt leider immer wieder Fälle, in denen die Jury in Bezug auf Streitigkeiten rund um Verträge kontaktiert wird – sowohl aus der Bewerbungsphase als auch in der Umsetzung. Es ist schwer, dazu generell etwas zu sagen, weil ich die konkreten Verträge nicht kenne.

Die Frage zeigt aber, wie Kulturarbeit leider überall – auch abseits der Kulturhauptstadt – funktioniert. Man investiert viel Zeit in Vorarbeiten und Konzepte. Gerade EU-Förderungen sind sehr anspruchsvoll, aber auch auf nationaler und regionaler Ebene steigen die Ansprüche. Konzeptarbeit wird trotzdem praktisch nie finanziert. Auch eine Kulturhauptstadt funktioniert nach dieser Logik.

Ein Beispiel, wie es anders gehen kann, gab es im Rahmen der COVID-19-Hilfsmaßnahmen des Bundes, als explizit Konzepterstellung finanziert wurde. Hier sehe ich eine Chance, aus der Pandemie einen Strukturwandel anzustoßen, damit Projektvorbereitung künftig abgegolten wird. Es gibt also Bewegung in diesem Bereich, wir sind aber sicher noch weit entfernt vom Idealzustand. Und natürlich wäre es spannend, im Rahmen der Kulturhauptstädte nach Modellen zu suchen, die auch regional funktionieren könnten.

Wenn die EU so machtlos ist: Wäre es dann nicht überlegenswert, eine Beteiligung im Aufsichtsrat anzustreben? Die EU stellt immerhin 15%* der Finanzierung, genauso viel wie die 23 beteiligten Gemeinden. Da könnte sie doch zumindest ein Veto-Recht oder die Einhaltung des Bewerbungsbuchs einfordern?

Würde man einen solchen Ansatz umsetzen wollen, müsste man bereit sein, den Kulturhauptstädten deutlich mehr personelle Ressourcen zu widmen. Das gesamte Team der Europäischen Kommission zur Administration aller Europäischen Kulturhauptstädte besteht derzeit aus zwei Personen. Für solche Änderungen müsste man auch den rechtlichen Rahmen für die Europäischen Kulturhauptstädte ändern. Die aktuelle Regelung gilt noch bis 2033, die Kulturhauptstädte 2033 werden aber schon fünf Jahre vorher ausgewählt. Das heißt, bis 2029 muss es eine neue Rechtsgrundlage geben, damit weiter Kulturhauptstädte ernannt werden können. 

In diesem Rahmen sollte es auch um das Thema Mitentscheidung sowie die Trends gehen, die wir jetzt beobachten – etwa, dass immer mehr kleinere Städte und Regionen tätig werden. Das ist unzureichend abgebildet. Dafür braucht es Strategien.

Wird auch die Grundsatzfrage gestellt werden, ob es das Modell Kulturhauptstadt weiterhin geben kann?

Wenn wir diese Frage stellen, sollten wir uns zuerst bewusst sein, dass wir mit der Europäischen Kulturhauptstadt ein weltweit verständliches kulturelles Tool zur Verfügung haben. Wenn man in Asien oder Afrika unterwegs ist, ist damit vergleichsweise einfach zu illustrieren, wie man sich auf EU-Ebene für Kultur engagiert. Die Europäische Kulturhauptstadt stand auch Modell für zahlreiche andere Kulturhauptstadtinitiativen weltweit.

Nach innen muss man tatsächlich ein bisschen genauer überlegen. In den Städten und Regionen, die sich bewerben, ist die Darstellung einer europäischen Dimension nach wie vor eine der größten Herausforderungen. Selbst nach vielen Jahren EU-Mitgliedschaft ist es nicht selbstverständlich, dass Städte oder Kulturakteur*innen in Städten europaweit vernetzt sind; dass sie die europäischen Netzwerke kennen; dass sie sich für Europäische Kulturpolitik engagieren; dass sie sich an Projekten, an Peer-Learning oder an sonstigen Initiativen wie dem Solidarity Corps beteiligen. Das wird bei zukünftigen Überlegungen zu berücksichtigen sein.

* Anmerkung: Die 15% Anteil der EU teilen sich auf eine fixe Zusage von 1,5 Mio € (= 5%), den sogenannten Melina Mercouri Prize sowie 3,0 Mio € auf (=10%), die über diverse EU Förderprogramme zusätzlich eingeworben werden müssen. Der tatsächliche EU Anteil wird erst am Ende bezifferbar sein.

Interview Audioversion

Von wachsenden Kulturbudgets

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #180/2021 erschienen.

Von 3G über Kapazitätsbeschränkungen bis zum Lockdown: Für Kulturvereine waren die vergangenen Monate von ständig wechselnden Regeln geprägt. Als Ausgleich für die damit verbundenen Strapazen gibt es im Jahr 2022 Budgeterhöhungen. Eine Analyse von Thomas Diesenreiter.

Interessenvertretungen wie die KUPF OÖ kämpfen seit Jahrzehnten um eine bessere, gerechtere Finanzierung der Kulturarbeit – besonders für die Freie Szene. Nun hat ausgerechnet die Covid19-Pandemie dazu geführt, dass die staatlichen Investitionen in den Kulturbereich ungeahnte Dimensionen annehmen. Nicht nur die Hilfsmaßnahmen wie Kurzarbeit, NPO Fonds und die zahlreichen Sondertöpfe bringen mehr Geld: Nach Jahrzehnten des Stillstands oder gar Rückgangs bewegen sich auch die Förderbudgets des Bundes und des Landes OÖ endlich wieder nach oben.

Mehr Budget im Bund 

Im Jahr 2020 hat der Bund 447 Mio Euro in die Finanzierung des österreichischen Kunst- und Kultursektors investiert. 80% dieser Gelder sind laut Kunst- und Kulturbericht an öffentliche Einrichtungen und  Großveranstaltungen wie die Salzburger Festspiele gebunden. Das restliche Fünftel, im Jahr 2020 etwa 90 Mio Euro, sind frei verfügbare Mittel. Diese gehen zu etwa 70% an freischaffende Künstler*innen und Kulturvereine, 30% kommen dem Filmbereich zu. Die traditionelle Volkskultur spielt mit 0,1% beim Kulturministerium eine untergeordnete Rolle.

Die frei verfügbaren Mittel hat der Bund bereits im Jahr 2021 um 10 Mio Euro erhöht. Für das Jahr 2022 wurde eine weitere Erhöhung um 10 Mio Euro angekündigt. Das Plus von 20 Mio Euro innerhalb von zwei Jahren bedeutet also eine Gesamtsteigerung von 22% im freien Förderbereich. Das wird ein spürbarer Schub sein und helfen, die Auswirkungen der Pandemie abzufedern. Staatssekretärin Andrea Mayer sieht darin zurecht einen großen Verhandlungserfolg. 

Offen ist aber noch, wie genau die Mittel verteilt werden, denn Transparenz ist beim Kulturministerium nicht besonders groß geschrieben. Der größte Nachholbedarf besteht aus Sicht der KUPF OÖ jedenfalls im drastisch unterfinanzierten Topf für die regionalen Kulturinitiativen, dessen Budget 2021 nur um 700.000 Euro auf nun 5,5 Mio Euro erhöht wurde. Das von der KUPF OÖ geforderte Ziel, das gesamte Kulturbudget auf 1 Milliarde Euro pro Jahr zu erhöhen, ist in weiter Ferne.

Trendwende in Oberösterreich?

Auch das Land Oberösterreich hat eine erfreuliche Überraschung für uns parat: Das Budget für die Freie Szene wird erstmals seit den 2017 umgesetzten drastischen Kürzungen um 10,4% erhöht. In absoluten Zahlen sind das 567.000 € mehr im Bereich der Zeitkultur. Ein wichtiger und notwendiger Schritt, der nach vielen Jahren der Streitigkeiten rund um das Kulturbudget dennoch überraschend kommt. Dass Landeshauptmann und Kulturreferent Thomas Stelzer hier einen neuen Pfad beschreitet, ist einerseits der konsequenten Arbeit der KUPF OÖ zu verdanken; andererseits dürften auch neue Berater*innen in seinem Umfeld wie die neue Kulturdirektorin Margot Nazzal oder der Vorsitzende des Landeskulturbeirats Josef Stockinger eine Rolle gespielt haben. Der Landeskulturbeirat hat kürzlich in einem Empfehlungspapier eine Erhöhung der Förderung der Freien Szene um 20% vorgeschlagen. Der erste Schritt ist 2022 getan, es steht zu hoffen, dass im Folgejahr eine weitere Erhöhung erfolgt. Da 2023 keine Landesausstellung geplant ist, sollte dies budgetär möglich sein.

Durch die Erhöhung wird das Budget für zeitgenössische Kunst und Kultur im Jahr 2022 erstmals wieder das Niveau von 2015 erreichen. Berücksichtigt man die Inflation, so beträgt der Wertverlust seit Anfang des Jahrtausends jedoch immer noch satte 43%. Die KUPF OÖ wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass diese Lücke geschlossen wird – gerade angesichts der aktuell stark steigenden Preisentwicklung.

Das gesamte Kulturbudget des Landes steigt 2022 um 2,2% auf 218 Mio Euro. Da das Landesbudget aber deutlich stärker steigt, erreicht das Kulturbudget mit einem Anteil von 3,0% an den Gesamtausgaben einen neuen Tiefstand. Zu den Verlierer*innen gehören im vorliegenden Voranschlag die Bildungsschlösser, deren Budget sich fast halbiert; die Bruckneruniversität, die um 13% gekürzt wird; und auch die Musiktheater-Holding muss ein Minus von 1,1 Mio Euro einkalkulieren. Das Budget der Landesgartenschau liegt 2022 bei 6,2 Mio Euro. Erstmals enthalten ist auch ein Finanzierungsbeitrag für die Kulturhauptstadt Salzkammergut in Höhe von 2 Mio Euro.

Klar ist, dass zwischen der budgetären Planung (Voranschlag) und Umsetzung (Rechnungsabschluss) oft große Abweichungen liegen. So haben in den vergangenen Jahren die öffentlichen Einrichtungen meist deutlich mehr ausgegeben als geplant, während die frei verfügbaren Mittel oft nicht ausgeschöpft wurden. Angesichts der starken Erhöhung des nächsten Budgets ist nun die Landeskulturdirektion gefordert, dafür zu sorgen, dass das Geld rasch bei den Kulturvereinen und Künstler*innen ankommt.

Von Unterstützungen und Überraschungen

Dieses Interview ist erstmals in der KUPFzeitung #179/2021 erschienen.

Wie kann es nach der Coronakrise im Kulturbereich weitergehen? Über notwendige Budgeterhöhungen, faire Arbeitsbedingungen und eine unabhängige Förderverwaltung spricht KUPF-Geschäftsführer Thomas Diesenreiter mit Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer.

Thomas Diesenreiter: Sie sind die wichtigste Kulturpolitikerin des Landes. Wie ist Ihre Einschätzung: Hat der Kunst- und Kulturbereich die Coronakrise überwunden?

Andrea Mayer: Es war eine sehr schwierige Zeit, besonders natürlich für Künstler*innen und Kulturtätige. Kunst und Kultur hat für Österreich eine große Bedeutung und daher war es klar, dass man so schnell wie möglich Unterstützung geben muss. Wir haben nach und nach oft sehr kurzfristig mit Unterstützungsmaßnahmen reagiert. Es werden natürlich Narben bleiben, aber ich glaube, es ist gelungen, die Vielfalt des österreichischen Kunst- und Kulturlebens zu erhalten.

Im Kunst- und Kulturbericht 2020 wird auf eine Studie zu den Auswirkungen im Kunst- und Kulturbereich verwiesen. Dort sind die entstandenen Schäden mit 1,5 bis 2 Mrd. Euro angegeben. Dem gegenüber stehen Unterstützungsmaßnahmen von 220 Mio. Euro. Wie viel Schaden wird am Ende bestehen bleiben?

Die genannten 220 Mio. Euro sind nur die Hilfen, die im Jahr 2020 zur Verfügung gestellt wurden. Mittlerweile stehen wir im Kunst- und Kulturbereich bei ungefähr 350 Mio. Euro an kulturspezifischen Coronahilfen. Und das unabhängig von Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss, Veranstalter*innenschutzschirm, Comeback-Zuschuss, Mehrwertsteuersenkung und den anderen Unterstützungsleistungen. 100 % aller Schäden kann man nie auffangen, aber ich denke, die Bundesregierung hat klar gemacht, dass sie den Kunst- und Kulturbereich gut ins neue Leben nach der Coronkrise führen möchte.

Österreich liegt laut Eurostat bei den öffentlichen Ausgaben für Kunst und Kultur nur im unteren Mittelfeld der Mitgliedstaaten. Sollten wir angesichts des Werts, welcher der Kunst und Kultur von der Politik stets zugesprochen wird, Stichwort Kulturnation, nicht eigentlich im Spitzenfeld liegen?

Ich werde mich immer dafür einsetzen, dass das Kunst- und Kulturbudget steigt. Das haben kürzlich auch die Landeskulturreferenten auf einer Tagung noch einmal festgelegt. Hier geht es nicht um Wünsche oder abstrakte Prozentzahlen, ich orientiere mich lieber an der Realität und die sagt: Wir haben durch die Erhöhung um 30 Mio. Euro im Jahr 2020 – 10 Mio. davon für die Freie Szene – ein höheres Kulturbudget als je zuvor. Das ist für mich ein Anlass zur Freude und gibt uns kulturpolitische Gestaltungsmöglichkeit.

Diese 30 Mio. Euro decken aber angesichts der Stagnation der letzten 10 Jahre bestenfalls die Inflation ab. Müssten wir das Budget nicht viel stärker erhöhen?

Lassen Sie sich von den nächsten Budgets überraschen, Herr Diesenreiter.

Positiv überraschen?

Ja, nur positiv.

In unseren Mitgliedsvereinen gibt es Geschäftsführer*innen, die für einen Vollzeitjob zwischen 1.300 und 1.600 Euro brutto verdienen. Stichwort Fair Pay: Müsste man hier nicht dringend handeln?

Die Pandemie hat manche Probleme, wie etwa die prekären Arbeitsbedingungen, noch einmal deutlicher werden lassen. Diese wollen wir gemeinsam mit der Kulturbranche in einer großen Kunst- und Kulturstrategie des Bundes diskutieren. Es ist das erste Mal, dass der Bund in der Kulturpolitik einen derart großen partizipativen Prozess startet. Dabei geht es auch um Bezahlung. Wenn ich in einem Förderantrag lese, es bekommt jemand acht Euro in der Stunde, dann kann da etwas nicht stimmen. Fair Pay ist ja seit Jahren ein Thema, aber wir machen jetzt wirklich etwas und haben uns mit den Bundesländern auf einen gemeinsamen Prozess und gemeinsame Maßnahmen verständigt. Ende September werden wir Zwischenbilanz ziehen und erste Maßnahmen präsentieren. Wir können nur zu einer Verbesserung kommen, wenn alle Fördergeber*innen hier an einem Strang ziehen.

In Österreich muss jeder Verein für dasselbe Programm oder Projekt bei Bund, Land und Gemeinde um Förderung ansuchen. Ist das effizient? Wäre es nicht gescheiter, man führt das auf einer Ebene zusammen?

Der Föderalismus in Österreich besagt, dass die Kulturförderung Sache der Bundesländer ist. Der Bund hat sich aber darauf verständigt, dass in bestimmten Bereichen auch die Republik Kulturförderung übernimmt, etwa bei den Bundesinstitutionen und bei Tätigkeiten mit überregionaler Bedeutung. Ich glaube, dass das ein gutes System ist, es bildet die genannte Breite und Vielfalt ab. Ich sehe es zudem nicht als Doppelgleisigkeit, sondern als Ko-Finanzierung.

Könnte nicht eine neue Institution, etwa eine Kulturstiftung, über Förderungen entscheiden? Das würde die inhaltliche Einflussnahme der Politik eindämmen.

Das Kunstfördergesetz des Bundes sieht genau das vor. Nicht Politiker*innen oder hohe Verwaltungsbeamt*innen treffen Entscheidungen. Expert*innen geben in Beiräten und Jurys Empfehlungen ab. Dieses System hat sich gut bewährt.

Seit einigen Jahren können gemeinnützige Vereine unter bestimmten Voraussetzungen den Status der Spendenabsetzbarkeit erreichen. In ganz Österreich gibt es aber nur einen einzigen zeitgenössischen Kunst- und Kulturverein, der diese Möglichkeit in Anspruch nehmen kann. In Deutschland ist dagegen jeder gemeinnützige Verein berechtigt, Spender*innen eine Bestätigung auszustellen. Diese können dann bis zu 10 % ihres Einkommens mit Spenden absetzen. Wäre das nicht auch ein sehr gutes Modell für Österreich?

Andrea Mayer: Unabhängig von dem genannten Modell finde ich es wichtig, zu erleichtern, dass private Gelder für Kunst und Kultur eingesetzt werden. Eine erweiterte, erleichterte Spendenabsetzbarkeit gehört ebenso dazu, wie eine Fülle von anderen Maßnahmen. Das steht im Regierungsprogramm, ich habe es in dieser Legislaturperiode auf meiner Agenda und ich bin mir sicher, dass uns auch hier etwas gelingen wird.

Schwerpunkte, Budget und Quote

Dieses Interview ist erstmals in der KUPFzeitung #179/2021 erschienen.

OÖVP-Kultursprecherin Elisabeth Manhal im Gespräch mit Thomas Diesenreiter.

Thomas Diesenreiter: Seit November 2020 hat Oberösterreich ein neues Kulturleitbild. Dieses berührt auf knapp 20 Seiten viele Themen nur sehr allgemein. Wo will die ÖVP nach der Wahl Prioritäten setzen?

Elisabeth Manhal: Es ist schwer, ein Thema herauszupicken. Zentral wird die Vernetzung sein: Wir haben viele Kulturinitiativen, Kultureinrichtungen, Kulturtätige in allen Teilen des Landes. Das ist, was das Kulturland Oberösterreich so stark macht. Diese in einen Austausch zu bringen, um mehr für alle Beteiligten zu erreichen, ist ein zentraler Ansatz, den wir weiter verfolgen werden.

Im Kulturleitbild ist oft von der Internationalisierung der Kulturszene die Rede. Wie wollen Sie diese erreichen?

Internationalisierung ist eine große Chance für die Kultur, ein höheres Maß an Bekanntheit zu erreichen. Ich glaube, dass die Digitalisierung in diesem Zusammenhang eine sehr große Rolle spielen wird. Wir haben in der Pandemie erlebt, dass die Kultur in diesem Bereich schnell tätig geworden ist.

Internationalisierung und Digitalisierung kosten viel Geld. Teilen Sie die Ansicht, dass im Kulturleitbild zwar hohe Ansprüche formuliert werden, es aber mit der Bereitschaft, darin zu investieren, noch hapert?

Das würde ich so nicht teilen. Ein Leitbild muss hohe Ziele beinhalten, nur dann kann man etwas erreichen. Wie der Weg dorthin aussieht, müssen wir in den nächsten Jahren gemeinsam erarbeiten. Ja, das wird auch Geld kosten und man wird abwägen müssen, wo man wie viel einsetzt.

95 % des Kulturbudgets geht nicht an private Vereine, sondern in die landeseigenen Einrichtungen. Das überrascht gerade bei der ÖVP, die ja sagt, es sei Aufgabe der Privaten, zu wirtschaften. Warum ist das im Kulturbereich anders?

Die Institutionen spielen in unserem Land eine wichtige Rolle – dasselbe gilt für das Ehrenamt und die Freie Szene. Es bringt die Kultur nicht weiter, wenn man diese Bereiche gegeneinander ausspielt, weil sie sich auch nicht trennen lassen. Ich nenne beispielsweise die Musikschulen, eine Bildungseinrichtung des Landes, in denen aber auch viele Menschen, die sich in der Freien Szene bewegen, ihr Wissen weitergeben können. Da sieht man, wie vernetzt und verschränkt alles ist. Wir müssen versuchen, Kultur im Sinne eines Miteinanders zu leben.

Aber wird nicht seitens der Politik gegeneinander ausgespielt, wenn man den einen sehr viel Geld gibt und den anderen sehr wenig?

Das sehe ich nicht so. Die Personalkosten machen bei den Institutionen einen hohen Anteil aus und die steigen einfach jährlich.

Auch in den Kulturvereinen gibt es Angestellte. Wäre es nicht Zeit, auch hier die Budgets anzupassen?

Die Kulturbudgets werden regelmäßig angeschaut. Aber nicht nur die Kultur will mehr Geld, auch der Sport, der Sozialbereich, der Gesundheitsbereich, der Verkehr. Die politische Entscheidung ist, wie man das Geld bestmöglich einsetzt. Ich glaube, die Gespräche, insbesondere mit der KUPF OÖ, laufen hier sehr produktiv. Man hat in der Pandemie gemeinsam die verschiedensten Instrumente ausgearbeitet und es gibt einen partnerschaftlichen Ansatz, in dem die Kulturdirektion nicht die Gegnerin ist und die Kulturtätigen nicht die Bittsteller*innen sind. 

Das Projekt „Die Quote“ des Vereins FIFTITU% hat festgestellt, dass Frauen in Führungspositionen der Landeskultureinrichtungen klar unterrepräsentiert sind. Sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Bei mir als Frau laufen Sie offene Türen ein. Natürlich müssen wir schauen, dass Frauen in Führungspositionen kommen. Das passiert aber aus meiner Sicht nicht über die Quote, sondern indem man Frauen animiert, auch den Mut zu haben, indem man Frauen begleitet, fördert, unterstützt. Mit der Landeskulturdirektorin haben wir eine steile Vorlage.

NPO Fonds: Wer bisher wie viel Geld erhalten hat

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #179/2021 erschienen.

Der NPO Fonds wurde im Mai 2020 von der Bundesregierung ins Leben gerufen, um die finanziellen Auswirkungen der Coronapandemie auf den Sektor der nicht-gewinnorientierten Betriebe zu reduzieren. Diese umfassen in der Definition des Fonds alle gemeinnützigen und mildtätigen Einrichtungen, konkret also beispielsweise Kulturvereine, Sozialbetriebe, nicht-staatliche Bildungseinrichtungen, die Kirche oder die Feuerwehren.

Anfangs mit 700 Mio € dotiert, wurde er nach dem zweiten Lockdown im November 2020 wie andere Hilfsinstrumente auf 1 Milliarde € aufgestockt. Die KUPF OÖ hat sich die Zahlen besorgt, welcher Sektor und welches Bundesland bisher wie viel Geld aus dem Fonds abrufen konnte. Der erste im Juni veröffentlichte Beitrag umfasste dabei alle Anträge bis 31.5.21, nun haben wir den Beitrag mit Zahlen bis zum 31.7.21 aktualisiert.

Eckdaten

Die uns vorliegenden Zahlen umfassen alle drei Phasen des NPO Fonds, also Hilfszahlungen beider Antragsphasen 2020 (Q2+Q3 sowie Q4) und ersten Anträgen für das erste Halbjahr 2021.

Die wichtigsten Eckdaten im Überblick:

Bisher zugesagtes Fördervolumen512 Mio €
Bisher ausbezahltes Fördervolumen475 Mio €
Anzahl der bisherigen zugesagten Anträge33.853
Anzahl der bisherigen AntragstellerInnen22.024
Durchschnittliche Zusage pro AntragstellerIn€ 23.229

Die Zahlen geben den Stand mit Stichtag 31.7.2021 wieder. Wichtig ist, dass zwar ein Großteil, aber noch nicht alle bisher eingereichten Förderanträge abgearbeitet sind, auch ist derzeit auch noch die Antragsmöglichkeit für die Phase 3 für das erste Halbjahr 2021 gegeben.

Wie wir sehen, wurden bisher also 51% des Gesamtvolumens des NPO Fonds abgerufen. Zu Bedenken ist, dass im vergangen Jahr der Kulturbereich etwa 4 Monate von einem totalen Lockdown sowie 4 Monate von anfangs starken bis später schwächeren Einschränkungen betroffen war. Im heurigen Jahr umfasste der totale Lockdown 4,5 Monate sowie 1,5 Monate mit schwächeren Einschränkungen. Angesichts der steigenden Inzidenzzahlen fordert die KUPF OÖ, den NPO Fonds auch für das zweite Halbjahr 2021 zu verlängern. Eine weitere Budgetmittel des NPO Fonds durch die Bundesregierung könnte also nötig sein.

Welcher Sektor hat wie viel bekommen?

Wie oben erwähnt hat der NPO Fonds eine breite Zielgruppe, die auch durchaus heterogen ist. Während der Lockdown für einen Kulturverein einen totalen Verlust der normalerweise erwirtschafteten Eigeneinnahmen darstellte, war der Einnahmenverlust beispielsweise für einen kleinen Sportverein deutlich niedriger. Und während es wohl mehr Kulturorganisationen gibt als Sozialbetriebe sind zweitere in der Regel deutlich größer. Gleichzeitig haben Eigenheiten des NPO Fonds auch zur Folge, dass durch die Förderung bestimmter Kostenarten manche Vereine eine höhere Förderung bekommen konnten als andere.

All das spiegelt sich in den teils starken Abweichungen sowohl der Ausschüttungssummen als auch der durchschnittlichen Förderungen, wie folgende Grafik zeigt:

Die vorher angesprochenen Unterschiede zeigen sich hier deutlich. Während beispielsweise sowohl der Sportsektor als auch der Bereich „Gesundheit, Pflege, Soziales“ in Summe etwa 98 Mio € zugesagt bekommen haben, unterscheidet sich die durchschnittliche Zusage um den Faktor 1:4,5.

In der folgenden Tabelle stellen die Zahl der bereits zugesagten Anträge mit ihren relativen Anteilen dar:

SektorAnträgeProzent der AnträgeAnteil des FördervolumensPerformance
Feuerwehren4.43513,10 %5 %-65 %
Kunst und Kultur6.22018,37 %14 %-25 %
Religion und kirchliche Zwecke4.56313,48 %14 %+7 %
Sport10.43230,82 %20 %-34 %
Weiterbildung, Wissenschaft, Bildung1.5634,62 %15 %+217 %
Gesundheit, Pflege, Soziales1.9285,70 %19 %+238 %
Sonstiges4.71213,92 %13 %-6 %
Gesamt33.853100%100%

Achtung: Da der Fonds drei Antragsphasen hat, ist diese Zahl der Anträge nicht gleichbedeutend mit der Anzahl der unterstützten Organisationen, da viele eben auch mehrere Anträge stellen konnten/mussten. Eine Aufschlüsselung der Zahl der AntragsstellerInnen pro Sektor liegt uns aktuell leider nicht vor.

Aus dem Kunst- und Kulturbereich stammen österreichweit also 6.220 Anträge. Während das 18% aller Anträge darstellt, gingen nur 14% der zugesagten Mittel in diesen Sektor. Am anderen Ende liegen die Bereiche „Weiterbildung, Wissenschaft und Bildung“ (4,6% der Anträge, 15% der Mittel) und der Bereich „Gesundheit, Pflege und Soziales“ (5,7% der Anträge, 19% der Mittel). Dies relative over- und underperforming ist damit ein Indiz für die strukturellen Größenunterschiede innerhalb der verschiedenen NGO Sektoren in Österreich, allerdings natürlich mit der Einschränkung des eher willkürlichen Datensamples.

Wie viel Geld ging in welches Bundesland?

Spannend ist auch die Aufteilung nach den Bundesländern, die wir wie folgt visualisiert haben:

Auch hier sind starke strukturelle Unterschiede sichtbar, die wir anhand des Bevölkerungsschlüssels gut mit einem Over- und Underperforming bewerten können.

Oberösterreich ist das einzige Bundesland, das im Vergleich zum Bevölkerungsanteil sowohl einen höheren Anteil der Anträge als auch der ausgeschütteten Summe vorweisen kann. Die anderen Bundesländer teilen sich in zwei Gruppen: Die Steiermark, Kärnten, das Burgenland, Niederösterreich und Tirol hatten relativ gesehen zwar einen höheren Anteil der Anträge gestellt, konnten aber nur weniger Mittel abholen, als der Bevölkerungsanteil ausmacht. Das andere Extrem sind die drei Bundesländer Vorarlberg, Salzburg und Wien, die relativ gesehen zwar weniger Anträge aber eine höhere Ausschüttung hatten. Der klare Ausreißer in dieser Analyse ist das Bundesland Wien, das mit nur 11% der Anträge 32% des gesamten Fördervolumens des NPO Fonds erhielt.

Wie viel hat der Kulturbereich in Oberösterreich vom NPO Fonds profitiert?

Die KUPF OÖ hat den NPO Fonds intensiv bei ihren Mitgliedern beworben, mehrere Webinare veranstaltet und dutzende Einzelberatungen vorgenommen. Die Arbeit dürfte sich ausgezahlt haben: Der oberösterreichische Kunst- und Kulturbereich Sektor hat in Summe 1.235 Anträge gestellt. Damit kam österreichweit fast jeder fünfte Antrag aus dem Kulturbereich aus Oberösterreich. Dem stehen 7,7 Mio an Förderzusagen gegenüber, was etwa ein Neuntel der Gesamtförderung des Kunst- und Kulturbereichs ausmacht. Auch hier zeigt sich der strukturelle Unterschied der Bundesländer deutlich, aber auch das dramatische Sinken der Kulturförderung von mehr als 50% in den letzten 20 Jahren macht sich bemerkbar.

Wie viele Anträge von Mitgliedern der KUPF OÖ stammen, ist leider nicht bekannt, wir gehen aber davon aus, dass eine Summe von etwa 3-3,5 Mio € an unsere Mitglieder ausgeschüttet wurde. Damit hat sich der NPO Fonds eindeutig als das wichtigste Hilfsinstrument zur Sicherung der oberösterreichischen Kulturinitiativen erwiesen.