Was bedeutet das Sparpaket für die Kultur?

Letzte Woche ließen erste Berichte über Kürzungen und radikalen Änderungen im Fördersystem schlimmes für die frei Kulturszene befürchten. Mich hat’s sogar so weit in Alarmbereitschaft gesetzt, dass ich einen offenen Brief an Kulturministerin Schmied geschickt habe, auf den übrigens leider bis jetzt noch keine Antwort kam.

Heute wurden erstmals offizielle Pläne der SPÖ-ÖVP Regierung präsentiert. Wie wirkt sich das neue Sparpaket im Kulturbereich aber jetzt konkret aus? So ganz genau lässt sich das leider noch immer nicht sagen, aber sehen wir uns mal die Details an, die übrigens auf 23 Din A4-Seiten Platz haben:

Ermessensausgaben

Über eine Reihe von Ressorts werden 5 % der Ermessensausgaben gebunden (Ausnahmen sind die Bereiche, Wissenschaft, Forschung, , Inneres, Sport, Verkehr, Innovation, Familie und Jugend). Dies ergibt eine Einsparung von 170 Mio. Euro pro Jahr über alle Ministerien gerechnet, insgesamt also 850 Mio. Euro. Welche Ausgaben tatsächlich zurückbehalten werden sollen, liegt in der Entscheidung des jeweiligen Ressorts.

Da anfangs 5-15% kolportiert wurden, sind die 5% am unteren Ende angesiedelt. Dass es Ausnahmen für Resorts wie Wissenschaft, Forschung und Innovation gibt, scheint vernünftig. Schade allerdings, dass es Kulturministerin Schmied wohl nicht geschafft hat, das Kulturressort in die Ausnahmeliste zu boxen – sollte sie es überhaupt probiert haben.

170 Millionen Euro sollen über die Ermessensausgaben also in allen Ressorts gespart werden, immerhin zehn Prozent oder 17 Millionen Euro davon kommen aus dem Kultur- und Unterrichtsministerium. Allerdings wird laut einem Standard-Bericht im Ministerium betont, sollen die Ausgaben für Kunst- und Kultureinrichtungen stabil bleiben und das Geld dort weiter im vollen Umfang ankommen. Man wolle die Einsparungen nicht bei Förderungen tätigen, sondern in der eigenen Verwaltung, wie es gegenüber der APA aus dem Ministerium hieß.

Schenken wir dieser Aussage Glauben, bleibt die Frage, wo das Ministerium im Verwaltungsbereich 17 Millionen Euro im Verwaltungsbereich einsparen will. Das sind immerhin knapp 250 Planposten bei geschätzen Kosten von 70.000 Euro pro Person. Kaum vorstellbar, dass das Ministerium auf einen Schlag so viele Beamte feuert. Wo kann sonst gespart werden? Sollen die Fachjurys reduziert werden? Werden Kunstankäufe reduziert? Sollen Beratungstätigkeiten eingestellt werden? Oder stellen sie einfach die Heizung ein Grad runter und aktivieren den Stromsparmodus beim Computer? Fragen über Fragen, die wohl erst in den nächsten Wochen beantwortet werden.

Interessantes Detail am Rande: Dass am Sparpaket bis zur letzten Minute gebastelt wurde, merkt man an vielen Stellen und Fehlern im Text. Bei den Ermessensausgaben lassen die beiden Beistrichfehler darauf schließen, dass da wohl noch zwei Ressorts kurz vor Redaktionsschluß herausgestrichen wurden. Aber das werden wohl erst in ein paar Jahren aus Faymanns Memoiren erfahren.

Änderungen im Subventionswesen

Effizientes Förderwesen – koordiniertes Förderwesen
Für die kommende Finanzperiode kann es aufgrund von laufenden Förderprogrammen noch zu keinen relevanten Einsparungen kommen. Für die folgenden Finanzperioden wird das Förderwesen auf neue, stabile und effiziente Beine gestellt.
Ziele: Künftige Vermeidung unerwünschter Doppelförderungen, mehr Transparenz im Umgang mit Fördergeldern und zielführender Einsatz von Fördergeldern. Dafür wurden Mindeststandards entwickelt, die einen effizienten Einsatz der Fördermittel gewährleisten und von allen Gebietskörperschaften in Zukunft eingehalten werden. Das sichert Qualität, Transparenz und Kontrolle. Bund, Länder und Gemeinden werden sich auf mehrjährige Förderungsschwerpunkte festlegen, wobei inhaltliche Überschneidungen zu verhindern sind.

  • Bund, Länder und Gemeinden entwickeln abgestimmte mehrjährige Förderschwerpunkte und Förderungsstrategien mit definierten Zielsetzungen unter Vermeidung von Doppelförderungen
  • Einführung von One-Stop-Shops zur einheitlichen Abwicklung von Förderungen pro Fördersparte
  • Einführung von Mindeststandards und Kenngrößen für alle Förderungen.
  • Verpflichtung zur Einhaltung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Fördereffekt und dem damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwand.
  • Einführung von Indikatoren zur besseren Evaluierung

Mindeststandards
Wow, verpflichtende Mindeststandards für die Subventionsvergabe, das würde im Kulturbereich ein wahres Novum, denn jede/r Kulturschaffende kennt die unglaublich heterogene Förderlandschaft dieses Landes. Nur: Wie diese Mindeststandards aussehen, ist noch nicht bekannt, ich hoffe mal, dass die Interessensvertretungen wie die IG Kultur in die Ausarbeitung eingebunden wurden oder werden. Da die Bundesregierung davon ausgeht, dass dieser Reforumpunkt erst 2015 schlagend wird, kann also durchaus noch Zeit sein, hier kulturpolitisch einzuwirken. Best Case: Die Einführung von Gehaltsstandards für freie KulturarbeiterInnen und KünstlerInnen, wie sie die IG Kultur jüngst in ihrer Fair Pay Kampagne forderte.

Kenngrößen
Auch hier wieder zu wenig Details, um eine genaue Beurteilung abzugeben. Worst Case: Quantiative Beurteilung von Fördereinreichungen, zum Beispiel nach erwarteten BesucherInnen-Zahlen.

Überschneidungen vermeiden
Wie inhaltliche Überschneidungen zu vermeiden sein sollen, ist mir im Kulturbereich ein Rätsel. Wenn das Land OÖ einen Schwerpunkt auf Theater legt, darf dann die Stadt Linz diesen nicht mehr verfolgen? Das scheint nicht praktikabel, und wird hoffenltich im Kulturbereich so nicht umgesetzt.

One-Stop-Shops
Der mysteriöseste Punkt. Wo werden diese Shops angesiedelt – Stadt, Land, Bund? Bekomme ich von dieser Stelle dann den kompletten Förderbetrag? Verkaufen die auch Fingerfood?

Verhältnis Fördereffekt Verwaltungsaufwand
Das klingt in der Ankündigung schon so schwammig, das kann in der Umsetzung nicht besser werden. Wie soll das im Kunst- und Kulturbereich beurteilt werden? Was ist der Fördereffekt bei der Subvention einer künstlerischen Aktion im öffentlich Raum? Ich fürchte eher, dass das Tür und Tor für die missbräuchliche Auslegung durch überforderte oder politisch-andersdenkende Kulturbeamte und KulturpolitikerInnen öffnet.

Indikatoren
Auch hier haben wir wieder das Problem, dass die Bewertung von Kunst und Kultur meist eher eine subjektive denn eine objektive ist.

Fazit

Auch wenn es nicht so drastisch kommt, wie befürchtet, so bleiben doch viele Fragen bei diesem Sparpaket offen. Daher würde mich eure Meinung interessieren – liege ich mit meinen Einschätzungen richtig oder sehe ich etwas komplett verkehrt?

Künstler fördern, Millionäre fressen!

Nach meinem gestrigen Artikel zu den anscheinend geplanten Kürzungen im freien Kunst- und Kulturbetrieb habe ich auch einen offenen Brief (okay, eine offene E-Mail) an SPÖ-Kulturministerin Claudia Schmied verfasst:

Sehr geehrte Frau Ministerin Schmied,

in den letzten Tagen wurden zahlreiche Details des kommenden Sparpakets publik. Manche der Vorschläge finde ich nachvollziehbar, doch eines ist offensichtlich: Die breite Bevölkerung und die sozial Schwächsten müssen die Kosten bezahlen, die nicht durch den Sozialstaat, sondern durch die höchst ungleiche Vermögensverteilung in Österreich entstehen.

Als Künstler und Kulturarbeiter bin ich besonders über zwei kolportiere Vorschläge entsetzt:

1. Die Kürzung der Ermessensausgaben in Höhe von 5-15%
Wie Sie sicher wissen, ist ein Großteil der Kulturförderung der unabhängigen Kunst- und Kulturszene Österreichs in den Ermessensausgaben angesiedelt. Nicht nur Basissubventionen, besonders auch Projektförderungen, Sonderfördertöpfe wären betroffen. Werden diese Budgetposten um 5-15% gekürzt, wird diese Kürzung direkt auf die Einkommen der österreichischen KünstlerInnen durchschlagen.

2. Die Umstellung der Förderaufteilung zwischen den Gebietskörperschaften
In Österreich ist es Usus, dass Kulturvereine Subventionen von Stadt, Land und Bund beziehen. Auch wenn diese Förderpraxis einiges an Mehrarbeit bedeutet, hat sie allerdings den Vorteil, dass die KIs nicht vom Wohlwollen einer einzigen Förderstelle und den dort herrschenden politischen Machtverhältnissen abhängig sind. Ebenfalls wird die Umstellung auf eine Förderpyramide, bei der der Bund erst ab einem gewissen Gesamtbetrag fördert, besonders die vielen kleinen Kunst- und Kulturvereine treffen. Wenn sich FörderwerberInnen nur noch an eine Förderstelle wenden können, sind sie dieser auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das wird besonders in ländlichen Gegenden und bei politisch engagierten Gruppierungen schnell zu Problemen führen. Denn auch im 21. Jahrhundert ist die Zensur noch nicht verschwunden, wie jüngst die Ereignisse rund um den TKI Open und den KUPF Innovationstopf beweisen.

Stimmen diese Gerüchte, dann plant ihre Regierung den größten Kahlschlag der unabhängigen Kunst- und Kulturszene der letzten Jahrzehnte.
Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, welche ihre kulturelle Arbeit als Arbeit an der Gesellschaft verstehen.
Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich tagtäglich zu Hungerlöhnen im österreichischen Kulturbetrieb verausgaben.
Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die noch Hoffnung in den kulturpolitischen Gestaltungswillen der Sozialdemokratie haben.

In Österreich leben 73.900 Millionäre und 20.000 KünstlerInnen. Dass die Schnittmenge zwischen diesen beiden Gruppen eine minimale ist, wissen wir nicht erst seit der Studie über die soziale Lage der KünstlerInnen, die von ihrem eigenen Ressort in Auftrag gegeben wurde. 37% der KünstlerInnen leben unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze, gegenüber 13% der Gesamtbevölkerung. Es ist mir unverständlich, dass ausgerechnet die sozialdemokratische Partei weitere Kürzungen in dieser Bevölkerungsgruppe befürwortet.

Ich erwarte mir von Ihnen und von ihrer Partei, dass sie dafür kämpfen, die Zahl der Millionäre zu reduzieren.
Ich erwarte mir von Ihnen und von ihrer Partei, dass sie dafür kämpfen, die prekäre Lage der österreichischen KünstlerInnen und Kulturschaffenden zu verbessern.

2009 haben Sie angesichts der erschütternden Ergebnisse der oben erwähnten Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen gesagt: „Wir müssen handeln und ich als Kunst- und Kulturministerin bin dazu bereit.“  Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Versprechen der Sonntagsreden eingelöst werden müssen. Setzen Sie sich für die Anliegen jener Menschen ein, welche die kulturelle Vielfalt dieses Landes tagtäglich gestalten.

Mit den besten Grüßen,
Thomas Diesenreiter

Sparpaket: Radikale Einschnitte für die freie Kunst- und Kulturszene Österreichs zu befürchten

Seit Monaten brütet die österreichische Regierung über einem Sparpaket. Viele verschiedene einnahmen- wie ausgabenseitige Ideen wurden öffentlich diskutiert, der genaue Verhandlungsstand wird natürlich österreich-typisch geheim gehalten. Die OÖN haben heute in einem Bericht unbestätigte Detailinformationen veröffentlicht, von denen mir eine ins kulturpolitische Auge sticht:

Förderungen: Sämtliche Förderungen, die derzeit von den Ministerien ohne gesetzlichen Auftrag, also im freien Ermessen vergeben werden, sollen um einen fixen Prozentsatz (diskutiert wird eine Spanne zwischen fünf und 15 Prozent) gekürzt werden. Einschnitte soll es auch in der Parteienförderung geben. Streichungen sind auch in Bereichen vorgesehen, wo Bund und Länder fördern.

Ein Großteil der Kulturförderung der unabhängigen Kunst- und Kulturszene Österreichs ist in den Ermessensausgaben angesiedelt. Nicht nur Basissubventionen, besonders auch Projektförderungen, Sonderfördertöpfe, etc. Werden diese Budgetposten um 5-15% gekürzt, wird diese Kürzung auch voll auf die vielen tausenden KünstlerInnen durchschlagen, deren prekäre soziale Lage 2008 in einer vom BMUKK selbst in Auftrag gegeben Studie so beschrieben wird:

Unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze leben 37% der Kunstschaffenden – dieser Anteil beträgt in der Gesamtbevölkerung 13% und unter allen Erwerbstätigen 7%.

Stimmen die Angaben der OÖN, dann plant die SPÖ mit ihrem Partner ÖVP den größten Kahlschlag der österreichischen Kunst- und Kulturszene der letzten Jahre. Und das obwohl das Kulturministerium sogar derzeit von der SPÖ-Ministerin Schmied geführt wird.

Weiters lässt der etwas vage Satz „Streichungen sind auch in Bereichen vorgesehen, wo Bund und Länder fördern.“ befürchten, dass das bis dato geltende Credo Drittelfinanzierung Bund-Stadt-Land aufgehoben wird. Dies wird mangels mehrjähriger Verträge ebenfalls besonders auf die freie Szene durchschlagen. Und was mich noch betroffener macht: Die SPÖ/ÖVP scheint auf die FPÖ zuzugehen, fordert diese doch seit Monaten das einstellen von „Doppel- und Dreifachförderungen“. Und wen die FPÖ da im Visier hat, daraus macht sie gar keinen Hehl:

So erhält etwa das „Autonome Zentrum von und für Migranten“ Förderungen von insgesamt 19 Stellen der öffentlichen Hand. Die Palette an Veranstaltungen, die von den insgesamt 35 angestellten Mitarbeitern betreut werden, reicht vom „Hurentag 2009“ bis hin zu „WIR und IHRtum – Ein Postulat für Identität als mobiles Hängemattenkonzept“. Angesichts der angespannten Budgetsituation und der erfolgten Herabstufung der Kreditwürdigkeit Österreichs sei diese Art des Umgangs mit Steuergeld untragbar. „Es ist unausweichlich, die zahllosen Subventionstöpfe zu reduzieren“, so Strache.

Ich appelliere daher an die SPÖ: Keine Kürzungen der Ermessensausgaben im Kulturbereich!

Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich tagtäglich zu Hungerlöhnen im österreichischen freien Kulturbetrieb verausgaben. Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, welche ihre kulturelle Arbeit als Arbeit an der Gesellschaft verstehen. Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die noch Hoffnung in den kulturpolitischen Gestaltungswillen der Sozialdemokratie haben.

Wer meine Befürchtung teilt, kann zum Beispiel ein E-Mail an SPÖ Kulturministerin Claudia Schmied schicken: claudia.schmied@bmukk.gv.at.