Sparpaket: Radikale Einschnitte für die freie Kunst- und Kulturszene Österreichs zu befürchten

Seit Monaten brütet die österreichische Regierung über einem Sparpaket. Viele verschiedene einnahmen- wie ausgabenseitige Ideen wurden öffentlich diskutiert, der genaue Verhandlungsstand wird natürlich österreich-typisch geheim gehalten. Die OÖN haben heute in einem Bericht unbestätigte Detailinformationen veröffentlicht, von denen mir eine ins kulturpolitische Auge sticht:

Förderungen: Sämtliche Förderungen, die derzeit von den Ministerien ohne gesetzlichen Auftrag, also im freien Ermessen vergeben werden, sollen um einen fixen Prozentsatz (diskutiert wird eine Spanne zwischen fünf und 15 Prozent) gekürzt werden. Einschnitte soll es auch in der Parteienförderung geben. Streichungen sind auch in Bereichen vorgesehen, wo Bund und Länder fördern.

Ein Großteil der Kulturförderung der unabhängigen Kunst- und Kulturszene Österreichs ist in den Ermessensausgaben angesiedelt. Nicht nur Basissubventionen, besonders auch Projektförderungen, Sonderfördertöpfe, etc. Werden diese Budgetposten um 5-15% gekürzt, wird diese Kürzung auch voll auf die vielen tausenden KünstlerInnen durchschlagen, deren prekäre soziale Lage 2008 in einer vom BMUKK selbst in Auftrag gegeben Studie so beschrieben wird:

Unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze leben 37% der Kunstschaffenden – dieser Anteil beträgt in der Gesamtbevölkerung 13% und unter allen Erwerbstätigen 7%.

Stimmen die Angaben der OÖN, dann plant die SPÖ mit ihrem Partner ÖVP den größten Kahlschlag der österreichischen Kunst- und Kulturszene der letzten Jahre. Und das obwohl das Kulturministerium sogar derzeit von der SPÖ-Ministerin Schmied geführt wird.

Weiters lässt der etwas vage Satz „Streichungen sind auch in Bereichen vorgesehen, wo Bund und Länder fördern.“ befürchten, dass das bis dato geltende Credo Drittelfinanzierung Bund-Stadt-Land aufgehoben wird. Dies wird mangels mehrjähriger Verträge ebenfalls besonders auf die freie Szene durchschlagen. Und was mich noch betroffener macht: Die SPÖ/ÖVP scheint auf die FPÖ zuzugehen, fordert diese doch seit Monaten das einstellen von „Doppel- und Dreifachförderungen“. Und wen die FPÖ da im Visier hat, daraus macht sie gar keinen Hehl:

So erhält etwa das „Autonome Zentrum von und für Migranten“ Förderungen von insgesamt 19 Stellen der öffentlichen Hand. Die Palette an Veranstaltungen, die von den insgesamt 35 angestellten Mitarbeitern betreut werden, reicht vom „Hurentag 2009“ bis hin zu „WIR und IHRtum – Ein Postulat für Identität als mobiles Hängemattenkonzept“. Angesichts der angespannten Budgetsituation und der erfolgten Herabstufung der Kreditwürdigkeit Österreichs sei diese Art des Umgangs mit Steuergeld untragbar. „Es ist unausweichlich, die zahllosen Subventionstöpfe zu reduzieren“, so Strache.

Ich appelliere daher an die SPÖ: Keine Kürzungen der Ermessensausgaben im Kulturbereich!

Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich tagtäglich zu Hungerlöhnen im österreichischen freien Kulturbetrieb verausgaben. Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, welche ihre kulturelle Arbeit als Arbeit an der Gesellschaft verstehen. Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die noch Hoffnung in den kulturpolitischen Gestaltungswillen der Sozialdemokratie haben.

Wer meine Befürchtung teilt, kann zum Beispiel ein E-Mail an SPÖ Kulturministerin Claudia Schmied schicken: claudia.schmied@bmukk.gv.at.

Warum streicht die Sozialstadt Linz die Förderung der interkulturellen Medienwerkstadt Pangea? *update*

Update 25.11.2011: Bei einem Termin mit Bürgermeister Dobusch und Finanzstadtrat Mayr haben wir heute die frohe Botschaft vernommen, dass es keine Förderkürzung bei Pangea geben wird. Angeblich ein Missverständniss auf Verwaltungsebene, dass sich aber wohl ohne den öffentlichen Druck nicht so schnell (wenn überhaupt) gelöst hätte.

Auf Initiative von Daniel Friesenecker starten wir eine Blogparade zum Frage: „Was würde der Gesellschaft ohne freie Initiativen fehlen?“. Nun, verfolgt man die derzeitigen politischen Entscheidungen in Linz, so wird die nächste Blogparade-Frage in naher Zukunft wohl den Konjunktiv verlieren und lauten: „Was fehlt der Gesellschaft ohne freie Initiativen?“

Weil man schon leicht den Überblick verliert, hier eine kleine Zusammenfassung: Die Linzer KAPU musste ihr Magazin KAPUzine einstellen und hat ihren Protest auf die Straße getragen. Das Kunst- und Kulturmagazin „spotsZ“ wurde zum Bedauern von vielen letztes Jahr eingestellt, obwohl sich die Stadt in ihrem Kulturentwicklungsplan 2000 zu freien Medien und der Unterstützung von Kunstzeitungsprojekten bekannt hat. Die freie Medienplattform junQ.at wird sowieso seit jeher mit Minibeträgen abgespeist. Die Subvention der KünstlerInnengruppe Socialimpact wurde zuerst von 8.000 € auf 3.000 € gekürzt, und erst dank des offenen Briefs und massiven öffentlichen Drucks wieder auf 6.000 € angehoben. Fazit: Die freie Szene steht finanziell immer mehr in der Ecke und hat ihren Unmut auch schon in einem offenen Brief geäußert. Reaktion des Kulturreferenten, sinngemäß: „Gut, dass wir das jetzt wissen, danke für die Info, ändern wird sich aber nichts.“

Kurz: Der Stadt Linz ist ihre Kunst- und Kulturszene immer weniger wert.

Neuester Coup: Der interkulturellen Medienwerkstadt Pangea wurde eine Förderung in Höhe von 10.000 € aus dem Sozialreferat gestrichen, die sie seit dem Jahr 2006 bekommt. Der Zeitpunkt der Förderabsage: 21. November 2011, mehr als acht Monate nach dem Einreichen des Förderansuchens. Warum das so lange gedauert hat? In der Sachverhaltsdarstellung liest man Erstaunliches:

Telefonische Nachfrage bei Herrn Weiss Ende Juli/Anfang August 2011 – Vertröstung auf Herbst, da über den Sommerzeitraum nichts entschieden würde. Erneute Nachfrage bei Herrn Weiss im September – Vertröstung auf 2-3 Wochen, da eine gewisse Aklimatisierungsphase gebraucht würde nach dem Urlaub.  Erneute Nachfrage bei Herrn Weiss Mitte Oktober – Zusicherung einer Benachrichtigung bis spätestens Ende Oktober/Anfang November.

Da merkt man schon das Machtungleichgewicht zwischen Förderwerber und Fördergeber: Die einen arbeiten unter prekären Bedingungen 11 Monate aus Engagement mit persönlichem Risiko. Denn Pangea ist so wie die Meisten als Verein organisiert, was eine private Haftung der Vorstandsmitglieder mit sich bringt. Die anderen hingegen lassen sich mit Entscheidungen monatelang Zeit, und lassen dabei nicht unbedingt den Eindruck aufkommen, dass ihnen etwas an der Arbeit der freien Initiativen liegt. Und mit Fördergeber mein ich jetzt Verwaltung und Politik, die oft genug auch noch Verantwortungen und Entscheidungen zwischen sich herschieben.

Also, was wird der Gesellschaft fehlen, wenn es Pangea nicht mehr gibt? Eine Initiative, die jungen AsylwerberInnen und MigrantInnen Medienkompetenz vermittelt, ihnen Zugang zu Produktionsmittel verschafft und ihnen damit die Möglichkeit gibt, ihre Probleme und Anliegen der Öffentlichkeit zu kommunzieren. Ein im digitalen Zeitalter elementares Tool, um seine BürgerInnenrechte und Menschenrechte durchzusetzen. Und wir wissen, gerade in Österreich ist es nötig, den vom Alltagsrassismus, Medienrassismus und Politikrassimus geprägten Bildern der AusländerInnen, MigrantInnen und AsylwerberInnen etwas entgegen zu setzen.

An dieser Stelle zu sparen hilft vor allem einem gesellschaftlichen Flügel: Den HetzerInnen der FPÖ. Und es erstaunt um so mehr, dass sich die Stadt Linz in einer Pressekonferenz am selben Tag als Sozialstadt präsentierte, als sie die Pangeakürzung publik machte. Zwei der dort veröffentlichten Ziele:

2. Schaffung von kulturellen Begegnungsmöglichkeiten
3. Verstärkung der beruflichen Qualifizierung von MigrantInnen.

Beides hat Pangea hervorragend geleistet! Und das mit einem Ansatz, der den angesprochenen Personen die Möglichkeit gab, autonom zu arbeiten und sich zu bilden. Ich fordere daher die Linzer Stadtpolitik auf, sich selbst beim Wort zu nehmen: Sichern sie das Überleben dieser wertvollen Initiative!