Nicht jammern, agieren!

Dieses Interview wurde ursprünglich im WUK Magazin, Ausgabe Februar 2018, publiziert.

Zuerst kam Wels. Dann Oberösterreich. Und jetzt auch auf Bundesebene: Schwarz-Blau ist wieder auf allen Ebenen unseres Landes angekommen. Ohne Zweifel, der politische Trend in Österreich zeigt nach rechts. Wie lange sich dieser Trend halten kann, ist aber noch ungewiss und hängt davon ob, wo und wie sich Widerstand formiert:

Mit einer schwachen Opposition und einer bequemen Mandatsmehrheit von 62% ausgestattet, kann der rechts-rechtsextremen Koalition von ÖVP und FPÖ außer eigenen Fehlern oder internen Streitereien kaum etwas in die Quere kommen. Freilich, es gibt durchaus Bruchstellen: Wie lange werden sich die Bünde und die mächtigen Landeshauptleute der ÖVP zurückhalten, wenn gegen ihre Interessen gehandelt wird? Werden die schwarzen Quereinsteiger in der Regierung ohne Parteinetzwerke politisch durchsetzungsfähig sein? Wie lange dauert es, bis die WählerInnen der FPÖ merken, dass Strache und Kickl ein Regierungsprogramm gegen ihre eigenen Interessen vereinbart haben? Wird sich Haimbuchner, dessen oberösterreichische FPÖ bei der Amtsvergabe leer ausgegangen ist, weiter als parteiinterner Kritiker gebärden, wie er es auch schon als einziger blauer Spitzenpolitiker am Tag der Regierungsbekanntgabe tat?

Abgesehen von diesen internen Faktoren gibt es externe Quellen potentiellen Ärgernis für die schwarzblaue Herrlichkeit. Dies ist zu einem die Zivilgesellschaft, die als Summe der nicht parteinahen Vereine, BürgerInitiativen und Interessenvertretungen definiert werden kann, die in Österreich beispielsweise maßgeblich im Kultur- und Sozialbereich aktiv und prägend sind. Weiters sind Arbeiterkammer und Gewerkschaften als traditionell sozialdemokratisch dominierte Interessenvertretungen stark mobilisierungsfähig und bieten besonders für die SPÖ ein Personalreservoir. Dann die jungen Menschen und Studierenden, die in der ÖH eine klare politische Akteurin haben. Die wenigen, verbliebenen kritischen Medien, vom ORF, zur Wiener Zeitung, dem Standard bis hin zu den freien Radios und Fernsehsendern. Oder die großen Städte, wobei hier im wesentlichen nur noch Wien übrig bleibt. Nach dem überraschenden Verlust von Salzburg und angesichts einer Linzer SPÖ, die von einem Rechtsausleger geführt bereits mit der FPÖ koaliert, ist die Bundeshauptstadt aber die letzte große urbane Bastion mit einer bisher eindeutigen, linken Mehrheit.

All das wissen auch die ParteistrategInnen rund um Sebastian Kurz. Und dies erklärt auch viele Punkte, die mal deutlicher, mal weniger klar im Regierungsprogramm formuliert sind. Die ÖH beispielsweise soll auf eine reine Servicefunktion zurückgestutzt werden und ihr allgemeinpolitisches Mandat verlieren. Das hat die ÖVP-nahe AG immer wieder gefordert, aber mangels einer Mehrheit nie umsetzen können, nun soll es die Bundespartei richten, was demokratisch nicht errungen werden konnte. Die verpflichtende Kammernmitgliedschaft wurde nun zwar doch nicht aufgehoben, aber die Daumenschrauben werden über eine drohende Senkung der Mitgliedsbeiträge sicher weiter angezogen werden.

Die Zivilgesellschaft wiederum soll über eine Senkung der Förderungen geschwächt werden. Wenn die neue Bundesregierung nun wie angekündigt auf Bundesebene Kürzungen von 190 Millionen € bei den Förderungen vornehmen wird, kann man davon ausgehen, dass sie dies wie in OÖ auch im Kultur- und Sozialbereich und nicht im Wirtschaftsbereich tut. Im Land ob der Enns gibt es 2018 im Bereich der Kulturförderung ein Minus von 30% zu schlucken. Nach Jahren der Nichtanpassung der Inflation und kleineren Kürzungsrunden haben die durchaus kritischen Kulturvereine und KünstlerInnen damit 66% weniger öffentliche Unterstützung zur Verfügung als noch zu Beginn des Jahrtausends. Auch im Sozialbereich wurden in OÖ besonders bei den Förderungen gekürzt: Getroffen waren besonders unabhängige Sozialvereine, die in der Familienberatung, der Flüchtlingsberatung oder der Frauenunterstützung aktiv sind. Viele Initiativen im Kultur- und Sozialbereich werden nun zusperren müssen, neben dem minimalen Spareffekt im öffentlichen Haushalt das eigentliche Ziel der rechten Regierungsmehrheit in OÖ.

Auch das finanzstarke rote Wien wird solche drohenden Förderverluste nicht zur Gänze auffangen werden. Tut sie es doch, wird das Defizit weiter steigen und den schwarzen Narrativ der schlecht wirtschaftenden Sozialdemokratie weiter stärken. Ein politisches Spiel, wie es die ÖVP meisterhaft beherrscht, beispielsweise in OÖ mit der finanziellen Belastung der roten Städte durch die Sprengelbeiträge. Oder der Nichtzuweisung von ihnen eigentlich zustehenden Budgetmitteln an rote Gemeinden wie in NÖ. Die ÖVP wird alle Hebeln in Bewegung setzen, um das linke, das progressive Wien zu schwächen. Sebastian Kurz weiß: Wenn er es schafft, auch Wien zu knacken, wird der rechte Staatsumbau viel einfacher zu bewerkstelligen sein. Linke Strukturen, die in mühevoller Arbeit jahrzehntelang aufgebaut wurden, könnten in wenigen Jahren zerstört werden. Soziokulturelle Räume wie das WUK oder die Arena, die als Infrastrukturknoten zentrale Funktionen des Austausches und Diskurses für eine progressive, urbane Szene bieten, sind bedroht. Besonders dort, wo die Gebäude der Stadt selbst gehören, kann eine rechte Regierung schnell unliebsame AkteurInnen unter Druck setzen, wie man in Wels anhand des Schl8hofs sehen kann.

Diese, unsere Räume gilt es in den nächsten Jahren mit allen Mitteln zu erhalten. Die Prekarität wird weiter ansteigen, die 80er Jahre lassen grüßen. Als Gegenmittel hilft Solidarität, Vernetzung und kluges, strategisches Vorgehen. Nicht jammern, agieren!

Mut zur Brücke

Kupfzeitung-156-Dezember-2015-CoverDieser Text erschien erstmals in der Dezember 2015-Ausgabe der KUPF-Zeitung der Kulturplattform Oberösterreich, und steht unter einer CC-BY-NC Lizenz.

Die Ergebnisse der Landtags- und Gemeinderatswahl in Oö geben zu denken. Hoffentlich. Denn die ersten Reaktionen quer durch die (nicht-blauen) Lager waren eher von Emotionen geprägt. Von Unverständnis beispielsweise: Wie kann man nur eine Partei wählen, die so offen fremdenfeindlich, frauenfeindlich und rückständig ist? Oder von Angst: Was bedeutet das jetzt für unsere Gesellschaft, und vor allem für die Schwächsten in ihr? Bleibt Oö lebenswert oder müssen wir einen Kahlschlag im Sozial- und Kulturbereich fürchten? Oder von Zorn: Zorn auf die Wähler*innen der FPÖ, denen von vielen pauschal unterstellt wurde, dass sie Idiot*innen und Nazis seien. Zorn auf SPÖ und Grüne, weil sie es trotz eines viel größeren Wähler*innenpotentials nicht schaffen, Mehrheiten für ihre Politik zu finden.

Eine solche Reaktion ist menschlich. Nur bringt sie uns nicht weiter. Und sie zeigt vor allem eines: dass die Politik der gezielten Verunsicherung der Rechten Früchte trägt. Nicht nur bei jenen Menschen, die am meisten vor Ihnen zu fürchten haben: den Migrant*innen, den Asylwerber*innen, den Bettler*innen oder allgemeiner, den sozialen Randgruppen. Sondern auch bei den Menschen links der Mitte, den politisch Aktiven, den Kulturtäter*innen und Progressiven. Für zweitere wird Schwarz-Blau im Land Oberösterreich oder Rot-Blau in Linz zwar unangenehm sein, sie haben aber im Vergleich zur ersten Gruppe vergleichsweise viele Alternativen und andere Möglichkeiten, zu überleben.

Auf der zivilgesellschaftlichen Ebene ist eine gewisse Apathie zu orten: Wer über Jahre die ewig gleichen Verteilungs- und Abwehrkämpfe führen muss, wird müde. Lange erkämpfte Rechte und zivilisatorische Fortschritte werden scheibchenweise wieder demontiert. So protestieren immer nur einzelne Gruppen, einmal die Kulturarbeiter*innen, einmal die Sozialarbeiter*innen, einmal die Pflegekräfte. Wenn – wie in Linz – die Ermessensausgaben um 10 % gekürzt werden, ist die Unterschrift eines offenen Briefs scheinbar das Maximum der Kampagnenfähigkeit.

Auf der politischen Ebene können wir eine gelähmte Sozialdemokratie beobachten, die nicht den Mut hat, jene sozialdemokratische Politik zu machen oder zumindest zu fordern, die diese Bewegung einst groß gemacht hat. Die österreichische Sozialdemokratie hat vielfach die Rahmenerzählung der Rechten und Konservativen übernommen. Nicht aus Prinzip, sondern in dem Irrglauben, dass die Gesellschaft nun mal so ist und nur so Wahlen gewonnen werden können. Statt Solidarität mit den Armen zu leben, werden Anti-Bettelgesetze eingeführt, «damit die FPÖ kein Wahlkampfthema hat», wie es der Linzer Bürgermeister Luger einmal im Gespräch begründete. Sieht man sich in Europa um, zeigt sich, dass diese Taktik nicht funktioniert. Jene sozialdemokratischen Parteien, die neoliberal und rechtskonservativ agieren, verlieren laufend Wahlen, ob in Deutschland, Griechenland oder eben Österreich. Überall dort, wo sozialdemokratische Parteien wie die Syriza in Griechenland oder einzelne Politiker wie Jeremy Corbyn in den UK linke Politik machen, sind sie aber im Aufwind.

Der Verunsicherung der Rechten kann man also nur eines entgegenstellen: Zuversicht und Mut. Besonders für jene, die diesmal rechts gewählt haben. Wir müssen Antworten auf die echten Ängste der Menschen finden, die aus Furcht vor dem sozialen Abstieg den hetzerischen Worten der FPÖ Glauben schenken. Wenn wir den Rechten das Wasser abgraben wollen, braucht es die Entwicklung und Vermittlung einer positiven Zukunft. Da muss sich die ÖVP beispielsweise für eine grundlegende Verteilungsdebatte öffnen. Die SPÖ kommt nicht daran vorbei, sich zu überlegen, wie sie ihre Grundwerte wie Solidarität, Freiheit und Gleichheit wieder zur Grundlage ihres Handelns machen kann. Die Gegner*innen der Rechten sind ja in der Überzahl. Es liegt also in unser aller Verantwortung, an einem Strang zu ziehen.

Kupfzeitung-156-Dezember-2015-Leitartikel-Thomas DiesenreiterDie politischen Parteien werden dabei nicht umhinkommen, den Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft zu suchen; die Grünen machen es vielfach vor. Und wir aus der Zivilgesellschaft? Wir müssen dafür offen sein. Wir dürfen nicht davor zurückscheuen, selbst politisch aktiv zu sein, Allianzen zu schließen und Brücken zu bauen. Offenheit braucht es dafür auf beiden Seiten.

Scheißts euch nicht an, wir kriegen das wieder hin.