Spar doch nicht im Kulturbereich, Linz!

Etwas komisch ist das schon. Tritt etwas ein, was man seit langem erwartet hat und wogegen man versucht hat anzuarbeiten, ertappt man sich selbst in einer gewissen Lethargie. So, als möchte man sich sparen, sich als Kassandra zu fühlen, also als ProphetIn eines unausweichlichen Ereignis.

So geht es mir angesichts der geplanten 10% Kürzung der Ermessensausgaben der Stadt Linz. Denn diese droht im Kulturbereich im Besonderen die freie Kunst- und Kulturszene zu treffen. Um genau das abzuwenden, wurde in den letzten Jahren einiges an Zeit und Energie der vielen engagierten Menschen der Kulturszene aufgebracht. Es gab Offene Briefe, kreative Protest, kreative Protestveranstaltungen, unzählige Termine mit PolitkerInnen und wohl am wichtigsten: Eine breite Partizipation bei der Erstellung eines neuen Kulturentwicklungsplans durch die freie Kunst- und Kulturszene. Eines der für mich wichtigsten Ergebnisse war die Verankerung der folgenden beiden Maßnahmen:

  • Die Stadt Linz erhöht schrittweise das Budget von Linz Kultur zur Förderung der freien Kunst- und Kulturszene gemäß den im Kulturentwicklungsplan genannten Schwerpunktsetzungen.
  • Linz Kultur erstellt in Abstimmung mit der freien Kunst- und Kulturszene und den Schwerpunktsetzungen des Kulturentwicklungsplans entsprechend einen leicht verständlichen Kriterienkatalog zur Bewertung der Qualität von Projekt- und Fördereinreichungen.

Dieser neue Kulturentwicklungsplan wurde nach einem fast dreijährigen Prozess mit breiter Zustimmung aller Parteien im Jänner 2013 im Linzer Gemeinderat verabschiedet. Damals habe ich Hoffnung geschöpft, dass damit eine Trendwende in der Schwerpunktsetzung der Linzer Kulturpolitik eingeleitet werden kann. Doch ein gutes Jahr später soll nun das Kulturbudget im Ermessensbereich um 10% gekürzt werden. Dem ist im Jahr 2012 eine Kürzung der Budgets der Linzer Kulturinstitutionen (AEC, Lentos, Posthof, Brucknerhaus, etc) um ebenfalls 10% vorausgegangen.

Daraus könnte man nun ableiten, dass auch die Kürzung im freien Bereich gerechtfertig ist. Denn dass die Stadt angesichts der sehr begrenzten Möglichkeiten eigene Steuern zu erheben, gezwungen ist, ihr Budget ausgabenseitig zu sanieren, um wieder ausgeglichen budgetieren ist den meisten klar.

Allerdings kann man diese beiden Bereiche nicht vergleichen. Im Bereich der Institutionen werden (zum Glück) arbeitsrechtliche Standards beachtet. Die Angestellten haben Kollektivverträge, bekommen dadurch vernünftige, wenn auch nicht übermäßige Löhne und im Regelfall jährlich einen Inflationsausgleich. Durch diese vertragliche Verpflichtungen ist es klar, dass die Stadt die Budgets der eigenen Institutionen über die Jahre immer wieder angehoben hat.

Dem gegenüber sind die Förderungen der freien Kunst- und Kulturszene schon seit Jahren eingefroren. Von Inflationsausgleichen kann man in diesem Bereich leider nur träumen. Viele Beschäftige im freien Bereich müssen nebenbei andere Jobs annehmen, um ihre eigenen Betriebe aufrecht zu erhalten. Viele sind für 20 oder 30 Stunden angestellt, arbeiten aber regelmäßig 40-50 Stunden. Die prekären Lebensumstände der KulturarbeiterInnen sind seit vielen Jahren Thema der Interessensvertretungen wie der IG Kultur oder KUPF OÖ (siehe fairpay). Doch nicht mal diese selbst können sich an ihre eigenen Lohnempfehlungen halten und müssen ihre Angestellten schlechter als gefordert entlohnen.

Egal wo man hinsieht, überall fehlt im Kulturbereich das Geld. Im Übrigen ist auch der institutionelle Bereich teilweise ausgehungert und kann seinen Aufgaben eher schlecht als recht nachkommen (man denke beispielsweise an die Budgets für Kunstankäufe).

Daher hat sich nun der Linzer Stadtkulturbeirat in einem offenen Brief gegen weitere Kürzungen des Linzer Kulturbudgets ausgesprochen:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte StadträtInnen,
sehr geehrte GemeinderätInnen,

laut Medienberichten wird als Teil des Sparkurses der Stadt Linz eine Kürzung der freiwilligen Ermessensausgaben von 10% erwogen. Wie sie sicher wissen, betrifft diese Kürzung besonders den Kulturbereich und darin fast ausschließlich die freie Szene, die im Schnitt 75-80% der freiwilligen Subventionen erhält. Für 2014 ist damit eine Kürzung von 90.000 € angekündigt, 2015 ist zu befürchten, dass der Betrag auf bis zu 200.000 € steigen wird.

Es ist kaum auszudenken, welche Konsequenzen dieser Schritt auf das kulturelle Leben unserer Stadt haben wird. Viele Vereine sind schon heute am Rand des finanziellen Ruins, die meisten Initiativen werden durch Selbstausbeutung, Ehrenamt und unter höchst prekären Arbeitsumständen erhalten. Die 3-Jahres-Basisförderungen wurden beispielsweise seit mehr als 10 Jahren nicht mehr erhöht, was einer Inflations-Entwertung von mehr als einem Viertel entspricht. Eine weitere Kürzung von 10% werden viele Organisationen, aber auch viele engagierte Menschen in der freien Kunst- und Kulturszene nicht mehr verkraften.

Dieses Vorhaben steht damit im krassen Widerspruch zum neuen Kulturentwicklungsplan, der Anfang 2013 nach einem langen zivilgesellschaftlichen Beteiligungsprozess und mit breiter, politischer Unterstützung im Gemeinderat beschlossen wurde. Im Kapitel „Potentiale Fördern“ wurde als zentrale Maßnahme verankert, die finanzielle Ausstattung der freien Szene schrittweise zu erhöhen. Dass der erste Schritt nun in die genau falsche Richtung geht, ist absurd und kann nicht hingenommen werden.

Die freie Kunst- und Kulturszene leistet einen wichtigen Beitrag für den gesellschaftlichen Diskurs, die Beteiligung von Minderheiten an politischen Prozessen und ganz allgemein für die Qualität der Lebensstadt Linz. Ein abwechslungsreiches kulturelles Leben ist laut zahlreichen Studien eines der wichtigsten weichen Kriterien für die Lebensqualität einer Stadt und damit auch für die Entwicklung dieser unabdingbar. Eine Kürzung der freien Szene würde zwangsläufig zu einer Ausdünnung des Angebots und der kulturellen Diversität führen und damit das mühsam aufgebaute Image der Kulturstadt Linz zerstören.

Die Streichung der Kulturförderung ist aber auch eine soziale Frage. Eine so radikale Kürzung wird zwangsläufig zu einer weiteren Verschärfung der Arbeitsbedingungen im Kulturbereich und damit zu einer weiteren Verarmung der AkteurInnen führen. Und diese sind, wie wir seit dem 2008 präsentierten Bericht zur sozialen Lage der österreichischen KünstlerInnen durch das BMUKK wissen, schon jetzt zu 37% armutsgefährdet.

Der Stadtkulturbeirat Linz als offizielles Beratungsgremium der Linzer Politik spricht sich hiermit entschieden gegen eine Kürzung des Kulturbudgets im Bereich der Ermessensausgaben aus. Es muss bessere Lösungen geben als diese.

Mit den besten Grüßen,
Thomas Diesenreiter für die Mitglieder des Stadtkulturbeirats Linz
Linz, am 6.4.2014

Der offene Brief als Download

Der offene Brief als Download

Mittlerweile gab es auch einige Reaktionen. So haben sich die Grünen und ihr Kultursprecher Severin Mayr der Position des SKB angeschlossen:

Vielen Dank für die Übermittlung des ​offenen Briefes zu den geplanten Kürzungen im Kulturbereich, dessen Inhalt wir Grüne vollinhaltlich unterstützen.

Seit vielen Jahren fordern wir eine Erhöhung der Mittel der Freien Szene, ebenso lange wird uns mitgeteilt, dass das aus budgetären Gründen nicht möglich sei und eine nominelle Stagnation als Erfolg gesehen werden sollte. Dass es nunmehr auch zu Kürzungen im Bereich der freien Kulturförderungen – die ohnehin seit Jahren massiv unterdotiert sind – kommen soll, ist aus unserer Sicht nicht nur inakzeptabel, sondern widerspricht auch dem am 24. Jänner 2013 beschlossenen Kulturentwicklungsplan (KEP), der eine schrittweise Erhöhung des Budgets zur Förderung der freien Kunst- und Kulturszene gemäß den im KEP genannten Schwerpunktsetzungen vorsieht.

Die Linzer ÖVP hat sich nun generell gegen eine Kürzung aller Ermessensausgaben ausgesprochen. Die Linzer SPÖ wiederum meint, dass es in der Hand des Kulturreferenten liegt, wer im Kulturbereich die Kürzung zu spüren bekommt, die freie Szene also bei gutem Willen verschont werden kann. Beide spielen auch mit der Idee, das LinzFest in Zukunft nur noch biennal stattfinden zu lassen, was budgetär eine Einsparung in etwa der selben Höhe wäre.

Auch die Tageszeitung Österreich (leider kein Scan verfügbar) hat am Montag groß über das Thema berichtet, die Linzer Rundschau hat in der morgigen Ausgabe einen großen Bericht. Für Donnerstag haben auch die OÖN noch einen Bericht angekündigt, Radio FRO wird morgen in der Frozine darüber berichten. Weiters haben sich auch KUPF OÖ und Fiftitu mit Presseaussendungen zu den geplanten Kürzungen geäußert.

Der Diskurs ist also eröffnet, aber das Zeitfenster ist kurz. Denn schon am Donnerstag, den 10. April  soll die Kürzung im Linzer Gemeinderat durchgewunken werden, also wenige Wochen nachdem die Idee bei der Sparklausur der Stadtregierung am 18. Februar das erste Mal diskutiert wurde. Es bleibt zu hoffen, dass die Linzer Stadtregierung eine Lösung findet, die die freie Kunst- und Kulturszene weitgehend verschont. Denn ansonsten wird dieses Bild vielleicht doch Wirklichkeit, dass 2011 im Rahmen der Lightkultur-Proteste entstanden ist: Bands, die sich ihre Musikinstrumente nicht mehr leisten können.

Was bedeutet das Sparpaket für die Kultur?

Letzte Woche ließen erste Berichte über Kürzungen und radikalen Änderungen im Fördersystem schlimmes für die frei Kulturszene befürchten. Mich hat’s sogar so weit in Alarmbereitschaft gesetzt, dass ich einen offenen Brief an Kulturministerin Schmied geschickt habe, auf den übrigens leider bis jetzt noch keine Antwort kam.

Heute wurden erstmals offizielle Pläne der SPÖ-ÖVP Regierung präsentiert. Wie wirkt sich das neue Sparpaket im Kulturbereich aber jetzt konkret aus? So ganz genau lässt sich das leider noch immer nicht sagen, aber sehen wir uns mal die Details an, die übrigens auf 23 Din A4-Seiten Platz haben:

Ermessensausgaben

Über eine Reihe von Ressorts werden 5 % der Ermessensausgaben gebunden (Ausnahmen sind die Bereiche, Wissenschaft, Forschung, , Inneres, Sport, Verkehr, Innovation, Familie und Jugend). Dies ergibt eine Einsparung von 170 Mio. Euro pro Jahr über alle Ministerien gerechnet, insgesamt also 850 Mio. Euro. Welche Ausgaben tatsächlich zurückbehalten werden sollen, liegt in der Entscheidung des jeweiligen Ressorts.

Da anfangs 5-15% kolportiert wurden, sind die 5% am unteren Ende angesiedelt. Dass es Ausnahmen für Resorts wie Wissenschaft, Forschung und Innovation gibt, scheint vernünftig. Schade allerdings, dass es Kulturministerin Schmied wohl nicht geschafft hat, das Kulturressort in die Ausnahmeliste zu boxen – sollte sie es überhaupt probiert haben.

170 Millionen Euro sollen über die Ermessensausgaben also in allen Ressorts gespart werden, immerhin zehn Prozent oder 17 Millionen Euro davon kommen aus dem Kultur- und Unterrichtsministerium. Allerdings wird laut einem Standard-Bericht im Ministerium betont, sollen die Ausgaben für Kunst- und Kultureinrichtungen stabil bleiben und das Geld dort weiter im vollen Umfang ankommen. Man wolle die Einsparungen nicht bei Förderungen tätigen, sondern in der eigenen Verwaltung, wie es gegenüber der APA aus dem Ministerium hieß.

Schenken wir dieser Aussage Glauben, bleibt die Frage, wo das Ministerium im Verwaltungsbereich 17 Millionen Euro im Verwaltungsbereich einsparen will. Das sind immerhin knapp 250 Planposten bei geschätzen Kosten von 70.000 Euro pro Person. Kaum vorstellbar, dass das Ministerium auf einen Schlag so viele Beamte feuert. Wo kann sonst gespart werden? Sollen die Fachjurys reduziert werden? Werden Kunstankäufe reduziert? Sollen Beratungstätigkeiten eingestellt werden? Oder stellen sie einfach die Heizung ein Grad runter und aktivieren den Stromsparmodus beim Computer? Fragen über Fragen, die wohl erst in den nächsten Wochen beantwortet werden.

Interessantes Detail am Rande: Dass am Sparpaket bis zur letzten Minute gebastelt wurde, merkt man an vielen Stellen und Fehlern im Text. Bei den Ermessensausgaben lassen die beiden Beistrichfehler darauf schließen, dass da wohl noch zwei Ressorts kurz vor Redaktionsschluß herausgestrichen wurden. Aber das werden wohl erst in ein paar Jahren aus Faymanns Memoiren erfahren.

Änderungen im Subventionswesen

Effizientes Förderwesen – koordiniertes Förderwesen
Für die kommende Finanzperiode kann es aufgrund von laufenden Förderprogrammen noch zu keinen relevanten Einsparungen kommen. Für die folgenden Finanzperioden wird das Förderwesen auf neue, stabile und effiziente Beine gestellt.
Ziele: Künftige Vermeidung unerwünschter Doppelförderungen, mehr Transparenz im Umgang mit Fördergeldern und zielführender Einsatz von Fördergeldern. Dafür wurden Mindeststandards entwickelt, die einen effizienten Einsatz der Fördermittel gewährleisten und von allen Gebietskörperschaften in Zukunft eingehalten werden. Das sichert Qualität, Transparenz und Kontrolle. Bund, Länder und Gemeinden werden sich auf mehrjährige Förderungsschwerpunkte festlegen, wobei inhaltliche Überschneidungen zu verhindern sind.

  • Bund, Länder und Gemeinden entwickeln abgestimmte mehrjährige Förderschwerpunkte und Förderungsstrategien mit definierten Zielsetzungen unter Vermeidung von Doppelförderungen
  • Einführung von One-Stop-Shops zur einheitlichen Abwicklung von Förderungen pro Fördersparte
  • Einführung von Mindeststandards und Kenngrößen für alle Förderungen.
  • Verpflichtung zur Einhaltung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Fördereffekt und dem damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwand.
  • Einführung von Indikatoren zur besseren Evaluierung

Mindeststandards
Wow, verpflichtende Mindeststandards für die Subventionsvergabe, das würde im Kulturbereich ein wahres Novum, denn jede/r Kulturschaffende kennt die unglaublich heterogene Förderlandschaft dieses Landes. Nur: Wie diese Mindeststandards aussehen, ist noch nicht bekannt, ich hoffe mal, dass die Interessensvertretungen wie die IG Kultur in die Ausarbeitung eingebunden wurden oder werden. Da die Bundesregierung davon ausgeht, dass dieser Reforumpunkt erst 2015 schlagend wird, kann also durchaus noch Zeit sein, hier kulturpolitisch einzuwirken. Best Case: Die Einführung von Gehaltsstandards für freie KulturarbeiterInnen und KünstlerInnen, wie sie die IG Kultur jüngst in ihrer Fair Pay Kampagne forderte.

Kenngrößen
Auch hier wieder zu wenig Details, um eine genaue Beurteilung abzugeben. Worst Case: Quantiative Beurteilung von Fördereinreichungen, zum Beispiel nach erwarteten BesucherInnen-Zahlen.

Überschneidungen vermeiden
Wie inhaltliche Überschneidungen zu vermeiden sein sollen, ist mir im Kulturbereich ein Rätsel. Wenn das Land OÖ einen Schwerpunkt auf Theater legt, darf dann die Stadt Linz diesen nicht mehr verfolgen? Das scheint nicht praktikabel, und wird hoffenltich im Kulturbereich so nicht umgesetzt.

One-Stop-Shops
Der mysteriöseste Punkt. Wo werden diese Shops angesiedelt – Stadt, Land, Bund? Bekomme ich von dieser Stelle dann den kompletten Förderbetrag? Verkaufen die auch Fingerfood?

Verhältnis Fördereffekt Verwaltungsaufwand
Das klingt in der Ankündigung schon so schwammig, das kann in der Umsetzung nicht besser werden. Wie soll das im Kunst- und Kulturbereich beurteilt werden? Was ist der Fördereffekt bei der Subvention einer künstlerischen Aktion im öffentlich Raum? Ich fürchte eher, dass das Tür und Tor für die missbräuchliche Auslegung durch überforderte oder politisch-andersdenkende Kulturbeamte und KulturpolitikerInnen öffnet.

Indikatoren
Auch hier haben wir wieder das Problem, dass die Bewertung von Kunst und Kultur meist eher eine subjektive denn eine objektive ist.

Fazit

Auch wenn es nicht so drastisch kommt, wie befürchtet, so bleiben doch viele Fragen bei diesem Sparpaket offen. Daher würde mich eure Meinung interessieren – liege ich mit meinen Einschätzungen richtig oder sehe ich etwas komplett verkehrt?