„Der Kulturinfarktinfarkt“. Mehr Markt als Lösung eines Dilemmas der Kulturpolitik?

Die Erscheinung des Buches „Der Kulturinfarkt“ im Jahr 2012 war eine der seltenen Gelegenheiten, in der ein kulturpolitisches Thema eine breite mediale Aufmerksamkeit fand. In der Folge hat sich zwischen dem Linzer Kulturdirektor Julius Stieber und mir eine längerer Emailwechsel entwickelt. Julius hat seine Position nun freundlicherweise in einem Text zusammengefasst, den ich hier als Gastkommentar vorerst unkommentiert veröffentlichen möchte:

„Der Kulturinfarktinfarkt“. Mehr Markt als Lösung eines Dilemmas der Kulturpolitik?

Julius Stieber

Julius Stieber

2012 erschien ein allseits Aufsehen erregendes und viel diskutiertes Werk, das unter dem reißerischen Titel „Der Kulturinfarkt. Von Allem zu viel und überall das Gleiche“ des Autorenteams Armin Klein, Pius Knüsel, Stephan Opitz und Dieter Haselbach die staatliche Kulturförderung in Deutschland, aber auch Österreich und der Schweiz polemisch und kritisch unter die Lupe nahm. Die Autoren orten generell ein Zuviel an Kulturangeboten im deutschsprachigen Raum, analysieren die bisherige Praxis der Kulturförderung und bieten zahlreiche Lösungsansätze für eine Neustrukturierung der Kulturlandschaft in den genannten Ländern an. So weit so gut. Im Folgenden nun meine Eindrücke einer verspäteten Lektüre.

Zunächst einmal: Es zahlt sich durchaus aus, sich eingehender mit dem Werk auseinanderzusetzen. Erstens, weil in dem Buch die derzeitige Logik des Kulturestablishments generell in Frage gestellt wird (was prinzipiell erfrischend ist!), und zweitens, weil ein paar richtige Ansätze und Überlegungen darin zu finden sind, die man weiterverfolgen sollte. Im ersten Großkapitel habe ich den Argumenten der Autoren, selbst durchwegs smarte Kulturmanager (wo sind da eigentlich Frauen?), nur schwer folgen können, mit fortschreitender Lektüre ist es mir mit dem Buch deutlich besser gegangen – bis zu dem Punkt, wo konkrete Vorschläge für eine Umstrukturierung der Kulturlandschaft gemacht werden.

Wenn ich es mir einfach machen wollte, könnte ich behaupten, dass die Autoren eifrige Agenten des Neoliberalismus sind und wie alle Neoliberalen an einer Reduktion staatlicher Aufgaben und damit an der Zerstörung des Öffentlichen interessiert sind, um ungehindert ihren eigennützigen Geschäften nachgehen zu können. Wenn ich es zuspitzen wollte, so könnte ich folglich feststellen, dass sie auch im Kulturbereich bedingungslos an die „unsichtbare Hand des Marktes“ glauben. Weiters, dass sie unisono allen Handelnden im Kulturbereich eigennützige Motive unterstellen, ganz im Sinne des derzeit grassierendes Menschenbildes eines „homo oeconomicus“. Dies hat sich aber meiner Ansicht nach gerade durch die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise als obsolet herausgestellt. Ich könnte auch auf zahlreiche Widersprüche in ihrer Argumentation verweisen, was sicherlich zum Teil in der multiplen Autorenschaft begründet liegt, z.B. auf die richtige, wenngleich sehr oberflächliche Analyse, dass „Kultur für alle“ zu maximaler Beliebigkeit geführt hat, die dann aber von denselben Autoren – frei nach dem Allerweltsmotto „Phantasie an die Macht!“ – mit der unglaublich naiven Forderung, jede/r Bürger/in möge in Hinkunft künstlerisch aktiv und dadurch (endlich) ästhetisch mündig werden, konterkariert wird.

Für Österreich würde das bedeuten: Neben einer Konzentration des Kulturangebots auf die beim Publikum immer gut ankommenden Habsburgerstories (inklusive „Sissi“-Musical forever und nicht enden wollenden Großausstellungen zu Glanz und Glorie der k.u.k. Monarchie) wäre das Kunstgeschehen selbst wesentlich von dilettierenden FreizeitmusikerInnen, HobbykünstlerInnen und sonstiger laienkultureller Manifestationen bestimmt. Alles gefördert und gestützt von öffentlichen Geldern, weil es ja eine tatsächlich vorhandene Nachfrage befriedigt. Bei max. 33% öffentlicher Förderung – wie von den Autoren vorgeschlagen – würden zudem alle Kulturinstitutionen, Kulturinitiativen, Kunstprojekte vor ernsthafte Existenzprobleme gestellt. Zudem ist es falsch, was die Autoren allen Ernstes behaupten, dass man die Vergangenheitsorientierung in der Kultur durch einen generellen Rückbau der Kulturförderung in den Griff bekommt. Ganz im Gegenteil: „History sells!“. Und: Gegenwartskunst braucht ein Mehr an Professionalität, und nicht ein Mehr an Dilettantentum.

Ich behaupte daher: Kunst zu machen und KünstlerIn zu sein hat etwas mit Professionalität und Exzelllenz zu tun. Dazu gehört nicht unbedingt eine Ausbildung, wenngleich die auch nicht schadet, vor allem aber viel Erfahrung, harte Arbeit und der Wille zur ernsthaften und mühevollen Auseinandersetzung mit ästhetischen Fragen über das eigene emotionale Befinden hinaus. Würde man außerdem konsequent den Gedanken der Autoren weiterdenken, so müsste man auch die Schulen und Universitäten weitgehend privatisieren. Und jeder, der glaubt, das Zeug dazu zu haben, sollte sich auch gleich als Lehrer oder Uniprofessor bewerben.

Da bin ich natürlich schon mitten drin in der Gegenpolemik. Aber ich will es mir ja nicht so einfach machen. Generell leidet das Buch unter zu viel Behauptungen, die nicht wirklich bewiesen werden (außer mit eine Fülle von beliebigen Zahlen und Zitaten, für die man auch ganz anderes Zahlenmaterial, vor allem differenzierteres, und ganz andere Zitate als Gegenbeweise heranziehen könnte). Die angeführten Zahlen zu den Bibliotheken, Museen und Theatern etc. für Deutschland schrecken mich bei einem 80 Mio. Volk zum Beispiel gar nicht. Da könnte man genauso gut behaupten, dass es zu wenig Bibliotheken, Museen und Theater gibt. Letzteres ist auch ein gutes Beispiel, wie pauschal hier argumentiert wird. Bibliotheken und Theater in einen Topf zu werfen geht einfach nicht! Noch dazu, wo nicht nur in Österreich die Bibliotheken einen nie da gewesenen Zuspruch und Boom erleben. Auch die immer wieder von den Autoren vorgenommene Übertragung der Problemlage im Kulturbereich Deutschlands auf die Schweiz und Österreich ist nicht seriös und entspricht vor allem nicht den Tatsachen. Im Vergleich zu Deutschland haben beispielsweise Österreichs Theater (noch) keine Auslastungsprobleme.

Aber nun zum Mühevollen: Die Autoren haben sicherlich recht, wenn sie behaupten, dass der Kunst- und Kulturmarkt generell überhitzt und überbordend ist. Sie haben weiters recht, wenn sie die Unausgewogenheit der Verteilung der Fördergelder an den Pranger stellen. Institutionelle, sprich öffentliche Kultureinrichtungen bekommen – das ist kein Geheimnis und allen bekannt – den überwiegenden Teil der staatlichen Kulturbudgets. Damit ist allerdings nicht, wie von den Autoren behauptet, automatisch eine reine Orientierung am Vergangenen gegeben. Theater agieren z.B. höchst zeitgenössisch. Auch wenn sich das mehr in zeitgenössischen Inszenierungsformen und Interpretationen von so genannten Klassikern als in der Aufführung von Zeitgenossen widerspiegelt. Die im Buch durchgehend wahrnehmbare Ablehnung gegenüber allem Historischen gründet meiner Meinung nach überhaupt auf grober Unkenntnis. Friedrich Schiller einfach als vormodern abzutun zeugt nicht gerade von einer intensiven Befassung mit diesem Schriftsteller und Kunsttheoretiker, den man mit Fug und Recht eher als Wegbereiter der Moderne bezeichnen sollte. Dann klingt das schon ganz anders! Und was die unterstellte Beliebigkeit des Kunstgeschehens betrifft, so kann man dies weniger einer „Kultur für alle“ anlasten als einem generellen Zeitphänomen und einer generellen gesellschaftlichen Entwicklung, die prinzipiell alle Lebensentwürfe und -äußerungen als gleichrangig betrachtet (und damit wird ja auch viel Geld gescheffelt!). Aber das wollen wir ja so (und auch die Autoren sprechen sich ja dafür aus). Von einer Stagnation in der Kunstszene Europas zu sprechen, ist gelinde gesagt eine unverschämte und durch nichts bewiesene Behauptung. Ich denke, dass wir – ganz im Gegenteil – in einem goldenen Zeitalter leben, das auch in Kunstbelangen in der Nachschau einmal als solches betrachtet werden wird. Das behaupte ich mal einfach so (geht ja!).

Aber es stimmt schon: Vieles an Kunst ist für das breite Publikum unverständlich, nicht lustvoll nachvollziehbar und bedarf der aufwendigen Vermittlung. Nur wer sagt, dass Kunst allgemein nachvollziehbar sein muss? In der Wissenschaft ist das kein Qualitätsmerkmal und wir leisten sie uns trotzdem in dieser Form, um geistiger Stagnation vorzubeugen und letztlich auch unseren Wohlstand abzusichern.

Und dann wäre da noch das Missverständnis mit dem alles Heil und Erlösung bringenden Internet: der Digitalisierung. Das ist für die Autoren offensichtlich ein (Königs-)Ausweg aus dem Dilemma der mangelnden Partizipation am Kunstgeschehen. Soweit ich die eher oberflächlichen Bemerkungen der Autoren dazu einschätzen kann, ist Digitalisierung bei ihnen vornehmlich ein Synonym für offene Märkte und eine weitere Demontage des Staates. Digitalisierung reimt sich hier durchaus gut auf Neoliberalismus. Das ist jetzt sehr verkürzt und polemisch gesagt, aber ich darf ja Waffengleichheit in der Argumentationsweise beanspruchen und nehme mir das jetzt einfach heraus.

Aber zurück zum Ausgangspunkt. Nehmen wir das Buch in seiner Grundaussage einer notwendigen Neustrukturierung der Kulturförderung ernst, so wäre zunächst einmal ganz nüchtern, ohne staatliche Förderetats gleich zu kürzen, eine Bestandsaufnahme notwendig, auf was wir in Hinkunft verzichten können, wo es Überkapazitäten gibt und welchem Kunstauftrag wir uns verpflichten wollen. Dazu bräuchte es mutige Politiker und eine ehrliche Diskussion, die nicht zu Lasten des Ansehens der Kunst geht. An Letzterem zweifle ich. Aber für eine Ressourcendiskussion und Umstrukturierung zugunsten der minder Bedachten bin ich allemal zu haben. Nicht alles muss gefördert werden, was Förderung beansprucht. Aber ein so weit gehender Rückzug des Staates aus der Kulturförderung, wie von den Autoren empfohlen, hätte meiner Meinung nach fatale negative Folgen für das künstlerische Schaffen, wie es Europa in Jahrhunderten auf ganz spezifische Weise hervorgebracht hat. Wenn das kein Wert ist, mit dem sich auch handeln ließe, dann heiße ich Hase.

Julius Stieber

Kleines Erratum zum OÖN Artikel zum Kulturtalk im Kunstraum Goethestraße

Letzte Woche fand im Kunstraum Goethestraße xtd auf Einladung der regionalen Tageszeitung OÖN eine Diskussion mit dem Linzer Kulturreferenten Bernhard Baier statt. Thema: Die freie Szene. Auslöser war die Ankündigung, die sogenannten Ermessensausgaben der verschiedenen Ressort im laufenden Jahr um 10% zu kürzen. Das hat auch den Kulturbereich getroffen, und dabei vor allem die freie Szene, die ihre Mittel aus diesem Budgetbereich bekommt. Die Folge war eine starke Proteststimmung, unter anderem hat sich der Linzer Stadtkulturbeirat gegen die Kürzung ausgesprochen.

Da die Kürzung innerhalb weniger Wochen ohne großer öffentlicher Diskussion und ohne Einbindung der Betroffenen durchgedrückt wurde, gab es ein großes Interesse der freien Szene, welche konkreten Schritte der ÖVP Kulturreferent Bernhard Baier nun ankündigt. Denn sowohl er als auch die Linzer SPÖ haben betont, dass sie nicht möchten, dass die Kürzung zu Einbußen der freien Szene führt. Da das Ermessens-Budget dennoch gekürzt wurde, muss nun entweder aus anderen Bereichen umgeschichtet werden, die Förderung von Nicht-Freie Szene Initiativen gekürzt werden oder neue Finanzierungquellen erschlossen werden um dieses Versprechen einzuhalten.

Kulturtalk Kunstraum Thomas Diesenreiter

Wie man sieht, ein komplexes Thema. Daher ist es schade, dass die Nachberichterstattung der OÖN (mit Video) einige Punkte entweder ungenau oder falsch dargestellt haben, was ich nun einerseits zurechtrücken und andererseits mit Hintergründen ausführen möchte.

Erstens

Die OÖN machen mich zum Wutbürger:

Diesenreiter ärgert auch, dass das Lentos „zwei Drittel des Betriebs durch eine Spende der Linz AG finanziert.“

Nein, das ärgert mich gar nicht. Im Gegenteil habe ich bei meiner Wortmeldung besonders betont, dass das ein großartiges Engagement der Linz AG und natürlich für das Lentos selbst ebenso positiv ist. Der Hintergrund dieser Konstruktion ist übrigens, dass die Spende der Linz AG steuerlich begünstigt ist und es so daher wirtschaftlich für die Stadt günstiger kommt, als wenn die Dividende an die Stadt auszahlt wird und diese dann den selben Betrag dem Lentos zuweist. Aber wie dann im Artikel richtig vermerkt wird, sind solche Deals für die freie Szene ohne das politische Backing eines Stadtbetriebs viel schwerer zu haben, bzw. eigentlich unmöglich. Hier sei auch auf die Wortspende von servus.at Geschäftsführerin Ushi Reiter verwiesen, die erzählte, dass sie bei einer Subvention der Stadt in Höhe von 16.000 € ganze 7.400 € an die Linz AG für Infrastruktur zahlen müssen. Was in Bezug auf die Linz AG leider im Artikel fehlt, war mein Vorschlag, dass diese analog der Lentos Konstruktion einen mit einer Million Euro dotierten Betrag für Spenden an die freie Szene im Budget zur Seite stellt. Dieser könnte in Kooperation mit dem Büro Linz Kultur, dem Kulturreferenten und dem Stadtkulturbeirat und externen ExpertInnen an Initiativen der freie Szene vergeben werden. Letztes Jahr hatte die Linz AG übrigens einen Jahresgewinn von 18 Millionen Euro.

Was mich wirklich ärgert, ist vielmehr, dass durch die ungerechte finanzielle Behandlung durch das Land Oberösterreich der Handlungsspielraum der Stadt Linz immer weiter eingeengt wird. Es braucht aber sowohl auf Landes- als auch auf Stadtebene eine fundamentale Neuausrichtung der gesellschafts- und kulturpolitischen Schwerpunktsetzung und die dementsprechenden Mittelzuweisungen.

Zweitens

Im Artikel wird auch meine andere Frage an Bernhard Baier aufgegriffen, ob er die Förderpraxis seines Vorgängers Erich Watzls beibehalten wird. Ich hab dabei fünf Beispiele aus dem Jahr 2012 genannt: Eine Förderung in Höhe von 3.200 € an die Ursulinenkirche, 2.700 € an die evangelische Pfarrgemeinde, 7.500 € an die Jesuitenresidenz Alter Dom, 5.000 € an die Bischof-Rudiger-Stiftung und zu guter Letzt 5.000 € an das Landesgericht Linz. Dass die OÖN im Bericht just die kirchlichen Beispiele ausgelassen haben, hat wohl etwas mit der konservativen Blattlinie zu tun. Die Antwort des Kulturreferenten war zwar etwas ausweichend, aber nicht überraschend: Wichtig sei die Qualität des Projekts, der Linzbezug und der Sitz in Linz.

Meine Frage hat jedenfalls sehr neutral auf eine generelle inhaltliche Qualitätssicherung in der Förderung abgezielt, in Bezug auf die folgende Maßnahme im Kapitel „Freie Kunst- und Kulturszene fördern“ im 2013 beschlossen Linzer Kulturentwicklungsplan:

Linz Kultur erstellt in Abstimmung mit der freien Kunst- und Kulturszene und den Schwerpunktsetzungen des Kulturentwicklungsplans entsprechend einen leicht verständlichen Kriterienkatalog zur Bewertung der Qualität von Projekt- und Fördereinreichungen.

Einen solche Kriterienkatalog gibt es bis dato noch nicht. Hätte es diesen zu Zeiten des ÖVP Kulturrefernten Erich Watzls schon gegeben, wäre es wohl leichter gewesen, die Validität mancher Zuwendungen der Stadt in Frage zu stellen. Denn idealerweise sollte einem solchen Kriterienkatalog ein progressives Verständnis von zeitgenössischem Kunst- und Kulturschaffen zu Grunde liegen. Und dann würde es spannend werden, wie bei Anträgen von Initiativen der Kirche oder des Heimatverbands, der Trachtenvereine oder dem Dragonerregiment mit seinem demokratiefeindlichen Sehnen nach einer Rückkehr der Monarchie entschieden wird.

Die Förderung für das Landesgericht betraf im Übrigen eine Ausstellung über den Prozess von Adolf Eichmann, was eine sehr zu begrüßende Initiative war, deren Förderwürdigkeit ich nicht in Frage stellen will. Wie gesagt ging es mir lediglich darum, die Position des neuen Kulturreferenten zu erfahren.

Drittens

Ich bin nicht Obmann, sondern Vorsitzender des Linzer Stadtkulturbeirates. Dieser ist kein Verein, sondern wurde auf Vorschlag des Kulturausschusses des Gemeinderates ins Leben gerufen.

Fazit

Ausgelöst durch die jüngsten Kürzungen ist eine gewisse Dynamik in den lokalen kulturpolitischen Diskurs gekommen, was prinzipiell zu begrüßen ist. Von allen Seiten hört man Bekenntnisse zur freien Szene, erste Lösungsansätze wie eine biennale Austragung des LinzFestes werden ernsthaft diskutiert. Auch die Linzer SPÖ ist aufgewacht und hat erkannt, dass sie den Kulturbereich als wichtiges gesellschaftspolitisches Handlungsfeld nicht der ÖVP alleine überlassen sollte. Für die nächsten Wochen hat die SPÖ Linz eine Podiumsdiskussion mit hohen EntscheidungsträgerInnen angekündigt, am 27. Mai hat die GfK sogar den neuen Kulturminister Josef Ostermayer nach Linz eingeladen.

Es bleibt also spannend.

Spar doch nicht im Kulturbereich, Linz!

Etwas komisch ist das schon. Tritt etwas ein, was man seit langem erwartet hat und wogegen man versucht hat anzuarbeiten, ertappt man sich selbst in einer gewissen Lethargie. So, als möchte man sich sparen, sich als Kassandra zu fühlen, also als ProphetIn eines unausweichlichen Ereignis.

So geht es mir angesichts der geplanten 10% Kürzung der Ermessensausgaben der Stadt Linz. Denn diese droht im Kulturbereich im Besonderen die freie Kunst- und Kulturszene zu treffen. Um genau das abzuwenden, wurde in den letzten Jahren einiges an Zeit und Energie der vielen engagierten Menschen der Kulturszene aufgebracht. Es gab Offene Briefe, kreative Protest, kreative Protestveranstaltungen, unzählige Termine mit PolitkerInnen und wohl am wichtigsten: Eine breite Partizipation bei der Erstellung eines neuen Kulturentwicklungsplans durch die freie Kunst- und Kulturszene. Eines der für mich wichtigsten Ergebnisse war die Verankerung der folgenden beiden Maßnahmen:

  • Die Stadt Linz erhöht schrittweise das Budget von Linz Kultur zur Förderung der freien Kunst- und Kulturszene gemäß den im Kulturentwicklungsplan genannten Schwerpunktsetzungen.
  • Linz Kultur erstellt in Abstimmung mit der freien Kunst- und Kulturszene und den Schwerpunktsetzungen des Kulturentwicklungsplans entsprechend einen leicht verständlichen Kriterienkatalog zur Bewertung der Qualität von Projekt- und Fördereinreichungen.

Dieser neue Kulturentwicklungsplan wurde nach einem fast dreijährigen Prozess mit breiter Zustimmung aller Parteien im Jänner 2013 im Linzer Gemeinderat verabschiedet. Damals habe ich Hoffnung geschöpft, dass damit eine Trendwende in der Schwerpunktsetzung der Linzer Kulturpolitik eingeleitet werden kann. Doch ein gutes Jahr später soll nun das Kulturbudget im Ermessensbereich um 10% gekürzt werden. Dem ist im Jahr 2012 eine Kürzung der Budgets der Linzer Kulturinstitutionen (AEC, Lentos, Posthof, Brucknerhaus, etc) um ebenfalls 10% vorausgegangen.

Daraus könnte man nun ableiten, dass auch die Kürzung im freien Bereich gerechtfertig ist. Denn dass die Stadt angesichts der sehr begrenzten Möglichkeiten eigene Steuern zu erheben, gezwungen ist, ihr Budget ausgabenseitig zu sanieren, um wieder ausgeglichen budgetieren ist den meisten klar.

Allerdings kann man diese beiden Bereiche nicht vergleichen. Im Bereich der Institutionen werden (zum Glück) arbeitsrechtliche Standards beachtet. Die Angestellten haben Kollektivverträge, bekommen dadurch vernünftige, wenn auch nicht übermäßige Löhne und im Regelfall jährlich einen Inflationsausgleich. Durch diese vertragliche Verpflichtungen ist es klar, dass die Stadt die Budgets der eigenen Institutionen über die Jahre immer wieder angehoben hat.

Dem gegenüber sind die Förderungen der freien Kunst- und Kulturszene schon seit Jahren eingefroren. Von Inflationsausgleichen kann man in diesem Bereich leider nur träumen. Viele Beschäftige im freien Bereich müssen nebenbei andere Jobs annehmen, um ihre eigenen Betriebe aufrecht zu erhalten. Viele sind für 20 oder 30 Stunden angestellt, arbeiten aber regelmäßig 40-50 Stunden. Die prekären Lebensumstände der KulturarbeiterInnen sind seit vielen Jahren Thema der Interessensvertretungen wie der IG Kultur oder KUPF OÖ (siehe fairpay). Doch nicht mal diese selbst können sich an ihre eigenen Lohnempfehlungen halten und müssen ihre Angestellten schlechter als gefordert entlohnen.

Egal wo man hinsieht, überall fehlt im Kulturbereich das Geld. Im Übrigen ist auch der institutionelle Bereich teilweise ausgehungert und kann seinen Aufgaben eher schlecht als recht nachkommen (man denke beispielsweise an die Budgets für Kunstankäufe).

Daher hat sich nun der Linzer Stadtkulturbeirat in einem offenen Brief gegen weitere Kürzungen des Linzer Kulturbudgets ausgesprochen:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte StadträtInnen,
sehr geehrte GemeinderätInnen,

laut Medienberichten wird als Teil des Sparkurses der Stadt Linz eine Kürzung der freiwilligen Ermessensausgaben von 10% erwogen. Wie sie sicher wissen, betrifft diese Kürzung besonders den Kulturbereich und darin fast ausschließlich die freie Szene, die im Schnitt 75-80% der freiwilligen Subventionen erhält. Für 2014 ist damit eine Kürzung von 90.000 € angekündigt, 2015 ist zu befürchten, dass der Betrag auf bis zu 200.000 € steigen wird.

Es ist kaum auszudenken, welche Konsequenzen dieser Schritt auf das kulturelle Leben unserer Stadt haben wird. Viele Vereine sind schon heute am Rand des finanziellen Ruins, die meisten Initiativen werden durch Selbstausbeutung, Ehrenamt und unter höchst prekären Arbeitsumständen erhalten. Die 3-Jahres-Basisförderungen wurden beispielsweise seit mehr als 10 Jahren nicht mehr erhöht, was einer Inflations-Entwertung von mehr als einem Viertel entspricht. Eine weitere Kürzung von 10% werden viele Organisationen, aber auch viele engagierte Menschen in der freien Kunst- und Kulturszene nicht mehr verkraften.

Dieses Vorhaben steht damit im krassen Widerspruch zum neuen Kulturentwicklungsplan, der Anfang 2013 nach einem langen zivilgesellschaftlichen Beteiligungsprozess und mit breiter, politischer Unterstützung im Gemeinderat beschlossen wurde. Im Kapitel „Potentiale Fördern“ wurde als zentrale Maßnahme verankert, die finanzielle Ausstattung der freien Szene schrittweise zu erhöhen. Dass der erste Schritt nun in die genau falsche Richtung geht, ist absurd und kann nicht hingenommen werden.

Die freie Kunst- und Kulturszene leistet einen wichtigen Beitrag für den gesellschaftlichen Diskurs, die Beteiligung von Minderheiten an politischen Prozessen und ganz allgemein für die Qualität der Lebensstadt Linz. Ein abwechslungsreiches kulturelles Leben ist laut zahlreichen Studien eines der wichtigsten weichen Kriterien für die Lebensqualität einer Stadt und damit auch für die Entwicklung dieser unabdingbar. Eine Kürzung der freien Szene würde zwangsläufig zu einer Ausdünnung des Angebots und der kulturellen Diversität führen und damit das mühsam aufgebaute Image der Kulturstadt Linz zerstören.

Die Streichung der Kulturförderung ist aber auch eine soziale Frage. Eine so radikale Kürzung wird zwangsläufig zu einer weiteren Verschärfung der Arbeitsbedingungen im Kulturbereich und damit zu einer weiteren Verarmung der AkteurInnen führen. Und diese sind, wie wir seit dem 2008 präsentierten Bericht zur sozialen Lage der österreichischen KünstlerInnen durch das BMUKK wissen, schon jetzt zu 37% armutsgefährdet.

Der Stadtkulturbeirat Linz als offizielles Beratungsgremium der Linzer Politik spricht sich hiermit entschieden gegen eine Kürzung des Kulturbudgets im Bereich der Ermessensausgaben aus. Es muss bessere Lösungen geben als diese.

Mit den besten Grüßen,
Thomas Diesenreiter für die Mitglieder des Stadtkulturbeirats Linz
Linz, am 6.4.2014

Der offene Brief als Download

Der offene Brief als Download

Mittlerweile gab es auch einige Reaktionen. So haben sich die Grünen und ihr Kultursprecher Severin Mayr der Position des SKB angeschlossen:

Vielen Dank für die Übermittlung des ​offenen Briefes zu den geplanten Kürzungen im Kulturbereich, dessen Inhalt wir Grüne vollinhaltlich unterstützen.

Seit vielen Jahren fordern wir eine Erhöhung der Mittel der Freien Szene, ebenso lange wird uns mitgeteilt, dass das aus budgetären Gründen nicht möglich sei und eine nominelle Stagnation als Erfolg gesehen werden sollte. Dass es nunmehr auch zu Kürzungen im Bereich der freien Kulturförderungen – die ohnehin seit Jahren massiv unterdotiert sind – kommen soll, ist aus unserer Sicht nicht nur inakzeptabel, sondern widerspricht auch dem am 24. Jänner 2013 beschlossenen Kulturentwicklungsplan (KEP), der eine schrittweise Erhöhung des Budgets zur Förderung der freien Kunst- und Kulturszene gemäß den im KEP genannten Schwerpunktsetzungen vorsieht.

Die Linzer ÖVP hat sich nun generell gegen eine Kürzung aller Ermessensausgaben ausgesprochen. Die Linzer SPÖ wiederum meint, dass es in der Hand des Kulturreferenten liegt, wer im Kulturbereich die Kürzung zu spüren bekommt, die freie Szene also bei gutem Willen verschont werden kann. Beide spielen auch mit der Idee, das LinzFest in Zukunft nur noch biennal stattfinden zu lassen, was budgetär eine Einsparung in etwa der selben Höhe wäre.

Auch die Tageszeitung Österreich (leider kein Scan verfügbar) hat am Montag groß über das Thema berichtet, die Linzer Rundschau hat in der morgigen Ausgabe einen großen Bericht. Für Donnerstag haben auch die OÖN noch einen Bericht angekündigt, Radio FRO wird morgen in der Frozine darüber berichten. Weiters haben sich auch KUPF OÖ und Fiftitu mit Presseaussendungen zu den geplanten Kürzungen geäußert.

Der Diskurs ist also eröffnet, aber das Zeitfenster ist kurz. Denn schon am Donnerstag, den 10. April  soll die Kürzung im Linzer Gemeinderat durchgewunken werden, also wenige Wochen nachdem die Idee bei der Sparklausur der Stadtregierung am 18. Februar das erste Mal diskutiert wurde. Es bleibt zu hoffen, dass die Linzer Stadtregierung eine Lösung findet, die die freie Kunst- und Kulturszene weitgehend verschont. Denn ansonsten wird dieses Bild vielleicht doch Wirklichkeit, dass 2011 im Rahmen der Lightkultur-Proteste entstanden ist: Bands, die sich ihre Musikinstrumente nicht mehr leisten können.

Das Ende (der Stadtwache) ist nahe.

Seit Anfang an war die Linzer Stadtwache, heute Ordnungsdienst Linz, ein kontroverses Thema. Ursprünglich ein Vorschlag der Linzer FPÖ, BZÖ und ÖVP im Kommunalwahlkampf 2009, schien sie eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen zu sein, denn im traditionell stark linkslastigen Linz hatten SPÖ, Grünen und KPÖ eine klare Mehrheit im Gemeinderat. Alle drei Parteien haben sich vor dem Urnengang gegen die Stadtwache ausgesprochen. Doch als die SPÖ eine empfindliche Wahlschlappe erleiden musste, war es nötig, eine neue Ressortverteilung im Stadtsenat zu verhandeln. Die FPÖ konnte mit ihren Zugewinnen mehr Einfluss verlangen, begnügte sich aber unter einer Voraussetzung mit dem an Gestaltungsmöglichkeiten armen Sicherheitsreferat: Der Einführung der Stadtwache.

Anders gesagt: Die Stadtwache war das Ergebnis eines politischen Kuhhandels zwischen SPÖ und FPÖ. Das ist bis heute der Grund, warum die SPÖ trotz starker Kritik dieses antisoziale Projekt, das sich so gar nicht mit ihren eigenen Grundwerten verträgt, stützt. Aber auch intern wird die Kritik lauter, der ehemalige SPÖ Stadtrat Johann Mayr und jetziger Geschäftsführer der SPÖ Stiftung L36 nennt die Stadtwache schon offen „sinnlos“:

Johann Mayr Stadtwache sinnlos

Der jüngste Skandal rund um die Stadtwache wurde durch einen Bericht im Magazin Profil publik: Selbsternannte „Bettlerjäger“, die „auf alle hinfahren, die irgendwie osteuropäisch und arm“ aussehen. Selbstportraits der Ordnungswächter mit Adolf Hitler Zitaten in Frakturschrift in den Büros („Flink wie ein Windhund, hart wie Kruppstahl und zäh wie Leder – das ist ein Deutscher Junge“). Mitarbeiter, die Schlägereien provozieren wollen. Vorgesetzte, die bei Beschwerden über das unmenschliche und illegale Vorgehen von Mitarbeitern sagen, „dass alles seine Richtigkeit hat und man mit niemanden von außen sprechen soll“.

Das alles und mehr ist dank den Berichten von ehemaligen MitarbeiterInnen der Stadtwache jetzt ans Licht gekommen. Es hat sich also vieles bestätigt, was KritikerInnen dieser BürgerInnenwehr wie ich schon lange befürchtet haben – dass sie ein Instrument der Rechten gegen die Schwächsten in unserer Gesellschaft ist.

Die Reaktion des verantwortlichen Aufsichtsratvorsitzenden und Linzer FPÖ-Sicherheitsstadtrat Detlef Wimmer?

1. Diffamierung der AufdeckerInnen: Er unterstellt den MitarbeiterInnen, dass sie „gegangen“, also gefeuert wurden und nun Rache nehmen wollen:

https://twitter.com/dewi_linz/status/448497968191377408

Stimmt übrigens einfach nicht. Beide haben freiwillig gekündigt.

2. Abschieben der Verantwortung: Er kann für nichts, schuld ist die ehemalige Geschäftsführerin und heutige Magistratsdirektorin Martina Steininger.

3. Verleugnen, dass es ein Problem gibt: In einem Artikel des Kuriers wurde als Beweis für die Anschuldigen im Profil Artikel das Foto des Mitarbeiters des Ordnungsdienstes mit dem Adolf Hitler Spruch veröffentlicht. Dennoch behauptet der Verantwortliche: „Laut FP-Stadtrat Wimmer gibt es dafür aber keine Beweise.“

4. Absurde Ausreden: In einem Bericht der Linzer Rundschau antwortet Wimmer auf die Vorwürfe, dass sie nicht stimmen können, da sie nie im Aufsichtsrat besprochen wurden. Wohl kein Wunder, wenn wie im Profilartikel geschrieben die Vorgesetzten auf Beschwerden der MitarbeiterInnen antworteten, „dass alles seine Richtigkeit hat und man mit niemandem von außen sprechen soll.“

2014.03.27 - Rundschau Linz - Ordnungsdienst Kritik

Warum naht also das Ende? Ganz einfach: Weil sich Linz die Weiterführung des Projekts Stadtwache nicht mehr leisten kann. Weder politisch, angesichts der vielen Skandale wie diesen, der von mir bewiesenen Ineffizienz, der selbst erwiesenen Nutzlosigkeit oder der sinkenden Zustimmung in der Bevölkerung. Noch finanziell. Zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Euro kostet hat die Stadtwache pro Jahr, also mehr als jene Summe, die jetzt mit einem massiven Sparpaket im nächsten Gemeinderat eingespart werden soll.

Es ist also unvorstellbar, dass die Stadtwache nach der nächsten Gemeinderatswahl noch existieren wird. Aber wollen die verantwortlichen Parteien wirklich noch so lange bei diesem Trauerspielen zusehen? Ich hoffe nicht. Die Stadtwache gehört so bald wie möglich restlos abgeschafft, für die MitarbeiterInnen gehört ein ordentlicher Sozialplan ausgearbeitet und die vorliegenden Vorwürfe müssen geklärt werden. Das freiwerdende Budget sollte zu gleichen Teilen in den Kulturbereich, den Sozialbereich und simpel zur Defizitreduktion verwendet werden.

Eines verspreche ich euch: Wenn die Stadtwache Geschichte ist, schmeiße ich eine ordentliche Party, okay?

Erste Reflektion zur 2. Linzer Burschitour

Danke fürs zahlreiche Erscheinen an alle SpaziergängerInnen! An die 100 Leute waren schon zum Vortrag gekommen, 80 konnten wir dann bei der Tour im Bus und mehreren Autos unterbringen. Ein großes Sorry an die 20 Leute, die keinen Platz mehr fanden und wieder heimgehen mussten. Nächstes Mal mehr Busse, versprochen. Und Kudos an die beiden Radfahrer, die die gesamte Strecke wirklich geradelt sind.

2. Linzer Burschitour 1

Danke an den Vortragenden Sami Kilic für seinen Vortrag, seine Ausdauer und sein Engagement, trotz Erkrankung. Es war mir eine Freude!

Danke an die Stadtwerkstatt, DorfTV, KPÖ Linz und die Grünen Linz für ihre Unterstützung. Dank diesem starken Netzwerk war die Organisation der Veranstaltung sehr einfach erledigt.

Danke an die Polizei für das korrekte und freundliche Begleiten der Veranstaltung. Es gab keine Vorkommnisse, wie mehrere Medien berichtet haben verlief alles friedlich.

Danke an die Burschis der Arminia Czernowitz, dass sie ihr eigenes Haus extra für uns am Nachmittag so schön angemalt haben. Unser Lachen kriegt ihr aber trotzdem nie.

2. Linzer Burschitour 2

Erste Presseberichte:

Bessere Fotos und das DorfTV Video kommen noch nach und werden an dieser Stelle eingebaut, wer noch interessantes Material hat, her damit. Ich freue mich weiters über jedes Feedback zur Veranstaltung, entweder in den Kommentaren oder als Mail, siehe Kontakt.

So, und jetzt geh ich ins Bett, damit ich morgen fit bin für die Demo. 19:00 Uhr, Bahnhofsplatz Linz, wir sehen uns!

Warum gegen Burschenschaften auf die Straße gehen:

Ich werde in den nächsten beiden Tagen zwei Mal aus politischen Gründen in Linz auf die Straße gehen:

Einmal, morgen Freitag, 16:00 Uhr bei der von mir initiiert 2. Linzer Burschitour.

Einmal, übermorgen Samstag, 19:00 Uhr zur Demo gegen den Burschenbundball.

In den letzten Wochen wurden mir dazu öfter Fragen gestellt, auf die ich hier eingehen möchte. Nämlich diese: Warum? Und erweitert: Ist das denn sinnvoll? Dahinter stehen meist zwei Argumente: Dass man damit nur eine Provokations- / Gewaltspirale in Gang setzt oder hält. Und dass es besser ist, positive Politik zu gestalten.

Beiden Argumenten kann ich etwas abgewinnen. Denn natürlich, bei der Burschitour auf die Straße zu gehen, hin zu den oft unerkannten Buden wird von diesen als Provokation erkannt, wie man vor zwei Jahren gesehen hat. Da wird von einem FPÖ Landtagsabgeordneten schon mal zwischen den Zeilen mit dem Tod gedroht:

Linker Parteiloser

Andere verteidigen ihre Bude mit dem sinnstiftenden Motto „Saufen gegen Links“:

Hohenstaufen

Und heuer möchte ein Mitglied der FPÖ gleich das KZ Mauthausen reaktivieren: „De Rotzn gehörn in den Steinbruch.“ (Anzeige wegen Verhetzung schon am Postweg):

FPÖ Linz Burschitour

Die Nervosität der Rechten sieht man auch daran, dass der Betreffende drei Tage später aus der Partei geschmissen wurde. Dass im Übrigen SPÖ Landesrat Entholzer in der Zeitung Österreich dafür lobende Worte findet und zufrieden ein Umdenken bei der FPÖ feststellt, ist leider an Weltfremdheit kaum zu überbieten – oder Wahltaktik.

Aber zurück zum Ausgangspunkt. Mit öffentliche Präsenz erreicht man zwei Dinge. Erstens zeigt man damit den Rechten, dass ihre Geisteshaltung eben nicht der Grundhaltung einer homogenen Gruppe entsprechen, deren Existenz sie behaupten. Denn die von Rechten konstruierten Zusammenhänge von „die Österreicher“, „das deutsche Volk“ oder gar „die deutsche Rasse“ sind schlicht und ergreifend Blödsinn. Solche Konstrukte dienen Menschen mit geringem Selbstwertgefühl um jenes zu heben, und über diesen Mechanismus den rechten Populisten als simples Herrschaftswerkzeug. Das alte Prinzip Divide et Impera ist am Werk, teile in Mensch und Nichtmensch, hetze den Einen auf den Anderen und herrsche. Dieses Prinzip der rechten Minderheit kann aber natürlich nur funktionieren, wenn sich die anderen Menschen rundherum nicht dagegen aussprechen. Schweigen heißt zwar nicht Zustimmung, aber kann so interpretiert werden. Und je lauter es auf der Straße ist, desto schwieriger ist es für die Rechten ihr wackeliges, auf Homogenität und Uniformität basierendes Weltbild aufrecht zu erhalten. Durch die Artikulation des Widerstands auf der Straße signalisieren wir den Rechten also: Wir denken nicht wie ihr und ihr könnt uns nicht vereinnahmen.

Womit wir bei zweitens wären: Die öffentliche Präsenz von Widerstand führt zu einer (sozial-)medialen und damit gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den wahren Hintergründen der Burschenschaften. Wenn junge Menschen diese kennen, sind sie vielleicht eher davon abzuhalten, Mitglied der Säbeltruppen zu werden. Siehe auch diese Passage über einen Aussteigers aus der Burschenschafterszene, kürzlich erschienen im Standard:

Angesprochen habe ihn, als er im zweiten Semester durch einen Freund aus Kindheitstagen zur Verbindung stieß, „die Rolle der Burschenschaften in der bürgerlichen Revolution 1848, als man für Meinungs-und Pressefreiheit eintrat“, erklärt Zeller. Doch ihm wurde bald klar, dass die Geschichte der Burschenschaften von diesen sehr selektiv wiedergegeben wird.

Genau aus diesem Grund halte ich Informationsveranstaltungen wie die Burschitour oder „Das rechtsextreme Geschlecht“ (Freitag, 7.2., 19:30 Uhr Autonomes Zentrum
Freistädterstraße 3) für wichtig. Denn die meisten Menschen wissen viel zu wenig über die nationalistische, antisemitische und sexistische Haltung der Burschenschaften oder halten sie für harmlose Vereine.

Zum zweiten oben angeführten Argument: Dass es besser wäre, positive Politik zu gestalten und mit gutem Beispiel voranzugehen.

Darüber habe ich ausführlich mit einem Menschen diskutiert, dessen Eifer für die gute Sache kaum zu überbieten ist und mit dem ich als Freund und Wegbegleiter seit Jahren ein großartiges Projekt betreiben darf. Wir sind oft einer Meinung, waren es aber nicht in diesem Punkt. Meine Überzeugung ist also, dass nicht nur beides möglich, sondern nötig ist. Gestaltende, linke Politik muss beides schaffen, um wirksam zu werden. Kein Entweder Oder, sonder ein Und. Denn am glaubwürdigsten erscheinen mir jene, die sowohl dort laut ihre Stimme erheben, wo Kritik nötig ist, als auch dort mitanpacken, wo es darum geht, an einer besseren Welt zu arbeiten. Denn wer sich mit ehrlichem Engagement einen Ruf erarbeitet hat, dessen Stimme wird oft noch viel mehr gehört.

That said, hinterlasst mir einen Kommentar, teilt bitte diesen Beitrag und noch viel wichtiger: Kommt zur Burschitour und zur Demo!

Und wer noch immer nicht genug hat: Hier noch ein Aufzeichnung einer Sendung auf Radio FRO von gestern, bei der ich und der Vortragende Sami Kilic zu Gast waren:

2. Linzer Burschitour!

7. Februar 2014, 16:00 Uhr
Treffpunkt: Stadtwerkstatt, Kirchengasse 4 in 4040 Linz Urfahr

Burschitour-Linz-Flyer

Der Zuspruch und die Teilnahme bei der 1. Linzer Burschitour vor zwei Jahren war überwältigend. An die 70 Personen waren trotz schlechten Wetters zu einem Vortrag und anschließendem Spaziergang zu den wichtigsten schlagenden Linzer Burschenschaften des renommierten Rechtsextremismus-Experten Heribert Schiedl gekommen. Offensichtlich gab und gibt es ein großer Interesse der Linzer BürgerInnen zu erfahren, was hinter dem System der Burschenschaften steckt, daher wird es heuer eine Neuauflage geben.

Bild der ersten Burschitour. Datum der Kamera nicht korrekt.

 

Der Zuspruch zu den Burschenschaften in weiten Teilen der Bevölkerung lässt glücklicherweise immer mehr nach. Auch bei den wichtigste Szeneereignisen, dem WKR-Ball Akademikerball und dem Linzer Burschenbundball, sind immer weniger Teilnehmer bei der Veranstaltung selbst, während die Protestkundgebungen (Linz heuer hier: https://www.facebook.com/events/1403576423213575) von Jahr zu Jahr größer werden.

Dennoch haben die Burschis immer noch beträchtlichen Einfluss auf die österreichische Politik. Besonders Linz und Oberösterreich sind Hochburg der Korporierten. Im Linzer Gemeinderat sind fast die Hälfte der FPÖ-Mitglieder Teil der rechtsextremen Arminia Czernowitz: Detlef Wimmer, Werner Pfeffer, Michael Raml und Markus Hein. Auch in der zweiten Reihe der Linzer FPÖ finden sich unzählige Arminen, eine gute Übersicht bietet der Artikel „Die FPÖ Czernowitz“ auf dem Blog von Bawekoll. Darf man die Arminia Czernowitz denn wirklich rechtsextrem nennen? Ja. Diese Einschätzung teilt zum Beispiel das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW), das im Auftrag des Staates Österreich die rechte Szene beobachtet. Wer sich eine eigene Meinung bilden möchte: Vor wenigen Jahren machte die Arminia beispielsweise unverhohlen Werbung für eine Veranstaltung mit einem Nazi-Sujet, wie die Grünen damals aufdeckten.

Die schlagenden Burschenschaften sind also das institutionelle Sammelbecken des österreichischen Rechtsextremismus, des Neo-Nazismus und gleichzeitig auch die wichtigste Kaderschmiede der FPÖ. Ihre Mitglieder helfen sich gegenseitig in Machtpositionen und versuchen so, ihre politische Ideologie im gesellschaftlichen Diskurs zu verankern. Diese Ideologie ist geprägt von starkem Sexismus, Rassismus und Geschichtsrevisionismus. Unter dem Vorsitz der österreichische Burschenschaft Teutonia ist der deutsche Dachverband so weit nach rechts gerückt, dass es zu Spaltungen kam. Denn Diskussionen um verpflichtende Ariernachweise (!) für die Mitgliedschaften in einer Burschenschaft war vielen der Deutschen dann doch zu nazistisch.

Grund genug, einmal eine Reise durch die Linzer Burschenschafter-Szene zu unternehmen. Diesmal wird der Wiener Sami Kilic einen Einblick in die politischen und gesellschaftlichen Verflechtungen der Linzer Burschenschaften geben. Er arbeitet als Geschichtsvermittler an einer KZ-Gedenkstätte und setzt sich seit Jahren in antifaschistischen Gruppen und Projekten aktivistisch mit dem Thema Burschenschaften auseinander. Nach einem Einführungsvortrag werden wir wieder bei einem Nachmittagsspaziergang ein paar der Buden der Burschenschaften besuchen und vor Ort mehr über diese erfahren. Die genaue Route wird aus Sicherheitsgründen erst bei der Veranstaltung vor Ort bekannt gegeben. Um vor Provokationen der Burschenschafter sicher zu sein, wird die Veranstaltung auch dieses Jahr wieder unter Polizeischutz stattfinden.

Bild der ersten Burschitour. Datum der Kamera nicht korrekt.

 

Die Teilnahme ist kostenlos, um kleine Spenden für den Referenten wird gebeten. Und wer eine gute Kamera zuhause hat, bitte mitnehmen und bei der Doku helfen – Danke!

Und bitte: Spread the word!

Auf Facebook: https://www.facebook.com/events/497101473741050/

Fotos, Berichte und Rückblicke auf die 1. Linzer Burschitour findet ihr hier:

Rückblick auf subtext.at

Beitrag „Braunblaue Flecken“ von Daniela Derntl auf FM4

Fernsehbeitrag von Dorf-TV:

Vortrag von Heribert Schiedel und Eindrücke der Tour auf dem CBA:

http://cba.fro.at/54030