Warum gegen Burschenschaften auf die Straße gehen:

Ich werde in den nächsten beiden Tagen zwei Mal aus politischen Gründen in Linz auf die Straße gehen:

Einmal, morgen Freitag, 16:00 Uhr bei der von mir initiiert 2. Linzer Burschitour.

Einmal, übermorgen Samstag, 19:00 Uhr zur Demo gegen den Burschenbundball.

In den letzten Wochen wurden mir dazu öfter Fragen gestellt, auf die ich hier eingehen möchte. Nämlich diese: Warum? Und erweitert: Ist das denn sinnvoll? Dahinter stehen meist zwei Argumente: Dass man damit nur eine Provokations- / Gewaltspirale in Gang setzt oder hält. Und dass es besser ist, positive Politik zu gestalten.

Beiden Argumenten kann ich etwas abgewinnen. Denn natürlich, bei der Burschitour auf die Straße zu gehen, hin zu den oft unerkannten Buden wird von diesen als Provokation erkannt, wie man vor zwei Jahren gesehen hat. Da wird von einem FPÖ Landtagsabgeordneten schon mal zwischen den Zeilen mit dem Tod gedroht:

Linker Parteiloser

Andere verteidigen ihre Bude mit dem sinnstiftenden Motto „Saufen gegen Links“:

Hohenstaufen

Und heuer möchte ein Mitglied der FPÖ gleich das KZ Mauthausen reaktivieren: „De Rotzn gehörn in den Steinbruch.“ (Anzeige wegen Verhetzung schon am Postweg):

FPÖ Linz Burschitour

Die Nervosität der Rechten sieht man auch daran, dass der Betreffende drei Tage später aus der Partei geschmissen wurde. Dass im Übrigen SPÖ Landesrat Entholzer in der Zeitung Österreich dafür lobende Worte findet und zufrieden ein Umdenken bei der FPÖ feststellt, ist leider an Weltfremdheit kaum zu überbieten – oder Wahltaktik.

Aber zurück zum Ausgangspunkt. Mit öffentliche Präsenz erreicht man zwei Dinge. Erstens zeigt man damit den Rechten, dass ihre Geisteshaltung eben nicht der Grundhaltung einer homogenen Gruppe entsprechen, deren Existenz sie behaupten. Denn die von Rechten konstruierten Zusammenhänge von „die Österreicher“, „das deutsche Volk“ oder gar „die deutsche Rasse“ sind schlicht und ergreifend Blödsinn. Solche Konstrukte dienen Menschen mit geringem Selbstwertgefühl um jenes zu heben, und über diesen Mechanismus den rechten Populisten als simples Herrschaftswerkzeug. Das alte Prinzip Divide et Impera ist am Werk, teile in Mensch und Nichtmensch, hetze den Einen auf den Anderen und herrsche. Dieses Prinzip der rechten Minderheit kann aber natürlich nur funktionieren, wenn sich die anderen Menschen rundherum nicht dagegen aussprechen. Schweigen heißt zwar nicht Zustimmung, aber kann so interpretiert werden. Und je lauter es auf der Straße ist, desto schwieriger ist es für die Rechten ihr wackeliges, auf Homogenität und Uniformität basierendes Weltbild aufrecht zu erhalten. Durch die Artikulation des Widerstands auf der Straße signalisieren wir den Rechten also: Wir denken nicht wie ihr und ihr könnt uns nicht vereinnahmen.

Womit wir bei zweitens wären: Die öffentliche Präsenz von Widerstand führt zu einer (sozial-)medialen und damit gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den wahren Hintergründen der Burschenschaften. Wenn junge Menschen diese kennen, sind sie vielleicht eher davon abzuhalten, Mitglied der Säbeltruppen zu werden. Siehe auch diese Passage über einen Aussteigers aus der Burschenschafterszene, kürzlich erschienen im Standard:

Angesprochen habe ihn, als er im zweiten Semester durch einen Freund aus Kindheitstagen zur Verbindung stieß, „die Rolle der Burschenschaften in der bürgerlichen Revolution 1848, als man für Meinungs-und Pressefreiheit eintrat“, erklärt Zeller. Doch ihm wurde bald klar, dass die Geschichte der Burschenschaften von diesen sehr selektiv wiedergegeben wird.

Genau aus diesem Grund halte ich Informationsveranstaltungen wie die Burschitour oder „Das rechtsextreme Geschlecht“ (Freitag, 7.2., 19:30 Uhr Autonomes Zentrum
Freistädterstraße 3) für wichtig. Denn die meisten Menschen wissen viel zu wenig über die nationalistische, antisemitische und sexistische Haltung der Burschenschaften oder halten sie für harmlose Vereine.

Zum zweiten oben angeführten Argument: Dass es besser wäre, positive Politik zu gestalten und mit gutem Beispiel voranzugehen.

Darüber habe ich ausführlich mit einem Menschen diskutiert, dessen Eifer für die gute Sache kaum zu überbieten ist und mit dem ich als Freund und Wegbegleiter seit Jahren ein großartiges Projekt betreiben darf. Wir sind oft einer Meinung, waren es aber nicht in diesem Punkt. Meine Überzeugung ist also, dass nicht nur beides möglich, sondern nötig ist. Gestaltende, linke Politik muss beides schaffen, um wirksam zu werden. Kein Entweder Oder, sonder ein Und. Denn am glaubwürdigsten erscheinen mir jene, die sowohl dort laut ihre Stimme erheben, wo Kritik nötig ist, als auch dort mitanpacken, wo es darum geht, an einer besseren Welt zu arbeiten. Denn wer sich mit ehrlichem Engagement einen Ruf erarbeitet hat, dessen Stimme wird oft noch viel mehr gehört.

That said, hinterlasst mir einen Kommentar, teilt bitte diesen Beitrag und noch viel wichtiger: Kommt zur Burschitour und zur Demo!

Und wer noch immer nicht genug hat: Hier noch ein Aufzeichnung einer Sendung auf Radio FRO von gestern, bei der ich und der Vortragende Sami Kilic zu Gast waren: