Bilanz Stadtwache Linz Jahr 2: Mehr Kosten, weniger Einsätze.

Seit 2010 patroulieren die MitarbeiterInnen der Stadtwache Linz, offiziell Ordnungsdienst der Stadt Linz, auf den Straßen der oberösterreichischen Landeshauptstadt. Anfangs lag die Truppenstärke bei 18 Personen, im 4. Quartal 2011 wurde auf 30 Arbeitsplätze aufgestockt. Ihr offizieller Auftrag lautet, die Stadt „sicherer“ und „sauberer“ zu machen.

So umstritten die Stadtwache inhaltlich ist, umso umstrittener ist die Leistungsbilanz. Mein Artikel zur Bilanz des ersten Jahres wurde mehr als 1.100 mal auf Facebook geshared und ist bis heute der meistgelesene Beitrag auf meinem Blog. Grund der Aufregung war die Erkenntnis, dass ein „Einsatz“ der Stadtwache im Schnitt 130 Euro kostet – und fast jeder zweite Einsatz wurde unter „Service und Info“ verbucht, also etwa das Geben der Auskunft nach dem Weg zum nächsten öffentlichen Klo.

Die anhaltende negative Berichterstattung hat auch die Zustimmungsrate zur Stadtwache nach unten rasseln lassen: Von 70% im Juni 2009 auf 48% im Jänner 2012. Und seither wird es nicht besser geworden sein. Denn erst vor wenigen Wochen wurde die Meinung der KritikerInnen durch einen eigentlich geheimen Bericht bestätigt:

2013.02.15 - OÖN - Geheimbericht übt harte Kritik an Stadtwache

Die Geschäftsführung der Stadtwache hatte im Auftrag des Aufsichtsratvorsitzenden und FPÖ Linz Chef Detlef Wimmers die eigenen MitarbeiterInnen von DetektivInnen überwachen lassen. Und das Ergebnis war eindeutig: Die Überwachten würden „ihre Aufgaben in keinster Weise so erledigen, wie es ihnen in unzähligen Gesprächen dargelegt wird.“

Anlass genug, auch Bilanz über das zweite Jahr der Stadtwache Linz zu ziehen. Als Datenmaterial dienen offizielle Presseaussendungen der Stadt Linz und Statistiken des Ordnungsdienstes der Stadt Linz. Da ich keine Zahlen für das dritte Quartal 2012 hatte, basiert die Jahreszahl auf einer Hochrechnung der ersten drei Quartale des Vergleichszeitraums.

Leistungsaufschlüssel-Stadtwache-Linz-Jahr-1-und-2

Die Zahlen erstaunen: Obwohl das Personal fast verdoppelt wurde und neue Einsatzbereiche dazukamen, gab es einen Rückgang der absoluten Einsätze von 7.678 im ersten auf nur noch 6.581 im zweiten Jahr. Bei einer theoretischen Vollbesetzung der Stadtwache heißt das, dass der/die durchschnittliche StadtwächterIn nur noch gut 4(!) Einsätze pro Woche hat. Eine Rückgang von fast 50% gegenüber dem ersten Jahr.

Insgesamt kommen auf die 30 MitarbeiterInnen also im Schnitt 18 Einsätze pro Tag.

Hier noch eine Aufschlüsselung der Tageseinsätze nach Bereichen:

Leistungsaufschlüssel-Stadtwache-Linz-Jahr-1-und-2-Tagesdurchschnitt

Dabei sind neun von zehn Einsätzen in den Bereichen „Service und Info“, „Vorgänge in Zusammenhang mit Hunden“ und „illegale Müllablagerungen“ eingeordnet. Der Großteil der realen Arbeit der Stadtwache-MitarbeiterInnen besteht also aus Handlungen, die jede/r BürgerIn von sich aus erledigt: Jemanden den richtigen Weg erklären, jemanden bitten, den Hund anzuleihnen, oder eine Stück Müll aufzuheben und wegzuwerfen.

Nur im Unterschied zu mir und Ihnen werden wir dafür nicht bezahlt. Wie viel kostet die Stadtwache also? Im ersten Jahr hatte die Stadtwache ein Budget von 1,0 Millionen Euro zur Verfügung. Das Budget wurde 2011 auf 1,3 Millionen Euro aufgestockt, allerdings wurden nur 1,1 Millionen ausgegeben, soviel wie auch für 2012 und 2013 budgetiert ist.

Legen wir das Budget nun auf die Einsatzzahlen um:

Kostenanalyse-Stadtwache-Linz-Jahr-1-und-2

Da die Gesamtkosten stiegen und die Einsatzzahlen zurückgingen, sind die durchschnittlichen Kosten pro Einsatz nahezu explodiert: Von 130 € im ersten Jahr auf fast 170 € im zweiten Jahr. Um es im polemischen Stil des ersten Artikel zu sagen:

170 € für einmal den Weg zum nächsten Klo zeigen.

Damit gibt die Stadt Linz derzeit mehr als eine halbe Million Euro pro Jahr dafür aus, dass die MitarbeiterInnen der Stadtwache etwas machen, was wohl für alle von uns selbstverständlich ist: Anderen Menschen eine Auskunft zu erteilen. Das ist mehr, als das Stadttheater Phoenix an öffentlicher Subvention erhält. Eine Drittel Million Euro investieren wir darin, Menschen mit Hunden auf die Leinenpflicht aufmerksam zu machen – mehr, als die Linzer KAPU und die Stadtwerkstatt an Jahressubvention bekommen.

Die Stadtwache ist und bleibt damit eines: Ein Instrument der Unsicherheitspolitik der FPÖ und ÖVP sowie eine Kampagne gegen Solidarität, individueller Verantwortung und Zivilcourage. Sie löst keine Probleme, sie verdrängt sie oder verschärft sie nur. Und wie die Bilanz zeigt, ist die Stadtwache Linz auch eine massive Verschwendung von MItteln der öffentlichen Hand, die anders wohl besser angelegt wären.

Ich wiederhole daher meine Forderungen:

  • Erarbeiten eines Sozialplanes für die MitarbeiterInnen der Stadtwache
  • Sofortige Auflösung der Stadtwache
  • Umlenkung der MIttel in den Sozial- und Kulturbereich

Morgen bin ich übrigens zu einer Diskussion in den Keplersalon Linz geladen, um mit dem Chef der Stadtwache und FPÖ Linz Vorsitzenden Detlef Wimmer und Gemeinderat der Grünen Markus Pühringer über die Stadtwache zu reden. 19:30 Uhr, seid dabei!

Organisierte Bettelbande: Der Verein WIKUL des Linzer (Ex-)FPÖ Politikers Robert Hauer

Dass gerade jene, die am lautesten vom Wasser predigen, mitunter den meisten Wein trinken, ist bekannt. Ein ähnliches Bild ergibt sich, recherchiert man über den 60-jährigen Linzer Robert Hauer: Der frühere Soldat und Linzer FPÖ-Politiker, der für die Partei zwölf Jahre als Umwelt- und Heeresexperte im Linzer Gemeinderat saß, machte letzte Woche Schlagzeilen, da er als mutmaßlicher illegaler Waffenhändler von der Spezialeinheit Cobra verhaftet wurde. (Wer mehr über diese Geschichte wissen will und etwas lachen möchte, dem sei auch mein letzter Beitrag über einen Diskurs über die Causa Hauer mit dem Linzer FPÖ-Chef Detlef Wimmer ans Herz gelegt, da dieser nun so tut, als wäre Robert Hauer nie FPÖ Politiker gewesen).

Richtig delikat wird die Causa Hauer allerdings, wenn man sich den von ihm gegründeten Verein WIKUL ansieht:

WIKUL ist ein 2002 gegründetes Netzwerk von gemeinnützigen Vereinen und Experten unterschiedlicher Berufsfelder, welches eigenständige Services und Produkte für Menschen unterschiedlicher Generationen anbietet und entwickelt. Dies umfasst Non-Profit-Unternehmungen und Dienstleistungsvermittlungen ebenso, wie die Entwicklung und Verbreitung von umweltschonenden Produkten und Technologien.

Die erste Lüge – WIKUL wurde laut einem Vereinsregisterauszug erst am 02.03.2010 gegründet. Im VRZ werden vier Vorstandsmitglieder genannt: Robert Hauer selbst, eine mutmaßlich verwandte Adel Hauer, Michael Alt und Ralph Lingner. Einer der beiden letzten Personen dürfte auch an der Firma „CSE – Computer Software & Elektronik GesmbH“ beteiligt sind, denn erstens wird für Produkte dieser Firma auf der Homepage des Vereins WIKUL geworben, zweitens residieren laut Impressum sowohl WIKUL als auch CSE an der selben Adresse: Harterfeldstraße 52, A-4060 Leonding.

Spannend wird es nun, wenn man in den Pressearchiven nach diesem Verein sucht. Das einzige Medium, das jemals über den Verein WIKUL berichtet hat, ist die Linzer Rundschau. Erst vergangene Woche, am 03. Jänner 2013 erschien folgender Artikel, in dem aufgerufen wird, Spenden auf ein Konto bei der Raiffeisenbank zu überweisen:

2013.01.03 - Rundschau - Hilfsprojekt eines Linzers für bedürftige Ungarn

Auch davor gab es immer wieder in sehr kurzen Abständen Berichte:

Sehr viel Wohltätigkeit für den Politiker einer Partei, die sonst nicht unbedingt für Solidarität mit AusländerInnen bekannt ist. Und das ist wohl nicht nur meine Meinung:

„Teures Leasing-Auto, Fallschirmspringen, Eigentumswohnung für die Geliebte in Ungarn – er hat stets auf großem Fuß gelebt, Schulden in sechsstelliger Höhe angehäuft“, so ein Bekannter. Die Folge seien halbseidene Geschäfte gewesen. So gründete der Politiker den Verein „WiKul“, um Hilfsaktionen für Ungarn und Ex-Jugoslawien zu organisierten. Für die Ermittler nur Tarnung: Eben aus jenen Ländern bezog der Linzer die Waffen, mit denen er schwunghaft handelte.

Ich glaube, dass es daher nicht sehr unwahrscheinlich ist, dass auch die Spenden wohl nie bei den angeblichen Bedürftigen angekommen sind. Allerdings ist bis dato in den Medien noch nichts wegen einer diesbezüglichen Anklage zu lesen gewesen.

Noch absurder wird die angebliche Wohltätigkeit des Verein WIKUL, wenn man sich die angebotenen Pflegeleistungen ansieht:

wikul-pflege

24-Stunden Pflege nur 39,90 pro Tag! Das sind gerade mal 1197 € pro Monat bei einer hypothetischen 168 Stunden-Woche, oder stolze 1,66 € Stundenlohn vor Abzug der Steuern. Wie geht das?

wikul-pflege-jobangebote

Easy! Einfach Menschen zu Dumpingpreisen aus dem Osten versklaven importieren! Bei einem Stundenlohn von 1,66 € des Vereins WIKUL kein Wunder, dass sich die armen armen Ungarn ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Aber dafür gibts ja dann Gott sei Dank den Verein WIKUL, der brav und fleißig Spenden sammelt. Chapeau!

Nun ist es ja so, dass wohltätige Organisationen ein gutes Ansehen genießen. Auch Robert Hauer selbst dürfte ein angesehener Bürger der Stadt Linz sein, hat ihm doch Bürgermeister Dobusch erst am 14.10.2010 mit dem Großen Ehrenzeichen der Stadt Linz ausgezeichnet. Und wenn eine solche honorige Persönlichkeit Hilfstransporte für Ungarn organisiert, erhält sie auch leichter Unterstützung, wie in der Rundschau am 21.11.2012 zu lesen war:

Der Verein WiKul von Ex-FP-Gemeinderat Robert Hauer setzte sich dieses Jahr für Opfer der Flutkatastrophe in Ungarn. Kurzerhand stellte Hauer ein Projekt auf, bei der viele Linzer Kleidung, Elektrogeräte und andere Sachen spendeten. Die StadtRundschau berichtete. Die Hilfsbereitschaft war so groß, dass Hauer die Spenden mit einem Lkw nach Ungarn bringen musste. Diesen Transport sponsorte die Stadt Linz.

Den Erkenntnissen der ErmittlerInnen folgend stellt sich die Frage, ob diese Transporte nicht auch in Wirklichkeit den illegalen Geschäften des Robert Hauers dienlich waren.

Nun gibt es an dieser Geschichte zwei interessante Komponenten:

Erstens ist es absurd, dass gerade aus den Reihen der FPÖ Linz, die permanent laut nach mehr „Sicherheit“ schreit (und damit Unterdrückung ihr missliebiger Gruppen meint), ein illegaler Waffenhändler stammt.

Zweitens zeigt es die Verlogenheit auf, mit der die FPÖ Politik macht. Denn seit Jahren schreien die Partei-PolitikerInnen mit Schaum vor dem Mund eine Haßpredigt nach der anderen um die Ärmsten der Armen, die BettlerInnen, zu verunglimpfen. „Bettelbanden“, „organisierte Kriminalität“, „Kindesmissbrauch“, FPÖ PolitikerInnen sind bei der Wortwahl nicht zimperlich, wenn es um das Aufwiegeln von Emotionen, meist Angst und Hass, geht. Wenn man sich ansieht, wie der Verein WIKUL des Linzer Ex-FPÖ-Politikers Robert Hauer agiert,weiß man, wo die wahre organisierte Kriminialität zuhause ist.

Abschließend möchte ich festhalten:

  • Ich fordere die Aberkennung des Großen Ehrenzeichen der Stadt Linz für Robert Hauer.
  • Ich fordere eine Überprüfung, ob Resourcen der Stadt Linz für den illegalen Waffenhandel eingesetzt wurden.
  • Ich fordere eine Überprüfung, ob Fördermittel der Stadt Linz an den Verein WIKUL gingen, insbesondere aus dem Kulturbudget und dem Sicherheitsressort.
  • Ich fordere eine Überprüfung, wofür die auf dem Raika-Konto gesammelten Spenden verwendet wurden.
  • Ich fordere eine Anklage gegen die FPÖ nach dem Mafia-Paragrafen 278a STGB wegen Gründung einer kriminellen Organisation.

Die FPÖ und die Waffenhändler

Am achten Jänner meldete die Tageszeitung Österreich, dass Robert H., ein „FPÖ-Politiker, Ex-Gemeinderat und ehemaliger Berufssoldat“ vorgeworfen wird, jahrelang mit illegalen Waffen gehandelt zu haben. Die Spezialeinheit Cobra hat ihn am vorhergehenden Wochenende verhaftet, als er einem Schweizer mehrere Pistolen verkaufen wollte.

Wow – ein Parteimitglied des Sicherheitsstadtrats als illegaler Waffenhändler? Na, da bin ich gespannt, wie die FPÖ reagiert. Und da der Sicherheitsstadtrat und Chef der Linzer FPÖ, Detlef Wimmer, ein alter Kumpan, auch auf Twitter mit mir verkehrt, frage ich ihn und Kollegen Nationalratsabgeordneten Gerhard Deimek halt direkt:

Anmerkung: Der Originalbeitrag war eine Storify-Geschichte, der Dienst wurde aber geschlossen.

Daher hier nun Screenshots der Storifygeschichte:

„… im Zweifelsfall ist eine Besetzung dem Event vorzuziehen“

Für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Bildpunkt der IG Bildende Kunst ist ein Interview hat Sophie Schasiepen die Yvonne P. Doderer und mich zum Thema Eventisierung befragt. Das gesamte Interview findet ihr hier sowie in einem Artikel im Online-Standard.

Bildpunkt

Bildpunkt: Eventisierung beschreibt grundsätzlich eine Fokussierung auf Ereignisse. Der sicherlich etwas schillernde Begriff wird vor allem in Bezug auf Stadtpolitik(en) und das Feld der Kultur verwendet. Allerdings werden so unterschiedliche Ereignisse wie Kunst-Biennalen, der Berliner „Karneval der Kulturen“, Bezirksfeste und Veranstaltungen darunter gefasst, die, wie etwa Design-Wochen, im Grunde Verkaufsmessen sind. Eine zentrale gemeinsame Dynamik der Eventisierung scheint uns in einer Konzentration von Geld und Aufmerksamkeit zu bestehen, wobei beides zugleich anderswo abgezogen wird: weg von der kontinuierlichen Finanzierung von Kulturarbeit etwa oder auch von Leuten, die in hipper werdenden Stadtvierteln als nunmehr unrentabel gelten. Yvonne P. Doderer, bezogen auf die Stadt schreiben Sie, die „Ökonomisierung von Raum“ sei nicht neu, aber neu seien die Ausmaße, in denen die Umstrukturierung der Städte betrieben werde. Welche Rolle spielt ein Phänomen wie Eventisierung dabei?

Y.P.D: Diese Ökonomisierung erfolgt im Kontext einer neoliberalen Raum- und Stadtpolitik, die urbane Raumproduktion nahezu ausschließlich unter dem Vorzeichen der Interessen von Kapitaleignern betreibt und jeden Anspruch auf Gemeinwohlorientierung verabschiedet hat. Was die Lage in vielen Städten verschärft – zumindest in denjenigen, die in tatsächlichen oder projektierten Wachstumszonen liegen –, ist der Umstand, dass inzwischen mehr Kapital zirkuliert, das in den Grund- und Boden- bzw. Immobilienmarkt investiert wird. Was dabei herauskommt, lässt sich bereits vielerorts besichtigen. Diese Homogenisierung – ein Altenund Pflegeheim ist heute kaum noch von einem Bürogebäude zu unterscheiden und in jeder größeren Stadt findet sich eine nahezu identische Abfolge immer derselben Markenshops und Einkaufszentren – muss in irgendeiner Form aufgewertet und attraktiv gemacht werden. Dazu muss entweder Authentizität generiert oder ein Alleinstellungsmerkmal konstruiert werden. Ein Mittel ist die Etablierung einer Narration beispielsweise von der hippen, sexy Stadt wie im Fall von Berlin, ein anderes Mittel ist die Bespielung von städtischen Räumen mit Eventkultur aller Art.

Bildpunkt: In der Geschichte der Linzer Tabakfabrik spielt die Privatisierung urbanen Raums auch eine große Rolle. Nach der Abwicklung der Austria Tabakwerke wurden hier allerdings die Fabrikgebäude 2009 von der Stadt aufgekauft, auf der Homepage wird angesichts dessen gar euphorisch von einem „Symbol für eine Trendwende in der Politik“ gesprochen. Eine solche Wende würde ja auch die Hinwendung zu kontinuierlicher Finanzierung und Abwendung von Projektlogik und Event bedeuten. Das scheint uns fragwürdig. Gibt es dafür noch andere Indizien? Wie schätzt du, Thomas Diesenreiter, das ein, auch vor dem Hintergrund deiner eigenen aktivistischen Erfahrungen?

T.D: Der angesprochene Satz stammt von mir und ist tatsächlich recht euphorisch formuliert. Der gesamte Text ist aber nicht nur als Befund, sondern auch als politische Kampfansage zu lesen. Was das Projekt Tabakfabrik bis jetzt und hoffentlich auch in Zukunft maßgeblich von anderen vergleichbaren Initiativen unterscheidet, ist eben die Trägerschaft durch die öffentliche Hand. Was als Gentrifizierung und Eventisierung kritisiert wird, beschreibt meist Prozesse, die von der Politik zwar geduldet und auch unterstützt werden. Aber ich glaube, dass da oft bequem den dann ins Spiel gebrachten Marktzwängen nachgegeben wird. OrganisatorInnen und ProfiteurInnen argumentieren dem TINAPrinzip entsprechend, dass es keine Alternative zu ihrer Form der Verwertung des urbanen Raumes gäbe. Unser Ziel ist es, einmal mit dem Gemeinwohl-Anspruch vor Augen zu versuchen, ein solches Stadtentwicklungsprojekt anzugehen. Dazu gehört eben sowohl ein Visionsanspruch als auch eine gehörige Portion Naivität.

Bildpunkt: Die Eventisierung ist ja nicht nur auf einen Ausdruck reiner Marktlogik oder auf eine bloße Folge städtischer Standortpolitik zu reduzieren. Nicht zuletzt die Mainstream-Soziologie hebt die Vergesellschaftungsfunktion von Events, also deren Identität stiftende Wirkungen und Effekte hervor. Welchen Stellenwert nehmen diese eurer Ansicht nach in den Eventisierungspolitiken ein?

Y.P.D: Diesbezüglich verweise ich in Anlehnung an Guy Debord auf den Unterschied zwischen Festival und Spektakel: Während beim Festival die Rollen AkteurIn und ZuschauerIn nicht getrennt sind, ist das Spektakel von deren strikter Unterscheidung gekennzeichnet. Insofern halte ich es für fraglich, dass spektakelförmige Inszenierungen in Stadträumen zur Identitätsbildung taugen, wenn sie auf bloßem Konsum anstelle von aktiver Beteiligung beruhen. Auf diesem Hintergrund werden ja auch manche Christopher Street Day-Paraden fragwürdig, wenn sie die Problematik homosexueller Identität nur noch als konsumfähigen Mainstream abfeiern.

T.D: Spannend ist, dass diese Identifikationsprozesse in beide Richtungen gehen – die Stadt definiert sich über ihre EinwohnerInnen, die EinwohnerInnen über ihre Stadt. Ich denke, dass es im Endeffekt darauf ankommt, bei solchen Identifikationsprozessen die Interessen der verschiedenen Parteien zueinander abzuwägen und abzustimmen. Wenn eine Stadt ein Filmfestival finanziell unterstützt, soll sie von mir aus damit auch Stadtmarketing betreiben. Brisant wird es, wenn sich als Primärinteresse die Maximierung der BesucherInnenzahlen oder des Umsatzes durchsetzt. Das konnte man in den letzten Jahren gut beim Linzer OK verfolgen.

Bildpunkt: Wenn Eventisierung auch eine Chance sein kann, um marginalisierten und peripheren Menschen und Anliegen die bis dahin verwehrten Gelder und Aufmerksamkeiten zu verschaffen, anhand welcher Kriterien entscheidet sich eurer Meinung nach, welche Form der Eventisierung akzeptabel ist und welche nicht?

Y.P.D: Für mich macht es einen Unterschied, wer eine Veranstaltung initiiert und mit welchem Ziel. Wenn, wie beispielsweise in Stuttgart, sich MigrantInnenvereine zusammenschließen und jedes Jahr ein mehrtägiges Kultur- und Musikfestival auf dem Marktplatz veranstalten, das zudem keinen Eintritt kostet, dann kann ein solches Event sogar Identitätsbildung im Sinne einer Identifikation mit der Stadt herstellen. Dass eine solche integrative Identifikation dann tatsächlich stattfindet, hat sich beispielsweise am Widerstand gegen das Bahn- und Immobilienprojekt Stuttgart 21 gezeigt, denn hier haben sich nicht nur die von der Presse fokussierten BürgerInnen der Halbhöhenlage, sondern auch MigrantInnen unterschiedlicher Herkunft beteiligt.

T.D: Mir schien Stuttgart 21 umgekehrt ein Negativbeispiel der Eventisierung politischer Prozesse. Ich hatte den Eindruck, dass es bei der Diskussion weniger um die inhaltliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Positionen ging, sondern mehr um einen durch die hohe Zahl der Protestierenden ausgelösten Medienhype. Wie auch immer, Events sind meiner Meinung nach ein legitimes Mittel der politischen Arbeit, aber sie sollten halt nicht das einzige bleiben und den Fokus auf den Inhalt nicht verstellen. Aber im Endeffekt muss jede/r für sich selbst entscheiden, welche Form sie/er wählt.

Bildpunkt: Kritische Kunst- und Kulturarbeit und selbst politischer Aktivismus sieht sich in dieser Frage ja einer gewissen Alternativlosigkeit ausgesetzt. Ohne eigene Events lässt sich kaum Aufmerksamkeit generieren, in ihnen formulierte Kritik findet sich schnell an den Oberflächen etablierter Institutionen wieder, ohne dass sich an deren Politik oder allgemeiner Förderstruktur viel geändert hätte. Welche Ansatzpunkte seht ihr dennoch für ganz andere Konzepte einer kritischen Praxis?

Y.P.D: Hier möchte ich noch einmal auf Stuttgart verweisen, denn auch etablierte Institutionen, wie in diesem Fall der Württembergische Kunstverein, können durchaus als Plattformen fungieren, die eine tiefergehende Reichweite haben. Dies ist ja die Fehlein- schätzung heutiger Kulturpolitik, die zuallererst auf BesucherInnenzahlen anstelle von Inhalten und auf temporäre Highlights anstelle von kontinuierlicher Kunst- und Kulturförderung setzt. Damit sich eine kritische Praxis entfalten kann, braucht es eine kontinuierliche Förderung von Kunst- und Kulturinitiativen aller Art und jeder Größe. Die Frage ist natürlich, ob dies überhaupt von politischer Seite gewollt ist. Gleichermaßen sind jedoch auch Kulturschaffende und KünstlerInnen gefragt, sich an stadt- und kulturpolitischen Auseinandersetzungen zu beteiligen, sich zu politisieren und ihre Forderungen konsequent zu stellen. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, zeigen beispielsweise die Diskussionen um Zwischennutzungen, die ja eine Form städtischer Aufwertungspolitik darstellen und die immer noch häufig klaglos von den Kunst- und Kulturschaffenden hingenommen werden. Im Zweifelsfall ist dann eine Besetzung – wie im Fall des Hamburger Gängeviertels – einem bloßen Event vorzuziehen.

T.D: Die Schwierigkeit, Aufmerksamkeit für kritische Kunst- und Kulturarbeit und politischen Aktivismus zu generieren, hat für mich zwei Ursprünge: Erstens ein simpler Mangel an Mitteln – wenn eine Landesausstellung mehr Geld für Plakate und andere Werbung verballern kann, als alle freien Kulturinitiativen in OÖ insgesamt an Werbebudget haben, ist klar, warum wir uns schwertun, medial durchzukommen. Zweitens der katastrophale Zustand der Medienlandschaft, gerade in Österreich. Daher muss es weiterhin darum gehen, eigene alternative Mediennetzwerke aufzubauen, wie freie Radios und Fernsehstationen, Printprodukte und natürlich eigene starke Internetplattformen. Wir müssen uns stärker vernetzen, politisch denken und agieren und solidarisch die eigene/n Szene/n unterstützen sowie in etablierte Institutionen gehen und diese von innen ändern. Wenn wir mit der herrschenden Politik nicht zufrieden sind, müssen wir halt selber bessere machen. „The price of a successful attack is a constructive alternative“, um den gerade wieder in Mode kommenden Herrn Alinsky zu zitieren.

Thomas Diesenreiter ist Künstler, Kulturarbeiter, politischer Aktivist und Mitgründer der Initiative Kulturquartier Tabakwerke in Linz.

Yvonne P. Doderer ist freie Architektin und Stadtforscherin, betreibt das Büro für transdisziplinäre Forschung & Kulturproduktion in Stuttgart und ist Professorin für Cultural Studies mit Schwerpunkt Geschlechterforschung an der FH Düsseldorf.

Das Gespräch wurde im Oktober 2012 von Sophie Schasiepen und Jens Kastner per E-Mail geführt.

Zwei Promille sind nicht genug!

Circa ein Jahr ist es her, als die freie Szene Linz einen offenen Brief unter dem Titel „Linz verendet – ohne freie Kultur!“ an den Kulturreferenten der Stadt Linz, ÖVP-Vizebürgermeister Erich Watzl und an den Stadtsenat schickte. Damals wurde in Gesprächen mit den führendenen PolitikerInnen Hilfe versprochen, doch mehr als ein paar punktelle Verbesserungen gab es nicht. Noch immer wartet die freie Szene auf den großen Wurf, auf eine Umverteilung der Geldmittel hin zur freien Kunst- und Kulturarbeit, die einen menschenwürdigen Betrieb der dutzenden Initiativen ermöglicht. Daher haben wir auch heuer wieder einen offenen Brief verfasst, pünkltich zu den anstehenden Budgetverhandlungen. 46 freie Kulturinitiativen und 42 Einzelpersonen, darunter ich, haben den Brief unterschrieben, dessen Text ihr im folgenden lesen könnt:

Offener Brief als PDF

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

es ist Zeit, konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation der freien Linzer Kunst- und Kulturszene zu setzen. Die ersten Entwürfe des neuen Kulturentwicklungsplans zeigen in die richtige Richtung. Eine Kulturstadt braucht aber nicht nur starke öffentliche Einrichtungen, sondern auch eine starke freie Szene. Umso wichtiger ist es, jetzt die Weichen für substantielle Änderungen der Förderstruktur zu stellen. Denn noch immer stagniert das der freien Szene zuordenbare Budget in Linz. Die freie Szene erhält circa drei Prozent des gesamten Kulturbudgets oder nur zwei Promille des gesamten Stadtbudgets, in absoluten Zahlen ca. 1,4 Millionen Euro.

Mit den Drei-Jahres-Verträgen sollten stabile Rahmenbedingungen den Kulturinitiativen Planungssicherheiten geben. Da diese Basisförderungen aber seit ihrer Einführung vor neun Jahren nicht mehr angehoben wurden, sind sie durch die nicht abgegoltene Inflation ein Viertel weniger Wert als zu Beginn. Die Situation wird dadurch verschärft, dass auch auf Landesebene damit zu rechnen ist, dass die Einsparmaßnahmen wie die fixierte Kreditsperre, wiederum in erster Linie die freie Szene treffen.

Gleichzeitig ist es gerade für junge Initiativen im Kunst- und Kulturbereich ungleich schwerer geworden, Subventionen zu erhalten, um ihre Fixkosten oder gar ihre Arbeit zu finanzieren. Während MitarbeiterInnen der städtischen Kulturbetriebe berechtigterweise nach Kollektivverträgen bezahlt werden, verschlechtert sich die soziale Lage freier KulturarbeiterInnen und freier KünstlerInnen immer weiter.

Ihr Kollege, Stadtrat Johann Mayr, hat das erkannt. In einem Interview mit dem ORF im Mai diesen Jahres hat er sich dafür eingesetzt, dass sich die Stadt auf die Förderung von Linzer KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen aus der freien Szene konzentriert. Wir nehmen ihn beim Wort und fordern auch Sie auf, sich zur Stärkung der freien Szene zu bekennen und politisch dafür einzusetzen, dass die Situation grundlegend verbessert wird.

Wer sich in der Kultur mit dem Status Quo zufrieden gibt, entwickelt sich zurück“ – so steht es im Programm der SPÖ Linz. Also seien wir gemeinsam unzufrieden und entwickeln die Linzer Kulturpolitik weiter! Die ersten Rohfassungen des neuen Kulturentwicklungsplans lassen darauf hoffen, dass Linz es ernst mit dem Wandel zur Kulturstadt meint. Es wäre jedoch nur Kosmetik, wenn sich die Kulturpolitik auf die Förderung von publikumsstarken und vermarktbaren Formaten zurückzieht. Wir brauchen keinen weiteren Rausch mehr. Wir brauchen eine nüchterne Analyse unserer Zeit, um den Wahnsinn zu stoppen, der im Gewand des Kapitalismus unsere Gesellschaft und unsere Welt zerstört. Dafür brauchen wir Raum, Zeit, Ressourcen und Ihre Unterstützung.

Wir fordern daher eine schrittweise Erhöhung des Budgets der freien Szene auf mindestens drei Millionen Euro bis 2015. Dies soll durch Ausweitungen der Basissubventionen, der Projektsubventionen und der Sonderförderprogramme geschehen. Weiters fordern wir in Zukunft eine verbindliche Inflationsanpassung der Basissubventionen der Kulturinitiativen, um die schleichende Erodierung der Budgets zu verhindern. Schließlich soll ein verbindlicher Kriterienkatalog die Fördervergabe objektivierbarer und nachvollziehbarer machen.

Diese Stellungnahme wird von zahlreichen Initiativen aus dem Kunst- und Kulturbereich unterstützt und von vielen Einzelpersonen mitgetragen:

Initiativen: afo – architekturforum oberösterreich, Aktionsgemeinschaft Social Impact, Backlab Collective, bb15 – Raum für Gegenwartskunst, bRANDjUNG – Kollektiv für Raum und Inszenierung, City Kino, Collective Ika, Design Forum Linz, Die Fabrikanten, die zebras, Dorf TV, eipcp – european institute for progressive cultural policies, FIFTITU% – Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in OÖ, Fruchtgenuss – Verein für Leerstandsangelegenheiten, IFEK – Institut für erweiterte Kunst, junQ.at – Medien- & Kulturplattform, KAPU, Kult-Ex / Das Kollektiv, Kulturverein LIBIB, Kulturverein One Culture, Kulturverein Peligro, KünstlerInnenkollektiv Expanderrr, KünstlerInnenkollektiv Kompott, KunstRaum Goethestrasse xtd, Kunstverein Paradigma, KUPF – Kulturplattform Oberösterreich, maiz – Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen, MARCH GUT industrial design, Moviemento, nomadenetappe, Pangea – Interkulturelle Medienwerkstatt, qujOchÖ, Radio FRO – Freier Rundfunk Oberösterreich, RedSapata Tanzfabrik, servus.at, SILK fluegge, SPACEfemFM Frauenradio, spotsZ – Kunst.Kultur.Szene.Linz, Stadtwerkstatt, sunnseitn, theaternyx*, Time’s Up, transpublic*, Unkraut Comics, urbanfarm, Zach Records

Personen: Aileen Derieg, Alexander Vojvoda, Andre Zogholy, Andrea Hummer, Andrea Mayer-Edoloeyi, Andreas Reichl, Andreas Strauss, Astrid Esslinger, Barbara Huber, Bernhard Hummer, Brigitte Vasicek, Christian Diabl, Christian Haselmayr, Christoph Fürst, Dagmar Höss, Daniel Steiner, David Wagner, Didi Bruckmayr, Florian Sedmak, Franz Fend, Harald Renner, Helga Schager, Jakob Dietrich, Kurt Mitterndorfer, Michael Schweiger, Nicole Honeck, Paul Fischnaller, Richard Schachinger, Rudolf Danielczyk, Sabine Stuller, Silke Grabinger, Simone Boria, Stefan Rois, Thomas Diesenreiter, Thomas Hinterberger, Thomas Kreiseder, Tim Boykett, Tina Auer, Ursula Kolar, Werner Puntigam, Wolfgang Dorninger, Wolfgang Steininger

Archivia 2012

Ich darf euch, liebe LeserInnen, hiermit auf die Konferenz Archivia 2012 aufmerksam machen, deren inhaltliche Konzeption ich mit-verantworte und die einen wichtigen Puzzlestein im Rahmen meiner politischen Arbeit für das Cultural Broadcasting Archive darstellt.

Bei der Konferenz geht es um die zentrale Frage, wie wir mit dem umgehen dürfen und können, was wir täglich in unserer kulturellen Praxis produzieren. Es geht also darum, nach welchen Regeln wir Wissen erzeugen, archivieren und wieder weitergeben. Diese Regeln werden heute maßgeblich durch das UrheberInnenrecht bestimmt – dieses ist aber wie viele von euch aus eigener Erfahrung wissen, den Herausforderungen der heutigen Zeit nicht mehr gewachsen. Wir müssen uns überlegen, wie wir einerseits den ErzeugerInnen kultureller Werke eine angemesse Entschädigung für ihre Arbeit zukommen lassen können, ohne andererseits den ureigensten Drang des Menschen, Wissen zu teilen, einzuschränken. Das Internet ermöglicht uns heute, jederzeit auf das größte Wissensarchiv zuzugreifen, das die Menschheit jemals geschaffen hat – da war die Bibliothek von Alexandria ein Lercherlschas dagegen. Der Zugang zu Wissen ist nicht nur eine elementare Voraussetzung, um an unserer heutigen Gesellschaft teilhaben zu können, er ist auch ein Grundstein der modernen Demokratie. Daher müssen wir dafür kämpfen, dass die kommende Überarbeitung des Urheberrechts nicht im Sinne der Verwertungs-Konzerne ausfällt, die beständig Partei ergreifen für Restriktionen, Zensur und Kriminalisierung. Wir müssen dafür kämpfen, dass ein modernes Urheberrecht allen Menschen dienlich ist und einen fairen Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten schaffen. Wir müssen dafür kämpfen, dass der Zugang zu Wissen erleichtert wird und nicht mehr und mehr eingeschränkt wird. Denn dadurch kämpfen wir für eine offenere und fairere Gesellschaft, in der alle von dem Wissen profitieren können, das die Menschheit seit Jahrtausenden produziert.

Dafür brauchen wir auch eure Unterstützung. Es würde mich daher freuen, wenn ihr zur sicher interessanten Konferenz kommt. Mehr Infos findet ihr weiter unten und unter archivia.at

ARCHIVIA Konferenz zur Bedeutung offener Archive

Welche Funktion haben offene digitale Archive in der Wissensgesellschaft? Dieser Frage gehen im Rahmen der Konferenz ARCHIVIA am 31.8. und 1.9. in Linz ExpertInnen aus den Bereichen Ökonomie, Medien- und Rechtswissenschaft und VertreterInnen aus Zivilgesellschaft, Politik und von Archivprojekten nach. In einer Reihe von Workshops sollen auf Basis aktueller „Best Practices“ Perspektiven und Positionen für den freien Zugang zu Inhalten und Archiven im Internet entwickelt werden.

Keynote Speeches
Der Mediensoziologe Manfred Fassler von der Universität Frankfurt thematisiert unter dem Titel “Archivieren ist nicht gleich Wissen. Oder: Wissen ist kein Geschenk eines Automaten” den Wandel der Wissenskulturen und –infrastrukturen. Die Ökonomin Ruth Towse (Universität Bournemouth) konzentriert sich in ihrem Beitrag “Economics of copyright and archiving” auf mögliche Ineffizienzen und wohlfahrtsökonomische Probleme, die durch das Urheberrecht ausgelöst werden. Der Jurist Till Kreutzer von i.e., dem Büro für informationsrechtliche Expertise in Berlin, spricht über Möglichkeiten der Balance zwischen urheberrechtlichen Schutzansprüchen und dem Recht auf freie Meinungsäußerung im Netz – insbesondere im Kontext der Archivierung und Zugänglichmachung von Rundfunksendungen der Freien Community Radios und der Öffentlich Rechtlichen.

Panel Diskussion
In einer Panel Diskussion werden politische Ansätze einer zufriedenstellenden Verwertungslösung für offene nicht-kommerzielle Medienarchive diskutiert. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, wie ein öffentlicher Auftrag für die digitale Archivierung des kulturellen Erbes formuliert sein könnte.

TeilnehmerInnen: Johannes Jarolim, Nationalrat und Justizsprecher der SPÖ – angefragt, Karlheinz Kopf, Klubobmann und Mediensprecher der ÖVP – angfragt, Eva Lichtenberger, MEP (Die Grünen Österreich), Erich König, Österreichische Rundfunk und Telekom Regulierungs GmbH (RTR), Peter Ploteny, Österreichische Mediathek Eric Kluitenberg, Images for the Future, Niederlande – angefragt, Friederike Maier, CMFE Community Media Forum Europe und Robert Suchar, Geschäftsführer des Verbands Freier Radios Österreich (VFRÖ). Moderation: Ina Zwerger (ORF)

Workshops
Im Rahmen von „Best Practice“-Präsentationen werden Archivprojekte vorgestellt: Welche Modelle funktionieren? Wo stoßen sie an ihre Grenzen? Was muss sich ändern? Im Workshop „Offene Archive fordern!“ werden politische Forderungen der Archivprojekte gesammelt und diskutiert. Sie münden in eine gemeinsame Erklärung. Der Workshop „Future Archives“ stellt die Frage, wie offene und lebendige Archive in 10 oder 20 Jahren aussehen. Zwei „Open Spaces“ werden für kurzfristige Sessions vergeben. Bei Interesse kontaktieren Sie uns unter office@archivia.at.

Jetzt anmelden!
Die ARCHIVIA bittet um Anmeldung bis 26. August 2012. Die Teilnahme ist kostenfrei. Entweder Mail an register@archivia.at oder Zusage bei Facebook-Veranstaltung (Archivia Konferenz 31.8./1.9.). Die Veranstalter freuen sich auf Ihr Kommen! Das Programm der ARCHIVIA unter http://www.archivia.at/programm

ARCHIVIA Konferenz beim ARS Electronica Festival 2012
An Lösungsansätzen, das Urheberrecht an die Anforderungen des Internets anzupassen, arbeiten die OrganisatorInnen der Konferenz ARCHIVIA, die am 31. August und 1. September im Linzer Wissensturm stattfindet. Der Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ) und Radio FRO plädieren in ihrem Beitrag zum ARS Electronica Festival für die Öffnung von digitalen Archiven, die in unserer Wissensgesellschaft für eine globale Öffentlichkeit zugänglich sein könnten. Derzeit verhindern das rechtliche Hürden.

Organisation:
Veranstalter: Verband der Freien Radios Österreich, Radio FRO 105,0 MHz
Kooperationspartner: Ars Electronica Festival, Wissensturm Linz (VHS, Medienwerkstatt), Creative Commons Austria hosted by ALLMENDA Gemeinwohl Genossenschaft
Medienpartner: dorf tv, Radio FRO
Fördergeber: Stadt Linz, Land OÖ, RTR-GmbH
Web Host: servus.at

Mehr Information:
www.archivia.at
Facebook Group: ARCHIVIA Konferenz / Twitter Hashtag: #archivia12

Best of April: Festivals, Konferenzen, Vorträge und mehr

Hui, der April hat es in sich, mein Kalender quillt über vor lauter interessanten Veranstaltungen, Konferenzen und anderem Kokolores, den man sehen sollte. Hier mein persönliches Best of, mit der vorfreudigen Hoffnung manche von euch dort und da anzutreffen:

Sound:frame x Departure Conference
13.-14.04.12, MAK Wien
Asche auf mein Haupt, ich fahre heuer das erste Mal aufs Sound:frame Festival, von dem ich schon so viel gutes gehört habe. Die (ich glaub neue) Konferenz beschäftigt sich am ersten Tag auf hohem theoretischem Niveau mit audiovisueller Kunst-Produktion und ihren gesellschaftlichem Kontext. Am zweiten Tag wird es selbstreflektiv, es wird der Frage nach Sinn und Unsinn des Formats Festival nachgegangen. Spannend! Und Abends gibt’s natürlich ein fettes Musikprogramm im Brut – Ars Electronica Festival, Messer rausgepackt und Scheiben abschneiden! Mehr Infos gibt’s auf der Soundframe Homepage

Kunst, Politik und Aktivismus. Wie sollen wir uns organisieren?
16.04.12, 19:30, Keplersalon Linz
Soziale Bewegungen neigen zur Institutionalisierung: aus Streikenden werden Gewerkschaften, aus Hausbesetzungen werden Genossenschaften, aus jungen KonzertveranstalterInnen werden Kulturvereine, aus Kunstvereinigungen werden DienstleisterInnen. Wann machen temporäre Assoziationen Sinn, wann die politische Institutionalisierung? Was kann man als KünstlerIn, AktivistIn oder PolitikerIn aus den Erfolgen und Fehlern der sozialen Bewegungen lernen? Diesem Thema werden die beiden von mir hochgeschätzten Persönlichkeiten Stefan Haslinger und Tina Leisch nachgehen. Für mich aus aktuellem Anlass hochinteressant ;-). Mehr Infos auf der Kupfakademie Homepage.

KEP WS Visions- und Zielfindungsworkshops VI
17.04.2012, 16:00 Uhr, Architekturforum Linz
Der KEP Neu-Prozess biegt langsam in die Zielgerade, der letzte inhaltliche Workshop wird sich um die Themenkomplexe „Internationalität / Mobilität“, „Kunstmarkt / Autonome Kulturarbeit“, „Intellektuelles Leben / Dialogfähigkeit“ und „Arbeitsbedingungen / Personelle Ressourcen“ drehen. Nicht nur spannend, weil ich in der KEP-Steuerungsgruppe sitze, sondern weil der Bereich „Autonome Kulturarbeit“ jener ist, in dem ich mich zuhause fühle. Mehr Infos auf der KEP-Homepage.

Mayday Linz Orgatreffen
17.04.2012, 19:00 Uhr, Stadtwerkstatt Linz
Hoch die Arbeit? Lieber „Hände hoch“! Und zwar einerseits gerichtet an das 1%: Denn wollen wir wirklich weiter hinnehmen, dass die Reichen und Superreichen weiterhin ihren Luxus auf unsere Kosten ausleben? Und andererseits gerichtet an die 99%: Hände hoch, Fäuste hoch, raus auf die Straße! Zeigen wir am 1. Mai, dass wir uns diese Scheiße nicht mehr länger gefallen lassen! Zeigen wir am 1. Mai, dass es sehr wohl Alternativen gibt zu dem neoliberalen Moloch, der weltweit für Hunger und Elend sorgt! Zeigen wir am 1. Mai, dass die letzten Sandkörner durch das Stundenglas des Kapitalismus rieseln!
So weit mein Aufruf zur heurigen alternativen Maidemo. Wer Lust hat, was beizutragen, kommt zum offenen Orgatreffen! Mehr Infos gibts bei Mayday-Linz.

Außer Kontrolle – Was das Netz über dich weiß
18.04.2012, 19:00 Uhr, Ars Electronica Linz
Das Ars widmet sich endlich mal wieder einem politischen Thema, nämlich der Vorratsdatenspeicherung, die so beliebt ja nicht unbedingt ist (Schon unterzeichnet?). Bei der Ausstellungseröffnung ist auch Max Schrems dabei, der durch seine Kampagne gegen Facebook gerade weltweit für Furore sorgt. Mehr Infos gibt’s beim AEC.

„Von der Kunst nicht dermaßen regiert zu werden“
20.04.12, 14:00 Uhr, Audimax Kollegiumsgasse, Kunstuniversität Linz
Wem nützt Kultur? Wie führt unser Begriff von Kultur in der politischen Praxis zu Legitimation von Herrschaftsverhältnissen? Wie kann eine „Kulturrevolution in den Institutionen“ als neue Handlungsanleitung in der Einwanderungsdebatte gesehen werden? Teil zwei der spannenden Symposienreihe „Wem nützt Kultur?“ von Daniela Schopf und Susanne Baumann. Mehr Infos in diesem PDF.

Martin Semmelrogge performt, spricht und liest
20.04.12, 19:00 Uhr, Tabafabrik Linz
Ungestüm, wild, ehrlich. Auf unnachahmliche Weise performt, spricht und liest Semmelrogge um Thema Freiheit und Rebellion. Er bedient sich dabei aus seinem umfangreichen Potpourri aus Film, Theater, Hörbüchern und seiner Lebenserfahrung, die er in seiner Autobiografie “Das Leben ist eine Achterbahn” festgehalten hat. Ich kannte den Herren bis vor kurzem noch nicht, bin nach den Schilderungen des Chris Müller aber schon sehr gespannt. Mehr Infos auf dem Tabakfabrik Blog.

Crossing Europe Filmfestival
24.-29.04.2012, Moviemento, OK, Citykino, KAPU, Zollamt, Linz
Last, but not least, eines der schönsten Festivals in Linz, das für zumindest eine Woche für wirklich internationalen Flair in der Stadt sorgt (und das bei einem Budget, das die Viennale für ein Buffet verbrät). Mein Eröffnungsfilm wird „Six million and one„, eine österreichisch-deutsch-israelische Koproduktion. Oh, und ich werde bei der Nightline am Mittwoch, dem 25.04. gemeinsam mit anderen Backlab-Haudraufs auflegen. Alles zum umfangreichen Programm findet ihr auf crossing-europe.at