Seit 2010 patroulieren die MitarbeiterInnen der Stadtwache Linz, offiziell Ordnungsdienst der Stadt Linz, auf den Straßen der oberösterreichischen Landeshauptstadt. Anfangs lag die Truppenstärke bei 18 Personen, im 4. Quartal 2011 wurde auf 30 Arbeitsplätze aufgestockt. Ihr offizieller Auftrag lautet, die Stadt „sicherer“ und „sauberer“ zu machen.
So umstritten die Stadtwache inhaltlich ist, umso umstrittener ist die Leistungsbilanz. Mein Artikel zur Bilanz des ersten Jahres wurde mehr als 1.100 mal auf Facebook geshared und ist bis heute der meistgelesene Beitrag auf meinem Blog. Grund der Aufregung war die Erkenntnis, dass ein „Einsatz“ der Stadtwache im Schnitt 130 Euro kostet – und fast jeder zweite Einsatz wurde unter „Service und Info“ verbucht, also etwa das Geben der Auskunft nach dem Weg zum nächsten öffentlichen Klo.
Die anhaltende negative Berichterstattung hat auch die Zustimmungsrate zur Stadtwache nach unten rasseln lassen: Von 70% im Juni 2009 auf 48% im Jänner 2012. Und seither wird es nicht besser geworden sein. Denn erst vor wenigen Wochen wurde die Meinung der KritikerInnen durch einen eigentlich geheimen Bericht bestätigt:
Die Geschäftsführung der Stadtwache hatte im Auftrag des Aufsichtsratvorsitzenden und FPÖ Linz Chef Detlef Wimmers die eigenen MitarbeiterInnen von DetektivInnen überwachen lassen. Und das Ergebnis war eindeutig: Die Überwachten würden „ihre Aufgaben in keinster Weise so erledigen, wie es ihnen in unzähligen Gesprächen dargelegt wird.“
Anlass genug, auch Bilanz über das zweite Jahr der Stadtwache Linz zu ziehen. Als Datenmaterial dienen offizielle Presseaussendungen der Stadt Linz und Statistiken des Ordnungsdienstes der Stadt Linz. Da ich keine Zahlen für das dritte Quartal 2012 hatte, basiert die Jahreszahl auf einer Hochrechnung der ersten drei Quartale des Vergleichszeitraums.
Die Zahlen erstaunen: Obwohl das Personal fast verdoppelt wurde und neue Einsatzbereiche dazukamen, gab es einen Rückgang der absoluten Einsätze von 7.678 im ersten auf nur noch 6.581 im zweiten Jahr. Bei einer theoretischen Vollbesetzung der Stadtwache heißt das, dass der/die durchschnittliche StadtwächterIn nur noch gut 4(!) Einsätze pro Woche hat. Eine Rückgang von fast 50% gegenüber dem ersten Jahr.
Insgesamt kommen auf die 30 MitarbeiterInnen also im Schnitt 18 Einsätze pro Tag.
Hier noch eine Aufschlüsselung der Tageseinsätze nach Bereichen:
Dabei sind neun von zehn Einsätzen in den Bereichen „Service und Info“, „Vorgänge in Zusammenhang mit Hunden“ und „illegale Müllablagerungen“ eingeordnet. Der Großteil der realen Arbeit der Stadtwache-MitarbeiterInnen besteht also aus Handlungen, die jede/r BürgerIn von sich aus erledigt: Jemanden den richtigen Weg erklären, jemanden bitten, den Hund anzuleihnen, oder eine Stück Müll aufzuheben und wegzuwerfen.
Nur im Unterschied zu mir und Ihnen werden wir dafür nicht bezahlt. Wie viel kostet die Stadtwache also? Im ersten Jahr hatte die Stadtwache ein Budget von 1,0 Millionen Euro zur Verfügung. Das Budget wurde 2011 auf 1,3 Millionen Euro aufgestockt, allerdings wurden nur 1,1 Millionen ausgegeben, soviel wie auch für 2012 und 2013 budgetiert ist.
Legen wir das Budget nun auf die Einsatzzahlen um:
Da die Gesamtkosten stiegen und die Einsatzzahlen zurückgingen, sind die durchschnittlichen Kosten pro Einsatz nahezu explodiert: Von 130 € im ersten Jahr auf fast 170 € im zweiten Jahr. Um es im polemischen Stil des ersten Artikel zu sagen:
170 € für einmal den Weg zum nächsten Klo zeigen.
Damit gibt die Stadt Linz derzeit mehr als eine halbe Million Euro pro Jahr dafür aus, dass die MitarbeiterInnen der Stadtwache etwas machen, was wohl für alle von uns selbstverständlich ist: Anderen Menschen eine Auskunft zu erteilen. Das ist mehr, als das Stadttheater Phoenix an öffentlicher Subvention erhält. Eine Drittel Million Euro investieren wir darin, Menschen mit Hunden auf die Leinenpflicht aufmerksam zu machen – mehr, als die Linzer KAPU und die Stadtwerkstatt an Jahressubvention bekommen.
Die Stadtwache ist und bleibt damit eines: Ein Instrument der Unsicherheitspolitik der FPÖ und ÖVP sowie eine Kampagne gegen Solidarität, individueller Verantwortung und Zivilcourage. Sie löst keine Probleme, sie verdrängt sie oder verschärft sie nur. Und wie die Bilanz zeigt, ist die Stadtwache Linz auch eine massive Verschwendung von MItteln der öffentlichen Hand, die anders wohl besser angelegt wären.
Ich wiederhole daher meine Forderungen:
- Erarbeiten eines Sozialplanes für die MitarbeiterInnen der Stadtwache
- Sofortige Auflösung der Stadtwache
- Umlenkung der MIttel in den Sozial- und Kulturbereich
Morgen bin ich übrigens zu einer Diskussion in den Keplersalon Linz geladen, um mit dem Chef der Stadtwache und FPÖ Linz Vorsitzenden Detlef Wimmer und Gemeinderat der Grünen Markus Pühringer über die Stadtwache zu reden. 19:30 Uhr, seid dabei!