Das Ende (der Stadtwache) ist nahe.

Seit Anfang an war die Linzer Stadtwache, heute Ordnungsdienst Linz, ein kontroverses Thema. Ursprünglich ein Vorschlag der Linzer FPÖ, BZÖ und ÖVP im Kommunalwahlkampf 2009, schien sie eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen zu sein, denn im traditionell stark linkslastigen Linz hatten SPÖ, Grünen und KPÖ eine klare Mehrheit im Gemeinderat. Alle drei Parteien haben sich vor dem Urnengang gegen die Stadtwache ausgesprochen. Doch als die SPÖ eine empfindliche Wahlschlappe erleiden musste, war es nötig, eine neue Ressortverteilung im Stadtsenat zu verhandeln. Die FPÖ konnte mit ihren Zugewinnen mehr Einfluss verlangen, begnügte sich aber unter einer Voraussetzung mit dem an Gestaltungsmöglichkeiten armen Sicherheitsreferat: Der Einführung der Stadtwache.

Anders gesagt: Die Stadtwache war das Ergebnis eines politischen Kuhhandels zwischen SPÖ und FPÖ. Das ist bis heute der Grund, warum die SPÖ trotz starker Kritik dieses antisoziale Projekt, das sich so gar nicht mit ihren eigenen Grundwerten verträgt, stützt. Aber auch intern wird die Kritik lauter, der ehemalige SPÖ Stadtrat Johann Mayr und jetziger Geschäftsführer der SPÖ Stiftung L36 nennt die Stadtwache schon offen „sinnlos“:

Johann Mayr Stadtwache sinnlos

Der jüngste Skandal rund um die Stadtwache wurde durch einen Bericht im Magazin Profil publik: Selbsternannte „Bettlerjäger“, die „auf alle hinfahren, die irgendwie osteuropäisch und arm“ aussehen. Selbstportraits der Ordnungswächter mit Adolf Hitler Zitaten in Frakturschrift in den Büros („Flink wie ein Windhund, hart wie Kruppstahl und zäh wie Leder – das ist ein Deutscher Junge“). Mitarbeiter, die Schlägereien provozieren wollen. Vorgesetzte, die bei Beschwerden über das unmenschliche und illegale Vorgehen von Mitarbeitern sagen, „dass alles seine Richtigkeit hat und man mit niemanden von außen sprechen soll“.

Das alles und mehr ist dank den Berichten von ehemaligen MitarbeiterInnen der Stadtwache jetzt ans Licht gekommen. Es hat sich also vieles bestätigt, was KritikerInnen dieser BürgerInnenwehr wie ich schon lange befürchtet haben – dass sie ein Instrument der Rechten gegen die Schwächsten in unserer Gesellschaft ist.

Die Reaktion des verantwortlichen Aufsichtsratvorsitzenden und Linzer FPÖ-Sicherheitsstadtrat Detlef Wimmer?

1. Diffamierung der AufdeckerInnen: Er unterstellt den MitarbeiterInnen, dass sie „gegangen“, also gefeuert wurden und nun Rache nehmen wollen:

https://twitter.com/dewi_linz/status/448497968191377408

Stimmt übrigens einfach nicht. Beide haben freiwillig gekündigt.

2. Abschieben der Verantwortung: Er kann für nichts, schuld ist die ehemalige Geschäftsführerin und heutige Magistratsdirektorin Martina Steininger.

3. Verleugnen, dass es ein Problem gibt: In einem Artikel des Kuriers wurde als Beweis für die Anschuldigen im Profil Artikel das Foto des Mitarbeiters des Ordnungsdienstes mit dem Adolf Hitler Spruch veröffentlicht. Dennoch behauptet der Verantwortliche: „Laut FP-Stadtrat Wimmer gibt es dafür aber keine Beweise.“

4. Absurde Ausreden: In einem Bericht der Linzer Rundschau antwortet Wimmer auf die Vorwürfe, dass sie nicht stimmen können, da sie nie im Aufsichtsrat besprochen wurden. Wohl kein Wunder, wenn wie im Profilartikel geschrieben die Vorgesetzten auf Beschwerden der MitarbeiterInnen antworteten, „dass alles seine Richtigkeit hat und man mit niemandem von außen sprechen soll.“

2014.03.27 - Rundschau Linz - Ordnungsdienst Kritik

Warum naht also das Ende? Ganz einfach: Weil sich Linz die Weiterführung des Projekts Stadtwache nicht mehr leisten kann. Weder politisch, angesichts der vielen Skandale wie diesen, der von mir bewiesenen Ineffizienz, der selbst erwiesenen Nutzlosigkeit oder der sinkenden Zustimmung in der Bevölkerung. Noch finanziell. Zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Euro kostet hat die Stadtwache pro Jahr, also mehr als jene Summe, die jetzt mit einem massiven Sparpaket im nächsten Gemeinderat eingespart werden soll.

Es ist also unvorstellbar, dass die Stadtwache nach der nächsten Gemeinderatswahl noch existieren wird. Aber wollen die verantwortlichen Parteien wirklich noch so lange bei diesem Trauerspielen zusehen? Ich hoffe nicht. Die Stadtwache gehört so bald wie möglich restlos abgeschafft, für die MitarbeiterInnen gehört ein ordentlicher Sozialplan ausgearbeitet und die vorliegenden Vorwürfe müssen geklärt werden. Das freiwerdende Budget sollte zu gleichen Teilen in den Kulturbereich, den Sozialbereich und simpel zur Defizitreduktion verwendet werden.

Eines verspreche ich euch: Wenn die Stadtwache Geschichte ist, schmeiße ich eine ordentliche Party, okay?

Erste Reflektion zur 2. Linzer Burschitour

Danke fürs zahlreiche Erscheinen an alle SpaziergängerInnen! An die 100 Leute waren schon zum Vortrag gekommen, 80 konnten wir dann bei der Tour im Bus und mehreren Autos unterbringen. Ein großes Sorry an die 20 Leute, die keinen Platz mehr fanden und wieder heimgehen mussten. Nächstes Mal mehr Busse, versprochen. Und Kudos an die beiden Radfahrer, die die gesamte Strecke wirklich geradelt sind.

2. Linzer Burschitour 1

Danke an den Vortragenden Sami Kilic für seinen Vortrag, seine Ausdauer und sein Engagement, trotz Erkrankung. Es war mir eine Freude!

Danke an die Stadtwerkstatt, DorfTV, KPÖ Linz und die Grünen Linz für ihre Unterstützung. Dank diesem starken Netzwerk war die Organisation der Veranstaltung sehr einfach erledigt.

Danke an die Polizei für das korrekte und freundliche Begleiten der Veranstaltung. Es gab keine Vorkommnisse, wie mehrere Medien berichtet haben verlief alles friedlich.

Danke an die Burschis der Arminia Czernowitz, dass sie ihr eigenes Haus extra für uns am Nachmittag so schön angemalt haben. Unser Lachen kriegt ihr aber trotzdem nie.

2. Linzer Burschitour 2

Erste Presseberichte:

Bessere Fotos und das DorfTV Video kommen noch nach und werden an dieser Stelle eingebaut, wer noch interessantes Material hat, her damit. Ich freue mich weiters über jedes Feedback zur Veranstaltung, entweder in den Kommentaren oder als Mail, siehe Kontakt.

So, und jetzt geh ich ins Bett, damit ich morgen fit bin für die Demo. 19:00 Uhr, Bahnhofsplatz Linz, wir sehen uns!

Warum gegen Burschenschaften auf die Straße gehen:

Ich werde in den nächsten beiden Tagen zwei Mal aus politischen Gründen in Linz auf die Straße gehen:

Einmal, morgen Freitag, 16:00 Uhr bei der von mir initiiert 2. Linzer Burschitour.

Einmal, übermorgen Samstag, 19:00 Uhr zur Demo gegen den Burschenbundball.

In den letzten Wochen wurden mir dazu öfter Fragen gestellt, auf die ich hier eingehen möchte. Nämlich diese: Warum? Und erweitert: Ist das denn sinnvoll? Dahinter stehen meist zwei Argumente: Dass man damit nur eine Provokations- / Gewaltspirale in Gang setzt oder hält. Und dass es besser ist, positive Politik zu gestalten.

Beiden Argumenten kann ich etwas abgewinnen. Denn natürlich, bei der Burschitour auf die Straße zu gehen, hin zu den oft unerkannten Buden wird von diesen als Provokation erkannt, wie man vor zwei Jahren gesehen hat. Da wird von einem FPÖ Landtagsabgeordneten schon mal zwischen den Zeilen mit dem Tod gedroht:

Linker Parteiloser

Andere verteidigen ihre Bude mit dem sinnstiftenden Motto „Saufen gegen Links“:

Hohenstaufen

Und heuer möchte ein Mitglied der FPÖ gleich das KZ Mauthausen reaktivieren: „De Rotzn gehörn in den Steinbruch.“ (Anzeige wegen Verhetzung schon am Postweg):

FPÖ Linz Burschitour

Die Nervosität der Rechten sieht man auch daran, dass der Betreffende drei Tage später aus der Partei geschmissen wurde. Dass im Übrigen SPÖ Landesrat Entholzer in der Zeitung Österreich dafür lobende Worte findet und zufrieden ein Umdenken bei der FPÖ feststellt, ist leider an Weltfremdheit kaum zu überbieten – oder Wahltaktik.

Aber zurück zum Ausgangspunkt. Mit öffentliche Präsenz erreicht man zwei Dinge. Erstens zeigt man damit den Rechten, dass ihre Geisteshaltung eben nicht der Grundhaltung einer homogenen Gruppe entsprechen, deren Existenz sie behaupten. Denn die von Rechten konstruierten Zusammenhänge von „die Österreicher“, „das deutsche Volk“ oder gar „die deutsche Rasse“ sind schlicht und ergreifend Blödsinn. Solche Konstrukte dienen Menschen mit geringem Selbstwertgefühl um jenes zu heben, und über diesen Mechanismus den rechten Populisten als simples Herrschaftswerkzeug. Das alte Prinzip Divide et Impera ist am Werk, teile in Mensch und Nichtmensch, hetze den Einen auf den Anderen und herrsche. Dieses Prinzip der rechten Minderheit kann aber natürlich nur funktionieren, wenn sich die anderen Menschen rundherum nicht dagegen aussprechen. Schweigen heißt zwar nicht Zustimmung, aber kann so interpretiert werden. Und je lauter es auf der Straße ist, desto schwieriger ist es für die Rechten ihr wackeliges, auf Homogenität und Uniformität basierendes Weltbild aufrecht zu erhalten. Durch die Artikulation des Widerstands auf der Straße signalisieren wir den Rechten also: Wir denken nicht wie ihr und ihr könnt uns nicht vereinnahmen.

Womit wir bei zweitens wären: Die öffentliche Präsenz von Widerstand führt zu einer (sozial-)medialen und damit gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den wahren Hintergründen der Burschenschaften. Wenn junge Menschen diese kennen, sind sie vielleicht eher davon abzuhalten, Mitglied der Säbeltruppen zu werden. Siehe auch diese Passage über einen Aussteigers aus der Burschenschafterszene, kürzlich erschienen im Standard:

Angesprochen habe ihn, als er im zweiten Semester durch einen Freund aus Kindheitstagen zur Verbindung stieß, „die Rolle der Burschenschaften in der bürgerlichen Revolution 1848, als man für Meinungs-und Pressefreiheit eintrat“, erklärt Zeller. Doch ihm wurde bald klar, dass die Geschichte der Burschenschaften von diesen sehr selektiv wiedergegeben wird.

Genau aus diesem Grund halte ich Informationsveranstaltungen wie die Burschitour oder „Das rechtsextreme Geschlecht“ (Freitag, 7.2., 19:30 Uhr Autonomes Zentrum
Freistädterstraße 3) für wichtig. Denn die meisten Menschen wissen viel zu wenig über die nationalistische, antisemitische und sexistische Haltung der Burschenschaften oder halten sie für harmlose Vereine.

Zum zweiten oben angeführten Argument: Dass es besser wäre, positive Politik zu gestalten und mit gutem Beispiel voranzugehen.

Darüber habe ich ausführlich mit einem Menschen diskutiert, dessen Eifer für die gute Sache kaum zu überbieten ist und mit dem ich als Freund und Wegbegleiter seit Jahren ein großartiges Projekt betreiben darf. Wir sind oft einer Meinung, waren es aber nicht in diesem Punkt. Meine Überzeugung ist also, dass nicht nur beides möglich, sondern nötig ist. Gestaltende, linke Politik muss beides schaffen, um wirksam zu werden. Kein Entweder Oder, sonder ein Und. Denn am glaubwürdigsten erscheinen mir jene, die sowohl dort laut ihre Stimme erheben, wo Kritik nötig ist, als auch dort mitanpacken, wo es darum geht, an einer besseren Welt zu arbeiten. Denn wer sich mit ehrlichem Engagement einen Ruf erarbeitet hat, dessen Stimme wird oft noch viel mehr gehört.

That said, hinterlasst mir einen Kommentar, teilt bitte diesen Beitrag und noch viel wichtiger: Kommt zur Burschitour und zur Demo!

Und wer noch immer nicht genug hat: Hier noch ein Aufzeichnung einer Sendung auf Radio FRO von gestern, bei der ich und der Vortragende Sami Kilic zu Gast waren:

2. Linzer Burschitour!

7. Februar 2014, 16:00 Uhr
Treffpunkt: Stadtwerkstatt, Kirchengasse 4 in 4040 Linz Urfahr

Burschitour-Linz-Flyer

Der Zuspruch und die Teilnahme bei der 1. Linzer Burschitour vor zwei Jahren war überwältigend. An die 70 Personen waren trotz schlechten Wetters zu einem Vortrag und anschließendem Spaziergang zu den wichtigsten schlagenden Linzer Burschenschaften des renommierten Rechtsextremismus-Experten Heribert Schiedl gekommen. Offensichtlich gab und gibt es ein großer Interesse der Linzer BürgerInnen zu erfahren, was hinter dem System der Burschenschaften steckt, daher wird es heuer eine Neuauflage geben.

Bild der ersten Burschitour. Datum der Kamera nicht korrekt.

 

Der Zuspruch zu den Burschenschaften in weiten Teilen der Bevölkerung lässt glücklicherweise immer mehr nach. Auch bei den wichtigste Szeneereignisen, dem WKR-Ball Akademikerball und dem Linzer Burschenbundball, sind immer weniger Teilnehmer bei der Veranstaltung selbst, während die Protestkundgebungen (Linz heuer hier: https://www.facebook.com/events/1403576423213575) von Jahr zu Jahr größer werden.

Dennoch haben die Burschis immer noch beträchtlichen Einfluss auf die österreichische Politik. Besonders Linz und Oberösterreich sind Hochburg der Korporierten. Im Linzer Gemeinderat sind fast die Hälfte der FPÖ-Mitglieder Teil der rechtsextremen Arminia Czernowitz: Detlef Wimmer, Werner Pfeffer, Michael Raml und Markus Hein. Auch in der zweiten Reihe der Linzer FPÖ finden sich unzählige Arminen, eine gute Übersicht bietet der Artikel „Die FPÖ Czernowitz“ auf dem Blog von Bawekoll. Darf man die Arminia Czernowitz denn wirklich rechtsextrem nennen? Ja. Diese Einschätzung teilt zum Beispiel das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW), das im Auftrag des Staates Österreich die rechte Szene beobachtet. Wer sich eine eigene Meinung bilden möchte: Vor wenigen Jahren machte die Arminia beispielsweise unverhohlen Werbung für eine Veranstaltung mit einem Nazi-Sujet, wie die Grünen damals aufdeckten.

Die schlagenden Burschenschaften sind also das institutionelle Sammelbecken des österreichischen Rechtsextremismus, des Neo-Nazismus und gleichzeitig auch die wichtigste Kaderschmiede der FPÖ. Ihre Mitglieder helfen sich gegenseitig in Machtpositionen und versuchen so, ihre politische Ideologie im gesellschaftlichen Diskurs zu verankern. Diese Ideologie ist geprägt von starkem Sexismus, Rassismus und Geschichtsrevisionismus. Unter dem Vorsitz der österreichische Burschenschaft Teutonia ist der deutsche Dachverband so weit nach rechts gerückt, dass es zu Spaltungen kam. Denn Diskussionen um verpflichtende Ariernachweise (!) für die Mitgliedschaften in einer Burschenschaft war vielen der Deutschen dann doch zu nazistisch.

Grund genug, einmal eine Reise durch die Linzer Burschenschafter-Szene zu unternehmen. Diesmal wird der Wiener Sami Kilic einen Einblick in die politischen und gesellschaftlichen Verflechtungen der Linzer Burschenschaften geben. Er arbeitet als Geschichtsvermittler an einer KZ-Gedenkstätte und setzt sich seit Jahren in antifaschistischen Gruppen und Projekten aktivistisch mit dem Thema Burschenschaften auseinander. Nach einem Einführungsvortrag werden wir wieder bei einem Nachmittagsspaziergang ein paar der Buden der Burschenschaften besuchen und vor Ort mehr über diese erfahren. Die genaue Route wird aus Sicherheitsgründen erst bei der Veranstaltung vor Ort bekannt gegeben. Um vor Provokationen der Burschenschafter sicher zu sein, wird die Veranstaltung auch dieses Jahr wieder unter Polizeischutz stattfinden.

Bild der ersten Burschitour. Datum der Kamera nicht korrekt.

 

Die Teilnahme ist kostenlos, um kleine Spenden für den Referenten wird gebeten. Und wer eine gute Kamera zuhause hat, bitte mitnehmen und bei der Doku helfen – Danke!

Und bitte: Spread the word!

Auf Facebook: https://www.facebook.com/events/497101473741050/

Fotos, Berichte und Rückblicke auf die 1. Linzer Burschitour findet ihr hier:

Rückblick auf subtext.at

Beitrag „Braunblaue Flecken“ von Daniela Derntl auf FM4

Fernsehbeitrag von Dorf-TV:

Vortrag von Heribert Schiedel und Eindrücke der Tour auf dem CBA:

http://cba.fro.at/54030

Mama, der Mann mit der Zensur ist da

Der folgende Artikel ist in der Märzausgabe der KUPF-Zeitung erschienen:

Wie politisch Kunst sein darf, sein muss oder es doch nicht sein sollte, ist seit ehedem ein beliebtes Streitthema unter KünstlerInnen und Kulturschaffenden. Ob Kunst mit politischem Anspruch oder Politik mit den dem Mitteln der Kunst, die Grenze zu ziehen fällt oft schwer, ist meist aber auch müßig. Der israelische Künstler Ronen Eidelman meinte dazu vor kurzem: “Zieht man als Künstler eine deutliche Grenze, sichert man sich durch die Autonomie der Kunst ab, geht aber das Risiko ein, ihr die Effektivität zu nehmen. (…) Wer auf dem Autonomiestatus der Kunst beharrt, macht ihre Rezeption und Bewertung vorhersehbar.”

Dass die Rezeption von Kunst mit politischem Anspruch daher oft anders ausfällt, als man erwartet, zeigt der jüngste Zensurvorfall in Tirol. Dort existiert unter Leitung der KUPF-Schwesterorganisation TKI – Tiroler Kulturinitiativen – ein dem oberösterreichischen Innovationstopf ähnliches Fördermodell namens TKI Open. 2011 rief die TKI unter dem Motto „kein thema“ auf, Projekte zu realisieren, die in der öffentlichen Wahrnehmung kein Thema waren, aber eines werden sollten. Eine von der TKI eingesetzte, politisch unabhängige Jury entschied sich für die Förderung von sieben Projekten. Doch zwei dieser Projekte schienen der ÖVP Kulturlandesrätin nicht ins politische Konzept zu passen. Die Förderung von Oliver Resslers „Wahlen sind Betrug“ und Tal Adlers „Alpenländische Studien“ wurde abgelehnt.

In offiziellen Stellungnahmen wurde mit formalen Gründen für die Ablehnung argumentiert, in persönlichen Gesprächen auch mit inhaltlichen. Und zwar durchaus dreist: „Die Arbeit kann nicht gefördert werden, da der Text auf dem Plakat falsch ist.“ hieß es zu Resslers Arbeit. Er wollte den 68er Slogan „Wahlen sind Betrug“ über einem Alpenpanorama großflächig in der Innsbrucker Innenstadt plakatieren. Tal Adlers Projekt sollte sich dem Umgang der TirolerInnen mit der NS-Vergangenheit widmen, auch dieses wurde mit windigen Argumenten zuerst abgelehnt. Nach einer ersten, breiten Protestwelle signalisierte das Land bei Tal Adlers Projekt Verhandlungsbereitschaft, eine schriftliche Förderzusage gibt es aber bis heute nicht. Zu Resslers Projekt möchte man sich lieber gar nicht mehr äußern.

Was bleibt nun nach diesem zweiten großen Zensurvorfall in der österreichischen Kulturlandschaft innerhalb von zwei Jahren? Werden die Vorfälle Innovationstopf 2010 und TKI Open 2011 weiter Schule zu machen? Warum hat der zivilgesellschaftliche Protest in beiden Fällen nicht gereicht, um die Entscheidungen rückgängig zu machen? Die Tiroler Kulturrätin verkündete, dass nicht alles, „was Kunst zu sein beansprucht, auch gefördert werden kann. Die Entscheidung darüber ist gerade aus demokratiepolitischen Gründen der Politik vorenthalten, auch wenn Expertinnen und Experten anderer Meinung sind.“ Ist die demokratische Kulturförderung damit am Ende, wenn die Freiheit der „unabhängigen“ Jurys dort endet, wo die politischen ReferentInnen die Linie ziehen?

Nein, natürlich nicht. Fördersysteme wie TKI Open, LINZimPULS oder KUPF Innovationstopf werden zurecht auch international als innovative Erfolgsmodelle gesehen. Allerdings hat die Kulturszene in der Vergangenheit zu sehr auf die Handschlagqualität der Politik vertraut. Die genannten Beispiele sind im unterschiedlichen Maße vertraglich geregelt, alle drei sehen lediglich ein Vorschlagsrecht der Jury an die politischen ReferentInnen vor. Um politische Einflussnahme in Zukunft zu verhindern braucht es meiner Meinung nach klare und strikte Regeln. Die drei wichtigsten werden lauten:

  1. Die Auswahl des Themas geschieht ausschließlich durch die Trägerorganisation.
  2. Die Auswahl der Jury bleibt der Trägerorganisation überlassen, die Gebietskörperschaft hat lediglich einen Beobachtungsstatus.
  3. Die Auswahl der Projekte bleibt der Jury überlassen und ist rechtlich bindend.

Darüber hinaus ist natürlich für eine möglichst transparente und demokratische Abwicklung zu sorgen, durch offene Jurysitzungen oder auch offenen Themen- und Jurywahlen wie es beim Linzer Impulstopf seit Jahren erfolgreich praktiziert wird. Nur wenn es gelingt, diese Eckpunkte vertraglich zu vereinbaren, kann in Zukunft Zensur und Einflussnahme ausgeschlossen zu werden.

Und eines ist klar: Die Zukunft der Demokratie wird mehr und mehr solche und ähnliche Fördermodelle hervorbringen. Unter dem Begriff BürgerInnenhaushalte lassen alleine in Deutschland schon mehr als 100 Kommunen ihre BürgerInnen über Teile der Mittelvergabe direkt mitbestimmen. Damit das in auch Österreich funktioniert, müssen aber wohl einige PolitikerInnen noch eine paar Stunden Demokratieunterricht nachholen.

Bald Mehrheit gegen Stadtwache!

Heute wurden die Ergebnisse der Linzer BürgerInnenbefragung veröffentlicht, in deren Rahmen die Meinung von 45.000 LinzerInnen zum Zustand der Stadt abgefragt wurde. Ein wichtiges Thema mit eigenem Kapitel war der Ordnungsdienst, vulgo Stadtwache, und das Ergebnis bestätigt meiner Meinung nach die Kritik der Linzer Zivilgesellschaft. Sehen wir uns das genauer an!

Grafik 1, Quelle: BürgerInnenbgefragung Stadt Linz 2011, Seite 43 und 44

Spannend gleich die ersten drei Statistiken: Während 73% der Befragten die StadtwächterInnen schon einmal gesehen haben, hatten erst 6% persönlichen Kontakt, immerhin 15% haben sie schon bei irgendeiner Amtshandlung beobachtet. Kein Wunder, bei im Schnitt 1,16 Amtshandlungen pro StadtwächterIn pro Tag muss man schon großes Glück Pech haben, den Ordnungsdienst in Aktion zu erleben.

Gut, das könnte jetzt natürlich Wasser auf die Mühlen der FPÖ sein, die sicher lieber 300 als 30 StadtwächterInnen in Linz patroulieren lassen würde. Doch wie sieht die Zufriedenheit mit der Stadtwache aus?

Grafik 2, Quelle: BürgerInnenbgefragung Stadt Linz 2011, Seite 44

Obwohl die Grafik sogar versucht zu suggerieren, dass der Zustimmungsblock links größer ist, in dem sie „teils, teils“ zu ihm zuordnet, so ist die Zufriedenheit eindeutig negativ. Wenn man die Grafik auf das wesentliche reduziert ist das eigentliche Resultat auch auf den ersten Blick ersichtlich:

Grafik 3: Zufriedenheit mit dem Ordnungsdienst subsimiert

Mit 68,48% sind mehr als zwei Drittel der LinzerInnen, die Angaben zur Zufriedenheit machten, mit der Stadtwache (sehr) unzufrieden! Umgekehrt gaben in der selben Befragung 67,27% der LinzerInnen an, mit der Arbeit der Polizei (sehr) zufrieden zu sein. Meiner Interpretation nach ein eindeutiges Votum dafür, die Sicherheits-Zuständigkeit nicht in die Hände privater Sicherheitskräfte zu legen, schon gar nicht unter Leitung eines FPÖ-Rechtsaußen wie einem Detlef Wimmer.

Grafik 4, Quelle: BürgerInnenbgefragung Stadt Linz 2011, Seite 45

Abgefragt wurde auch der persönliche Eindruck der StadtwachemitarbeiterInnen: Kurz zusammengefasst nehmen die Befragten die Stadtwache tendenziell höflich, hilfsbereit, freundlich und ordentlich war, negativ benotet wird die Sachkompetenz, das Engagement und ihre Arbeit. Lapidar gesagt: Nette Menschen, die sinnlos spazieren gehen.

Doch die interessantesten Informationen findet man in der letzten Tabelle:

Grafik 5, Quelle: BürgerInnenbgefragung Stadt Linz 2011, Seite 45

Nur noch 49% bewerten die Einführung der Stadtwache positiv, 45% bewerten sie negativ. Sehr eindeutig fällt auch hier die Bewertung der Sinnhaftigkeit der Stadtwache aus: Nur 19% der Befragten geben an, sich sicherer zu fühlen, ganze 74% haben keine Veränderung bemerkt. Auch geben nur 22% der Befragten der Aussage recht, dass die Stadtwache positiven Einfluß auf die Sauberkeit und Ordnung hatte, was immer man auch darunter versteht. Dreimal so viele Menschen, also 69%, haben auch hier keine Veränderung bemerkt.

Und nun zum wohl wichtigsten Punkt: 46% der Menschen finden die Stadtwache überflüssig und nicht notwendig, nur noch 47% signalisieren Zustimmung zur Stadtwache. Damit hat sich der Trend fortgesetzt, den ich im November schon analysiert habe. Die aktualisierte Grafik ist eindeutig:

Grafik 6: Zustimmung zur Stadtwache Linz

Grafik 6: Zustimmung zur Stadtwache Linz

Seit der Einführung der Stadtwache verliert diese also immer mehr an Zustimmung. Wenn der Trend anhält, kann es nicht mehr lange bis zur mehrheitlichen Ablehnung der Stadtwache durch die Linzer Bevölkerung dauern.

Daraus ergeben sich für die Politik zwei Handlungsmöglichkeiten: Man kann eine Ausweitung der Kompetenzen und der Fördermittel fordern, wie es FPÖ Stadtrat Detlef Wimmer heute in einer Presseaussendung tut und welcher damit hofft, „die Zustimmung zum Ordnungsdienst weiter auszubauen“. Oder, die Linzer Sozialdemokratie könnte sich ihrer grundsätzlichen Werte besinnen und endlich aufhören, die Stadtwache zu verharmlosen und sie als das bekämpfen, was sie ist:

Ein Instrument der Einschüchterung, ein Instrument gegen die Schwächsten in unserer Gesellschaft, ein Instrument, das im Sinne der Rechten Ängste schürt statt sie zu entschärfen. Und ein Instrument, dass 1,3 Millionen Euro pro Jahr verschlingt, ohne auch nur eines der sozialen Probleme zu lösen, die es zu lösen vorgibt.