Warum die 1G Regel vertretbar ist

Das Thema wird im Kulturbereich durchaus kontrovers diskutiert. Ich sehe das persönlich pragmatisch und habe kein Problem mit der 1G Regelung im Veranstaltungsbereich, wenn die dazu nötigen Begleitmaßnahmen kommen, um den betroffenen Kunst- und Kultursektor finanziell zu unterstützen (Siehe Stellungnahme der KUPF OÖ -> https://kupf.at/presseaussendungen/kupf-ooe-zu-1g-regelung/)

Noch lieber wäre mir eine allgemeine Impflicht. Die ist offenbar leider in Österreich nicht umsetzbar. Die 1G Regelung scheint aber mehrheitsfähig zu sein. Sie bedeutet für die Mehrheit der Bevölkerung keine Änderung, weil sie eh schon geimpft sind. Ich fürchte, dass es nicht anders gehen wird, als das man die restlichen 20-30%, die noch impfbar wären, aber noch nicht geimpft sind, mit 1G und anderen Maßnahmen Stück für Stück dazu bringt, sich zu impfen. Wenn die Impfquote nicht hochgeht, droht sonst ein kompletter Lockdown im Winter, der uns alle viel härter treffen würde.

Warum soll ich als Geimpfter und die Mehrheit der Bevölkerung ihre Freiheit einschränken, weil eine Minderheit auf ihre gesellschaftliche Verantwortung pfeift? Wir haben eine Vielzahl an gesellschaftlichen Regeln, die uns als Individuen zu gewissen Handlungen verpflichten, die wir alle akzeptieren. Wir diskutieren ja auch nicht die Sinnhaftigkeit von Geschwindigkeitsgrenzen im Straßenverkehr.

Die Impfung hat wie kaum eine andere Handlung so wenig negative Konsequenzen für das Individuum und so großen Nutzen für die Allgemeinheit. Gerade wir als Vertreter gemeinnütziger Initiativen sollten bei dieser Frage Position für den Gemeinnutz beziehen und nicht einem falschen Freiheitsdiskurs aufsitzen, wie er von manchen (ehemaligen?) Linken geführt wird.

Es gibt auch im zeitgenösschen Kulturbereich Menschen, die die Impfung ablehnen. Leider sind ebenso in unserer Szene nicht wenige Personen in den letzten beiden Jahren abgedriftet und stehen auf einmal auf Seite der Verschwörungstheoretiker, Antisemiten und Rechtsextremen. Ich kann das weder logisch noch emotional nachvollziehen, wie man diesen Weg einschlagen kann. Aber die Realität ist, dass diese Strömung auch in unserer Szene anschlussfähig ist. Aber wie damit umgehen?

Gute Frage. Ich glaube, dass es keinen Sinn macht, aus Rücksicht auf diese Szene Maßnahmen wie 1G oder eine Impfpflicht nicht zu setzen. Auch die Warnung vor einer gesellschaftlichen Spaltung durch solche Maßnahmen halte ich für abstrus: Diese Spaltung existiert sowieso schon, und egal was man macht, die VerschwörungstheoretikerInnen werden sich nicht überzeugen lassen.

Wir haben es jetzt lange mit gutem Zureden versucht. Und stehen offensichtlich an. Die Impfrate stagniert, wir liegen bereits unter dem EU Schnitt. Wir dürfen uns von einer extremistischen Anti-Impfminderheit nicht in Geiselhaft nehmen lassen. 1G ist in meinen Augen daher ein gelindes und zulässiges Mittel, um die Impfbereitschaft zu erhöhen. Und wer weiß, vielleicht erkennen manche, die sich dann doch impfen lassen und nicht tot umfallen, dass sie hier lange Zeit Scharlatanen aufgessesen sind.

Interview: Nur Bestehendes zu bewahren ist nicht unser Ansatz

Dieses Interview ist erstmals in der KUPFzeitung #178/2021 erschienen.

Am 26. September wird in Oberösterreich gewählt. Thomas Diesenreiter (KUPF OÖ) spricht mit Severin Mayr, Kultursprecher der Grünen im Oö. Landtag, über eine mögliche Regierungsbeteiligung der Grünen, mehr Geld im Kulturbudget, Defizite in der Verwaltung und die Umsetzung des Oö. Kulturleitbilds.

Thomas Diesenreiter: Wenn man auf der Webseite der Grünen Oberösterreich auf den Bereich ‹Kultur› klickt, ist die letzte Meldung vom November 2020. Bist du der Einzige bei den Grünen, der sich für Kulturpolitik interessiert?

Severin Mayr: Nein, glücklicherweise nicht. Aber wir teilen uns die Bereiche thematisch auf. Ich mache jetzt seit fast 18 Jahren Kulturpolitik, zwölf Jahre lang im Linzer Gemeinderat und jetzt im Landtag. Dabei habe ich gemerkt, dass es in der kommunalen Politik deutlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten in kulturpolitischen Fragen gibt. Da die Kulturpolitik auf Landesebene sehr stark mit der Landesregierung verknüpft ist, sind diese im Landtag deutlich beschränkter.

Trotz geringer Gestaltungsmöglichkeiten: Was waren die kulturpolitischen Erfolge der Grünen in der zu Ende gehenden Legislaturperiode?

Zuletzt ging es leider oft nur darum, die Situation für die Kultur nicht noch prekärer werden zu lassen. Erinnern wir uns an die massiven Kürzungen im Kulturbudget 2017 und die Petition ‹Kulturland retten› mit 17.000 Unterschriften. Nur Bestehendes zu bewahren ist eigentlich nicht unser kulturpolitischer Ansatz, aber es war bei dieser Regierung nötig und nicht viel mehr möglich. Umgesetzt wurden etwa die Arbeitsstipendien für Künstler*innen. Der entsprechende Antrag der Grünen wurde zwar abgelehnt, am nächsten Tag wurde aber genau das beschlossen, was wir beantragt hatten.

Die Grünen regieren im Bund mit der ÖVP. Auch in Oberösterreich wird über einen Wechsel zu Türkis-Grün spekuliert. Werdet ihr Anspruch auf das Kulturressort erheben, wenn es zu Koalitionsverhandlungen kommt? Und werdet ihr eine Erhöhung des Kulturbudgets fordern?

Zuerst geht es in Regierungsverhandlungen darum, ob man bei den Inhalten zusammenkommt. Dann erst können wir über Ressorts reden. Ich glaube, dass es Vorteile hätte, das Kulturressort in Grüner Hand zu wissen. Falls es zu Koalitionsgesprächen kommt, werden wir fordern, was die KUPF OÖ in ihren Positionspapieren formuliert hat: die Verdoppelung des Budgets der freien Szene auf 5 Millionen Euro. Da geht es einerseits um den Inflationsausgleich, durch den allein den Initiativen seit 2003 40 % verloren gingen. Da geht es andererseits um zusätzliche Förderungen, etwa in der Digitalisierung und Innovation, aber auch in der Förderung von Diversität.

Alt-Landeshauptmann Pühringer hat einmal gesagt: Ein gutes Kulturbudget erkennt man daran, dass 20 % des Budgets für Förderungen bereit stehen. Am Ende seiner Periode waren es 7 %, mittlerweile stehen wir bei gut 5 %. Sollte man zwischen den öffentlichen Einrichtungen und der Freien Szene umverteilen oder geht es darum, noch mehr Geld zu fordern?

Ich halte sehr wenig davon, zu sagen: Es gibt ein fixes Kulturbudget und jetzt streiten wir über die Aufteilung. Wenn ich sehe, wie in Oberösterreich Milliarden für Straßenbauprojekte rausgeschmissen werden, will ich einerseits nicht darüber verhandeln, ob wir 200 oder 210 Millionen Euro im Kulturbudget haben. Ich glaube, dass es insgesamt eine Erhöhung braucht. Andererseits halte ich die Diskussion für falsch, wie viel die Großen und wie viel die Kleinen kriegen. Was es braucht, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Einrichtungen und der Freien Szene. Wo können Ausstellungsflächen oder Bühnen angeboten werden? Da ist Linz ein gutes Beispiel.

Du kennst die Landeskulturdirektion ganz gut. Wo siehst du Notwendigkeiten für Veränderungen in der Verwaltung?

Ich habe mich in den letzten Jahren im Landtag zu oft mit Rechnungshofberichten zum Thema Kulturförderung auseinandersetzen müssen. Da ging es oft um Fehler, die vermeintlich auf Beamt*innenebene passiert sind – etwa die Vorgänge bei der KTM-Förderung, beim Denkmalschutz oder beim Museumsdepot. Hier hat es auch personelle Konsequenzen gegeben. Aber: Die Verwaltung agiert nach politischen Vorgaben. Sie ist nicht dafür da, die Landesregierung zu kontrollieren. Für die Kontrolle ist der oberösterreichische Landtag zuständig. Die Politik muss deshalb Voraussetzungen für ein effizientes und transparentes Fördersystem mit klaren Qualitätskriterien schaffen. Sie darf die Verantwortung nicht auf die Beamtenschaft abladen.

Seit November 2020 hat Oberösterreich ein neues Kulturleitbild. Leider ist es kaum mit konkreten Maßnahmen verknüpft. Bleibt es dabei?

Nein. Uns ist zugesagt worden, dass nach dem Beschluss des Kulturleitbilds die dazugehörigen Maßnahmen erarbeitet werden. Man kann sich seine eigene Meinung darüber bilden, ob es nicht klüger gewesen wäre, gleich konkrete Maßnahmen mit zu beschließen. Das Kulturleitbild ist aber auch ein Leitbild und kein Kulturentwicklungsplan. Im Linzer KEP wurde etwa relativ deutlich formuliert, was die Zielsetzung und was die Maßnahmen dazu sind. Da kann man sich nach ein paar Jahren hinsetzen und ein Hakerl drunter machen. Wir wissen aber auch, dass ein Kulturentwicklungsplan auch ein ziemlich trauriges Papier ist, wenn sich niemand daran hält. Da kann man noch so genau evaluieren, ob Maßnahmen umgesetzt worden sind: Wenn auf politischer Ebene dagegen verstoßen wird, ist es egal, wie das Papier heißt.

Die KUPF wird heuer 35 Jahre alt. Gibt es Wünsche an das Geburtstagskind?

Ja, ich habe tatsächlich einen Wunsch. Wir werden mit dem Alter milder in der Beurteilung, weil wir Dinge schon öfter gesehen haben. Manchmal stumpfen wir ein bisschen ab, wenn wir Dinge zu oft diskutiert haben. Ich wünsche der KUPF von ganzem Herzen, dass sie so lästig bleibt, wie sie es in den letzten 35 Jahren war.

Wahlvisionen

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #178/2021 erschienen.

Am 26. September wird in Oberösterreich ein neuer Landtag gewählt. Die letzte Wahl im Jahr 2015 brachte das Ende einer zwölfjährigen schwarz-grünen Koalition und den Anfang vom Ende des Langzeit-Landeshauptmanns und Kulturreferenten Josef Pühringer. Vor allem aber bescherten sich Oberösterreichs Wähler*innen eine ÖVP-FPÖ-Koalition auf Landesebene sowie einen freiheitlichen Bürgermeister in Wels. Oberösterreich war damit Vorreiter*in eines politischen Trends, der später auch die Bundesebene erfassen sollte.

Die KUPF OÖ stellte sich damals auf harte und konfliktreiche Zeiten ein. Zu Recht, wie wir heute wissen. Dass es in dieser Konstellation wenig Spielraum für progressive Kulturpolitik gab, war klar. Und so kam es, wie es kommen musste: 2017 wurde bekannt, dass die Kulturförderung massiv gekürzt werden sollte. Die KUPF OÖ rief die Rettung des Kulturlandes aus. Obwohl die Kürzungen dennoch durchgeführt wurden, ging die KUPF OÖ gestärkt aus der Debatte hervor, wie man später auch in der öffentlichen Auseinandersetzung um die KTM Motohall sehen konnte.

Mit diesem kämpferischen Mindset begannen wir bereits 2019, unsere Kampagne zur Landtagswahl zu planen. Damit waren wir aber wohl etwas zu früh dran. Anstatt um Inflationsanpassungen, Lustbarkeitsabgaben und Fair Pay ging es plötzlich um den Erhalt der Kunst- und Kulturszene als Ganzes. Die Corona-Pandemie erzwang ein zumindest temporäres Umdenken in der Kulturpolitik. Hilfsmaßnahmen für den Kulturbereich wurden geschnürt, manche besser, manche schlechter umgesetzt, es hagelte politische Unterstützungserklärungen und symbolische Gesten. Für die KUPF OÖ eine schöne Abwechslung, auf einmal auf Augenhöhe zu verhandeln und zu sehen, dass viele der eigenen Vorschläge aufgegriffen werden. 

Im Juni 2021 scheint die Kulturszene die Pandemie vorerst überstanden zu haben, Langzeitschäden werden sich erst später zeigen. Die große Frage aber ist, was nach der nächsten Wahl passiert. Denn ein ‹Zurück zur Normalität› bedeutet im Kulturbereich ein Zurück ins Prekariat, ein Zurück in zu kleine Budgets, ein Zurück in kulturpolitische Unzulänglichkeiten. Landeshauptmann Stelzer hat mehrfach angekündigt, dass die Sparpolitik nicht beendet, sondern nur ausgesetzt sei. Rollt nach der Landtagswahl daher eine neue Kürzungswelle auf den Kulturbereich zu? Es wäre die falsche Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.

Die KUPF OÖ fordert seit langem eine drastische Erhöhung der öffentlichen Finanzierung der Freien Szene auf allen Ebenen. Es braucht mehr Geld, nicht nur für eine faire Bezahlung der in diesem Sektor arbeitenden Menschen. Es braucht schlicht und einfach mehr und breitere Kulturangebote. Wir brauchen einen Zuwachs, aber nicht in den Leuchttürmen, sondern in den Nischen. Gerade in kleineren Gemeinden gibt es immer noch kaum zeitgenössisches Kulturangebot. Obwohl die KUPF OÖ mittlerweile aus 183 Mitgliedern besteht, sind wir von einer Vollabdeckung der 438 Gemeinden des Landes weit entfernt.

Progressive Kulturpolitik (und auch Kulturarbeit) bedeutet, Kultur als Treiberin gesellschaftlichen Wandels zu verstehen und diesen auch einzufordern. Die Klimakatastrophe zwingt uns dazu, unsere Lebensweisen und unsere Wirtschaftsform neu zu denken. Wo sind die Räume, in denen dies passieren kann? Der Kulturbereich kann diese Räume öffnen und durch seine gemeinnützige Ausrichtung selbst als Modell gelten.

Im Zuge der Landtagswahl werden wir unsere Kulturpolitiker*innen bitten, ihre Visionen für die Zukunft des Kulturlandes Oberösterreich zu skizzieren. Wir sind gespannt, ob wir Antworten hören, die den großen Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden.

5 Jahre KUPF OÖ

Vor fünf Jahren, am 17. Mai 2016, habe ich meinen Dienst als Geschäftsführer der KUPF OÖ angetreten. Ein Anlass für einen ausnahmsweise persönlichen Rückblick:
Die Kulturplattform Oberösterreich ist der älteste Verband zeitgenössischer Kulturinitiativen in Österreich. Dort einmal zu arbeiten war schon lange vorher mein heimlicher Traum. Und obwohl ich, seit ich 15 bin, im Kulturbereich arbeite, war ich am ersten Tag nervös wie nur was, denn die realistischen Zukunftsszenarien waren eher pessimistischer Natur. Damals war die schwarz-blaue Koalition in OÖ frisch im Amt, Pühringer noch Landeshauptmann, aber bereits mit Ablaufdatum versehen. Die allgemeine Erwartung war, dass die kulturpolitische Auseinandersetzung härter werden wird. Das ich nicht als konfliktscheu gelte, war damals wohl ein ausschlaggebender Grund für den KUPF Vorstand, sich für mich zu entscheiden.

Und es kam tatsächlich so: Etwa nach einem Jahr nach meinem Dienstantritt wurden die ersten Kürzungsabsichten der neuen Landesregierung bekannt. Wir haben innerhalb weniger Wochen eine Kampagne namens #kulturlandretten aus dem Boden gestampft und die Szene mobilisiert. Es war vermutlich die erfolgreichste Kampagne der KUPF OÖ seit langer Zeit, vielleicht sogar seit ihrem Beginn, wenn man sich den Pressespiegel mit den hunderten Beiträgen ansieht. Genützt hat es vordergründig zwar wenig, denn die Kürzungen wurden dennoch durchgezogen. Aber wir haben dadurch bewiesen, dass die KUPF OÖ kampffähig ist. Dass sie mobilisieren kann, wenn es drauf ankommt und sie sich nicht einschüchtern lässt. Wir wissen, dass der heutige LH die Kürzungen rückblickend als Fehler sieht. Vermutlich weniger wegen den betroffenen Vereinen, sondern eher wegen dem damit einhergehenden Imageverlust als Erbe Pühringers. Aber immerhin wird ein solcher Fehler wohl nicht mehr so schnell passieren.

Gerade als sich der Staub einigermaßen gelegt hat, kam der nächste Aufreger daher: Durch Zufall bin ich am Vorabend einer Pressekonferenz zu einem völlig anderen Thema auf eine Förderung des Landes an eine gewisse KTM Motohall aufmerksam geworden. In der Pressekonferenz ging es um die Auswirkungen der 2018 durchgeführten Förderkürzungen. Als Randnotiz habe ich erklärt, dass ich nicht verstehe, warum bei uns gekürzt wird, während ein Milliardenkonzern wie KTM Gelder aus dem Kulturbereich erhält. Der Rest ist kulturpolitische Geschichte (#ktmgate). Auch diese Debatte hat uns österreichweit viel Aufmerksamkeit gebracht und letzten Endes dazu geführt, dass KTM zumindest die dritte Rate in Höhe von 600.000 € nicht ausbezahlt bekam. Und auch hier glaube ich, dass der abschreckende Effekt dieser Diskussion uns hoffentlich auch zukünftig davor bewahrt, dass Gelder aus dem Kulturbereich an Firmen geht, die sich solche Späße auch locker aus der eigenen Tasche zahlen könnten.

Ich habe mich seit meinem Antritt bemüht, die KUPF OÖ zu einer professionellen, modernen Interessenvertretung zu machen. Wir haben unzählige Projekte umgesetzt, nicht alles ist gelungen, aber das Meiste zum Glück schon. Wir haben Konferenzen organisiert, einen neuen Kunst- und Kulturmanagementlehrgang aufgebaut, eine Ticketplattform namens KUPFticket.at ins Leben gerufen und nun ausgegründet, das Büro modernisiert, unsere Corporate Identity neu gestaltet, die KUPFzeitung ausgebaut, die Website komplett neu gebaut und noch so vieles mehr.

Wir stehen heute, meiner Wahrnehmung nach, stärker als je zuvor da und können unseren Auftrag, unseren Mitgliederinitiativen zu dienen und ihre Anliegen öffentlich vorzubringen, besser als je zuvor umsetzen. Es war viel harte Arbeit, für die ich mich bei meinen MitstreiterInnen im Vorstand und den vielen großartigen Menschen im Büroteam nur aufs herzlichste bedanken kann. Die KUPF OÖ ist der beste Arbeitgeber, für den ich je arbeiten durfte, und ich hoffe, dass ich das auch noch lange tun kann. Ideen habe ich noch einige, die ich in den nächsten Jahren umsetzen möchte. Die KUPF OÖ wird ihre Rolle als Interessenvertretung und DienstleisterIn der oberösterreichischen Kulturszene noch weiter ausbauen. Die KUPF OÖ gehört ihren Mitgliedern und für diese arbeiten wir Tag für Tag.

Danke an euch alle für den vielen Zuspruch und das positive Feedback der letzten Jahre. Und speziellen Dank an Magdalena, für die guten Inputs und weils auch nicht immer leicht war in den letzten Jahren.

Interview: Wer spricht von Subvention?

Dieses Interview ist erstmals in der KUPFzeitung #177/2021 erschienen.

Thomas Diesenreiter: Sie mögen den Begriff der Subvention nicht, weil er die Tatsachen nicht richtig darstellt. Was wäre denn ein besserer Begriff?

Rudolf Scholten: Die Antwort ist einfach: ‚Öffentliche Finanzierung‘, wie für viele andere Bereiche auch. Universitäten werden öffentlich finanziert, der Gesundheitsbereich wird öffentlich finanziert, usw. Öffentliche Finanzierung ist der adäquate Ausdruck für einen Bereich, der nicht aus Unfähigkeitsgründen die Finanzierung im Markt nicht auftreibt, sondern öffentliche Finanzierung braucht, wie beispielsweise der gesamte Bildungsbereich. Ich glaube generell, dass für alle diese Diskussionen ein Vergleich mit der Wissenschaft, insbesondere der Grundlagenforschung, adäquat ist.

Warum haftet der Kultur-Finanzierung der Geruch von Almosen an, während das etwa bei Kindergärten oder im Straßenbau nie so kommuniziert wird?

Politisch gesehen gibt es keinen Grund, das ist einfach falsch, das haben wir uns falsch angewöhnt. Wenn Sie mich ‚privat‘ fragen, dann ist es wohl darin begründet, dass die anderen Bereiche kaum privat finanzierte Beispiele kennen. Grundlagenforschung ist immer öffentlich finanziert, Kindergärten sind nur in radikaler Minderheit privat finanziert. Aber im Kunstbereich stehen privat finanzierbare öffentlich finanzierten Beispielen relativ nahe. Warum wird im Film sehr viel kommerzieller diskutiert als im Theater? Weil im gleichen Kino kommerzielle Filme wie staatlich mitfinanzierte Filme gespielt werden. Es gibt aber kein Theater, in dem gleichzeitig Jelinek-Uraufführungen und Eisrevue stattfindet. Das mag lächerlich klingen, aber ich glaube, diese Nähe von kommerziellen und nicht kommerziellen Produkten in der Kunst ist größer als in anderen Bereichen. Das mag eine Begründung sein, aber keine Rechtfertigung, es deswegen falsch zu benennen.

Der Staat bzw. das Land hat ja den (Selbst-)Auftrag, seiner Bevölkerung ein Kunst- und Kulturangebot zur Verfügung zu stellen, sich um das kulturelle Leben zu kümmern. Nun könnten das Bundesland Oberösterreich oder andere Kommunen sagen: „Wir finanzieren ohnehin das Landesmuseum und die Landestheater, das reicht aus.“

Es braucht das gesamte Spektrum. Ich würde sogar einen Schritt weiter gehen und sagen, die richtige Formulierung ist nicht so sehr, dass der Staat die Verpflichtung hat, das zu finanzieren, sondern die Gesellschaft es finanzieren will, weil sie versteht, dass sie es braucht. Da komme ich wieder zur Grundlagenforschung. Wenn Sie geschichtlich zurückblicken, werden Sie schnell bemerken, dass es eine große Parallelität zwischen Gesellschaften gibt, die bewusst in Kunst und Wissenschaft investieren und solchen, die auch in den pragmatischen wirtschaftlichen und politischen Bereichen erfolgreich sind. Die meisten der historisch erfolgreichen Gesellschaften waren sich sehr wohl bewusst. Sie haben verstanden, dass sie Kunst und Wissenschaft brauchen und daraus entstand der pragmatische politische und wirtschaftliche Erfolg. Würde man dies im Sinn der Umwegrentabilität spekulativ ansteuern, würde es mit Sicherheit nicht funktionieren.

Sie haben Anfang der 90er als Kulturminister erstmals auf Bundesebene ein breites Förderprogramm für Kulturvereine und Kulturinitiativen aufgelegt. Dieses gibt es bis heute in der Abteilung 2/7. Warum haben Sie das gemacht?

Lassen Sie es mich ganz einfach sagen: Wenn man Qualität will, muss man verstehen, dass das gesamte Spektrum notwendig ist: von dezentralen bis zentralen Organisationen, genauso wie von sehr riskanten Initiativen mit schmalem Aufmerksamkeitsgrad bis zu jenen mit einem breiten Angebot. Würde man einen Teil vernachlässigen, nimmt man bewusst in Kauf, dass die Wahrscheinlichkeit von Qualität sinkt.

Prinzipiell sind aber eigentlich die Bundesländer für die Kulturfinanzierung zuständig. Hat es damals also keinen Widerstand gegen dieses ‚Hineinregieren‘ des Bundes gegeben?

Aus Sicht der betroffenen Organisationen ist dieses Wechselspiel zwischen Bund, Land, Stadt oft mühselig. Zugleich muss man aus der praktischen Erfahrung sagen, dass diese Schaukel-Situation auch Vorteile produzieren kann. Der Bund kann zum Beispiel die Finanzierung für die Organisation X erhöhen unter der Voraussetzung, dass das Land mitzieht. Das Land würde es relativ leicht haben, nicht zu erhöhen, aber mit einer Zusage vom Bund und diesem zusätzlichen Druck tut es sich wesentlich schwerer.

Kultur, die politisch umstritten ist, hat dadurch auch ein bisschen größere Sicherheit, wie man in Kärnten sehen konnte, als Jörg Haider an die Macht gekommen ist und die Förderung von zeitgenössischer Kunst und Kultur von einem Tag auf den anderen auf Null gefahren hat. Viele konnten nur durch das Geld aus dem Bund überleben. Demgegenüber steht trotzdem ein irrsinniger Verwaltungsaufwand.

Ich glaube, dass die politische Stabilität oder politische Sicherheit den bürokratischen Aufwand sticht, der zudem bereits wesentlich geringer geworden ist.

In der Kulturfinanzierung ist es üblich, dass KulturpolitikerInnen – Landes-, Kommunal- und StadtkulturreferentInnen – wirklich jede einzelne Förderentscheidung selbst bearbeiten. Wäre es nicht vielleicht notwendig, wie in der Wirtschaft – man denke an die AWS – eine unabhängige Kulturfinanzierungs-Organisation ins Leben zu rufen, die frei von politischer Einmischung Förderentscheidungen auf fachlicher – nicht politischer – Expertise trifft?

Die Antwort ist ja, bloß ist Ihre eigene Perspektive sehr stark geprägt von den Kulturinitiativen. Staatlicher Finanzierung muss eine politische Entscheidung zugrunde liegen in der Höhe des Budgets; die Einzelförderentscheidungen müssen ausgelagert sein.

Rudolf Scholten, ehemaliger Minister für Kunst, heute Präsident des Aufsichtsrats der Wiener Festwochen und des Österreichischen Filminstituts. 

Which Way to Fair Pay?

Dieser Text ist erstmals in der KUPFzeitung #176/2020 erschienen.

Mahnrufe aus der Geschäftsführung der KUPF OÖ.

Die «Kulturnation Österreich» und das «Kulturland Oberösterreich» sind nichts anderes als Tourismus-Slogans, die wenige reich und viele immer ärmer werden lassen. Wer sich hierzulande für Arbeit im Kunst- und Kulturbereich entscheidet, hat gute Chancen, nur die Mindestpension zu beziehen, im Schnitt zehn Stunden mehr pro Woche für 33 % weniger Gehalt zu arbeiten oder wie 37 % der Kolleg*innen unter der Armutsgrenze zu leben. Auch die vielen EPUs wie Ton- und Lichttechniker*innen oder Bühnenbauer*innen sind in einem Konkurrenzkampf gefangen, der die Honorare seit Jahren stagnieren oder gar sinken lässt. Zahlreiche Studien haben aufgezeigt, wie schlecht es um die Einkommen von Österreichs Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen steht. Der kulturpolitische Handlungsdruck ist enorm und bekannt. Dennoch hat es bisher keine Partei geschafft, das Ruder herum zu reißen. Die Lage verschärft sich zusehends, besonders in der Freien Szene, aber auch in den unteren Ebenen der großen Häuser. Seit Jahrzehnten lautet daher das Mahn-tra der KUPF OÖ: Kürzt nicht, wir arbeiten schon am Limit! Das System der tausenden Einzelkämpfer*innen und Zwangs-Ehrenamtlichen ist höchst fragil. Wer macht noch hoffnungsvoll (oder verzweifelt) in diesem Sesseltanz mit – um den zweifelhaften Preis eines morschen Sitzplatzes?

Im Brennglas der Corona-Krise und im ersten Jahr jener Bundesregierung, die sich erstmals – zumindest programmatisch – dem Fair Pay verschrieben hat, werden die Perversionen der österreichischen Kulturlandschaft sichtbar: Klein-Klein-Hilfsmaßnahmen werden jenen als Strohhalme zugeworfen, denen das Wasser längst bis zum Hals steht. Wie bitter nötig das ist, zeigt sich daran, dass nicht wenige dieser kleinen, prekären Einzelkämpfer*innen mit dem Strohhalm besser atmen können als zuvor. Dass eine Hilfszahlung von 1.000 € pro Monat für manche Künstler*innen einen finanziellen Aufstieg darstellt, zeigt die Kaputtheit des regulären Kulturfördersystems besonders drastisch.

Österreichs Kunst- und Kulturszene beruht zu großen Teilen auf (Selbst-)Ausbeutung. Doch das finanzielle Aushungern und Kürzen der Kulturförderungen zahlt sich nicht einmal wirtschaftlich aus. Studien des ifo Instituts in München oder der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig belegen, dass öffentliche Kulturförderungen sich rechnen: Sie bringen Umwegrentabilität und Wohlstand durch Zuzug hochqualifizierter Mitarbeiter*innen und Tourismus. Das gilt für jedes ‹normale› Jahr, darf aber in Hinblick auf die zu planenden Budgets und bereits angekündigten Sparkurse Post-Corona auf keinen Fall vergessen werden: Bei der Kultur kürzen heißt doppelt Geld verlieren.

Diese Kürzungen passieren auch schleichend. Während die Inflation der letzten 20 Jahre 46 % beträgt, ist der Finanzierungsbeitrag des Bundes zu den regionalen Kulturinitiativen nur um 11 % gestiegen.¹ Und die große Mehrheit der österreichischen Kulturinitiativen sieht sowieso keinen Cent vom Bund, da dieser nur Vereine von «überregionalem Interesse» finanziert. Beides gehört geändert. Ein mickriges Plus von ein paar hunderttausend Euro mehr für die Kulturinitiativen im nächsten Jahr, wie sie zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Artikels im Gespräch sind, wäre daher ein schlechter Witz.

Österreich braucht eine Kulturpolitik mit Visionen. Wenn es die Bundes-Grünen mit Fair Pay ernst meinen, dann muss ein drastischer Umbau in Österreichs Kulturfinanzierung folgen. Eine Million mehr reicht nicht. Wir brauchen eine Milliarde mehr. Wir brauchen ein Kulturzentrum in jeder Gemeinde, wir brauchen Kunst und Kultur in der Breite und nicht nur in den Leuchttürmen. Wir brauchen weniger Verwaltungsaufwand für die Kulturfinanzierung. Wir brauchen unabhängige Förderstellen, die sich losgelöst von parteipolitischen Interessen bestmöglich um ihre Kund*innen kümmern. Wir brauchen faire Bezahlungen, faire Honorare, faire Förderungen. This is the way.

¹ Kulturministerium, Kunstbericht 1999 Förderbudget Abteilung II/8 (exklusive Förderung freie Medien) und Kunst- und Kulturbericht 2019 Förderbudget Abteilung II/7

1. Mai 2020: Kultur prekärer denn je

Österreich nennt sich eine Kulturnation. Aber wie kann es sein, dass in einer Kulturnation der Kunst- und Kulturbereich in der aktuellen Ausnahmesituation so sträflich schlecht behandelt wird? Vor 7 Wochen wurden die ersten Veranstaltungsverbote verhängt. Vor 6 Wochen hat die Bundesregierung Hilfsmaßnahmen für die vielen tausenden Kunst- und Kulturvereine angekündigt. Aber noch immer wurde der Härtefond für NGOs weder konkretisiert, geschweige denn umgesetzt.

Wertvolle Zeit verstreicht ohne eine Lösung, in der mehr und mehr Kulturvereinen das Geld ausgeht. Mieten können nicht bezahlt werden, Kulturorte drohen geschlossen zu werden. Und am schlimmsten natürlich: Mehr und mehr KulturarbeiterInnen werden arbeitslos. Viele sind von der Kurzarbeit ausgeschlossen, weil sie zuvor schon so wenig verdient haben, dass sie nie in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Jene, die zuvor schon wenig hatten, trifft es nun also am härtesten.

Seit Wochen fordern wir als Kulturplattform Oberösterreich vehement eine Lösung für die tausenden geringfügig Beschäftigten im Kulturbereich, aber es ist keine Lösung in Sicht. Die Kulturnation Österreich ist eine nichts anderes als ein Tourismus-Slogan, ein Claim, der wenige reich gemacht hat, und viele immer ärmer werden lässt. Wer sich in Österreich für Arbeit im Kunst- und Kulturbereich entscheidet, muss davon ausgehen, dass er einmal eine Mindestpension beziehen wird. Zahlreiche Studien haben aufgezeigt, wie schlecht es um die Einkommen von Österreichs KulturarbeiterInnen und KünstlerInnen steht. Keine Partei hat es in den letzten Jahren geschafft, das Ruder rumzureissen, die Lage wird immer schlechter, besonders in der freien Szene, aber auch in den unteren Ebenen der großen Häuser.

Wer in Oberösterreichs Kulturleuchttürmen mit Kettenverträgen Jahr für Jahr um eine Verlängerung fürchten musste, wurde nun einfach gekündigt. Jene, die über Leasingfirmen ausgelagert wurden, wurden einfach gekündigt. GastschauspielerInnen ohne fixe Verträge – einfach gekündigt. Aber auch die vielen Einpersonenunternehmen wie Ton- und LichttechnikerInnen, Bühnenbauer und so weiter sind in einem Konkurrenzkampf gefangen, der die Honorare seit Jahren stagnieren oder gar sinken lässt. Und jetzt in der Krise wird sichtbar, wie fragil dieses System der tausenden EinzelkämpferInnen ist.

Österreich braucht eine Kulturpolitik mit Visionen, die sich nicht mit Klein-Klein aufhält. Wir brauchen nicht hier eine Million mehr, da eine Million mehr. Wir brauchen eine Milliarde mehr. Wir brauchen ein Kulturzentrum in jeder Gemeinde, wir brauchen Kunst und Kultur in der Breite und nicht nur in den Leuchttürmen. Wir brauchen faire Bezahlungen, faire Förderungen, faire Honorare – nicht mehr und nicht weniger. Und dafür müssen wir uns organisieren. Werdet Mitglied in einer Gewerkschaft, werdet Mitglied in einem Dachverband. Unterstützt die AktivistInnen oder werdet selber welche. Denn Veränderungen kann es nur geben, wenn wir diese auch vehement einfordern.

Siehe auch den offenen Brief an die Bundesregierung der KUPF OÖ und Schwesterorganisationen: