Neue Zeit, alte Kämpfe

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #163 und in abgewandelter Form in der Zeitschrift gift, Ausgabe 03/2018, der IG Freie Theaterarbeit publiziert.

Oberösterreich ist ein stolzes Bundesland, das sich selbst gerne in der Vorreiterrolle sieht. Nach zwei Jahren einer schwarz-blauen Koalition taugt es vielleicht auch in politischer Hinsicht als Menetekel. Eine Deutungssuche, was da noch kommen wird.

Die erste Plakatwelle des neuen Landeshauptmanns Stelzer kündigte im April eine «Neue Zeit» an. Und diese ist nun auch auf Bundesebene gekommen: «Zeit für Neues» lautet der Slogan, mit dem Sebastian Kurz in die Wahlschlacht zieht, aus der er am Schluss als neuer Bundeskanzler hervorgehen möchte. Ob ihm das gelingt, und wenn ja, in welche Koalition er seine Partei führt, ist offen. Ein schwarz­-blaues Revival ist möglich.

Was bedeutet eine solche Koalition also kulturpolitisch? Die erste Bilanz nach zwei Jahren Schwarz-­Blau in Oberösterreich fällt nicht positiv, aber auch nicht so negativ aus, wie viele befürchtet haben. Ja, die Förderungen für die Freie Szene wurden abermals weniger, und ja, die Budgets der großen Institutionen sind gestiegen. Aber beide Entwicklungen stehen in einer Kontinuität, die die KUPF seit etwa 8 Jahren beobachtet und kritisiert.

Nun scheint sich aber die Lage zu verschärfen: Das jahrelange Trommeln der FPÖ und der oberösterreichischen Industrie für radikalere Kürzungen im Kulturbereich ist nach dem Abgang Pühringers nun auch in der ÖVP auf offene Ohren gestoßen. Laut einem Bericht der OÖN sollen im Kulturbereich 10 % eingespart werden. In absoluten Zahlen wären das 19 Millionen €. Dabei soll die heilige Kuh des Landesmusikschulwerks (LMS) von Kürzungen verschont werden, mutmaßlich die letzte kulturpolitische Bürgschaft Pühringers. Da das LMS aber fast die Hälfte des Budgets beansprucht, heißt das im Extremfall, dass im restlichen Budget knapp 20 % gesperrt werden müssen. Zahlen, denen Stelzer aber später im Landtag auf eine entsprechende Frage des grünen Kultursprechers Severin Mayr widerspricht: «Einen derartigen Plan habe ich nicht.» Sehr wohl wird es aber laut Stelzer Einsparungen geben. Wen es in welchem Umfang trifft, bleibt vorerst offen.

Erste Reformpläne wurden im institutionellen Bereich publik: Der Linzer Bürgermeister und der Landeshauptmann möchten die lange diskutierte Zusammenlegung der Stadt­ und der Landeseinrichtungen zumindest stückweise umsetzen. Teile der Sammlung der Landesgalerie sollen den Museen der Stadt Linz übertragen werden, der Rest wandert in das Landesmuseum. Das bestehende Biologiezentrum soll in das nun leere Gebäude in der Lederergasse ziehen. Danach kann das alte Gebäude am Stadtrand abgesto­ßen werden, zumindest ein kleiner Spareffekt. Weiters sollen Synergien im Bereich der Verwaltung und Marketing gehoben werden, und diese zentral im Kulturquartier gebündelt werden. Die ebenfalls oft diskutierten Fusionen im Musikbereich – Stichwort Brucknerhaus und Musiktheater – sind nun aber wieder vom Tisch. Wie das alles konkret aussieht, ist noch offen, die zuständigen Beamten haben eben erst den Auftrag bekommen, diese politischen Vorhaben auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen.

Weitere Einsparmöglichkeiten liegen auf der Hand: Oberösterreich wird wohl auch ohne die sündteuren Landesausstellungen auskommen; im Denkmalbereich werden sicher die Kircheneinrichtungen und Schlossbesitzer ohne Subventionen im sechsstelligen Bereich überleben. Es steht aber zu befürchten, dass – wie so oft – nicht dort gespart wird, wo es am sinnvollsten ist, sondern dort, wo am wenigsten Widerstand erwartet wird. Dass damit besonders die zeitgenössische Kunst und Kultur gefährdet ist, sollte uns motivieren, das schleunigst zu ändern.

Wie abstrus die Kürzungsdebatte ist, zeigt sich an einer anderen aktuellen Meldung: Das prognostizierte Wirtschaftswachstum wird heuer 0,55 Prozentpunkte höher ausfallen, als erwartet. Damit werden die Steuereinnahmen des Bundeslandes vermutlich um etwa 25 Millionen € höher ausfallen. Und damit deutlich über dem liegen, was im Kulturbereich eingespart werden soll.

Auf Bundesebene ist für ÖVP-­Spitzenkandidaten Kurz Kulturpolitik bisher kaum ein Thema gewesen. Die Ansage, Förderungen kürzen zu müssen, ist allerdings ein fixer Bestandteil seiner Reden. Im Wahlprogramm findet sich wiederum einerseits ein Bekenntnis zu Österreich als Kulturland und der öffentlichen Kulturfinanzierung. Den regionalen Initiativen werden «flexiblere Förderinstrumente, die unbürokratisch unterstützen und eine schnellere Abwicklungen als heute ermöglichen» versprochen. Betont wird aber gleichzeitig die «Wichtigkeit des Abbaus von Doppelgleisigkeiten» – wo diese bestehen und was das bedeuten soll, bleibt im Unklaren.

Wer wissen möchte, wie sich eine mögliche schwarz-blaue Regierung auf Bundesebene kulturpolitisch auswirken wird, sollte in den nächsten Wochen Ober­österreich beobachten. Vielleicht wird unser Bundesland auch hier Vorreiter sein.

Kultur statt Krise

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #162 publiziert.

Kaum ein Kulturprogramm der EU ist in der Freien Szene so umstritten wie das der Kulturhauptstädte Europas. Auch, weil es nicht nur ein Kulturprogramm ist, sondern ebenfalls der Stadtentwicklung („Gentrifizierung!“ rufen die KritikerInnen), der Vermarktung („Ausverkauf!“) und dem wirtschaftlichen Aufschwung („Kapitalismus!“) dienen soll. Und so unrecht haben die Kritisierenden damit natürlich nicht, konnte man diese Effekte doch in Graz 2003 und Linz09 gut und hautnah miterleben. Auf der anderen Seite ist bei genauer Analyse aber klar, dass immer einiges an Geld, Ressourcen und Know-how hängenblieb, im Kultursektor allgemein sowie in der Szene selbst. Und schließlich: So viel kulturpolitischen Diskurs und Aufmerksamkeit für kulturelle Anliegen wie vor und nach einer Kulturhauptstadt erlebt man selten.

Es ist daher aus Sicht der KUPF notwendig, sich dem Diskurs um das Kulturhauptstadtprogramm mutig und offen zu stellen. Denn ob wir es wollen oder nicht, 2024 wird es ziemlich sicher wieder eine österreichische Kulturhauptstadt geben. Unter Beteiligung der Szene, oder als Solostück der großen Häuser. Als Kulturprojekt, oder als Tourismusspot. Progressiv und weltoffen, oder geschichtsvergessen und lokalkoloritisch. Die heißen Themen besprechend, oder oberflächliche Events vermarktend. Oder irgendwo mittendrin, je nachdem, wie die Bewerbungsphase als kulturpolitisch spannendster Teil des Kulturhauptstadtprozesses ausgeht.

Kollege Christian Diabl fordert auf den nächsten Seiten Mut und Visionskraft von den politischen EntscheidungsträgerInnen in Bezug auf das Kulturhauptstadtprogramm. Es liegt aber auch an uns KulturaktivistInnen, uns in den entscheidenden nächsten Monaten der Einreichungsphase einzumischen, einzubringen und ein klares Bekenntnis zu progressiver Kulturpolitik einzufordern. Egal ob im Salzkammergut, in St. Pölten oder Vorarlberg. Wir müssen unsere Lehren aus Graz und Linz ziehen und uns überlegen, ob die damaligen Strategien erfolgreich waren oder ob wir neue brauchen. Wie können wir für das nächste Mal verhindern, den Hilferuf „Maschine brennt!“ absetzen zu müssen, wie es die Freie Szene bei Linz09 tat? Sind wir gut genug vernetzt, haben wir genug Gewicht, sind wir strategisch gut genug vorbereitet und aufgestellt für den Prozess Kulturhauptstadt, der immer auch ein machtpolitisches Spiel und ein Verteilungskampf ist?

Ansporn genug sollte es geben, dass wir diesmal erfolgreicher sind. Immobilienkrise, Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Solidaritätskrise – und jetzt auch noch eine Identitätskrise plagen den europäischen Kontinent. Dass die Rückbesinnung auf die nationalen Identitäten nicht die passende Antwort auf diese Frage ist, ist den meisten in der Kulturbranche klar. Aber dass auch das Bekenntnis zu Weltoffenheit, Diversität und Toleranz in Europa meist nur in den urbanen Zentren eine Mehrheit in der Bevölkerung findet, muss uns ebenfalls bewusst sein und zu denken geben. Wie können wir Brücken bilden in diesem zunehmend polarisierten Europa, das ja am Ende des Tages doch eine gemeinsame Gesellschaft bilden muss?

Dieser Handlungsauftrag der Vermittlung und der Reflexion, des Austausches und des Diskurses ist seit jeher ein maßgebliches Element progressiver Kulturarbeit. Und gerade heute sollten wir uns daher die Chance nicht nehmen lassen, eine österreichische Kulturhauptstadt auf die Beine zu stellen, die die großen Fragen unserer Zeit in den Fokus rückt. Eine Kulturhauptstadt, die die europäische Krise vermisst, Antworten sucht und vielleicht für einen Augenblick sogar welche findet. Eine Kulturhauptstadt, die nicht in der Vergangenheit stehen bleibt, sondern die Zukunft mitgestaltet. Die nicht den Status Quo abbildet, sondern sich zu neuen Ufern aufmacht.

Für eine solche utopische Kulturhauptstadt muss man uns KulturarbeiterInnen und KünstlerInnen ranlassen. Und wir? Wir müssen auch rangelassen werden wollen.

Auf der Suche nach Europas Identität

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #162 publiziert.

Das Kulturhauptstadtprogramm der EU existiert seit 1985. Es zielt nicht nur auf regionalpolitische Effekte ab, sondern soll auch das Gefühl der BürgerInnen Europas stärken, einem gemeinsamen Kulturkreis anzugehören. EU-Botschafterin Heidemarie Meissnitzer geht im Interview mit Thomas Diesenreiter auf Verbindungslinien zwischen dem Kulturhauptstadtprogramm und dem Konstrukt der Europäischen Identität ein.

Thomas Diesenreiter: Das Kulturhauptstadtprogramm soll den BürgerInnen Europas vermitteln, dass sie Teil eines gemeinsamen Kulturkreises sind. Klappt das?

Heidemarie Meissnitzer: Die Initiative „Europäische Kulturhauptstadt“ bietet eine beinah unvergleichliche Gelegenheit, die kulturelle Vielfalt in Europa aufzuzeigen bei gleichzeitigem Verweis auf Gemeinsamkeiten und diese erlebbar zu gestalten. Eine wesentliche Zielsetzung lautet, einen Beitrag zur langfristigen Entwicklung der Städte entsprechend ihrer jeweiligen Strategien, Besonderheiten und Prioritäten zu leisten. In der über 30jährigen Geschichte wurde auf ebenso positive wie vielfältige Weise die Wirkung und der Erfolg dieser Aktion unter Beweis gestellt. Neben einer deutlichen Stärkung und Diversifizierung des Kulturangebots, Erweiterung des Zugangs und Teilhabe an der Kultur, positiven Imageeffekten, zeigen die Ergebnisse immer auch eine Schärfung des internationalen Profils der Städte, neue Sichtweisen auf die eigene Geschichte und Wahrnehmung sowie eine bessere Verzahnung der Kultur mit anderen wichtigen Politikbereichen.

Heidemarie Meissnitzer

Es gelingt den meisten Städten, sukzessiv und sinnlich wahrnehmbar zu verdeutlichen, was uns in Europa und als Europäer verbindet und leider auch trennt.

Zusätzliche Investitionen zu einer wirtschaftlichen Belebung, neuen Schwung und Visionen auf die vorhandenen kulturellen und kreativen Ressourcen. Durch die wiederholte Neuausrichtung und insbesondere einer stärkeren Berücksichtigung partizipativer Angebote – zu nennen wäre hier z. B. das im Rahmen von Linz09 durchgeführte Schulprojekt „I like to move it move it“, bei dem über 70 KünstlerInnen mit über 2.000 SchülerInnen in 60 Schulen künstlerisch zusammengearbeitet haben – , gelingt es den meisten Städten, sukzessiv und sinnlich wahrnehmbar zu verdeutlichen, was uns in Europa und als Europäer verbindet und leider auch trennt. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass damit auch ein Beitrag für ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen europäischen Kulturraum geleistet wird. Dies mit nachweislichen Auswirkungen zu belegen ist noch ein schwieriges Unterfangen.

Wächst die europäische Kultur zusammen oder sehen wir eher eine Vielzahl an parallelen Kulturen nebeneinander? Stichwort Melting Pot vs Salad Bowl.

Vor dem Hintergrund einer bescheidenen EU-Rechtszuständigkeit für den Kulturbereich und der Einhaltung des auch weiterhin zu wahrenden Subsidiaritätsprinzips, ist es für viele Mitgliedstaaten noch immer nicht zulässig, von „einer“ europäischen Kultur zu sprechen. Vielmehr geht es um die europäischen KulturEN, die die Vielfalt und den Reichtum Europas widerspiegeln. Diese kulturelle Vielfalt arbeitet in Form von verschiedensten Projekten, Aktionen und Initiativen auf vielfältige Weise zusammen und verbindet sich transnational und grenzüberschreitend immer wieder neu.

Stichwort Brexit, Stichwort autoritäre Tendenzen in Polen, Ungarn etc.: Das Bedürfnis nach nationaler Identität innerhalb der EU scheint zuzunehmen. Muss das Kulturhauptstadtprogramm darauf Bezug nehmen – und wenn ja, wie?

Diese Frage würde ich mit einem eindeutigen Ja beantworten. Ich habe auch den Eindruck, dass dies – zumindest was die jüngere Geschichte des Kulturhauptstadtkonzeptes betrifft – der Fall war und ist. In diesem Kontext wäre an die Kulturhauptstadt 2016, Breslau in Polen, und an zahlreiche mutige KünstlerInnen und Kulturverantwortliche zu erinnern, die regimekritische Zeichen gegenüber ihren verstärkt autoritär agierenden Staat setzten. Die Berücksichtigung von sozialen und integrativen Aspekten neben kulturellen und wirtschaftlichen Strategien sind Teil einer zunehmend ganzheitlichen orientierten Stadtentwicklung und berücksichtigen die aktuellen Herausforderungen, die bedauerlicherweise beinah zum Alltag nicht nur eines urbanen Lebens geworden sind.

Gibt es so etwas wie eine europäische Leitkultur?

In diesem Fall würde ich lieber von einem europäischen Wertekonsens sprechen, der Prinzipien wie Freiheit, Sicherheit, Frieden, Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität umfasst. Den Begriff Leitkultur halte ich persönlich eher für kontraproduktiv, weil er die Gefahr der Abgrenzung in sich birgt. Für das Funktionieren einer Gesellschaft sind soziale und kulturelle Normen in Bezug darauf, was man tut und was man unterlässt, sehr entscheidend.

Was kann die österreichische Kulturhauptstadt 2024 dazu beitragen, das Bewusstsein der ÖsterreicherInnen für Europa zu schärfen?

Mir fällt zu dieser Frage das 2011 von Stéphane Hessel veröffentlichte Buch „Engagez-vous!“ ein. Nicht nur die Politik, Medien, Bildungsinstitutionen, wir alle sind aufgerufen, uns im Rahmen unserer jeweiligen Möglichkeiten für Europa zu engagieren. Damit meine ich eine differenzierte, durchaus kritische und dennoch konstruktive Herangehensweise an das politisch einzigartige Projekt Europa. Bildung und Information spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, ebenso wie Dialog und Auseinandersetzung auf und zwischen allen Ebenen.

Wir alle sind aufgerufen, uns im Rahmen unserer jeweiligen Möglichkeiten für Europa zu engagieren.

Wünschenswert wären entsprechende Persönlichkeiten, die als Vorbilder für ein engagiertes und verantwortliches Handeln dienen könnten. Auch wenn in Europa und in der EU aufgrund der Gleichzeitigkeit verschiedener Krisen und sehr herausfordernder Szenarien nicht alles rund läuft, ist eine Rückbesinnung und Rückfall in nationale Kategorien keinesfalls ein gangbarer Weg.

Auch wenn in Europa und in der EU aufgrund der Gleichzeitigkeit verschiedener Krisen und sehr herausfordernder Szenarien nicht alles rund läuft, ist eine Rückbesinnung und Rückfall in nationale Kategorien keinesfalls ein gangbarer Weg.

Als Kulturhauptstadt 2024 wollen sich Regionen wie das Salzkammergut oder der Rheintalraum bewerben. Ist das – Stichwort Europa der Regionen – eine wünschenswerte Entwicklung?

In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass die Ausrichtung einer Kulturhauptstadt mit großen planerischen Anstrengungen sowie finanziellen und personellen Aufwendungen verbunden ist. Ein ganzjähriges Kulturprogramm zu gestalten und umzusetzen ist eine überaus anspruchsvolle Aufgabe. Einige Städte, insbesondere kleinere, ziehen es aufgrund beschränkter Kapazitäten daher vor, Kräfte und Ressourcen zu bündeln und sich gemeinsam den Herausforderungen und Chancen dieser Aktion zu stellen. Diese gemeinsame Vorgehensweise von Regionen erfolgt auch mit dem Ziel, und dies ist sowohl zu befürworten als auch wünschenswert, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklungspotentiale miteinander besser auszuschöpfen und die Region insgesamt zu stärken. Durch die Bildung neuer Partnerschaften und Netzwerke in der Region lassen sich die Ausstrahlungswirkungen erhöhen und die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit gewinnen.

Kulturpolitik wird immer noch zum Großteil als Hoheit der Mitgliedstaaten gesehen. Wird sich in absehbarer Zeit etwas daran ändern? Braucht es neben einer Sozialunion nicht auch eine Kulturunion, wenn Europa ernsthaft zusammenwachsen soll?

Wie bereits oben ausgeführt, ist die Förderung und Wahrung der Vielfalt der KulturEN in Europa ein konstitutives Element der EU-Verträge. Die Idee, Europa als eine Kulturnation zu entwickeln ist weder mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar noch hätte dieses Ansinnen die geringste Chance auf Unterstützung bei den Mitgliedstaaten. Wir alle müssen uns jedoch engagieren und insbesondere die Finanzverantwortlichen als Partner und Verbündete gewinnen, damit die Kulturkompetenz auf europäischer Ebene auch künftig nicht nur erhalten bleibt, sondern sich möglichst visionär weiterentwickeln kann. Dafür bedarf es auch eines eigenständigen, sichtbaren und wirkungsvollen Förderprogramms für die Kultur, das den Bedürfnissen, Besonderheiten und Herausforderungen der europäischen Kulturszene in einer möglichst umfassenden Form gerecht wird.

Die EU trägt meist nichts bis wenig zu den Budgets der Kulturhauptstädte bei. Wäre es nicht sinnvoll, mehr Mittel aus dem EU-Budget für die Kulturhauptstädte bereitzustellen?

Ich möchte betonen, dass generell für den Kulturbereich auf EU-Ebene sowie insbesondere auch für die Aktion Europäische Kulturhauptstadt mehr Mittel wünschenswert wären. Mit dem BREXIT geht der EU ein wichtiger Nettozahler verloren und die nun beginnenden Arbeiten und Überlegungen über einen künftigen mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020 geben nicht wirklich Anlass für Hoffnungen für Erhöhungen des EU-Kulturbudgets. Vielmehr sind Kürzungen vor diesem Hintergrund und der allgemeinen Stimmungslage zu befürchten. Auch wenn der finanzielle EU-Anteil insgesamt nur ein geringer ist, so entfaltet dieser eine beachtliche Hebelwirkung. Die Städte und das jeweilige Umfeld sowie die Landes- und Bundesebene werden durch EU-Förderungen angeregt, erhebliche Summen in die Kulturprogramme und damit verbundene sowie darüber hinausreichende Infrastrukturentwicklungen zu investieren.

Das Creative Europe Programm wird derzeit evaluiert. Die Interessenvertretungen wie auch die KUPF haben einige Kritikpunkte formuliert und mögliche Verbesserungen vorgeschlagen. Wie stehen die Chancen dafür, dass im laufenden Programm Adaptierungen vorgenommen werden? Beziehungsweise gibt es Chancen auf einen Ausbau des Programms in der darauf folgenden Förderperiode ab 2021?

Der Konsultationsprozess zur Evaluierung des Creative Europe Prozesses ist bereits seit einigen Monaten in vollem Gange und neigt sich allmählich dem Abschluss zu. Bis zum Jahresende sollen die Ergebnisse zu dieser Evaluierung vorliegen. Substantielle Adaptierungen, die eine Abänderung des Legislativvorschlages erforderlich machen, werden sich aufgrund eines damit langwierig verbundenen Verfahrensprozedere für die laufende Programmperiode zeitlich nicht mehr ausgehen. Kleinere Anpassungen könnten jedoch im jährlich zu erstellenden Arbeitsprogramm sehr wohl ihren Niederschlag finden. Die Ergebnisse und Vorschläge aus der Konsultation werden eine wichtige Grundlage für die Entwicklung und Ausrichtung der nächsten Programmperiode ab 2021 bilden. Bereits begonnen haben die Diskussionen und Überlegungen zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen, der die entscheidende Basis und Voraussetzung für alle EU-Förderprogramme bildet. Es gibt die berechtigte Sorge, dass aus Effizienzgründen kleinere Förderprogramme – wie eben auch das Creative Europe – in größere Fördertöpfe wie das Horizon 2020, COSME oder Erasmus+ eingebettet werden könnten. Um diese für den Kulturbereich nicht gewünschte Stoßrichtung und Entwicklung abzuwenden, wird sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten und ein neues, nicht ökonomisch orientiertes Narrativ, zu entwickeln sein.

Da muss sich was ändern, liebe EU

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #162 publiziert.

Warum das Creative Europe Förderprogramm für die kleinen Player immer weniger funktioniert – und was sich daher ändern muss

Als vor einigen Jahren bekannt wurde, dass die EU-Kommission das damalige „Culture Europe“-Förderprogramm umstellen will, war die Aufregung groß. Maßgebliche Eckpunkte der Reform war eine stärkere Ausrichtung auf wirtschaftliche Kriterien und den Kreativwirtschaftsbereich, die Öffnung des Programms für For-Profit-Organisationen und die Zusammenführung mit der Medienförderung unter einem Dach. Nun wurde das seit 2014 laufende, jetzt „Creative Europe“ genannte Förderprogramm auch unter Beteiligung der KUPF evaluiert.

Zahlen und Fakten aus den ersten drei Jahren des Creative Europe zeigen, dass die von vielen gefürchtete Plünderung des Kulturförderprogramms durch For-Profit-Organisationen bis dato noch kaum eingetreten ist. Es sind weiterhin die Non-Profit-Organisationen, die den Großteil der Förderzuschläge bekommen. Diese – für unseren Sektor positive – Nachricht wird aber von anderen Kennzahlen und negativen Entwicklungen überschattet.

Die wohl wichtigste Zahl ist die Erfolgsrate der Einreichungen. Lag diese im Schnitt über die letzte, siebenjährige Culture Europe-Periode in Österreich noch bei etwa 30 %, so liegt sie seit der Umstellung auf Creative Europe nur noch bei rund 13 %, knapp hinter dem europaweiten Schnitt von 16 %. Dennoch ist Österreich im Europavergleich immer noch erfolgreich und kann sich in etwa das Doppelte der Summe an Förderungen zurückholen, die es einzahlt.

Die Ursache für dieses radikale Sinken der Erfolgsrate lässt sich im Wesentlichen auf zwei Punkte zurückführen: Erstens nehmen bei gleichbleibender Finanzierung mehr Länder am Programm teil (38 statt früher 31), damit steigt die Konkurrenz. Und zweitens gab es eine massive Verschiebung weg von den sogenannten kleinen Projekten (bis 200.000 € Zuschuss) hin zu den großen Projekten (bis 2 Mio. € Zuschuss). Die Förderung kleiner Projekte sank von 6 auf 2 pro Jahr, die der großen stieg dafür von 0,7 auf 1,3. Weiters hat sich auch das Verhältnis zwischen jenen Projekten, bei denen die Projektleitung in Österreich lag und jenen, bei denen Österreich nur Partner war, von 1:4 auf 1:1,5 verschoben.

Diese Verschiebung hat dazu geführt, dass es für den Großteil der österreichischen Kulturinitiativen heute kaum mehr attraktiv ist, eine Einreichung vorzubereiten. Der berühmt-berüchtigte Aufwand für eine EU-Einreichung steht für viele in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu dem Ablehnungsrisiko und den zu holenden Mitteln. Dies wird dadurch verschärft, dass die nationale Kofinanzierung in den aktuellen Sparzeiten noch schwieriger und unsicherer geworden ist. Dazu kommen häufig genannte Beschwerden über die Qualität der EU-Jurys, die teilweise offenkundig keine passende fachliche Qualifikation vorweisen können, und deren Bestellungsprozedere sogar für den nationalen Creative Europe Desk intransparent ist. Oder der Umstand, dass es in den letzten beiden Jahren auch zu teils großen organisatorischen Problemen im Ausschreibungsprozess gekommen ist.

Kein Wunder, dass das Image des Creative Europe-Förderprogramms massiven Schaden genommen hat – was nun aber auch auf EU-Ebene erkannt wurde. Die Evaluierung wird daher wohl sowohl zu Änderungen im laufenden Programm führen als auch die Weichen für ein besseres Nachfolgeprogramm stellen. Die KUPF hat folgende Verbesserungsmaßnahmen im Evaluierungsprozess eingebracht:

Kurzfristig braucht es eine stärkere Fokussierung der Bewertung auf inhaltliche statt auf wirtschaftliche Kriterien. Auch muss die Antragstellung und Abwicklung der Kleinprojekte vereinfacht sowie eine neue Projektkategorie „Kleinstprojekte“ (bis 80.000 €) mit stark reduziertem Einreichungs- und Abwicklungsaufwand eingeführt werden. Generell sollten mehr Kleinprojekten statt wenigen Großprojekten gefördert werden. Mehr Vielfalt muss das Ziel sein. Weiters sollte es möglich sein, bei geringen Summen statt der derzeitigen aufwendigen Einzelbelegsabrechnung die Möglichkeit der Pauschalisierung und Prokopfkennzahlenrechnung zu schaffen.

Bei den Großprojekten wäre die Einführung eines zweistufigen Verfahrens sinnvoll (erste Stufe: nur inhaltliches Konzept; zweite Stufe: aktuelles umfangreiches Konzept) sowie die Möglichkeit einer Abrechnung der Konzeptionskosten bei zugesagten Projekten und eine Abschlagszahlung bei negativer Bewertung großer Projekte in der zweiten Stufe. Sehr wichtig ist aus der Praxis auch eine Zahlung der letzten Förderrate bei Projektende, nicht erst nach erfolgter Abrechnung. Auch gilt es dringend festzustellen, dass die fachliche Kompetenz der Juroren und Evaluatoren zwingend gegeben sein muss.

Langfristige, besonders mit Hinblick auf die nächste Periode 2021-2027 braucht es eine Erhöhung des Gesamtvolumens des Creative Europe-Programms. Auch ist eine Abspaltung der Kreativwirtschaftsförderung in ein eigenes Programm unter der Bedingung zu prüfen, dass dieses eigene Gelder erhält und nicht Mittel des Creative Europe-Programms absaugt.

Wir sind gespannt auf die Ergebnisse der Evaluierung, Verbesserungsbedarf gibt es zur Genüge.

Sicherheit geht vor

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #160 publiziert.

Angesichts der schwierigen politischen Rahmenbedingungen und der ungewissen näheren Zukunft herrscht Verunsicherung in Oberösterreichs zeitgenössischem Kultursektor. Seit Jahren stagnieren die für diesen Bereich gewidmeten Budgets, die in OÖ mächtige Industriellenvereinigung und die erstarkte FPÖ haben wiederholt eine Reduktion der Kulturförderung gefordert. Die Zahl der gestaltungswilligen KulturpolitikerInnen ist überschaubar, Verständnis für das gesellschaftsverändernde Potential von Kunst und Kultur ist abseits der Freiheitlichen rar. Kulturkampf all over again.

Um in dieser Auseinandersetzung zu bestehen, braucht es eine starke Kulturszene und die passende politische Strategie. Um den Sektor zu stärken, schlägt die KUPF der oberösterreichischen Politik daher vor, analog zum Konjunkturpaket ein Absicherungspaket für die Freie Szene zu schnüren. Es braucht Schwerpunktsetzungen für junge Initiativen, für migrantische Kulturarbeit und solche, die die Einbindung von Frauen in Kulturproduktion & -rezeption fördert. Weiters braucht es Investitionen in bestehende Strukturen: Initiativen, Kulturzentren und die freien Medien müssen durch Subventionsanpassungen und Investitionszuschüsse abgesichert werden.

Pflicht & Kür

Die KUPF hat wiederholt darauf hingewiesen, dass ein steigender Anteil des Kulturbudgets für Pflichtausgaben für die öffentlichen Institutionen gebunden ist. Lag dieser Anteil im Jahr 2001 noch bei 82,5 %, so lag er in den letzten Jahren konstant zwischen 88 % und 90 %, im vorliegenden Voranschlag sogar bei 91,3 %. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Spielraum für Ermessensausgaben und Investitionen in anderen Bereichen stetig gesunken ist. Im Hinblick auf die laufende Legislaturperiode hat aus Sicht der KUPF eine Umkehr dieses Trends höchste Priorität: Bestehendes abzusichern und Neues zu fördern muss möglich sein.

It’s the inflation, stupid

Diese Forderung durchzusetzen wird nicht leicht. Denn die Landesregierung hat beschlossen, ab 2018 die Ermessensausgaben maximal im Ausmaß der Inflationsrate zu erhöhen. Im Bereich der Zeitkultur muss hierfür aber die historische Entwicklung betrachtet werden: Die Entwicklung des Zeitkulturbudgets hinkt in absoluten Zahlen sowohl dem Gesamtkulturbudget als auch der allgemeinen Teuerung hinterher. Seit dem Jahr 2001 hat sich bei Einbeziehung der Inflationsrate eine Lücke von bis zu 19 Prozentpunkten für die Zeitkultur aufgetan. Ausgehend vom aktuellen Voranschlag muss eine zukünftige Berechnungsgrundlage daher von Haus aus deutlich über dem derzeitigen Budgetansatz liegen, um überhaupt den bisherigen Inflationsverlust auszugleichen.

Kulturinitiativen unter Druck

Dass diese Geldentwertung reale Auswirkungen hat, wird auch in den Finanzzahlen unserer Mitglieder sichtbar: In den letzten vier Jahren lag die Zahl jener Kulturinitiativen, deren Ausgaben ihre Einnahmen übersteigen, konstant zwischen 35 % und 40 %. Alleine im Jahr 2015 haben 24 Mitglieder der KUPF ein negatives Gesamtergebnis von € 144.912 gemeldet, im Schnitt also € 6.038 pro Initiative. Rechnet man diesen Abgang auf alle Mitglieder der KUPF hoch, so ergibt sich ein Fehlbetrag in Höhe von € 320.000. Solche Abgänge können in der Regel nur durch Rücklagenauflösungen, Vorgriffe oder Kreditaufnahmen ausgeglichen werden, was die prekäre Lage der Kulturinitiativen weiter verschärft.

Wo ein Wille?

Gute Argumente gibt es also genügend – fehlt nur noch der politische Wille. Es liegt derzeit maßgeblich an Kulturreferent und Landeshauptmann Dr. Pühringer, ob er den existierenden Budget-Spielraum nutzt, um sein kulturpolitisches Lebenswerk abzusichern. Denn auch wenn es laut seiner Aussage fix ist, dass die Kultur bei der ÖVP bleibt („Verlassen Sie sich auf mich!“), so ist noch offen, wer der möglichen NachfolgerInnen die Kulturagenden übernehmen wird. Und damit auch, wie die Parteilinie dem zeitgenössischen Kultursektor gegenüber zukünftig aussehen wird.
Die KUPF wird für euch dran bleiben und sich in den kommenden Jahren verstärkt der politischen Willensbildung und dem Aufbau strategischer Allianzen in allen Richtungen widmen. Euch, liebe LeserInnen, haben wir dabei hoffentlich schon auf unserer Seite.