Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #163 und in abgewandelter Form in der Zeitschrift gift, Ausgabe 03/2018, der IG Freie Theaterarbeit publiziert.
Oberösterreich ist ein stolzes Bundesland, das sich selbst gerne in der Vorreiterrolle sieht. Nach zwei Jahren einer schwarz-blauen Koalition taugt es vielleicht auch in politischer Hinsicht als Menetekel. Eine Deutungssuche, was da noch kommen wird.
Die erste Plakatwelle des neuen Landeshauptmanns Stelzer kündigte im April eine «Neue Zeit» an. Und diese ist nun auch auf Bundesebene gekommen: «Zeit für Neues» lautet der Slogan, mit dem Sebastian Kurz in die Wahlschlacht zieht, aus der er am Schluss als neuer Bundeskanzler hervorgehen möchte. Ob ihm das gelingt, und wenn ja, in welche Koalition er seine Partei führt, ist offen. Ein schwarz-blaues Revival ist möglich.
Was bedeutet eine solche Koalition also kulturpolitisch? Die erste Bilanz nach zwei Jahren Schwarz-Blau in Oberösterreich fällt nicht positiv, aber auch nicht so negativ aus, wie viele befürchtet haben. Ja, die Förderungen für die Freie Szene wurden abermals weniger, und ja, die Budgets der großen Institutionen sind gestiegen. Aber beide Entwicklungen stehen in einer Kontinuität, die die KUPF seit etwa 8 Jahren beobachtet und kritisiert.
Nun scheint sich aber die Lage zu verschärfen: Das jahrelange Trommeln der FPÖ und der oberösterreichischen Industrie für radikalere Kürzungen im Kulturbereich ist nach dem Abgang Pühringers nun auch in der ÖVP auf offene Ohren gestoßen. Laut einem Bericht der OÖN sollen im Kulturbereich 10 % eingespart werden. In absoluten Zahlen wären das 19 Millionen €. Dabei soll die heilige Kuh des Landesmusikschulwerks (LMS) von Kürzungen verschont werden, mutmaßlich die letzte kulturpolitische Bürgschaft Pühringers. Da das LMS aber fast die Hälfte des Budgets beansprucht, heißt das im Extremfall, dass im restlichen Budget knapp 20 % gesperrt werden müssen. Zahlen, denen Stelzer aber später im Landtag auf eine entsprechende Frage des grünen Kultursprechers Severin Mayr widerspricht: «Einen derartigen Plan habe ich nicht.» Sehr wohl wird es aber laut Stelzer Einsparungen geben. Wen es in welchem Umfang trifft, bleibt vorerst offen.
Erste Reformpläne wurden im institutionellen Bereich publik: Der Linzer Bürgermeister und der Landeshauptmann möchten die lange diskutierte Zusammenlegung der Stadt und der Landeseinrichtungen zumindest stückweise umsetzen. Teile der Sammlung der Landesgalerie sollen den Museen der Stadt Linz übertragen werden, der Rest wandert in das Landesmuseum. Das bestehende Biologiezentrum soll in das nun leere Gebäude in der Lederergasse ziehen. Danach kann das alte Gebäude am Stadtrand abgestoßen werden, zumindest ein kleiner Spareffekt. Weiters sollen Synergien im Bereich der Verwaltung und Marketing gehoben werden, und diese zentral im Kulturquartier gebündelt werden. Die ebenfalls oft diskutierten Fusionen im Musikbereich – Stichwort Brucknerhaus und Musiktheater – sind nun aber wieder vom Tisch. Wie das alles konkret aussieht, ist noch offen, die zuständigen Beamten haben eben erst den Auftrag bekommen, diese politischen Vorhaben auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen.
Weitere Einsparmöglichkeiten liegen auf der Hand: Oberösterreich wird wohl auch ohne die sündteuren Landesausstellungen auskommen; im Denkmalbereich werden sicher die Kircheneinrichtungen und Schlossbesitzer ohne Subventionen im sechsstelligen Bereich überleben. Es steht aber zu befürchten, dass – wie so oft – nicht dort gespart wird, wo es am sinnvollsten ist, sondern dort, wo am wenigsten Widerstand erwartet wird. Dass damit besonders die zeitgenössische Kunst und Kultur gefährdet ist, sollte uns motivieren, das schleunigst zu ändern.
Wie abstrus die Kürzungsdebatte ist, zeigt sich an einer anderen aktuellen Meldung: Das prognostizierte Wirtschaftswachstum wird heuer 0,55 Prozentpunkte höher ausfallen, als erwartet. Damit werden die Steuereinnahmen des Bundeslandes vermutlich um etwa 25 Millionen € höher ausfallen. Und damit deutlich über dem liegen, was im Kulturbereich eingespart werden soll.
Auf Bundesebene ist für ÖVP-Spitzenkandidaten Kurz Kulturpolitik bisher kaum ein Thema gewesen. Die Ansage, Förderungen kürzen zu müssen, ist allerdings ein fixer Bestandteil seiner Reden. Im Wahlprogramm findet sich wiederum einerseits ein Bekenntnis zu Österreich als Kulturland und der öffentlichen Kulturfinanzierung. Den regionalen Initiativen werden «flexiblere Förderinstrumente, die unbürokratisch unterstützen und eine schnellere Abwicklungen als heute ermöglichen» versprochen. Betont wird aber gleichzeitig die «Wichtigkeit des Abbaus von Doppelgleisigkeiten» – wo diese bestehen und was das bedeuten soll, bleibt im Unklaren.
Wer wissen möchte, wie sich eine mögliche schwarz-blaue Regierung auf Bundesebene kulturpolitisch auswirken wird, sollte in den nächsten Wochen Oberösterreich beobachten. Vielleicht wird unser Bundesland auch hier Vorreiter sein.