Kleines Erratum zum OÖN Artikel zum Kulturtalk im Kunstraum Goethestraße

Letzte Woche fand im Kunstraum Goethestraße xtd auf Einladung der regionalen Tageszeitung OÖN eine Diskussion mit dem Linzer Kulturreferenten Bernhard Baier statt. Thema: Die freie Szene. Auslöser war die Ankündigung, die sogenannten Ermessensausgaben der verschiedenen Ressort im laufenden Jahr um 10% zu kürzen. Das hat auch den Kulturbereich getroffen, und dabei vor allem die freie Szene, die ihre Mittel aus diesem Budgetbereich bekommt. Die Folge war eine starke Proteststimmung, unter anderem hat sich der Linzer Stadtkulturbeirat gegen die Kürzung ausgesprochen.

Da die Kürzung innerhalb weniger Wochen ohne großer öffentlicher Diskussion und ohne Einbindung der Betroffenen durchgedrückt wurde, gab es ein großes Interesse der freien Szene, welche konkreten Schritte der ÖVP Kulturreferent Bernhard Baier nun ankündigt. Denn sowohl er als auch die Linzer SPÖ haben betont, dass sie nicht möchten, dass die Kürzung zu Einbußen der freien Szene führt. Da das Ermessens-Budget dennoch gekürzt wurde, muss nun entweder aus anderen Bereichen umgeschichtet werden, die Förderung von Nicht-Freie Szene Initiativen gekürzt werden oder neue Finanzierungquellen erschlossen werden um dieses Versprechen einzuhalten.

Kulturtalk Kunstraum Thomas Diesenreiter

Wie man sieht, ein komplexes Thema. Daher ist es schade, dass die Nachberichterstattung der OÖN (mit Video) einige Punkte entweder ungenau oder falsch dargestellt haben, was ich nun einerseits zurechtrücken und andererseits mit Hintergründen ausführen möchte.

Erstens

Die OÖN machen mich zum Wutbürger:

Diesenreiter ärgert auch, dass das Lentos „zwei Drittel des Betriebs durch eine Spende der Linz AG finanziert.“

Nein, das ärgert mich gar nicht. Im Gegenteil habe ich bei meiner Wortmeldung besonders betont, dass das ein großartiges Engagement der Linz AG und natürlich für das Lentos selbst ebenso positiv ist. Der Hintergrund dieser Konstruktion ist übrigens, dass die Spende der Linz AG steuerlich begünstigt ist und es so daher wirtschaftlich für die Stadt günstiger kommt, als wenn die Dividende an die Stadt auszahlt wird und diese dann den selben Betrag dem Lentos zuweist. Aber wie dann im Artikel richtig vermerkt wird, sind solche Deals für die freie Szene ohne das politische Backing eines Stadtbetriebs viel schwerer zu haben, bzw. eigentlich unmöglich. Hier sei auch auf die Wortspende von servus.at Geschäftsführerin Ushi Reiter verwiesen, die erzählte, dass sie bei einer Subvention der Stadt in Höhe von 16.000 € ganze 7.400 € an die Linz AG für Infrastruktur zahlen müssen. Was in Bezug auf die Linz AG leider im Artikel fehlt, war mein Vorschlag, dass diese analog der Lentos Konstruktion einen mit einer Million Euro dotierten Betrag für Spenden an die freie Szene im Budget zur Seite stellt. Dieser könnte in Kooperation mit dem Büro Linz Kultur, dem Kulturreferenten und dem Stadtkulturbeirat und externen ExpertInnen an Initiativen der freie Szene vergeben werden. Letztes Jahr hatte die Linz AG übrigens einen Jahresgewinn von 18 Millionen Euro.

Was mich wirklich ärgert, ist vielmehr, dass durch die ungerechte finanzielle Behandlung durch das Land Oberösterreich der Handlungsspielraum der Stadt Linz immer weiter eingeengt wird. Es braucht aber sowohl auf Landes- als auch auf Stadtebene eine fundamentale Neuausrichtung der gesellschafts- und kulturpolitischen Schwerpunktsetzung und die dementsprechenden Mittelzuweisungen.

Zweitens

Im Artikel wird auch meine andere Frage an Bernhard Baier aufgegriffen, ob er die Förderpraxis seines Vorgängers Erich Watzls beibehalten wird. Ich hab dabei fünf Beispiele aus dem Jahr 2012 genannt: Eine Förderung in Höhe von 3.200 € an die Ursulinenkirche, 2.700 € an die evangelische Pfarrgemeinde, 7.500 € an die Jesuitenresidenz Alter Dom, 5.000 € an die Bischof-Rudiger-Stiftung und zu guter Letzt 5.000 € an das Landesgericht Linz. Dass die OÖN im Bericht just die kirchlichen Beispiele ausgelassen haben, hat wohl etwas mit der konservativen Blattlinie zu tun. Die Antwort des Kulturreferenten war zwar etwas ausweichend, aber nicht überraschend: Wichtig sei die Qualität des Projekts, der Linzbezug und der Sitz in Linz.

Meine Frage hat jedenfalls sehr neutral auf eine generelle inhaltliche Qualitätssicherung in der Förderung abgezielt, in Bezug auf die folgende Maßnahme im Kapitel „Freie Kunst- und Kulturszene fördern“ im 2013 beschlossen Linzer Kulturentwicklungsplan:

Linz Kultur erstellt in Abstimmung mit der freien Kunst- und Kulturszene und den Schwerpunktsetzungen des Kulturentwicklungsplans entsprechend einen leicht verständlichen Kriterienkatalog zur Bewertung der Qualität von Projekt- und Fördereinreichungen.

Einen solche Kriterienkatalog gibt es bis dato noch nicht. Hätte es diesen zu Zeiten des ÖVP Kulturrefernten Erich Watzls schon gegeben, wäre es wohl leichter gewesen, die Validität mancher Zuwendungen der Stadt in Frage zu stellen. Denn idealerweise sollte einem solchen Kriterienkatalog ein progressives Verständnis von zeitgenössischem Kunst- und Kulturschaffen zu Grunde liegen. Und dann würde es spannend werden, wie bei Anträgen von Initiativen der Kirche oder des Heimatverbands, der Trachtenvereine oder dem Dragonerregiment mit seinem demokratiefeindlichen Sehnen nach einer Rückkehr der Monarchie entschieden wird.

Die Förderung für das Landesgericht betraf im Übrigen eine Ausstellung über den Prozess von Adolf Eichmann, was eine sehr zu begrüßende Initiative war, deren Förderwürdigkeit ich nicht in Frage stellen will. Wie gesagt ging es mir lediglich darum, die Position des neuen Kulturreferenten zu erfahren.

Drittens

Ich bin nicht Obmann, sondern Vorsitzender des Linzer Stadtkulturbeirates. Dieser ist kein Verein, sondern wurde auf Vorschlag des Kulturausschusses des Gemeinderates ins Leben gerufen.

Fazit

Ausgelöst durch die jüngsten Kürzungen ist eine gewisse Dynamik in den lokalen kulturpolitischen Diskurs gekommen, was prinzipiell zu begrüßen ist. Von allen Seiten hört man Bekenntnisse zur freien Szene, erste Lösungsansätze wie eine biennale Austragung des LinzFestes werden ernsthaft diskutiert. Auch die Linzer SPÖ ist aufgewacht und hat erkannt, dass sie den Kulturbereich als wichtiges gesellschaftspolitisches Handlungsfeld nicht der ÖVP alleine überlassen sollte. Für die nächsten Wochen hat die SPÖ Linz eine Podiumsdiskussion mit hohen EntscheidungsträgerInnen angekündigt, am 27. Mai hat die GfK sogar den neuen Kulturminister Josef Ostermayer nach Linz eingeladen.

Es bleibt also spannend.

Spar doch nicht im Kulturbereich, Linz!

Etwas komisch ist das schon. Tritt etwas ein, was man seit langem erwartet hat und wogegen man versucht hat anzuarbeiten, ertappt man sich selbst in einer gewissen Lethargie. So, als möchte man sich sparen, sich als Kassandra zu fühlen, also als ProphetIn eines unausweichlichen Ereignis.

So geht es mir angesichts der geplanten 10% Kürzung der Ermessensausgaben der Stadt Linz. Denn diese droht im Kulturbereich im Besonderen die freie Kunst- und Kulturszene zu treffen. Um genau das abzuwenden, wurde in den letzten Jahren einiges an Zeit und Energie der vielen engagierten Menschen der Kulturszene aufgebracht. Es gab Offene Briefe, kreative Protest, kreative Protestveranstaltungen, unzählige Termine mit PolitkerInnen und wohl am wichtigsten: Eine breite Partizipation bei der Erstellung eines neuen Kulturentwicklungsplans durch die freie Kunst- und Kulturszene. Eines der für mich wichtigsten Ergebnisse war die Verankerung der folgenden beiden Maßnahmen:

  • Die Stadt Linz erhöht schrittweise das Budget von Linz Kultur zur Förderung der freien Kunst- und Kulturszene gemäß den im Kulturentwicklungsplan genannten Schwerpunktsetzungen.
  • Linz Kultur erstellt in Abstimmung mit der freien Kunst- und Kulturszene und den Schwerpunktsetzungen des Kulturentwicklungsplans entsprechend einen leicht verständlichen Kriterienkatalog zur Bewertung der Qualität von Projekt- und Fördereinreichungen.

Dieser neue Kulturentwicklungsplan wurde nach einem fast dreijährigen Prozess mit breiter Zustimmung aller Parteien im Jänner 2013 im Linzer Gemeinderat verabschiedet. Damals habe ich Hoffnung geschöpft, dass damit eine Trendwende in der Schwerpunktsetzung der Linzer Kulturpolitik eingeleitet werden kann. Doch ein gutes Jahr später soll nun das Kulturbudget im Ermessensbereich um 10% gekürzt werden. Dem ist im Jahr 2012 eine Kürzung der Budgets der Linzer Kulturinstitutionen (AEC, Lentos, Posthof, Brucknerhaus, etc) um ebenfalls 10% vorausgegangen.

Daraus könnte man nun ableiten, dass auch die Kürzung im freien Bereich gerechtfertig ist. Denn dass die Stadt angesichts der sehr begrenzten Möglichkeiten eigene Steuern zu erheben, gezwungen ist, ihr Budget ausgabenseitig zu sanieren, um wieder ausgeglichen budgetieren ist den meisten klar.

Allerdings kann man diese beiden Bereiche nicht vergleichen. Im Bereich der Institutionen werden (zum Glück) arbeitsrechtliche Standards beachtet. Die Angestellten haben Kollektivverträge, bekommen dadurch vernünftige, wenn auch nicht übermäßige Löhne und im Regelfall jährlich einen Inflationsausgleich. Durch diese vertragliche Verpflichtungen ist es klar, dass die Stadt die Budgets der eigenen Institutionen über die Jahre immer wieder angehoben hat.

Dem gegenüber sind die Förderungen der freien Kunst- und Kulturszene schon seit Jahren eingefroren. Von Inflationsausgleichen kann man in diesem Bereich leider nur träumen. Viele Beschäftige im freien Bereich müssen nebenbei andere Jobs annehmen, um ihre eigenen Betriebe aufrecht zu erhalten. Viele sind für 20 oder 30 Stunden angestellt, arbeiten aber regelmäßig 40-50 Stunden. Die prekären Lebensumstände der KulturarbeiterInnen sind seit vielen Jahren Thema der Interessensvertretungen wie der IG Kultur oder KUPF OÖ (siehe fairpay). Doch nicht mal diese selbst können sich an ihre eigenen Lohnempfehlungen halten und müssen ihre Angestellten schlechter als gefordert entlohnen.

Egal wo man hinsieht, überall fehlt im Kulturbereich das Geld. Im Übrigen ist auch der institutionelle Bereich teilweise ausgehungert und kann seinen Aufgaben eher schlecht als recht nachkommen (man denke beispielsweise an die Budgets für Kunstankäufe).

Daher hat sich nun der Linzer Stadtkulturbeirat in einem offenen Brief gegen weitere Kürzungen des Linzer Kulturbudgets ausgesprochen:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte StadträtInnen,
sehr geehrte GemeinderätInnen,

laut Medienberichten wird als Teil des Sparkurses der Stadt Linz eine Kürzung der freiwilligen Ermessensausgaben von 10% erwogen. Wie sie sicher wissen, betrifft diese Kürzung besonders den Kulturbereich und darin fast ausschließlich die freie Szene, die im Schnitt 75-80% der freiwilligen Subventionen erhält. Für 2014 ist damit eine Kürzung von 90.000 € angekündigt, 2015 ist zu befürchten, dass der Betrag auf bis zu 200.000 € steigen wird.

Es ist kaum auszudenken, welche Konsequenzen dieser Schritt auf das kulturelle Leben unserer Stadt haben wird. Viele Vereine sind schon heute am Rand des finanziellen Ruins, die meisten Initiativen werden durch Selbstausbeutung, Ehrenamt und unter höchst prekären Arbeitsumständen erhalten. Die 3-Jahres-Basisförderungen wurden beispielsweise seit mehr als 10 Jahren nicht mehr erhöht, was einer Inflations-Entwertung von mehr als einem Viertel entspricht. Eine weitere Kürzung von 10% werden viele Organisationen, aber auch viele engagierte Menschen in der freien Kunst- und Kulturszene nicht mehr verkraften.

Dieses Vorhaben steht damit im krassen Widerspruch zum neuen Kulturentwicklungsplan, der Anfang 2013 nach einem langen zivilgesellschaftlichen Beteiligungsprozess und mit breiter, politischer Unterstützung im Gemeinderat beschlossen wurde. Im Kapitel „Potentiale Fördern“ wurde als zentrale Maßnahme verankert, die finanzielle Ausstattung der freien Szene schrittweise zu erhöhen. Dass der erste Schritt nun in die genau falsche Richtung geht, ist absurd und kann nicht hingenommen werden.

Die freie Kunst- und Kulturszene leistet einen wichtigen Beitrag für den gesellschaftlichen Diskurs, die Beteiligung von Minderheiten an politischen Prozessen und ganz allgemein für die Qualität der Lebensstadt Linz. Ein abwechslungsreiches kulturelles Leben ist laut zahlreichen Studien eines der wichtigsten weichen Kriterien für die Lebensqualität einer Stadt und damit auch für die Entwicklung dieser unabdingbar. Eine Kürzung der freien Szene würde zwangsläufig zu einer Ausdünnung des Angebots und der kulturellen Diversität führen und damit das mühsam aufgebaute Image der Kulturstadt Linz zerstören.

Die Streichung der Kulturförderung ist aber auch eine soziale Frage. Eine so radikale Kürzung wird zwangsläufig zu einer weiteren Verschärfung der Arbeitsbedingungen im Kulturbereich und damit zu einer weiteren Verarmung der AkteurInnen führen. Und diese sind, wie wir seit dem 2008 präsentierten Bericht zur sozialen Lage der österreichischen KünstlerInnen durch das BMUKK wissen, schon jetzt zu 37% armutsgefährdet.

Der Stadtkulturbeirat Linz als offizielles Beratungsgremium der Linzer Politik spricht sich hiermit entschieden gegen eine Kürzung des Kulturbudgets im Bereich der Ermessensausgaben aus. Es muss bessere Lösungen geben als diese.

Mit den besten Grüßen,
Thomas Diesenreiter für die Mitglieder des Stadtkulturbeirats Linz
Linz, am 6.4.2014

Der offene Brief als Download

Der offene Brief als Download

Mittlerweile gab es auch einige Reaktionen. So haben sich die Grünen und ihr Kultursprecher Severin Mayr der Position des SKB angeschlossen:

Vielen Dank für die Übermittlung des ​offenen Briefes zu den geplanten Kürzungen im Kulturbereich, dessen Inhalt wir Grüne vollinhaltlich unterstützen.

Seit vielen Jahren fordern wir eine Erhöhung der Mittel der Freien Szene, ebenso lange wird uns mitgeteilt, dass das aus budgetären Gründen nicht möglich sei und eine nominelle Stagnation als Erfolg gesehen werden sollte. Dass es nunmehr auch zu Kürzungen im Bereich der freien Kulturförderungen – die ohnehin seit Jahren massiv unterdotiert sind – kommen soll, ist aus unserer Sicht nicht nur inakzeptabel, sondern widerspricht auch dem am 24. Jänner 2013 beschlossenen Kulturentwicklungsplan (KEP), der eine schrittweise Erhöhung des Budgets zur Förderung der freien Kunst- und Kulturszene gemäß den im KEP genannten Schwerpunktsetzungen vorsieht.

Die Linzer ÖVP hat sich nun generell gegen eine Kürzung aller Ermessensausgaben ausgesprochen. Die Linzer SPÖ wiederum meint, dass es in der Hand des Kulturreferenten liegt, wer im Kulturbereich die Kürzung zu spüren bekommt, die freie Szene also bei gutem Willen verschont werden kann. Beide spielen auch mit der Idee, das LinzFest in Zukunft nur noch biennal stattfinden zu lassen, was budgetär eine Einsparung in etwa der selben Höhe wäre.

Auch die Tageszeitung Österreich (leider kein Scan verfügbar) hat am Montag groß über das Thema berichtet, die Linzer Rundschau hat in der morgigen Ausgabe einen großen Bericht. Für Donnerstag haben auch die OÖN noch einen Bericht angekündigt, Radio FRO wird morgen in der Frozine darüber berichten. Weiters haben sich auch KUPF OÖ und Fiftitu mit Presseaussendungen zu den geplanten Kürzungen geäußert.

Der Diskurs ist also eröffnet, aber das Zeitfenster ist kurz. Denn schon am Donnerstag, den 10. April  soll die Kürzung im Linzer Gemeinderat durchgewunken werden, also wenige Wochen nachdem die Idee bei der Sparklausur der Stadtregierung am 18. Februar das erste Mal diskutiert wurde. Es bleibt zu hoffen, dass die Linzer Stadtregierung eine Lösung findet, die die freie Kunst- und Kulturszene weitgehend verschont. Denn ansonsten wird dieses Bild vielleicht doch Wirklichkeit, dass 2011 im Rahmen der Lightkultur-Proteste entstanden ist: Bands, die sich ihre Musikinstrumente nicht mehr leisten können.