Neue Zeit, neue Verteilung

Dieser Beitrag wurde ursprünglich im VÖKK Journal des Verbands österreichischer KunsthistorikerInnen, Ausgabe 01/2018, publiziert.

Seit gut zweieinhalb Jahren regiert im Land ob der Enns eine schwarz-blaue Koalition. Diese hat mit dem laufenden Budget erstmals empfindliche Einschnitte im Kultur- und Sozialbereich vorgenommen. Wohin steuert also ein Land unter schwarz-blau?

Die erste Plakatwelle des neuen oberösterreichischen Landeshauptmanns und Kulturreferenten Thomas Stelzer kündigte im vergangenen April eine “Neue Zeit” an. Und diese ist auch auf Bundesebene gekommen: “Zeit für Neues” lautete der Slogan, mit dem Sebastian Kurz in die Wahlschlacht zog und aus der er als Bundeskanzler hervorging. Was diese neuen Zeiten auf Bundesebene bedeuten, lässt sich aus dem Regierungsprogramm und ersten Reformvorschlägen erahnen. In Oberösterreich hingegen sind die neuen Zeiten schon Realität. Und bedeuten derzeit vor allem: Umverteilung. Dafür muss zuerst gekürzt, eingespart und gestrichen werden. Und zwar besonders bei den Familien (Nachmittagsbetreuung im Kindergarten, Mindestsicherung), Frauen (Beratungsstellen), MigrantInnen und Geflüchteten (Kürzung der Mindestsicherung, Streichung von Beratungsleistungen), BettlerInnen (Streichung der Winternotversorgung), Sozialleistungen und nicht zuletzt bei der Kultur.

Nutznießer – und auch Auslöser – der Umverteilungspolitik sind Wirtschaft und Industrie. Sie haben jahrelang für radikale Kürzungen im Kulturbereich lobbyiert und werden nun für ihre Mühen belohnt. Mit neuen Förderprogrammen für Skipisten, subventionierten Internetanschlüssen für Großkonzerne oder Anschaffungsprogrammen für Sicherheitssysteme. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Budgets wurden die Kürzungen im Kultur- und Sozialbudget auch konkret damit begründet, dass man nur so in die Zukunft des Bundeslandes investieren könne. Gehört Oberösterreichs Kultur nun der Vergangenheit an?

Die konkreten Änderungen der wichtigsten Budgetansätze im heurigen Budget der Landesregierung zeigen jedenfalls ein dramatisches Bild im Bereich der zeitgenössischen Kunst und Kultur: Musik -33%, Bildende Kunst -31%, Literatur -34%, Kunstpflege -20%, Filmförderung -28%, regionale Kulturinitiativen -10%. Auch die Volkskultur und die Blasmusik wurden um 28% gekürzt. Am wenigsten müssen die großen Institutionen zum Kürzungskurs des Landes beitragen: Sie erhalten meist nur zwischen 3% und 6% weniger. Und das Landesmusikschulwerk und die Landesausstellungen dürfen sich sogar über ein Plus von 1,5 Mio. € und 0,9 Mio. € freuen. Von der neuen Kulturpolitik sind also primär jene tausenden ehrenamtlichen Vereine und EinzelkünstlerInnen betroffen, die die Basis des Kulturland OÖ bilden. Solche radikalen Einschnitte gab es im Kultursektor zuletzt Anfang der 80er Jahre, der erfolgte Aufschrei war daher enorm. Mehr als 17.000 Menschen haben innerhalb weniger Wochen die Petition „Rettet das Kulturland OÖ!“ der Kulturplattform Oberösterreich gegen diesen Kulturkahlschlag unterschrieben – angesichts der knappen Ressourcen der Kulturszene ein Achtungserfolg. Genutzt hat es aber wenig: Kleineren Zugeständnissen zum Trotz wurde das Budget unverändert beschlossen, weitere Nachverhandlungen sind am laufen, runde Tische mit den Interessenvertretern fixiert.

Eine Datenanalyse der KUPF OÖ zeigt, dass mit dem vorliegenden Budget die Förderungen für zeitgenössische Kultur seit Beginn des Jahrtausends bereits ein Minus von 66% verzeichnen. Wie sich diese jüngste Kürzungswelle im Kulturbereich konkret auswirken wird, ist derzeit aber noch offen. Es wurden bisher schlicht kaum Förderanträge abgearbeitet, da sich auch die Bearbeitungszeit neuer Förderanträge massiv verlängert hat. Konnte man früher mit Antworten nach etwa 2-3 Monaten rechnen, hat sich die Bearbeitungsdauer wegen neuer interner Abläufe nun teils auf 6-12 Monate erhöht. Manche Förderanträge für Jahresprogramme großer Kulturinstitutionen der freien Szene wurden letztes Jahr erst im September bearbeitet. Selbst führende Festivals und Aushängeschilder des Kulturlands mussten ihre Veranstaltungen ohne klare Förderzusagen bestreiten. Die Folge: Eine massive Belastung der ehrenamtlichen Vereinsvorstände, die so nun auch noch das finanzielle Haftungsrisiko für ihr kulturelles Engagement tragen müssen. Wertschätzung sieht anders aus.

Auf Bundesebene ist Kulturpolitik bei der neuen Bundesregierung bisher kaum ein Thema gewesen. Die Ansage, Förderungen kürzen zu wollen, war allerdings ein fixer Bestandteil seiner Wahlreden. Im Wahlprogramm der ÖVP fand sich ein Bekenntnis zu Österreich als Kulturland und der öffentlichen Kulturfinanzierung. Den regionalen Initiativen wurden “flexiblere Förderinstrumente, die unbürokratisch unterstützen und eine schnellere Abwicklungen als heute ermöglichen” versprochen. Sieht man sich das neue Regierungsprogramm an, findet sich davon wenig. In der Förderpolitik will man „weg vom Gießkannenprinzip“ und „alle Förderungen ab 100.000 € evaluieren“. Auch diese Formulierung lädt zur Spekulation ein: Nur noch Spitzenförderung statt Breitenförderung?

Diesen Entwicklungen wird die KUPF weiterhin vehement entgegentreten. Die gesellschaftliche Relevanz von Kunst und Kultur wird und muss weiter ansteigen, die kulturelle Vielfalt des Landes muss erhalten werden. Die KUPF arbeitet daran, dass auch das Land OÖ und der neue Kulturreferent und Landeshauptmann Thomas Stelzer erkennen, was sie an ihrer Kulturszene haben. Und dass die Rahmenbedingungen im Kulturbereich nach Jahren des Rückschritts nun endlich wieder besser werden müssen. Es braucht Fortschritt, und das jetzt.

Wer die KUPF bei ihrem Engagement unterstützen will, kann dies entweder über eine einmalige Spende, oder besser noch, über ein Abo der KUPFzeitung tun. Mehr dazu unter www.kupf.at

Vier gute Gründe um morgen Österreich zu besetzen!

Einen Monat nach dem Beginn von Occupy Wall Street, der größten antikapitalistischen Initiative in der Geschichte der Vereinigten Staaten, hat die Protestwelle die ganze Welt erfasst. In mehr als 900 Städten in 80 Staaten sind für den morgigen Tag, den 15. Oktober 2011, Kundgebungen angesetzt, darunter auch sechs Städte Österreichs – mehr dazu auf der Facebook-Gruppe Occupy Austria.

Häufigster Kritikpunkt der politischen BeobachterInnen und der Medien an der Bewegung ist ihre unklare Zielsetzung. Allerdings zeugt dies mehr von dem Unwillen, sich konkret mit den Anliegen der Protestierenden auseinanderzusetzen. Denn sieht man sich die vielen bunten Schilder und Tafeln an, so erkennt man schnell viel Altbekanntes: Die Forderung nach mehr, und vor allem nach echter Demokratie. Das Ende des kapitalistischen Systems, eine Neuorientierung der Gesellschaft weg von ökonomischen, hin zu humanistischen Zielsetzungen. Und vor allem eine Neuverteilung des gesellschaftlichen Reichtums, die sich besonders in der klassenkämpferischen Ansage „We are the 99% – you are the 1%“ ausdrückt.

 

 

 

Doch warum soll das uns in Österreich überhaupt kümmern? Sind wir nicht noch immer eines der reichsten Länder der Welt? Haben wir nicht noch immer einen der besten Lebensstandards der Welt? Was spricht dafür, morgen an den Kundgebungen teilzunehmen? Versuchen wir dafür Gründe zu finden:

1. Aus Solidarität!

Österreich eines der lebenswertesten Länder der Welt, weil wir direkt und indirekt von der massiven Ungleichverteilung des weltweiten Reichtums profitieren. Unsere Banken-Konzerne sind weltweit engagiert, besonders die ehemaligen Ostblock-Ländern werden massiv von ihnen ausgebeutet. Unsere Kleidung, unsere technischen Spielereien wie Handys und MP3-Player werden zu Billigstlöhnen und teilweise von Kindern in Asien und in der dritten Welt gefertigt. Auch wer in Österreich nicht zu den Top-1% gehört, dank des kapitalistischen Systems ist jede/r von uns zumindest in den Top-5% der Welt.

Wir müssen nicht nur für eine Umverteilung zwischen den Reichen und Armen Österreichs kämpfen. Um glaubhalt zu bleiben müssen wir uns für eine globale Neuverteilung des Reichtums einsetzen!

Verteilung des weltweiten Reichtums

2. Um zu inspirieren!

Die größte Kraft schöpft das kapitalistische System aus seiner angeblichen Alternativlosigkeit. Seit es sich nach dem Niedergang der Sowjetunion als Sieger gekürt hat, hat der Kapitalismus einen gehörigen Zahn zugelegt, seine GegnerInnen an die Wand gedränkt und sich in jeden Bereich unseres Lebens vorgekämpft.

Doch es ist eine Lüge, dass es keine Alternative zu dem herrschenden System gibt. Unser gesellschaftliches System wurde von uns Menschen erdacht und erbaut, und kann von uns Menschen umgeworfen werden. Und nur, weil es noch keine allumfassende Antwort gibt, wie diese Alternative aussieht, so ist sie nicht in weiter Ferne. Immer mehr Menschen versuchen alternative Wege zu finden, unsere Gemeinschaft, unsere Gesellschaft mit demokratischen Mitteln zu organisieren. Die Puzzelsteine liegen vor uns, wir müssen nur damit anfangen, sie zusammen zu setzen! Widerstand gegen das System heißt zu zeigen, dass wir bereit sind, über Alternative nachzudenken und neue Wege zu gehen. Wir müssen jene Menschen inspirieren, die von den Angstparolen des Systems in die Lohnarbeit gedrängt werden, die aus Angst um ihr Leben, um ihre Familie jenes System unterstützen, dass sie ausbeutet. Wir müssen jene, welche den Lügen des Kapitalismus Glauben schenken, inspirieren, dass sich über die Hintergründe ihres Systems informieren. Wir müssen Alternativen vorzeigen, vorleben und die Menschen in unserem Umfeld mitnehmen auf den Kampf gegen den Kapitalismus, bevor er uns besiegt.

3. Um zu überleben!

Denn ob Erderwärmung, ob nukleare Katastrophen, ob Tankerunfälle: Wenn alles dem Streben nach Profit untergeordnet wird, so ist auch unsere Erde in Gefahr. Und da es nicht danach aussieht, als würde die Menschheit bald die Erde verlassen können um neue Sternensysteme zu besiedeln, müssen wir den Kapitalismus besiegen bevor er unsere Erde besiegt! Denn Katastrophen sind nicht unausweichlich. Klar, es gibt niemals hunderprozentige Sicherheit, aber der Großteil der menschlich ausgelösten Katastrophen war nicht unabwendbar sondern schlicht dem Sparen an der falschen Stelle geschuldet. Und dass im Kapitalismus meistens nicht jene für die Schäden bezahlen, die sie angerichtet haben, wissen wir spätestens seit Fukushima, Bhopal oder Deepwater!

Wer morgen gegen das Finanzsystem protestiert, kämpft damit auch für ein nachhaltig-orientieres Wirtschaftssystem, dass den Menschen und seine Umwelt vor die Interessen der Industrie und des Geldes stellt!

4. Aus Spaß an der Freude!

Protestmaßnahmen haben oft den Ruf, nicht der aufregendste Zeitvertreib zu sein. Doch das Protest lustvoll sein kann, haben nicht erst die Protest-Clowns bewiesen. Ob künstlerische Beiträge, kreatives Schildermalen, spontane Livekonzerte oder Memes, seid kreativ! Verkleidet euch, bastelt Flyer oder zeichnet Schilder mit euren Forderungen für eine bessere und gerechtere Welt!

Wir sehen uns morgen um 13:00 Uhr am Linzer Taubenmarkt!

Und für die Nicht-LinzerInnen:

09 Uhr Steyr Innenstadt
11 Uhr Graz Südtirolerplatz
11 Uhr Salzburg Nationalbank
12 Uhr Wien Heldenplatz
13 Uhr Linz Taubenmarkt
13 Uhr Innsbruck Annasäule
14 Uhr Graz Mariahilferplatz
15 Uhr Wien Westbahnhof
19 Uhr Salzburg Residenzplatz
19 Uhr Wien Ballhausplatz