Rettet das Salzamt!

Die Stadt Linz überlegt, das Atelierhaus Salzamt zu schließen. Ich halte das aus den folgenden Gründen für eine sehr schlechte Idee:

  1. Das Salzamt ist eine der wenigen öffentlichen Kultureinrichtungen in Linz, die zielgerichtet jungen KünstlerInnen die Chance gibt zu arbeiten und sich zu präsentieren. Viele der NutzerInnen sind AbsolventInnen der Kunstuniversität, die nach dem Abschluss im Salzamt in die professionelle Kunstwelt starten konnten.
  2. Mit seinen internationalen Austauschprogrammen eröffnet das Salzamt die lokale Kunst- und Kulturszene internationale Netzwerke. Diese Internationalität ist etwas, die von der Szene übrigens auch immer wieder gefordert wird.
  3. Die Schließung des Salzamts steht in krassem Widerspruch zum Linzer Kulturentwicklungsplan, der erst vor wenigen Jahren beschlossen wurde. Darin wird dem Salzamt an vielen Stellen eine strategische Rolle für die Umsetzung zugesprochen. Wie sollen die Vorhaben im Kulturentwicklungsplan dann umgesetzt werden? Entweder werden sie ganz fallen gelassen, oder die Projekte werden woanders umgesetzt, nur wäre dann ja wieder kein Spareffekt gegeben.
  4. Die Stadt Linz ist seit kurzem City of Media Arts, und das Salzamt ist eines der wenigen öffentlichen Institutionen, die sich mit Medienkunst beschäftigte. Es ist ja eh schön, dass wir die Valie Export mit dem Vorlassankauf ehren – aber wo sollen denn bitte die Valie Exports von morgen herkommen, wenn man die kulturelle Infrastruktur aufgibt?
    Salzamt. Foto CreArt. Red de Ciudades por la Creación Artística
  5. Man wirft damit sorglos ein jahrelang mühsam aufgebautes Projekt mit gutem Image weg. Holger Jagersberger und sein Team haben hier über viele Jahre sehr gute Arbeit geleistet, die auch im aktuellen Diskurs leider wenig Würdigung findet.
  6. Das Salzamt hat besonders auch Frauen ermöglicht, ihre künstlerische Karriere voranzubringen. Darauf hat die Stadt Linz im KEP stolz verwiesen – zu recht. Das ist in dem noch immer oft männderdominierten Feld ein wichtiger Faktor, der nicht vergessen werden sollte.
  7. Es wäre eine Geldverschwendung. Die Stadt Linz hat das Gebäude im Jahr 2005 für 650.000 € gekauft und dann bis 2009 für 4.000.000 € generalsaniert und für die jetztige Nutzung ausgestattet. Diese Investitionen nach so kurzer Zeit wieder aufzugeben ist ökonomisch fragwürdig.
  8. Der Zuschussbedarf des Salzamts liegt bei derzeit etwa 240.000 € pro Jahr, davon gehen aber auch nochmal 70.000 € als Miete an die stadteigene ILG. Es geht also um ein Einsparpotential von 170.000 € pro Jahr. Zur Erinnerung: Die Stadtwache Linz kostet uns heuer 1.400.000 € (Strafzettel und Miete könnte man noch gegenrechnen).

Fazit: Liebe Politik, bitte schließt das Salzamt nicht. Bitte reißt keine schwere Lücke in die eh schon angeschlagene Kulturstadt Linz.

PS: Die Schließung von Bibliotheken am Stadtrand halte ich aus bildungspolitischer Sicht übrigens für einen genauso großen Fehler.

salzamt-eroeffnung-geheime-dimension

Ergänzung: Mittlerweile hat sich ein breites Spektrum der Gesellschaft gegen die Schließung des Salzamts ausgesprochen. Eine Übersicht dazu findet ihr auf der Website der KUPF OÖ.

Rechnungskontrolle

Dieser Artikel ist ursprünglich in der KUPFzeitung #159 erschienen.

Die KUPF beobachtet, kommentiert und kritisiert seit ihrer Gründung die Verteilung öffentlicher Gelder im Kulturbereich. Thomas Diesenreiter hat sich diesmal das Zahlenwerk des Rechnungsabschlusses 2015 des Landes OÖ näher angesehen.

kupfzeitung-159Die zunehmende Transparenz des Staates ermöglicht neue Einblicke in die konkrete Verteilung der Subventionen, auch wenn viele wichtige Details in den dicken Förderberichten noch immer fehlen. Die jährliche Analyse des Rechnungsabschlusses und des Subventionsberichtes des Landes OÖ bringt dennoch interessante Tatsachen zu Tage. Beispielsweise, dass trotz eines angekündigten Sparkurses im gesamten Kulturbudget 8,7 Mio. € bzw. 5 % mehr als im Voranschlag- und Nachtragsbudget geplant ausgegeben wurden. Gleichzeitig wurden im Budgetansatz für Initiativen der Zeitkultur und regionale Kulturprojekte 173.000 € oder 7,1 % weniger ausgegeben als geplant. Dazu wird in der Fußnote auf die von der KUPF kritisierte „verbliebene Kreditsperre“ verwiesen, die „zu einer Einsparung führte“. Bei anderen Budgetposten wurde weniger sparsam gewirtschaftet: Das Landesmuseum lag 1,9 Mio. € über Plan (+ 14 %), das Landesmusikschulwerk 2,1 Mio. € (+ 2,8 %). Die Kosten für die Landessonderausstellung „Mensch&Pferd“ stiegen von 6,0 auf 6,8 Mio. € (+ 11,8 %).

Das Kulturbudget ist ein Ponyhof

Dazu passend ist im Förderbericht eine Subvention an den „Landesverband der Pferdezüchter OÖ“ in Höhe von 570.000 € ausgewiesen – aus dem Kulturbudget wohlgemerkt. Wofür dieses Kulturgeld verwendet wurde? Das kann ohne Einblick in die Unterlagen nicht zweifelsfrei gesagt werden. Recherchen führen aber zu einem Bericht der OÖNachrichten vom 12. März 2015, laut dem sich unter dem früheren Geschäftsführer und ehemaligen ÖVP Landtagsabgeordneten Wolfgang Schürrer ein Schuldenberg im Pferdezentrum angehäuft hatte. Dessen im Mai 2015 bestellter Nachfolger Karl Platzer kommentierte dazu in einem Interview in der Fachzeitschrift ProPferd: „Die Situation ist sehr ernst. Es ist aber Gottseidank in Zusammenarbeit mit der OÖ Landwirtschaftskammer, Hrn. LH Josef Pühringer und Hrn. LR Max Hiegelsberger gelungen, eine finanzielle Beteiligung zu erhalten, durch die wir einen Großteil der bestehenden Verbindlichkeiten, die sich in den letzten drei Jahren angehäuft haben, abdecken können.“ Wurde hier der Pferdezuchtverband mit Kulturgeldern entschuldet?

Konjunktur und Kirchen

Aus dem 100 Mio. € umfassenden Konjunkturpaket, das im Herbst 2015 vorgestellt wurde, gingen 5 Mio. € in den Kulturbereich. Laut dem Landesrechnungshof wurden diese „zur Gänze für investitionsfördernde Maßnahmen ausgegeben, und zwar 2,5 Mio. Euro für das Oö. Landesmusikschulwerk, 0,6 Mio. Euro für Restaurierungsmaßnahmen privater Rechtsträger, 0,2 Mio. Euro für das Oö. Blasmusikwesen, 1,3 Mio. Euro für langfristige Großprojekte und 0,4 Mio. Euro für sonstige Maßnahmen der Kulturpflege.“ Er kritisiert weiter, dass „es sich mitunter um Zahlungen für zugesagte Förderungen, die ohnehin aus dem Budget zu leisten gewesen wären, wie beispielsweise Ratenzahlungen zur Förderung von Musikprobenlokalen und Pfarrämtern“ handelt. Gerade die Pfarrämter und andere kirchliche Träger stechen dann auch aus dem Subventionsbericht hervor. Sieht man sich die einzelnen Posten an, summieren sich die Zahlungen an diese auf mehr als 3,5 Mio. €, alleine aus dem Kulturbudget. Diese Zahl ist indes eine Näherung, da der Subventionsbericht nur Zahlungen über 4.000 € ausweist. Fakt bleibt aber, dass die Kirchen 2015 damit mehr als halb soviel Kultursubventionen wie der gesamte Sektor der initiativen Kulturarbeit erhielten.

Open Castle

Spannend ist ebenfalls eine Förderung in Höhe von 250.000 € an Niklas Salm-Reifferscheidt. Dieser ist der Besitzer des Schlosses Steyregg und Sohn des früheren ÖVP Vize-Bürgermeisters*. Die Kulturförderung im Jahr 2015 war ein Beitrag zur Sanierung des Schlosses, da dieses von der „Eigentümerfamilie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“ wird, wie der Eigentümer im Internet selbst schreibt. Interessant ist nun, dass am 23. Juni 2016 in den OÖNachrichten angekündigt wurde, dass das Schloss für öffentliche Veranstaltungen gesperrt wird. Der Schlossbesitzer begründet dies damit, dass sich die kleinen Feste für ihn finanziell nicht rechnen würden. In der Kommentarsektion schiebt er die Schuld auf das Finanzamt: „Erst im vergangenen Jahr erhielten wir einen niedrigen 6stelligen Betrag. In der Zwischenzeit wurde das Schloss vom Finanzamt aber in die Liebhaberei eingestuft, was hohe Steuernachzahlungen mit sich brachte. Übrigens werden auch Förderungen vom Finanzamt als Einnahme gesehen und besteuert.“ Ob nun die gewährte Förderung für die öffentliche Zugänglichkeit zurückgezahlt werden muss, bleibt offen.

Fazit

Natürlich, alle diese einzelnen Subventionen und Ausgaben können für sich gesehen sinnhaft und gut begründet sein. Die Ausrede, dass aus Spargründen nicht mehr Gelder in das zeitgenössische Kulturschaffen investiert werden können, ist damit aber endgültig hinfällig geworden. Das Land OÖ schreibt in seinem Kulturleitbild, dass „der öffentliche Beitrag zur Kulturfinanzierung die unverzichtbare Basis für das bestehende und zukünftige kulturelle Angebot und Schaffen im Land“ ist. Das mutet angesichts dessen zynisch an, dass immer mehr Kulturvereine ins Minus schlittern, wie die Basisdatenerhebung der KUPF zeigt. Will man faire Kultursubventionen erhalten, sollte man in Oberösterreich halt ein Pferdeverband, Schlossbesitzer oder eine Kirche sein.

* Erratum: In der Printausgabe sowie in der ersten Onlineversion wurde aufgrund der Namensgleichheit angegeben, dass der junge Niklas Salm-Reifferscheidt selbst als ÖVP Bürgermeister angetreten ist. Dies war eine Verwechslung mit seinem namensgleichen Vater, wir bitten um Entschuldigung.

Stimmungsschwankungen

Dieser Artikel ist ursprünglich in der KUPFzeitung #158 erschienen.

Im Leitartikel beschäftigt sich der frische KUPF-Geschäftsführer Thomas Diesenreiter mit neuen Stimmen aus Ämtern der Bundesebene. Aber auch interessante Stimmungsschwankungen in Oö kommen ihm unter und – wie schon vor zwei Ausgaben an dieser Stelle – stimmt er zuversichtlich.

KUPFzeitung 158 CoverSelten war Österreichs Politik so spannend wie in den letzten Wochen. Nie zuvor gab es in der zweiten Republik eine Bundespräsidenten-Stichwahl ohne einen Kandidaten der beiden ehemaligen Großparteien. Die SPÖ hat nach diesem historischen Desaster ihren Reservekanzler Christian Kern in die erste Reihe geholt, dessen größter Verdienst zuvor die Sanierung der Staatsbahn war, vor allem die ihres Images. Seine ersten Statements und Personalentscheidungen legen den Schluss nahe, dass er eine ähnliche Strategie verfolgen wird wie bei den ÖBB: In seiner Antrittsrede im Parlament war einer seiner wesentlichen Eckpunkte das „Drehen der Stimmung“, eine pragmatische Anerkennung des Umstands, dass unser gesellschaftliches System heute mehr von Emotionen als von Fakten bestimmt wird. Sein Kalkül kann aufgehen: In der ersten Sonntagsfrage konnte seine Partei das erste Mal seit Jahren wieder signifikant zulegen, bei der Kanzlerfrage konnte er aus dem Stand heraus den ersten Platz erobern.

Dass es bei Urnengängen nicht nur auf die Stimmen, sondern auch auf die Stimmung ankommt, konnten wir bei der Stichwahl beobachten. Dass Faymann, innenpolitisches Hauptfeindbild der FPÖ, von der Bühne gestiegen ist, hat sie spürbar Momentum gekostet, der starke Antritt Kerns dann vielleicht sogar die Wahl. Mit dem knappen Ergebnis scheint sich ein Stimmungsbild zu bewahrheiten, das Österreichs Medien in den Wochen zuvor malten: das Bild einer Republik, die in eine linke und rechte Hälfte gespalten sei. Es ist anzunehmen, dass diese Behauptung wohl mehr der Steigerung der Auflagenzahlen dient, als dass sie eine Beschreibung der Realität darstellt. Denn Österreich hat mehr denn je eine hochkomplexe, vielschichtige und dynamische Gesellschaft, die mit einfachen Erzählmustern nur unzureichend beschreibbar ist. Das erhöht den Druck auf PolitikerInnen und macht Wahlergebnisse immer schwerer vorhersehbar. Spüren musste das beim zweiten Wahlgang auch die FPÖ Wels: Wo Rabl in der Stichwahl um das Bürgermeisteramt vor wenigen Monaten noch fast zwei Drittel der Stimmen erreichte, konnte die FPÖ für Hofer nur noch 48% der Stimmen holen.

Die Stimmung scheint sich auch an einer anderen Front zu drehen: Einer der Architekten der schwarz-blauen Regierung Oberösterreichs, ÖVP Wirtschaftslandesrat Michael Strugl, hat laut Life Radio erkannt, dass ein politischer Rechtsruck auch wirtschaftspolitische Konsequenzen haben kann: „Wenn Österreich den Eindruck erweckt, dass es ein fremdenfeindliches Land ist, könnte uns das Arbeitsplätze kosten“. Er habe mit Vorständen von mehreren großen, internationalen Unternehmen gesprochen: BMW, Lenzing, Steyr Motors und Rosenbauer. Sie alle werden immer öfter von Fachkräften im Ausland angesprochen, ob sie als Ausländer in Österreich überhaupt willkommen seien. Ob sie und ihre Familien hier noch gut leben könnten. „Österreich müsse achtgeben, dass es weiter weltoffen wirkt“, sagt Strugl weiter. Uns bleibt zu appellieren, dass die ÖVP Weltoffenheit nicht nur als Frage des Images, sondern als Leitlinie moderner Politik auf- und begreift.

„Wir werden eine andere Kultur brauchen“, hat der neue Bundespräsident Van der Bellen in seiner ersten Ansprache nach dem Wahlsieg erklärt. Er spielt damit auf den „New Deal“ an, den der neue Bundeskanzler Kern für Österreich schmieden möchte. Einen solchen „New Deal“ braucht es auch in der Kulturpolitik. Der neue Kulturminister und gebürtige Oberösterreicher, Thomas Drozda, gibt in einem Interview mit der APA durchaus Anlass zur Hoffnung. Auf die Frage, ob ihm Alternativ- und Subkultur ein Anliegen sind, antwortet er: „Ich werde mein Möglichstes tun, auch dafür eine adäquate Ressourcenausstattung sicherzustellen. Ich finde das als Sozialdemokrat relevant.“

Es scheint sich ein kleines Fenster aufzutun, im dem wir das Ruder in diesem Land noch einmal rumreissen können. Machen wir etwas daraus.

Mut zur Brücke

Kupfzeitung-156-Dezember-2015-CoverDieser Text erschien erstmals in der Dezember 2015-Ausgabe der KUPF-Zeitung der Kulturplattform Oberösterreich, und steht unter einer CC-BY-NC Lizenz.

Die Ergebnisse der Landtags- und Gemeinderatswahl in Oö geben zu denken. Hoffentlich. Denn die ersten Reaktionen quer durch die (nicht-blauen) Lager waren eher von Emotionen geprägt. Von Unverständnis beispielsweise: Wie kann man nur eine Partei wählen, die so offen fremdenfeindlich, frauenfeindlich und rückständig ist? Oder von Angst: Was bedeutet das jetzt für unsere Gesellschaft, und vor allem für die Schwächsten in ihr? Bleibt Oö lebenswert oder müssen wir einen Kahlschlag im Sozial- und Kulturbereich fürchten? Oder von Zorn: Zorn auf die Wähler*innen der FPÖ, denen von vielen pauschal unterstellt wurde, dass sie Idiot*innen und Nazis seien. Zorn auf SPÖ und Grüne, weil sie es trotz eines viel größeren Wähler*innenpotentials nicht schaffen, Mehrheiten für ihre Politik zu finden.

Eine solche Reaktion ist menschlich. Nur bringt sie uns nicht weiter. Und sie zeigt vor allem eines: dass die Politik der gezielten Verunsicherung der Rechten Früchte trägt. Nicht nur bei jenen Menschen, die am meisten vor Ihnen zu fürchten haben: den Migrant*innen, den Asylwerber*innen, den Bettler*innen oder allgemeiner, den sozialen Randgruppen. Sondern auch bei den Menschen links der Mitte, den politisch Aktiven, den Kulturtäter*innen und Progressiven. Für zweitere wird Schwarz-Blau im Land Oberösterreich oder Rot-Blau in Linz zwar unangenehm sein, sie haben aber im Vergleich zur ersten Gruppe vergleichsweise viele Alternativen und andere Möglichkeiten, zu überleben.

Auf der zivilgesellschaftlichen Ebene ist eine gewisse Apathie zu orten: Wer über Jahre die ewig gleichen Verteilungs- und Abwehrkämpfe führen muss, wird müde. Lange erkämpfte Rechte und zivilisatorische Fortschritte werden scheibchenweise wieder demontiert. So protestieren immer nur einzelne Gruppen, einmal die Kulturarbeiter*innen, einmal die Sozialarbeiter*innen, einmal die Pflegekräfte. Wenn – wie in Linz – die Ermessensausgaben um 10 % gekürzt werden, ist die Unterschrift eines offenen Briefs scheinbar das Maximum der Kampagnenfähigkeit.

Auf der politischen Ebene können wir eine gelähmte Sozialdemokratie beobachten, die nicht den Mut hat, jene sozialdemokratische Politik zu machen oder zumindest zu fordern, die diese Bewegung einst groß gemacht hat. Die österreichische Sozialdemokratie hat vielfach die Rahmenerzählung der Rechten und Konservativen übernommen. Nicht aus Prinzip, sondern in dem Irrglauben, dass die Gesellschaft nun mal so ist und nur so Wahlen gewonnen werden können. Statt Solidarität mit den Armen zu leben, werden Anti-Bettelgesetze eingeführt, «damit die FPÖ kein Wahlkampfthema hat», wie es der Linzer Bürgermeister Luger einmal im Gespräch begründete. Sieht man sich in Europa um, zeigt sich, dass diese Taktik nicht funktioniert. Jene sozialdemokratischen Parteien, die neoliberal und rechtskonservativ agieren, verlieren laufend Wahlen, ob in Deutschland, Griechenland oder eben Österreich. Überall dort, wo sozialdemokratische Parteien wie die Syriza in Griechenland oder einzelne Politiker wie Jeremy Corbyn in den UK linke Politik machen, sind sie aber im Aufwind.

Der Verunsicherung der Rechten kann man also nur eines entgegenstellen: Zuversicht und Mut. Besonders für jene, die diesmal rechts gewählt haben. Wir müssen Antworten auf die echten Ängste der Menschen finden, die aus Furcht vor dem sozialen Abstieg den hetzerischen Worten der FPÖ Glauben schenken. Wenn wir den Rechten das Wasser abgraben wollen, braucht es die Entwicklung und Vermittlung einer positiven Zukunft. Da muss sich die ÖVP beispielsweise für eine grundlegende Verteilungsdebatte öffnen. Die SPÖ kommt nicht daran vorbei, sich zu überlegen, wie sie ihre Grundwerte wie Solidarität, Freiheit und Gleichheit wieder zur Grundlage ihres Handelns machen kann. Die Gegner*innen der Rechten sind ja in der Überzahl. Es liegt also in unser aller Verantwortung, an einem Strang zu ziehen.

Kupfzeitung-156-Dezember-2015-Leitartikel-Thomas DiesenreiterDie politischen Parteien werden dabei nicht umhinkommen, den Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft zu suchen; die Grünen machen es vielfach vor. Und wir aus der Zivilgesellschaft? Wir müssen dafür offen sein. Wir dürfen nicht davor zurückscheuen, selbst politisch aktiv zu sein, Allianzen zu schließen und Brücken zu bauen. Offenheit braucht es dafür auf beiden Seiten.

Scheißts euch nicht an, wir kriegen das wieder hin.

 

Ein persönlicher Jahresrückblick auf 2014

Jahresrückblick sind wahrscheinlich schon abgedroschen. Da ich aber nicht immer die Zeit finde, meine diversen Tätigkeiten und Projekte auf diesem Blog zu dokumentieren, schreibe ich hier ein paar Zeilen zu den letzten Monaten. Sowohl, um diese für mich selbst zu ordnen, als auch um mich bei all den tollen, kreativen Menschen bedanken zu können, mit denen ich jeden Tag arbeiten darf.

Tabakfabrik Linz

Prägend für mich ist natürlich nach wie vor meine Arbeit in der Tabakfabrik Linz, der ich einen Großteil meiner täglichen Arbeitszeit widme. Dort zeichne ich mich seit mittlerweile drei Jahren leitend für die Kommunikation zuständig, habe an der allgemeinen Konzeption und Ausrichtung mitgewirkt und wickle Kooperationsprojekte ab. Im Mai haben wir beispielsweise eine wunderschöne neue Website online gestellt (www.tabakfabrik-linz.at), gestaltet von dem grandiosen Grafik Guru Michael Holzer und umgesetzt vom Code-Genie Bene Reiter. Die Inhalte kamen und kommen von der Jetsetliteratin Marianne Jungmaier und Nina Fuchs, die seit Jahresanfang auch die Pressearbeit professionell und gelungen abwickelt. Generell stehen wir konstant im Schnitt bei etwa 80-90 Presseberichten pro Monat und etwa 30-40.000 Views auf unserer Website und in den sozialen Medien, eine Reichweite, mit der ich glaube ich zufrieden sein kann. Darüber hinaus sind viele tolle Projekte und Kooperationen in der Fabrik entstanden, zuviele um alle aufzuzählen. Und das schöne ist, es bleibt spannend, denn wir haben erfreulicherweise im November grünes Licht vom Linzer Gemeinderat bekommen, dass wir den nächsten Entwicklungsschritt im Bau 1 umsetzen können. Yeah!

Burschitour

Zum zweiten Mal habe ich im Jänner einen Aktionstag zur Linzer Burschenschafterszene organisiert. Währen wir bei der ersten Burschitour noch zu Fuß unterwegs waren, haben wir diesmal einen großen Reisebus organisiert, mit dem wir nach einem spannenden Vortrag eines Rechtsextremismus-Experten ein paar der Linzer Buden besucht haben.

2. Linzer Burschitour 1

Übrigens: Die nächste Demo gegen den Linzer Burschenschaftsball findet am 10. Jänner 2015 statt – hingehen!

Stadtkulturbeirat Linz

Seit 2010 bin ich Mitglied des Linzer Stadtkulturbeirats, seit Beginn dieses Jahres auch dessen Vorsitzender. Der von der Stadt offiziell bestellte und ehrenamtliche Beirat besteht aus 24 Kunst- und KulturexpertInnen und tagt derzeit zweimal jährlich im Plenum. Die Arbeit besteht üblicherweise aus dem Verfassen von kulturpolitischen Empfehlungen an die Linzer Stadtpolitik, teilweise mischt er sich auch ins Tagesgeschäft ein, wie bei der heuer leider erfolgten Kürzung der Förderungen der freien Szene. Das nächste Empfehlungspapier wird übrigens im Februar präsentiert, ich werde es auch hier im Blog verlinken.

Bettellobby OÖ

Vor auch schon wieder vier Jahren war ich einer der Mitinitiatoren der Bettellobby OÖ, die sich in den politischen Diskurs rund um Armut, Migration und Verteilungsfragen einmischt. Anlass war damals die erste geplante Verschärfung der Bettelgesetzgebung, in denen „aggressives“, „aufdringliches“ und „organisiertes“ Betteln verboten werden sollten. Trotz eines durchaus breiten zivilgesellschaftlichen Protestes wurde die Gesetzgebung damals verschärft. Dass auch die sozialdemokratische Partei heuer im Mai nach einer heftigen Kampagne der Krone OÖ (diese hatte innert 9 Tage 8 hetzerische Aufmacher gegen BettlerInnen auf dem Cover und wurde dafür später auch vom Presserat gerügt) ihre bisherige Position fallen ließ und nun sogar selbst auf weitere Verschärfungen im Bettelgesetz drängte, war für mich und viele andere Linke ein Schock, der bis heute anhält. Durch die Novelle wurde schließlich trotz heftiger Protesten mit Stimmen der SPÖ, ÖVP und FPÖ das „gewerbliche“ Betteln in Oberösterreich untersagt. Durch die Schwammigkeit der Begrifflichkeiten all dieser Strafbestände steigt die Missbrauchsgefahr und leider auch -häufigkeit durch Stadtwache und Polizei weiter, viele Berichte von betroffenen BettlerInnen bestätigten die Befürchtungen der Bettelobby. Die jahrelange Aufbauarbeit der rechten Parteien in Kombination (oder Kooperation?) mit den medialen Hetzkampagnen des Boulevards hat ein Klima der Angst und Verunsicherung erzeugt, in dem es die Position, dass soziale Probleme wie Armut nur mit sozialen Lösungen behoben werden können, sich nur schwer Gehör verschaffen kann. Wie gesagt: Dass sogar die Sozial(!)demokratie nun die armen Menschen aus dem öffentlichen Raum verdrängen will, ist ein trauriges Zeichen für eine breit-entsolidarisierte Gesellschaft.

Verleihung-Menschenrechtspreis-2014-Bettellobby_Foto-Daniel-Weber-03-764x1024Umso erfreulicher, dass die Liga für Menschenrechte die österreichischen Bettellobbys heuer mit dem Menschenrechtspreis 2014 ausgezeichnet hat. Ich habe den Preis mit Christian Diabl (einer der großartigsten Menschen zum Diskutieren über Politik übrigens!) in Wien entgegengenommen, einen sehenswerten Bericht gibt es dazu in der ZIB2:

Cultural Broadcasting Archive

Heuer war ein spannendes Jahr für das CBA: Derzeit führen wir ein gefördertes EU-Projekt gemeinsam mit Radio Corax aus Deutschland, NearFM Media aus Irland und der Central European University durch, was viel Reisen und Austausch bedeutet. Und ausgetauscht wurde auch fleissig bei der zum zweiten Mal veranstalteten internationelen Konferenz Archivia, bei der viele spannende Vortragende aus ganz Europa teilnahmen. Weiters hat der VFRÖ, der Träger des CBA, heuer im Sommer Verträge mit den Verwertungsgesellschaften abschließen können, was nun heißt, dass auch Musik in den archivierten Beiträgen enthalten sein kann. Ein großer Erfolg für ein so kleines Projekt wie das CBA, da es im Gegensatz zum analogen Rundfunk im digitalen Raum keine Lizenzpflicht der Verwertungsgesellschaften gibt. Wir haben im Übrigen etwa fünf Jahre auf diesen Punkt hingearbeitet und einiges an Lobbying leisten müssen. Und hier liegt auch noch einiges an Arbeit vor uns, denn noch immer ist das UrheberInnenrechtssystem groso Modo nicht den Erfordernissen der modernen Zeit angepasst. Allerdings wird es in Zukunft wohl noch stärker als bisher um die Vernetzung auf europäischer Ebene gehen – es bleibt also spannend.

Achja, und an dieser Stelle ein großer Dank an Ingo Leindecker, mit dem ich seit 2007 an diesem großartigen Projekt arbeiten darf (und der übrigens ein ziemlich tolles Werk produziert hat, das ihr euch kaufen solltet!)

Kulturpolitisches

Abgesehen von meiner Arbeit für den SKB habe ich noch Beiträge für die KUPF Zeitung geschrieben (ein Text zu Linz09 und ein Interview mit Kulturmanager Ulrich Fuchs), einen Text des Linzer Kulturdirektors Julius Stieber veröffentlicht, an Kultur-Diskussionen beispielsweise in St. Pölten teilgenommen  oder eine Tour durch die freie Szene mit dem neuen Kulturreferenten Bernhard Baier Baier organisiert. Aja, und ich darf im Verwaltungsausschuss von Radio FRO meinen Senf zu den zukünftigen Wegen des freien Radios dazugeben, eine ehrenvolle und spannende Arbeit mit lauter hochmotivierten Menschen, die sich für dieses wichtige alternative Medienprojekt ins Zeug hauen. Weiters habe ich auch das Projekt Intermezzo von MAIZ begleiten dürfen – da ich euch und ihnen noch immer einen Abschlusstext dazu schuldig bin, verweise ich wegen Details auf diesen. Kommt bald, versprochen!

Schließlich …

… gilt mein Dank den vielen freundlichen, offenen, kreativen, hilfsbereiten Menschen in meinem Umfeld und Netzwerken, mit denen ich zusammen lebe, arbeite, streite, feiere, trauere und diskutiere. Und natürlich geht ein besonderer Fistbump an eine Person im Speziellen, deren scharfsinnigen Geist ich nicht mehr missen möchte  – du weißt, wen ich meine.

Also, ich hoffe, wir bleiben uns auch 2015 erhalten!

Und jetzt, Herr Fuchs?

Vor drei Wochen habe ich den ehemaligen stellvertretenden Intendanten der europäischen Kulturhauptstadt Linz09 getroffen, den Kulturmanager Ulrich Fuchs. Die KUPF Oberösterreich hat mich gebeten, mich mit ihm für die aktuelle Ausgabe der KUPF Zeitung über die oberösterreichische Kulturlandschaft zu unterhalten. Es war ein, wie ich meine, recht interessantes und anregendes Gespräch. Weiter unten finden sie gekürzte und komprimierte Textversion der KUPF Zeitung, das Gespräch ist in voller Länge auch im CBA zu hören:

http://cba.fro.at/273759

D: Im Verhältnis zwischen Land OÖ und Stadt Linz hatte man in den letzten Jahren den Eindruck, dass es zwischen den Beiden eher um einen Wettbewerb als um Kooperation geht.

F: Wenn ich an den Ausgangspunkt zurückgehe, als Martin Heller und ich 2005 nach Linz kamen, haben wir nach relativ kurzer Zeit begriffen, dass es einen politischen Wettbewerb gibt zwischen Stadt und Land auf vielen Feldern, auch in der Kulturpolitik. Ich finde überhaupt, dass Österreich durch die Konkurrenz von Rot-Schwarz geprägt ist, weitaus mehr als ich das aus Deutschland kannte. Das sage ich jetzt nicht belehrend, es ist einfach eine Feststellung. Was ich in Österreich gelernt habe, war, dass es einen roten und einen schwarzen Kindergarten gibt, das gibt es in Deutschland nicht. Die sozialdemokratischen Kulturpolitiker und ihre schwarzen Pendants haben ein anderes Verhältnis, also ein konkurrenzhafteres und abgrenzenderes. Für einen Kulturkonsumenten ist es aber beispielsweise völlig egal, ob das Brucknerhaus von der Stadt oder vom Land betrieben wird.

Da die Kulturhauptstadt aber ein Auftrag war, der von den drei Gebietskörperschaften (Bund, Land und Stadt) erteilt wurde, war für uns ziemlich schnell klar, falls es da Gegensätze gibt, dass man die schnell überwinden muss. Ich glaube, es ist uns dann auch über den Aufsichtsrat und über die Zusammenarbeit von beiden Seiten gelungen, dass da gewisse Grenzen aufgeweicht wurden.

KUPFzeitung152_2014_titelseite

D: Stichwort Brucknerhaus und Musikthteater: Gibt es aus einer kulturpolitischen Perspektive einen Bedarf für zwei solche Häuser mit relativ ähnlichem Publikum?

Es war schon von vornherein klar, dass es mit dem Musiktheater nicht einfach sein würde, den richtigen Umgang in Bezug auf das Brucknerhaus zu finden. Die optimale Kooperation zwischen beiden Häusern scheint mir auch bis heute noch nicht gefunden. Das Brucknerfest gleichzeitig mit dem Auftakt zur Spielzeiteröffnung des Musiktheaters und des Landestheaters – das ist eine ungute Konkurrenz.

Man muss bei der Größe beider Einrichtungen sicherlich über die Einwohnerzahl von Linz hinaus denken. Um nur das hiesige Publikum zu bedienen, wären zwei solche großen „Schlachtschiffe“ sicherlich überfordert. Der Einzugskreis muss nach meiner Einschätzung weit über Linz hinausgehen, auch weit über das Bundesland hinaus. Ob das bisher gelungen ist, weiß ich nicht. Linz ist eine untypische Stadt, wenn man an europäische Kultur denkt, so wenig mit dieser bildungsbürgerlichen Tradition behaftet. Für das Brucknerhaus und das Musiktheater müsste das meiner Meinung nach heißen, Formate und auch eine ästhetische Linie zu finden, die so besonders sind, dass man sagt, das bekomme ich in Salzburg nicht, sondern nur in Linz.

Als positives Beispiel möchte ich die Museen in Linz anführen, die sehr gut über die „Grenzen“ von Stadt und Land hinweg zusammenzuarbeiten. Ich glaube auch, dass bei der freien Szene ein Stadt-Land Denken nicht so ausgeprägt ist.
D: Der zweite große kulturpolitische Schwerpunkt des Landes ist neben dem Musiktheater das Landesmusikschulwerk. Ist das deiner Meinung nach eine sinnvolle Investition?

F: Dieses Landesmusikschulwerk ist etwas absolut Einzigartiges in Europa. Ruhr 2010 hat mit dem Slogan geworben: „Jedem Kind ein Instrument“. Da hab ich damals zu den Kollegen in Essen gesagt, dass das in OÖ längst der Fall ist. Vergleichsweise in Europa ist das ein einzigartiger Schatz an frühkindlicher und früh-musikalischer Erziehung, der da aufgebaut wurde. Ich weiß, dass das Landesmusikschulwerk 40 Prozent des Budgets des Landes für Kultur beansprucht. Meiner Ansicht wird das konservativ regierte Land OÖ der sozialdemokratischen Idee von „Kultur für alle“ damit mehr als gerecht – und das auf einem sehr hohen Niveau.

In den Verteilungskämpfen um ein Kulturbudget kann ich nachvollziehen, wenn diejenigen, die nicht aus dem Bereich der musikalischen Pädagogik kommen, sagen, dass ihnen eine andere Verteilung lieber wäre. Aber das ist eine politische Auseinandersetzung um Prioritätensetzungen.

D: In einem Interview zum neuen Kulturentwicklungsplan (KEP) assoziierst du mit Linz „ungenügende politische Konsequenzen“, kannst du das ausführen?

F: Gerade in diesen Tagen sehe ich diese Einschätzung bestätigt. Es ist nicht die Kulturpolitik, die die Frage stellt, wo man nach Linz09 steht, sondern der Tourismus. Und dass der Tourismusverband Linz das Erbe von Linz09 am kreativsten verwaltet, deutet darauf hin, dass die Linzer Kulturpolitik mit dem Erbe von Linz09 nicht genügend offensiv, nicht genügend nach außen tretend umgeht. Aber um es auch klar zu sagen: für Erfolge und Fehlleistungen von Linz09 sind wir alle verantwortlich – die Intendanz, das Linz09-Team und die Linzer Politik.

D: Das nächste große Projekt nach Linz09 war der neue Kulturentwicklungsplan.

F: Ich habe großen Respekt davor, wie sich die Linzer Kulturdirektion und die Kulturszene diesem wirklich schwierigen und partizipativen Prozess gestellt hat. Dass dabei ein so qualitativer Text herausgekommen ist, finde ich beeindruckend. Angesichts der knappen Mittel und der Finanznot in welche die Stadt zum Glück nicht durch Linz09, sondern durch andere Entwicklungen hineingerutscht ist, ist das wirklich hervorragend. Ob es nicht nur ein Plan bleibt, sondern auch umgesetzt wird, das steht auf einem anderen Blatt. Aber dafür seid ihr als Kulturakteure verantwortlich, den entsprechenden Druck aufzubauen.

D: Im Ruhrgebiet wurde mit Urbane Künste Ruhr gewährleistet, dass es nach dem Kulturhauptstadtjahr weitergeht. Genau das ist in Linz aus verschiedenen Gründen nicht in der Intensität passiert, 2010 waren spürbar weniger Ressourcen da.

F: Obwohl wir ja von Linz09 her noch einen beachtlichen Überschuss hatten. 1,3 Millionen, die dann auch sinnvoll verwendet worden sind. An dem Kulturhauptstadtprojekt lag es bestimmt nicht, dass ab dem Jahr 2010 die Spielräume enger wurden, eigentlich im Gegenteil. Im Nachhinein sehe ich es als Fehler, dass die Linz09 GmbH abgewickelt und nicht umgewandelt worden ist, mit völlig anderen Personen an der Spitze und einem neuen Auftrag. Beispielsweise die Entwicklung der Tabakfabrik als Fortsetzung und neue Etappe von Linz09. Mit einer solchen Entscheidung hätte Linz auch international die Nachhaltigkeit der Kulturhauptstadt verdeutlicht,

D: Stichwort nächste Etappe: Du hast 2011 das nach Linz09 zu festigende Bindeglied zwischen Wirtschaft und Kultur in Linz angesprochen, mittlerweile gibt es dafür die Creative Region Linz & Upper Austria.

F: Ich glaube, dass es sinnvoll ist, dass zwischen Kultur und Wirtschaft Verständigungen gesucht werden, die außerhalb des engen (partei-)politischen Feldes liegen. Viele Kulturakteure der freien Szene sind eigentlich auch Unternehmer, Entrepreneurs, die ihre Aktivitäten als Kleinunternehmen betreiben. Manche Kultureinrichtungen sind verselbstständigt und sind unterwegs als GmbH oder in anderen Formen, jedenfalls nicht mehr als nachgeordnete Dienststellen des Landes oder der Stadt. Insofern passt das ganz gut, sich da mit Leuten aus der sogenannten freien Wirtschaft zusammenzuschließen oder Synergien zu suchen.

D: Du hast besonders im Bereich Design und Architektur in Linz Potentiale gesehen, mittlerweile hat sich Linz bei Open Design einen Namen gemacht. Generell scheinen die „Open Everything“ Initiativen ein großer Schwerpunkt von Linz zu werden. Siehst du darin das Potential für jene Internationalität, die ihr von der Szene immer eingefordert habt?

F: Absolut. Das ist genau das, wo Linz sich profilieren muss. Bevor Salzburg überhaupt wusste was „Open Source“ ist, war Linz an dem Thema schon dran. Das ist eine Stärke der hiesigen Szene, sowohl im freien Bereich als auch in den Institutionen wie Lentos, Ars Electronica und Offenes Kulturhaus, gibt es dafür Offenheit und Innovationsgeist.

Ich glaube, dass sich Linz international aktiver zeigen und deutlicher machen sollte, dass es im Open Bereich noch mehr Qualitäten bietet. Vielleicht entsteht in der Tabakfabrik dafür eine Art Brutstätte, dann würde Linz eine noch viel größere Rolle spielen können.

D: Vielleicht in Verbindung mit der Bewerbung zur UNESCO City of Media Arts?

F: Der ich viel Erfolg wünsche und hoffe, dass es klappt. Aber das muss man dann auch nutzen und fördern. Ich hab die Aussage bei der Tourismuskonferenz am 6. November 2014 , dass Linz sich 2024 erneut als Kulturhauptstadt bewerben kann, nur bedingt ernstgemeint. Was ich damit sagen wollte, ist, dass sich Linz solchen Herausforderungen stellen sollte. Das kann auch ein ganz anderes Format haben, aber die Tendenz zum Stillstand ist das Gefährliche. Wenn man sich die aktuellen Kulturhauptstadtbewerbungen in anderen Ländern ansieht, dann sind das hoch ambitionierte Projektentwürfe mit einem sehr starken commitment von Seiten der politisch Verantwortlichen. Eine Bewerbung wie sie seinerzeit für Linz09 entwickelt wurde, würde heute nicht mehr reichen.

D: Abschließend noch eine medienpolitische Frage: Der Wiener Falter hat in der Zeit vor Linz09 überlegt, eine Oberösterreich Ausgabe zu gründen. Kannst du erzählen, warum das nicht passiert ist?

Wie das in der österreichischen Medienlandschaft so ist, hätte das nicht ohne einen kräftigen Anschub der öffentlichen Hand geklappt. Nach meinem Kenntnisstand ist es daran gescheitert, dass die öffentliche Hand sich nicht dazu in der Lage sah, eine Anschubfinanzierung zu leisten, wir von Linz09 waren daran jedenfalls nicht beteiligt.

Ein Wort noch zur Linzer Medienlandschaft. Ich hüte mich vor einer pauschalen Aussage, das wäre auch unfair gegenüber den Medien wie zum Beispiel der Kronenzeitung, die Linz09 kritisch, aber fair begleitet haben. Aber es war schon eine unvergleichbar negativ destruktive Kampagne gegen Linz09, wie sie von den OÖN geführt wurde. Der Chefredakteur wollte offenbar partout nicht, dass Linz09 ein Erfolg wird und vertritt diese Haltung bis heute. Das hat es in keiner Kulturhauptstadt gegeben, dass eine Zeitung bis in das Kulturhauptstadtjahr hinein alles Mögliche unternommen hat, um das Projekt schlecht zu machen.

D: Wenn man die Medienlandschaft als Ganzes betrachtet, fehlt ein eher liberaleres, vielleicht linksorientiertes Medium?

F: Absolut, sicher. Ich lebe jetzt zehn Jahren nicht mehr in Deutschland und bin auch kein Nationalist. Aber wenn ich von außen auf Deutschland schaue, bin ich auf zwei Dinge besonders stolz. Einmal die Medienlandschaft in ihrer Vielfalt, sowohl im Zeitungswesen als auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen. Das gibt es in keinem Land Europas so qualitätsvoll. Das zweite ist das System des Föderalismus. Frankreich und Österreich sind zwei Länder, die sich mit ihren Hauptstädten so herausgebildet haben, dass sich die anderen Städte des Landes ständig in einer Defensivhaltung befinden. In Deutschland ist Berlin zwar die politische, aber weder die Medienhauptstadt noch die Finanz-, Kultur- oder Fussballhauptstadt. Es gibt keine Machtkonzentration an einer Stelle, sondern einen föderalen Ausgleich mehrerer Zentren, die untereinander auch konkurrieren. Dadurch ergibt sich eine Vielfalt, auch in den Medien. In Österreich und in Frankreich hat man den Eindruck, dass die Vielfalt der Medien doch sehr eingeschränkt ist, dass Berichtserstattung nicht nur redaktionell erfolgt, sondern durch finanzielle Deals. Je weiter man in die Provinz geht, desto dramatischer ist der Qualitätsverfall. Das ist etwas, woran Österreich leidet und speziell in Oberösterreich ist das ein lamentabler Zustand.

KUPFzeitung152_2014_interviewfuchskomplett

Linz09 – Bilanz ziehen?

Der folgende Beitrag wurde in der heute erschienen KUPFZeitung 151 veröffentlicht:

Ziehen tut man nicht nur den Strudelteig, sondern auch Bilanzen. Für den perfekten Apfelstrudel gibt es wahrscheinlich eben- so viele Techniken wie Köch*innen. Ähnlich verhält es sich beim Ziehen von Bilanzen. Während in der Küche aber das Ziel, der gelungene Strudel, bei allen das selbe ist, entscheidet beim Bilanzieren die eigene Position über das Endergebnis. Ein Backversuch:

Kupfzeitung-151-screenIn der 2010 erschienen Broschüre «Eine Bilanz – Linz 2009» nannte Intendant Martin Heller Linz09 ein sich lohnendes Wagnis, während sich Altbürgermeister Dobusch und Ex-Kulturministerin Schmied über die gelungene Präsentation als moderne, offene und lebendige Kulturstadt freuten. Landeshauptmann Josef Pühringer wiederum war sichtbar stolz auf die vielen neuen Kulturbauten und Parteikollege Erich Watzl, vormals Kulturstadtrat, dankte besonders der Wirtschaft, Hotellerie und Gastronomie für ihren Beitrag, den Künstler*innen und Kulturschaffenden im Übrigen nicht.

Wer heute die offizielle Homepage besucht, kann folgendes lesen: «Die BesucherInnen sind diejenigen, die über den Erfolg eines Kulturhauptstadtjahres entschieden haben» und «Linz09 kann auch als touristische Erfolgsgeschichte gesehen werden: […] Linz konnte ein Nächtigungsplus von 9,5 % verzeichnen.» In Kürze wird anlässlich des fünfjährigen Jubiläums erneut Bilanz zum Europäischen Kulturhauptstadtjahr gezogen, diesmal vom Tourismusverband Linz[1]. Ziel der Veranstaltung liegt laut Einladungstext in der Darstellung der Zusammenarbeit zwischen Kultur und Tourismus und in «kritischer Reflexion». Damit derlei Selbstkritik aber im richtigen Rahmen bleibt, wird zur Sicherheit klargestellt, dass Linz09 hinsichtlich Programm, Durchführung und Nachhaltigkeit nun das best practice Beispiel in Europa sei.

Analysiert man diese verschiedenen Bilanzen, ist es ein Leichtes, auf die Erwartungshaltungen an das Kulturhaupstadtjahr im Speziellen und auf die dahinterstehenden kulturpolitischen Vorstellungen im Allgemeinen zu schließen. Jede dieser Bilanzen ist ohne große Mühe als Abbild und Produkt des jeweiligen politischen Umfelds oder der jeweiligen politischen und organisatorischen Funktion(-en) zu interpretieren. Darauf möchte ich im Detail aber nun verzichten und lieber versuchen, eine allgemeinere These herauszuarbeiten:

Umwegargumentationen

Aus den angeführten Bilanzen lässt sich nämlich viel über den Rechtfertigungsdruck von Kunst und Kultur im Allgemeinen sagen. Gerade bei einem so großen, mit 60 Millionen Euro durch die öffentliche Hand subventionierten Prestigeprojekt wie Linz09. Förderungen solcher Dimensionen werden in Bereichen wie der Wirtschaft ohne viel Aufhebens im Wochentakt vergeben. Geht es um die Förderung von Kunst und Kultur, gar zeitgenössischer, werden aber ganz andere Register gezogen. Wo es im Wirtschaftsbereich oft reicht, die geschaffenen Arbeitsplätze zu quantifizieren, da sollte die Kunst zumindest gleichzeitig das internationale Image verbessern, die lokale Wirtschaft stärken, einen Beitrag zur Demokratisierung leisten und dann bitte auch noch unterhalten und zum Denken anregen. Am besten natürlich alles gleichzeitig.

Je größer die Förderung, desto eher wird diese Beweisführung der Kulturnützlichkeit auch öffentlich verteidigt: Bei Förder-Ankündigungen, Eröffnungsreden, in aufwendigen Broschüren oder eben in dicken Bilanzbüchern, die vermutlich dann doch allesamt niemand liest. Und wenn das alles nichts hilft, wird eine Umwegrentabilitätsstudie in Auftrag gegeben. In Oberösterreich wurde beispielsweise berechnet, dass alleine der Bau des Musiktheaters um damals prognostizierte 143 Millionen einen regionalen BIP Effekt von 194 Millionen Euro erzeugt.[2] Ähnliche euphorische Studien wurden auch für das Kulturhauptstadtjahr durchgeführt.

So mutet das offizielle, politische und mediale Bilanzieren oft als Rechtfertigung der getätigten monetären Investition vor der Bevölkerung an. Inhaltliche Aspekte werden dabei selten genannt. Noch seltener wird die Ausübung der Kultur um der Kultur, bzw. der Kunst um der Kunst willen ins Spiel gebracht. Kurz: In der Kulturpolitik wird zunehmend um den heißen Brei herumgeredet.

Kulturpolitik-Kritik-Krise

Vor kurzem las ich in einer Tageszeitung, dass Kunst und Kultur nur in der medialen Rezeption und Kritik ihre Wirkung entfalten können. Da diese durch den Medienwandel allerdings im Rückzug begriffen ist, entstehe laut Autor eine große gesellschaftliche Gefahr. Ich lehne diese These als unscharf ab, da hier die mediale mit der allgemeinen Öffentlichkeit verwechselt wird. Noch nie zuvor gab es so viele Foren der Kulturkritik wie heute. Jedes online zu konsumierende Stück Kunst wie Musik oder Film wird kommentiert, bewertet, geteilt und damit einer unmittelbaren und andauernden Kritik unterworfen. Ich glaube, der Artikel war eher als Unbehagen darüber zu lesen, dass den Medien die Deutungshoheit über die Wertigkeit von Kunst und Kultur abhanden gekommen ist.

Wo ich die These in Bezug auf Kultur selbst ablehne, so möchte ich diese These aber auf die Kulturpolitik an sich übertragen. Die Kritik der Kulturpolitik wird in der medialen Öffentlichkeit oft nur noch dann zum Thema, wenn finanzielle oder betriebswirtschaftliche Probleme oder gar ein BesucherInnenschwund publik werden. Die Einschätzung, ob Betriebe und Organisationen inhaltlich auf der Höhe der Zeit sind, trauen sich nur noch wenige Personen und noch weniger Journalist*innen vorzunehmen. Es ist grotesk: Noch nie in der Geschichte dieses Staates wurde so viel öffentliches Geld für Kunst und Kultur ausgegeben. Gleichzeitig gab es noch nie so wenig Diskussion darüber, welche Ziele man damit verfolgt.

Kulturpolitik ist zu einem absoluten Nischenthema geworden, geführt von wenigen Expert*innen und Medien. Es ist in fast allen Parteien schwer geworden, Politiker*innen zu finden, die sich sachlich intensiv mit Kulturpolitik auseinandersetzen. Und für diese wenigen Hartnäckigen ist es wiederum noch schwerer geworden, medial Gehör zu finden.

Leitbild-Leiden

Das ist schade, denn ein scharfer Blick und ein offen geführter Diskurs sind sowohl im institutionellen als auch im freien Bereich überfällig. In den letzten Jahren haben viele Kommunen und Bundesländer eigene Kulturentwicklungsziele und -pläne definiert, welche oft von erstaunlich hoher Qualität sind. Sie stellen hervorragende Werkzeuge dar, um die Öde der quantitativen Argumente zu verlassen und die kulturpolitischen Entscheidungen an qualitativen Kriterien zu messen und zu diskutieren. Bloß werden sie nur viel zu selten als solche verwendet. Es gibt viele Gründe im Linzer Kulturentwicklungsplan zu finden, um die Förderung des Kronefests sofort einzustellen. Es wäre spannend, viele der verstaubten und verschlossenen oberösterreichischen Landesinstitutionen auf die im Kulturleitbild definierten Kriterien der Beteiligung von sozialen Randgruppen zu überprüfen. Ebenso lassen sich bei den Förderungen des Bundes ohne großen Aufwand Diskrepanzen zwischen den kulturpolitischen Vorgaben und der realpolitischen Umsetzung und der Verteilung der Ressourcen nachweisen. Und auch viele freie Initiativen täten ein Gutes daran, ihre eigenen Leitbilder auf den Prüfstand zu stellen und sich zu fragen, ob ihre Strukturen und Ziele nach 35 Jahren noch zeitgemäß sind. Am Besten in einem offenen und partizipativen Diskurs.

Die Kulturpolitik und ihre politischen, medialen und auch verwaltenden Proponent*innen sollten also den Mut aufbringen, sich nicht nur hinter ökonomischen und quantitativen Argumenten zu verstecken. Diese sind nicht per se falsch, unwahr oder unwichtig. Aber es besteht die Gefahr, dass wir als Gesellschaft durch diese argumentative Schieflage aus den Augen verlieren, warum wir Kunst und Kultur einen so hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft einräumen. Dieser wird in den Sonntagsreden oft gut und ausführlich begründet.

Es gibt also auf politischer und medialer Ebene durchaus ein Bewusstsein für die der Kultur und Kunst inhärenten Qualitäten. Wir sollten dafür sorgen, dass sich diese wieder stärker im medial- politischen Alltag widerspiegeln und daraus kulturpolitische Konsequenzen gezogen werden. In dem Sinne lasse ich meinen Meinungsteig nun rasten und bereite schon mal fünf Kerzchen für das Geburtstagskind Linz09 vor. Heuer darf es sich nochmal sorglos feiern. Aber nächstes Jahr wird unerbittlich Bilanz gezogen. Denn wie hieß es zu Beginn im Mission Statement so schön? «Linz 2009 ist auch Linz 2015, und daran wollen wir gemessen werden.» Alles klar?

————————-

[1] Veranstaltung am 6. November, Schlossmuseum Linz
[2] Schneider / Dreer: „Volkswirtschaftliche Analyse des neuen Musiktheaters in Linz“, 2006, → land-oberoesterreich.gv.at/cps/rde/xchg/ ooe/hs.xsl/48803_DEU_HTML.htm