Nicht jammern, agieren!

Dieses Interview wurde ursprünglich im WUK Magazin, Ausgabe Februar 2018, publiziert.

Zuerst kam Wels. Dann Oberösterreich. Und jetzt auch auf Bundesebene: Schwarz-Blau ist wieder auf allen Ebenen unseres Landes angekommen. Ohne Zweifel, der politische Trend in Österreich zeigt nach rechts. Wie lange sich dieser Trend halten kann, ist aber noch ungewiss und hängt davon ob, wo und wie sich Widerstand formiert:

Mit einer schwachen Opposition und einer bequemen Mandatsmehrheit von 62% ausgestattet, kann der rechts-rechtsextremen Koalition von ÖVP und FPÖ außer eigenen Fehlern oder internen Streitereien kaum etwas in die Quere kommen. Freilich, es gibt durchaus Bruchstellen: Wie lange werden sich die Bünde und die mächtigen Landeshauptleute der ÖVP zurückhalten, wenn gegen ihre Interessen gehandelt wird? Werden die schwarzen Quereinsteiger in der Regierung ohne Parteinetzwerke politisch durchsetzungsfähig sein? Wie lange dauert es, bis die WählerInnen der FPÖ merken, dass Strache und Kickl ein Regierungsprogramm gegen ihre eigenen Interessen vereinbart haben? Wird sich Haimbuchner, dessen oberösterreichische FPÖ bei der Amtsvergabe leer ausgegangen ist, weiter als parteiinterner Kritiker gebärden, wie er es auch schon als einziger blauer Spitzenpolitiker am Tag der Regierungsbekanntgabe tat?

Abgesehen von diesen internen Faktoren gibt es externe Quellen potentiellen Ärgernis für die schwarzblaue Herrlichkeit. Dies ist zu einem die Zivilgesellschaft, die als Summe der nicht parteinahen Vereine, BürgerInitiativen und Interessenvertretungen definiert werden kann, die in Österreich beispielsweise maßgeblich im Kultur- und Sozialbereich aktiv und prägend sind. Weiters sind Arbeiterkammer und Gewerkschaften als traditionell sozialdemokratisch dominierte Interessenvertretungen stark mobilisierungsfähig und bieten besonders für die SPÖ ein Personalreservoir. Dann die jungen Menschen und Studierenden, die in der ÖH eine klare politische Akteurin haben. Die wenigen, verbliebenen kritischen Medien, vom ORF, zur Wiener Zeitung, dem Standard bis hin zu den freien Radios und Fernsehsendern. Oder die großen Städte, wobei hier im wesentlichen nur noch Wien übrig bleibt. Nach dem überraschenden Verlust von Salzburg und angesichts einer Linzer SPÖ, die von einem Rechtsausleger geführt bereits mit der FPÖ koaliert, ist die Bundeshauptstadt aber die letzte große urbane Bastion mit einer bisher eindeutigen, linken Mehrheit.

All das wissen auch die ParteistrategInnen rund um Sebastian Kurz. Und dies erklärt auch viele Punkte, die mal deutlicher, mal weniger klar im Regierungsprogramm formuliert sind. Die ÖH beispielsweise soll auf eine reine Servicefunktion zurückgestutzt werden und ihr allgemeinpolitisches Mandat verlieren. Das hat die ÖVP-nahe AG immer wieder gefordert, aber mangels einer Mehrheit nie umsetzen können, nun soll es die Bundespartei richten, was demokratisch nicht errungen werden konnte. Die verpflichtende Kammernmitgliedschaft wurde nun zwar doch nicht aufgehoben, aber die Daumenschrauben werden über eine drohende Senkung der Mitgliedsbeiträge sicher weiter angezogen werden.

Die Zivilgesellschaft wiederum soll über eine Senkung der Förderungen geschwächt werden. Wenn die neue Bundesregierung nun wie angekündigt auf Bundesebene Kürzungen von 190 Millionen € bei den Förderungen vornehmen wird, kann man davon ausgehen, dass sie dies wie in OÖ auch im Kultur- und Sozialbereich und nicht im Wirtschaftsbereich tut. Im Land ob der Enns gibt es 2018 im Bereich der Kulturförderung ein Minus von 30% zu schlucken. Nach Jahren der Nichtanpassung der Inflation und kleineren Kürzungsrunden haben die durchaus kritischen Kulturvereine und KünstlerInnen damit 66% weniger öffentliche Unterstützung zur Verfügung als noch zu Beginn des Jahrtausends. Auch im Sozialbereich wurden in OÖ besonders bei den Förderungen gekürzt: Getroffen waren besonders unabhängige Sozialvereine, die in der Familienberatung, der Flüchtlingsberatung oder der Frauenunterstützung aktiv sind. Viele Initiativen im Kultur- und Sozialbereich werden nun zusperren müssen, neben dem minimalen Spareffekt im öffentlichen Haushalt das eigentliche Ziel der rechten Regierungsmehrheit in OÖ.

Auch das finanzstarke rote Wien wird solche drohenden Förderverluste nicht zur Gänze auffangen werden. Tut sie es doch, wird das Defizit weiter steigen und den schwarzen Narrativ der schlecht wirtschaftenden Sozialdemokratie weiter stärken. Ein politisches Spiel, wie es die ÖVP meisterhaft beherrscht, beispielsweise in OÖ mit der finanziellen Belastung der roten Städte durch die Sprengelbeiträge. Oder der Nichtzuweisung von ihnen eigentlich zustehenden Budgetmitteln an rote Gemeinden wie in NÖ. Die ÖVP wird alle Hebeln in Bewegung setzen, um das linke, das progressive Wien zu schwächen. Sebastian Kurz weiß: Wenn er es schafft, auch Wien zu knacken, wird der rechte Staatsumbau viel einfacher zu bewerkstelligen sein. Linke Strukturen, die in mühevoller Arbeit jahrzehntelang aufgebaut wurden, könnten in wenigen Jahren zerstört werden. Soziokulturelle Räume wie das WUK oder die Arena, die als Infrastrukturknoten zentrale Funktionen des Austausches und Diskurses für eine progressive, urbane Szene bieten, sind bedroht. Besonders dort, wo die Gebäude der Stadt selbst gehören, kann eine rechte Regierung schnell unliebsame AkteurInnen unter Druck setzen, wie man in Wels anhand des Schl8hofs sehen kann.

Diese, unsere Räume gilt es in den nächsten Jahren mit allen Mitteln zu erhalten. Die Prekarität wird weiter ansteigen, die 80er Jahre lassen grüßen. Als Gegenmittel hilft Solidarität, Vernetzung und kluges, strategisches Vorgehen. Nicht jammern, agieren!

Warum, Herr Stelzer?

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #164 publiziert.

Politik funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Es gibt den öffentlichen Diskurs und es gibt Hinterzimmergespräche. Es gibt den Fachdiskurs, es gibt die Sicht der BeamtInnen, es gibt Gerüchte, Vermutungen und Erwartungen. Wer, wie die KUPF, auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen will, muss aus diesen vielen Ebenen herauslesen können, wohin die Reise geht. Nach dem letzten Jahr haben wir aber mehr offene Fragen, als uns lieb ist.

Egal, mit wem wir in den letzten Monaten gesprochen haben: Warum der neue Landeshauptmann und Kulturreferent einen Kahlschlag in Oberösterreichs Kulturwirtschaft vorantreibt, darauf hat niemand so recht eine Antwort. Während andere Landeshauptleute ihr Image mit Kunst und Kultur aufpolieren, beschädigt sich der neue Landeshauptmann mit dieser Kürzungsstrategie öffentlich selbst. Diejenigen, die am lautesten applaudieren, sind die rechten Regierungspartner in Form der FPÖ. Diese können sich entspannt zurücklehnen, während sich Stelzer die Finger dreckig und jener Szene den Garaus macht, aus deren Richtung die FPÖ den größten Widerstand spürt. In Kärnten haben die Freiheitlichen damals diese Drecksarbeit noch selbst machen müssen.

Ob es auch bei Stelzer eine Frage eines anderen Kulturbegriffs ist? Eher nicht. Rund um Presseauftritte beim Festival der Regionen oder auch im Kennenlerngespräch mit der KUPF hatten wir den Eindruck, dass seine Sympathien eher bei einem progressiven Kulturbegriff liegen. Unser Gespräch war so lange einvernehmlich, bis es um die Finanzen ging. Als wir, mit guten Argumenten und Zahlen unterfüttert, eine dringend notwendige Erhöhung der Förderungen forderten, war die Antwort des Finanz- und Kulturreferenten deutlich: Mehr gibt es sicher nicht, im besten Fall wird es nicht weniger.

Dieser beste Fall ist nun anscheinend nicht eingetreten. Im Gegenteil: Im Budgetentwurf 2018 ist nun die größte Kürzungswelle, seit die KUPF Aufzeichnungen führt, geplant. Und sie trifft vor allem den Förderbereich, und das in allen Sektoren. Von der Volkskultur bis zu den zeitgenössischen Kulturinitiativen, von der Blasmusik bis zu den EinzelkünstlerInnen – in Summe werden bei den Förderungen, vulgo Ermessensausgaben, 30 % gekürzt. Wohl schon Dank der #kulturlandretten Initiative der KUPF wird der Sektor der zeitgenössischen Kunst und Kultur «nur» um 18,4 % gekürzt. Bei den öffentlichen Einrichtungen ist das Bild diverser: Während auch das Landestheater oder die Bruckneruni Federn im einstelligen Prozentbereich lassen müssen, können sich das Landesmusikschulwerk und die Landesausstellung wieder über ein Plus freuen. In Summe bleibt ein Minus von 0,9 % bei den öffentlichen Einrichtungen übrig. Wie unsere Datenanalyse zeigt, liegt mit diesem Budgetentwurf der Wertverlust der zeitgenössischen Kulturförderung des Landes seit 2001 bei unvorstellbaren 68 %.

Was uns hier wichtig ist, zu betonen: Es geht nicht um das Ausspielen eines Teils der Kulturszene gegen einen anderen. Die großen Häuser haben ihren Platz, ihre Aufgaben und spielen auch als AuftraggeberInnen vor allem für die KünstlerInnen eine wichtige Rolle. Wie der Linzer Stadtkulturbeirat in einer Stellungnahme richtig geschrieben hat, müssen wir in der Kulturpolitik weg von der Kürzungsdiskussion kommen, hin zur Frage, wie wir kulturelle Angebote weiterentwickeln und verbessern können. Wie aber der neue Kulturreferent zu dieser Frage steht, ist uns ein Rätsel.

Herr Landeshauptmann, gestatten Sie daher ein paar Fragen: Wohin wollen Sie Oberösterreich kulturell führen? Ist es eine bewusste Entscheidung, die gemeinnützigen Kulturvereine im Stich zu lassen? Ist das Zeitalter der professionellen Kulturarbeit hierzulande wieder vorüber, wollen Sie abseits der großen Häuser nur noch Laientheater und ehrenamtliche Kulturarbeit in Oberösterreich? Reicht es, wenn sich nur noch in den großen Städten professionelle Kulturbetriebe halten können und der ländliche Raum kulturell verdunkelt? Warum verteilen Sie als Kulturreferent Gelder aus dem Kulturbereich in die Wirtschaftsförderung um? Warum wollen Sie Arbeitsplätze im Kulturbereich abbauen, warum sind diese weniger wert als Jobs im Straßenbau oder in der Breitbandindustrie?

Herr Landeshauptmann, ich glaube, Sie haben einfach die falschen BeraterInnen. ExpertInnen für Private Banking sind vielleicht bestens mit den Anliegen der Reichen und Reichsten vertraut. Von Volkswirtschaft oder Kulturpolitik haben sie aber wohl wenig Ahnung, wie diese fatalen politischen Entscheidungen zeigen. Herr Kulturreferent Stelzer, warum hören Sie nicht mal auf uns KulturexpertInnen? Und tun das Richtige für die Zukunft unseres Bundeslandes: Retten Sie mit uns das Kulturland Oberösterreich.

„Ich sehe das nicht als Kahlschlag“

Dieses Interview wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #164 publiziert.
 

Thomas Diesenreiter: Mehr als 12.000 Personen haben unsere Petition „Rettet das Kulturland OÖ“ bisher unterschrieben. Ist das für Sie ein berechtigtes Anliegen oder Panikmache der KUPF?

Reinhold Kräter: Ich habe Verständnis dafür, dass in Zeiten, wo Dinge in Bewegung sind, Leute Ängste und Sorgen haben und diese auch artikulieren. So gesehen ist es legitim und normal, dass es diese Petition gibt.

Wir stehen heuer bei einem Werverlust der Förderungen der zeitgenössischen Kultur von etwa 50 % seit 2001. Mit dem jetzigen Sparpaket wird das Minus auf 68 % steigen. Ist das noch zumutbar?

Kräter: Ich glaube, dass es mit den Geldern, die zur Verfügung stehen, möglich sein müsste, das Kulturland als Kulturland zu bewahren. Ich glaube, dass es weiterhin die Chance und die Möglichkeiten gibt, dass wir alle miteinander vernünftige Projekte machen bzw. unterstützen können. Wenn wir hergehen und vielleicht da oder dort den Oberösterreich-Bezug ein wenig genauer anschauen, wird das alles gut funktionieren. Ich bin da sehr zuversichtlich. Ich sehe das nicht als Kahlschlag oder als Unzumutbarkeit.

Aber es ist nicht abzustreiten, dass es in einzelnen Förderbereichen gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 30 % – 35 % gibt?

Kräter: Es gibt in einzelnen Förderbereichen ein klar sichtbares Minus. Es gibt aber auch die Variierbarkeit der Ansätze im Förderbereich. Und die MitarbeiterInnen sind angehalten, ihre Projekte zu prüfen. Wenn wir das vernünftig prüfen und wenn wir miteinander im Dialog bleiben, werden wir es schaffen, dass wir ohne Härtefälle und ohne Kahlschlag durch das Kulturjahr 2018 kommen.

Jeder Förderfall wird von mir mitgezeichnet. Da gibt es immer wieder Beispiele, wo ich mir denke, da könnte man den Oberösterreich-Bezug noch ein bisschen schärfen. Der Oberösterreich-Bezug hat zwei Seiten. Das eine ist, dass die Künstlerin oder der Künstler einen Bezug aufgrund seiner Biografie zu OÖ hat. Der zweite Ansatz ist, dass ein künstlerisches Werk einen inhaltlichen Bezug zu OÖ hat. Umgekehrt gibt es aber auch Fälle, die eine bundesweite Bedeutung haben. Da wird es notwendig sein, dass wir beim Bund mehr Förderungen lukrieren. Denn der Förderbericht des Bundes, den ich genau analysiert habe, ist sehr Wien-lastig. Da hätte OÖ den Anspruch, dass man vermehrt Bundesförderungen in Anspruch nimmt. Weil bei uns sehr viel geleistet wird, das eine bundesweite Bedeutung hat.

Gibt es irgendeine inhaltliche Begründung, warum in manchen Bereichen so viel gespart wird, in anderen so viel?

Kräter: Ein Budget wird von verschiedenen Aspekten berührt. Wir haben die gesetzliche Grundlage, die Netto-Neuverschuldung auf Null zu reduzieren.

Ich bekenne mich als Kulturdirektor zur Schuldenbremse.

Es ist wichtig, dass wir versuchen, die Neuverschuldung abzubauen und dass wir uns Spielräume schaffen, die wir in Zukunft brauchen werden. Die Maßnahme hat vom zeitlichen Timing her eine gewisse Kurzfristigkeit. Ich habe mich als Kulturdirektor bemüht, mit den MitarbeiterInnen und in Abstimmung mit der Politik ein Budget vorzulegen, wo wir innerhalb der gebotenen Rahmenbedingungen auch weiterhin etwas Vernünftiges machen können.

Wir sparen auch bei den eigenen Einrichtungen. Wenn ein Landestheater 2,4 Mio. € einspart, dann ist das ein deutliches Signal. Wohlwissend, dass es schon gewisse Dispositionen für den Spielplan der diesjährigen und der kommenden Saison gegeben hat. Auch die Maßnahme der Veränderung der Landesausstellungen auf drei Jahre ist etwas Sinnvolles, was uns strukturell helfen wird. Wenn wir in den kommenden Jahren nicht mehr in so kurzen Intervallen Investitionsspitzen haben, kriegen wir damit Mittel zur Verfügung, die wir auf Förder- und andere Bereiche aufteilen können.

Bei den großen Häusern werden unter dem Strich 0,9 % gekürzt, die Förderungen werden um 30 % gekürzt. Ist das ein faires Verhältnis zueinander?

Kräter: Man muss schauen, was man in den einzelnen Bereichen an freien Finanzspitzen zur Verfügung hat und was der jeweilige Partner zu einer Einsparung beitragen kann, ohne dass ich dabei diese Einrichtung kaputtspare. In den Maßnahmen sind auch Finanzierungsanteile für Musikschulbauten drinnen. Dort haben wir deutliche Einsparungen vorgenommen. Die schlagen aber bei den Gesamteinsparungen im Förderbereich natürlich mit durch.

Es geht auch um das Rahmenprogramm der Landesausstellung. Das sind Maßnahmen, die zunächst das Land betreffen, wo die Förderung nicht unmittelbar beim Endverbraucher ankommt. Daher spare ich dort deutlich ein. Wir haben auch in der Denkmalpflege massive Einsparungen vorgenommen.

Mir war bewusst, dass wir in der Zeitkultur die Einsparungen vergleichsweise gering halten werden. Das ist für mich ein Signal an die freie Szene, das man in diesem schwierigen budgetären Umfeld auch nicht ganz gering schätzen sollte. Ich habe mir die verschiedenen Budgetzahlen über die letzten fünf Jahre angeschaut. Da gibt es immer wieder gewisse Schwankungen drinnen, weil ein Budget nicht automatisch linear vorgeschrieben werden kann.

Bei dem, was wir heuer auf dem Ansatz Zeitkultur verbucht haben, sind wir über dem, was wir im Rechnungsabschluss 2016 haben. Das ist ein wichtiges Signal. Ich bin überzeugt, wenn man miteinander im Gespräch bleibt, wird es möglich sein, sich die Förderfälle individuell anzuschauen. Meine MitarbeiterInnen wissen das, dass sie in diesem Budgetjahr 2018 vermehrt auch auf Beratung und Dialog mit den FörderwerberInnen setzen müssen. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns Ende des Jahres 2018 in einem Umfeld wiederfinden, wo wir sagen, okay, es war nicht leicht, aber wir haben es geschafft.

Würde das auch bedeuten, dass es dann ab 2019 wieder einmal eine Budgeterhöhung geben wird?

Kräter: Wie ich eingangs gesagt habe, haben wir den Intervall der Landesausstellung auf drei Jahre ausgedehnt. Da bekommen wir Mittel, über die wir disponieren können. Wir werden uns das dann in der Förderzuteilung, aber auch in den anderen Bereichen, ganz genau anschauen und werden versuchen, hier wieder Impulse zu setzen.

Ich sehe das auch als Vorteil, eine gewisse Dynamisierung des Budgets, weil das für die Zukunft notwendig ist. Weil wir alle derzeit nicht wissen, wie die wirtschaftliche Entwicklung weiterläuft oder ob es zusätzliche Einnahmen geben wird. Sollten wir im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs wie z. B. Deutschland schaffen, dass das Steuereinkommen deutlich steigt, dann hoffe ich natürlich, beim Finanzreferenten dann entsprechende Stimmung machen zu können, dass wir (Anmerkung der Redaktion: die Kultur) davon profitieren können. Aber das ist eine finanzpolitische Entscheidung, die kann ich selbst nicht treffen.

Der Kulturreferent hat argumentiert, dass bei den öffentlichen Einrichtungen weniger gespart wird, weil dort Gehälter zu zahlen sind, während es in der freien Szene nur um Förderungen geht. Sie wissen, dass es auch in Kulturvereinen lohnabhängige Angestellte gibt. Eine „Dynamisierung“ kann bedeuten, dass Arbeitsplätze verloren gehen.

Kräter: Für mich ist wichtig, dass man beim jeweiligen Förderantrag analysiert, was hat diese Einrichtung an Fixkosten, da gehören natürlich die Personalkosten auch dazu. Welche Förderungen zielen darauf, Projekte zu realisieren und können mit relativ wenig Fixkosten auskommen? Ich habe die FörderbearbeiterInnen angewiesen, dass sie das bei der Bemessungsgrundlage der Förderung entsprechend berücksichtigen. Das muss man sehr genau vor Augen haben, weil uns natürlich bewusst ist, dass viele Leute durch ihre Tätigkeit in der Kultur einen Broterwerb haben.Ich möchte, dass soziale Härtefälle vermieden werden. Bei entsprechender Kommunikation zwischen der fördernden Stelle und dem jeweiligen Förderwerber müsste das möglich sein.

Gibt es eine Weisung zu den Bereichen mit Kürzungen von 20 % – 35 %? Will man alle um den gleichen Betrag kürzen oder hält man ein paar auf dem gleichen Level und streicht manche komplett?

Kräter: Grundsätzlich halte ich Rasenmäher-Aktionen im Budgetkontext nicht für sinnvoll.

Man muss sich das individuell anschauen. Im Kontakt mit den Förderwerbern muss man die entsprechenden Daten bekommen, die für diese Entscheidungsgrundlage dienen und dann muss man es sich fallspezifisch ansehen. Mit einem Rasenmäher drüberzufahren werde ich nicht befürworten.

Der Landeskulturbeirat (LKB) hat an die Verantwortungsträger appelliert, dass es nicht zu einem Kahlschlag kommen darf. Warum glauben Sie, kommt der LKB zu diesem Schluss?

Kräter: Ich hatte den Eindruck, dass die Mitglieder des LKB wissen, dass ich in meiner Funktion dafür stehe, dass es nicht zu einem Kahlschlag kommt. Dass diese Sorgen und Ängste da sind, ist legitim. Es geht ja letztlich bei um eine Art Interessenausgleich. Das heißt aber, man muss miteinander reden und sich die jeweiligen Eckpfeiler genau anschauen. Daran werden wir nicht vorbeigehen kommen. Das ist momentan notwendiger denn je.

Wir haben zum Glück in OÖ ein sehr buntes, vielfältiges Kulturland. Als Kulturdirektor möchte ich, dass das auch so bleibt. Wir haben im Ländervergleich Gott sei Dank immer noch eines der höchsten Kulturbudgets. Wenn ich weniger Geld zur Verfügung habe, ist es viel schwieriger, den Interessenausgleich herbeizuführen. Es geht darum, dass man als Kulturdirektor darüber wacht und dass ich selber auch mit den Leuten in der Fördergruppe in Verbindung bin, damit da keine Aktionen passieren, die dann vielleicht als Kahlschlag interpretiert werden könnten.

Rechnet man beim Bundesländervergleich die Landesmusikschulen raus, sieht man, dass das oö. Kulturbudget unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Das Land Salzburg hat ein nur halb so hohes Gesamtbudget, fördert aber die zeitgenössischen Kunst und Kultur doppelt so hoch.

Kräter: Das sind statistische Auswertungen. Ich glaube, beim Landesmusikschulwerk (LMSW) muss man vorsichtig sein, weil es unterschiedliche Modelle gibt, wie die LMSWs organisiert sind. Aber Sie haben schon Recht, wir müssen uns natürlich auch mit den Verantwortlichen des LMSWs Gedanken machen, wie wir organisationstechnisch und budgettechnisch weiter vorgehen.

Es ist ja kein Geheimnis, dass die Landeskulturdirektion derzeit eine Organisationsreform vorbereitet. Da werden alle Bereiche durchleuchtet. Beim LMSW ist es nach meinem Dafürhalten so, dass wir den Ausbauzustand erreicht haben. Ich mache mir Gedanken, was das für die Budgets der kommenden Jahre bedeuten wird und was wir in der Verwaltung des LMSW tun können, um kostendämpfend zu wirken, um die Mittel anderwärtig einsetzen zu können.

Die KUPF hatte im Sommer die Situation, dass einige ihrer Mitglieder mehrere Monate lang auf Förderzusagen warten mussten.

Kräter: Das ist mir ein großes Anliegen, dass wir die Bearbeitungsqualität der Förderanträge weiter verbessern. Da haben viele Faktoren mitgespielt. Der Wechsel des Referenten, der eine gewisse Zäsur in der Bearbeitung mit sich bringt. Oder der große Rechnungshofbericht über Denkmalpflege, der einiges an Arbeit nach sich gezogen hat.

Grundsätzlich kann es nur das Ziel sein, Förderungen so rasch als möglich zu bearbeiten. Daher bin ich überzeugt, dass die KollegInnen wieder auf ein Level zurückkommen, bei dem eine zügige Bearbeitung des Förderansuchens möglich ist. Wer ein Förderansuchen einreicht, hat das Anliegen, es so schnell als möglich erledigt zu bekommen. Das ist Teil eines Servicecharakters. Wir sind letzten Endes ein Dienstleistungsbetrieb und werden auch an dem gemessen. Ich bin überzeugt, da wird es Verbesserungspotential geben.

Kann man das konkretisieren? Zum Beispiel auf sechs Wochen Zeit von der Einreichung bis zur Entscheidung?

Kräter: Wir arbeiten gerade noch an dem System. Ich halte es für durchaus sinnvoll, sich intern Fristen zu setzen, innerhalb der gewisse Dinge erledigt werden müssen, ja.

Kann man sich auf diese Fristen als Förderwerber berufen?

Kräter: Das ist immer schwierig, weil es in dem Bereich im Gegensatz zu behördlichen Erledigungen keine Gesetzeskraft gibt. Jetzt müssen wir einmal unser Förderhandbuch fertig machen. Wir werden da Modelle entwickeln und das werden wir dann mit der Politik besprechen. Im Förderhandbuch werden die Prozesse, die notwendig sind, um Förderungen abzuwickeln, vom arbeitstechnischen her standardisiert. Damit Neue auch wissen, was sie zu tun haben.

Unterstützen Sie die Bewerbung des Salzkammerguts zur Europäischen Kulturhauptstadt?

Kräter: Ich glaube, das Entscheidende ist, dass wir uns nochmal zusammensetzen. Bisher gab es ein paar informelle Gespräche. Es ist für mich noch nicht klar ersichtlich, wie diese Bewerbung wirklich ausschauen soll. Ich nehme an, dass die Verantwortlichen aus dem Salzkammergut in Kürze zu mir kommen werden und dann können wir uns gerne an einen Tisch setzen und das diskutieren.

Würde das Land OÖ wie bei Linz09 20 Mio. mitzahlen?

Kräter: Die Frage ist, ob man eine Kulturhauptstadt immer mit 20 Mio. € machen muss oder ob es andere Ideen und Konzepte gibt. Aber nachdem ich das Konzept bis auf ein paar grobe Vorstellungen noch nicht kenne, kann ich dazu keine Aussage treffen. Eine Kulturhauptstadt sollte nicht primär eine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Kreativität der Ideen sein.

Neue Zeit, alte Kämpfe

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #163 und in abgewandelter Form in der Zeitschrift gift, Ausgabe 03/2018, der IG Freie Theaterarbeit publiziert.

Oberösterreich ist ein stolzes Bundesland, das sich selbst gerne in der Vorreiterrolle sieht. Nach zwei Jahren einer schwarz-blauen Koalition taugt es vielleicht auch in politischer Hinsicht als Menetekel. Eine Deutungssuche, was da noch kommen wird.

Die erste Plakatwelle des neuen Landeshauptmanns Stelzer kündigte im April eine «Neue Zeit» an. Und diese ist nun auch auf Bundesebene gekommen: «Zeit für Neues» lautet der Slogan, mit dem Sebastian Kurz in die Wahlschlacht zieht, aus der er am Schluss als neuer Bundeskanzler hervorgehen möchte. Ob ihm das gelingt, und wenn ja, in welche Koalition er seine Partei führt, ist offen. Ein schwarz­-blaues Revival ist möglich.

Was bedeutet eine solche Koalition also kulturpolitisch? Die erste Bilanz nach zwei Jahren Schwarz-­Blau in Oberösterreich fällt nicht positiv, aber auch nicht so negativ aus, wie viele befürchtet haben. Ja, die Förderungen für die Freie Szene wurden abermals weniger, und ja, die Budgets der großen Institutionen sind gestiegen. Aber beide Entwicklungen stehen in einer Kontinuität, die die KUPF seit etwa 8 Jahren beobachtet und kritisiert.

Nun scheint sich aber die Lage zu verschärfen: Das jahrelange Trommeln der FPÖ und der oberösterreichischen Industrie für radikalere Kürzungen im Kulturbereich ist nach dem Abgang Pühringers nun auch in der ÖVP auf offene Ohren gestoßen. Laut einem Bericht der OÖN sollen im Kulturbereich 10 % eingespart werden. In absoluten Zahlen wären das 19 Millionen €. Dabei soll die heilige Kuh des Landesmusikschulwerks (LMS) von Kürzungen verschont werden, mutmaßlich die letzte kulturpolitische Bürgschaft Pühringers. Da das LMS aber fast die Hälfte des Budgets beansprucht, heißt das im Extremfall, dass im restlichen Budget knapp 20 % gesperrt werden müssen. Zahlen, denen Stelzer aber später im Landtag auf eine entsprechende Frage des grünen Kultursprechers Severin Mayr widerspricht: «Einen derartigen Plan habe ich nicht.» Sehr wohl wird es aber laut Stelzer Einsparungen geben. Wen es in welchem Umfang trifft, bleibt vorerst offen.

Erste Reformpläne wurden im institutionellen Bereich publik: Der Linzer Bürgermeister und der Landeshauptmann möchten die lange diskutierte Zusammenlegung der Stadt­ und der Landeseinrichtungen zumindest stückweise umsetzen. Teile der Sammlung der Landesgalerie sollen den Museen der Stadt Linz übertragen werden, der Rest wandert in das Landesmuseum. Das bestehende Biologiezentrum soll in das nun leere Gebäude in der Lederergasse ziehen. Danach kann das alte Gebäude am Stadtrand abgesto­ßen werden, zumindest ein kleiner Spareffekt. Weiters sollen Synergien im Bereich der Verwaltung und Marketing gehoben werden, und diese zentral im Kulturquartier gebündelt werden. Die ebenfalls oft diskutierten Fusionen im Musikbereich – Stichwort Brucknerhaus und Musiktheater – sind nun aber wieder vom Tisch. Wie das alles konkret aussieht, ist noch offen, die zuständigen Beamten haben eben erst den Auftrag bekommen, diese politischen Vorhaben auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen.

Weitere Einsparmöglichkeiten liegen auf der Hand: Oberösterreich wird wohl auch ohne die sündteuren Landesausstellungen auskommen; im Denkmalbereich werden sicher die Kircheneinrichtungen und Schlossbesitzer ohne Subventionen im sechsstelligen Bereich überleben. Es steht aber zu befürchten, dass – wie so oft – nicht dort gespart wird, wo es am sinnvollsten ist, sondern dort, wo am wenigsten Widerstand erwartet wird. Dass damit besonders die zeitgenössische Kunst und Kultur gefährdet ist, sollte uns motivieren, das schleunigst zu ändern.

Wie abstrus die Kürzungsdebatte ist, zeigt sich an einer anderen aktuellen Meldung: Das prognostizierte Wirtschaftswachstum wird heuer 0,55 Prozentpunkte höher ausfallen, als erwartet. Damit werden die Steuereinnahmen des Bundeslandes vermutlich um etwa 25 Millionen € höher ausfallen. Und damit deutlich über dem liegen, was im Kulturbereich eingespart werden soll.

Auf Bundesebene ist für ÖVP-­Spitzenkandidaten Kurz Kulturpolitik bisher kaum ein Thema gewesen. Die Ansage, Förderungen kürzen zu müssen, ist allerdings ein fixer Bestandteil seiner Reden. Im Wahlprogramm findet sich wiederum einerseits ein Bekenntnis zu Österreich als Kulturland und der öffentlichen Kulturfinanzierung. Den regionalen Initiativen werden «flexiblere Förderinstrumente, die unbürokratisch unterstützen und eine schnellere Abwicklungen als heute ermöglichen» versprochen. Betont wird aber gleichzeitig die «Wichtigkeit des Abbaus von Doppelgleisigkeiten» – wo diese bestehen und was das bedeuten soll, bleibt im Unklaren.

Wer wissen möchte, wie sich eine mögliche schwarz-blaue Regierung auf Bundesebene kulturpolitisch auswirken wird, sollte in den nächsten Wochen Ober­österreich beobachten. Vielleicht wird unser Bundesland auch hier Vorreiter sein.

Kultur-Arbeits-Amt

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #163 publiziert.

Warum in Österreich wann welche Beschlüsse von wem gefasst werden, hat dank der berühmten Hinterzimmer immer etwas Mystisches an sich. Mythen entwickeln sich mit der Anzahl der verstrichenen Jahre gerne zu Legenden weiter. Und eine dieser Legenden geht so:

Vor 35 Jahren saß der Wiener Theaterregisseur Georg Mittendrein in einer Audienz bei Kanzler Kreisky. Sein vorgetragenes Problem: Von der Kultur könne man in Österreich kaum leben, es gäbe dringenden Handlungsbedarf. Ein paar Telefonate mit Hilmar Hoffmann, dem «Kultur für Alle»­-Erfinder aus Frankfurt, und Sozialminister Dallinger später entstand so die «Aktion 8.000». Die Aktion 8.000 sollte dazu beitragen, die steigende Arbeitslosigkeit mithilfe von individueller Beratung, Unterstützung und Förderung zu verhindern und damit Vollbeschäftigung zu erreichen. Gefördert wurden Vollzeitarbeitsplätze im Kultur­ und Sozialbereich. Laut Schätzungen in einer Studie des AMS Österreich aus dem Jahr 2016 konnten mit der Aktion 8.000 zwischen 1983 und 1995 rund 11.500 dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen werden. So entstand nicht nur eine vielfältige Landschaft im Bereich der Sozialen Dienstleistungen, sondern auch Teile der Kultur­ und Kreativwirtschaft haben ihre Wurzeln in der experimentellen Arbeitsmarktpolitik.

Hört man sich bei den alten Hasen und Häsinnen in der Szene um, bestätigt sich dieser Eindruck. Der Kanal in Schwertberg, für viele eine der wichtigsten Geburtsstätten der zeitgenössischen Kulturszene Oberösterreichs, konnte so seinen ersten Mitarbeiter anstellen. Auch die Linzer KAPU hat ihren ersten bezahlten Geschäftsführer auf diese Weise finanziert und damit ein Stück ihres Weges der Professionalisierung weg vom Jugendtreff hin zum Club zurückgelegt. Dem pflichtet Wolfgang Steininger, Gründer und Leiter der Local­Bühne und des Moviemento bei:

Ohne die Aktion 8.000 würde es die Local­Bühne in der heutigen Form nicht geben. Es war eine rasche, unbü­rokratische Entscheidung vor Ort.

In Erinnerung an dieses Erfolgsprojekt hat die Bundesregierung heuer auf Drängen der SPÖ die Aktion 20.000 ins Leben gerufen. Und hier schließt sich der Kreis: Dank Lobbying der KUPF ist dieses neue Arbeitsmarktprojekt in Oö bereits in der Pilotphase für Kulturvereine zugänglich. Gefördert werden Vollzeitarbeitsplätze für langzeitarbeitslose Überfünfzigjährige bis Mitte 2019 in einer Höhe bis zu 100 %. Derzeit ist die Aktion 20.000 noch auf die Bezirke Linz und Urfahr­-Umgebung limitiert, ab dem 1. Jänner fällt diese Schranke allerdings. In Linz haben bereits die ersten Personen so neue Jobs in Kulturinitiativen gefunden, auch das KUPFbüro hat einen neuen Arbeitsplatz geschaffen.

Es gibt noch weitere Tätigkeitsgebiete und Förderungsmöglichkeiten für Kulturinitiativen im Feld der Arbeitsmarktpolitik. Beispielsweise hat das Radio B138 seit seiner Gründung vielfältige Erfahrungen in Projekten gesammelt. In der Gründungszeit wurden überhaupt die ersten drei MitarbeiterInnen für ein Jahr über Arbeitsstiftungen finanziert und danach von B138 übernommen. Heute ist das Freie Radio selbst im Arbeitsmarkt als Wissensvermittler aktiv: Für das Frauenberufszentrum halten sie regelmäßig Workshops in Steyr, Kirchdorf und Rohrbach ab, in denen die TeilnehmerInnen Radiomachen lernen. Noch intensiver wird es in einer Kooperation mit dem WIFI, für das sie zweimal im Jahr ein vierwöchiges Medienmodul für bis zu 10 TeilnehmerInnen durchführen. Neben der Betriebsfinanzierung hat dies nicht nur den Effekt, dass so auch mehr Menschen mit dem Freien Radio in Berührung kommen. Für Mike Schedlberger ergibt sich

für uns immer ein recht cooler Einblick in die Situation von Arbeitssuchenden. Das ist für uns eine total bereichernde Initiative.

Es bleibt zu hoffen, dass die neue Aktion 20.000 an den Erfolg seines Vorgängerprojekts anknüpfen kann. Und viele Kulturinitiativen diese einmalige Chance für sich und die Arbeitssuchenden nutzen. Denn auch wenn Kulturarbeit oft ein hartes Geschäft ist – besser als zuhause sitzen zu müssen ist sie allemal.

Kultur statt Krise

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #162 publiziert.

Kaum ein Kulturprogramm der EU ist in der Freien Szene so umstritten wie das der Kulturhauptstädte Europas. Auch, weil es nicht nur ein Kulturprogramm ist, sondern ebenfalls der Stadtentwicklung („Gentrifizierung!“ rufen die KritikerInnen), der Vermarktung („Ausverkauf!“) und dem wirtschaftlichen Aufschwung („Kapitalismus!“) dienen soll. Und so unrecht haben die Kritisierenden damit natürlich nicht, konnte man diese Effekte doch in Graz 2003 und Linz09 gut und hautnah miterleben. Auf der anderen Seite ist bei genauer Analyse aber klar, dass immer einiges an Geld, Ressourcen und Know-how hängenblieb, im Kultursektor allgemein sowie in der Szene selbst. Und schließlich: So viel kulturpolitischen Diskurs und Aufmerksamkeit für kulturelle Anliegen wie vor und nach einer Kulturhauptstadt erlebt man selten.

Es ist daher aus Sicht der KUPF notwendig, sich dem Diskurs um das Kulturhauptstadtprogramm mutig und offen zu stellen. Denn ob wir es wollen oder nicht, 2024 wird es ziemlich sicher wieder eine österreichische Kulturhauptstadt geben. Unter Beteiligung der Szene, oder als Solostück der großen Häuser. Als Kulturprojekt, oder als Tourismusspot. Progressiv und weltoffen, oder geschichtsvergessen und lokalkoloritisch. Die heißen Themen besprechend, oder oberflächliche Events vermarktend. Oder irgendwo mittendrin, je nachdem, wie die Bewerbungsphase als kulturpolitisch spannendster Teil des Kulturhauptstadtprozesses ausgeht.

Kollege Christian Diabl fordert auf den nächsten Seiten Mut und Visionskraft von den politischen EntscheidungsträgerInnen in Bezug auf das Kulturhauptstadtprogramm. Es liegt aber auch an uns KulturaktivistInnen, uns in den entscheidenden nächsten Monaten der Einreichungsphase einzumischen, einzubringen und ein klares Bekenntnis zu progressiver Kulturpolitik einzufordern. Egal ob im Salzkammergut, in St. Pölten oder Vorarlberg. Wir müssen unsere Lehren aus Graz und Linz ziehen und uns überlegen, ob die damaligen Strategien erfolgreich waren oder ob wir neue brauchen. Wie können wir für das nächste Mal verhindern, den Hilferuf „Maschine brennt!“ absetzen zu müssen, wie es die Freie Szene bei Linz09 tat? Sind wir gut genug vernetzt, haben wir genug Gewicht, sind wir strategisch gut genug vorbereitet und aufgestellt für den Prozess Kulturhauptstadt, der immer auch ein machtpolitisches Spiel und ein Verteilungskampf ist?

Ansporn genug sollte es geben, dass wir diesmal erfolgreicher sind. Immobilienkrise, Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Solidaritätskrise – und jetzt auch noch eine Identitätskrise plagen den europäischen Kontinent. Dass die Rückbesinnung auf die nationalen Identitäten nicht die passende Antwort auf diese Frage ist, ist den meisten in der Kulturbranche klar. Aber dass auch das Bekenntnis zu Weltoffenheit, Diversität und Toleranz in Europa meist nur in den urbanen Zentren eine Mehrheit in der Bevölkerung findet, muss uns ebenfalls bewusst sein und zu denken geben. Wie können wir Brücken bilden in diesem zunehmend polarisierten Europa, das ja am Ende des Tages doch eine gemeinsame Gesellschaft bilden muss?

Dieser Handlungsauftrag der Vermittlung und der Reflexion, des Austausches und des Diskurses ist seit jeher ein maßgebliches Element progressiver Kulturarbeit. Und gerade heute sollten wir uns daher die Chance nicht nehmen lassen, eine österreichische Kulturhauptstadt auf die Beine zu stellen, die die großen Fragen unserer Zeit in den Fokus rückt. Eine Kulturhauptstadt, die die europäische Krise vermisst, Antworten sucht und vielleicht für einen Augenblick sogar welche findet. Eine Kulturhauptstadt, die nicht in der Vergangenheit stehen bleibt, sondern die Zukunft mitgestaltet. Die nicht den Status Quo abbildet, sondern sich zu neuen Ufern aufmacht.

Für eine solche utopische Kulturhauptstadt muss man uns KulturarbeiterInnen und KünstlerInnen ranlassen. Und wir? Wir müssen auch rangelassen werden wollen.

Auf der Suche nach Europas Identität

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der KUPFzeitung #162 publiziert.

Das Kulturhauptstadtprogramm der EU existiert seit 1985. Es zielt nicht nur auf regionalpolitische Effekte ab, sondern soll auch das Gefühl der BürgerInnen Europas stärken, einem gemeinsamen Kulturkreis anzugehören. EU-Botschafterin Heidemarie Meissnitzer geht im Interview mit Thomas Diesenreiter auf Verbindungslinien zwischen dem Kulturhauptstadtprogramm und dem Konstrukt der Europäischen Identität ein.

Thomas Diesenreiter: Das Kulturhauptstadtprogramm soll den BürgerInnen Europas vermitteln, dass sie Teil eines gemeinsamen Kulturkreises sind. Klappt das?

Heidemarie Meissnitzer: Die Initiative „Europäische Kulturhauptstadt“ bietet eine beinah unvergleichliche Gelegenheit, die kulturelle Vielfalt in Europa aufzuzeigen bei gleichzeitigem Verweis auf Gemeinsamkeiten und diese erlebbar zu gestalten. Eine wesentliche Zielsetzung lautet, einen Beitrag zur langfristigen Entwicklung der Städte entsprechend ihrer jeweiligen Strategien, Besonderheiten und Prioritäten zu leisten. In der über 30jährigen Geschichte wurde auf ebenso positive wie vielfältige Weise die Wirkung und der Erfolg dieser Aktion unter Beweis gestellt. Neben einer deutlichen Stärkung und Diversifizierung des Kulturangebots, Erweiterung des Zugangs und Teilhabe an der Kultur, positiven Imageeffekten, zeigen die Ergebnisse immer auch eine Schärfung des internationalen Profils der Städte, neue Sichtweisen auf die eigene Geschichte und Wahrnehmung sowie eine bessere Verzahnung der Kultur mit anderen wichtigen Politikbereichen.

Heidemarie Meissnitzer

Es gelingt den meisten Städten, sukzessiv und sinnlich wahrnehmbar zu verdeutlichen, was uns in Europa und als Europäer verbindet und leider auch trennt.

Zusätzliche Investitionen zu einer wirtschaftlichen Belebung, neuen Schwung und Visionen auf die vorhandenen kulturellen und kreativen Ressourcen. Durch die wiederholte Neuausrichtung und insbesondere einer stärkeren Berücksichtigung partizipativer Angebote – zu nennen wäre hier z. B. das im Rahmen von Linz09 durchgeführte Schulprojekt „I like to move it move it“, bei dem über 70 KünstlerInnen mit über 2.000 SchülerInnen in 60 Schulen künstlerisch zusammengearbeitet haben – , gelingt es den meisten Städten, sukzessiv und sinnlich wahrnehmbar zu verdeutlichen, was uns in Europa und als Europäer verbindet und leider auch trennt. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass damit auch ein Beitrag für ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen europäischen Kulturraum geleistet wird. Dies mit nachweislichen Auswirkungen zu belegen ist noch ein schwieriges Unterfangen.

Wächst die europäische Kultur zusammen oder sehen wir eher eine Vielzahl an parallelen Kulturen nebeneinander? Stichwort Melting Pot vs Salad Bowl.

Vor dem Hintergrund einer bescheidenen EU-Rechtszuständigkeit für den Kulturbereich und der Einhaltung des auch weiterhin zu wahrenden Subsidiaritätsprinzips, ist es für viele Mitgliedstaaten noch immer nicht zulässig, von „einer“ europäischen Kultur zu sprechen. Vielmehr geht es um die europäischen KulturEN, die die Vielfalt und den Reichtum Europas widerspiegeln. Diese kulturelle Vielfalt arbeitet in Form von verschiedensten Projekten, Aktionen und Initiativen auf vielfältige Weise zusammen und verbindet sich transnational und grenzüberschreitend immer wieder neu.

Stichwort Brexit, Stichwort autoritäre Tendenzen in Polen, Ungarn etc.: Das Bedürfnis nach nationaler Identität innerhalb der EU scheint zuzunehmen. Muss das Kulturhauptstadtprogramm darauf Bezug nehmen – und wenn ja, wie?

Diese Frage würde ich mit einem eindeutigen Ja beantworten. Ich habe auch den Eindruck, dass dies – zumindest was die jüngere Geschichte des Kulturhauptstadtkonzeptes betrifft – der Fall war und ist. In diesem Kontext wäre an die Kulturhauptstadt 2016, Breslau in Polen, und an zahlreiche mutige KünstlerInnen und Kulturverantwortliche zu erinnern, die regimekritische Zeichen gegenüber ihren verstärkt autoritär agierenden Staat setzten. Die Berücksichtigung von sozialen und integrativen Aspekten neben kulturellen und wirtschaftlichen Strategien sind Teil einer zunehmend ganzheitlichen orientierten Stadtentwicklung und berücksichtigen die aktuellen Herausforderungen, die bedauerlicherweise beinah zum Alltag nicht nur eines urbanen Lebens geworden sind.

Gibt es so etwas wie eine europäische Leitkultur?

In diesem Fall würde ich lieber von einem europäischen Wertekonsens sprechen, der Prinzipien wie Freiheit, Sicherheit, Frieden, Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität umfasst. Den Begriff Leitkultur halte ich persönlich eher für kontraproduktiv, weil er die Gefahr der Abgrenzung in sich birgt. Für das Funktionieren einer Gesellschaft sind soziale und kulturelle Normen in Bezug darauf, was man tut und was man unterlässt, sehr entscheidend.

Was kann die österreichische Kulturhauptstadt 2024 dazu beitragen, das Bewusstsein der ÖsterreicherInnen für Europa zu schärfen?

Mir fällt zu dieser Frage das 2011 von Stéphane Hessel veröffentlichte Buch „Engagez-vous!“ ein. Nicht nur die Politik, Medien, Bildungsinstitutionen, wir alle sind aufgerufen, uns im Rahmen unserer jeweiligen Möglichkeiten für Europa zu engagieren. Damit meine ich eine differenzierte, durchaus kritische und dennoch konstruktive Herangehensweise an das politisch einzigartige Projekt Europa. Bildung und Information spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, ebenso wie Dialog und Auseinandersetzung auf und zwischen allen Ebenen.

Wir alle sind aufgerufen, uns im Rahmen unserer jeweiligen Möglichkeiten für Europa zu engagieren.

Wünschenswert wären entsprechende Persönlichkeiten, die als Vorbilder für ein engagiertes und verantwortliches Handeln dienen könnten. Auch wenn in Europa und in der EU aufgrund der Gleichzeitigkeit verschiedener Krisen und sehr herausfordernder Szenarien nicht alles rund läuft, ist eine Rückbesinnung und Rückfall in nationale Kategorien keinesfalls ein gangbarer Weg.

Auch wenn in Europa und in der EU aufgrund der Gleichzeitigkeit verschiedener Krisen und sehr herausfordernder Szenarien nicht alles rund läuft, ist eine Rückbesinnung und Rückfall in nationale Kategorien keinesfalls ein gangbarer Weg.

Als Kulturhauptstadt 2024 wollen sich Regionen wie das Salzkammergut oder der Rheintalraum bewerben. Ist das – Stichwort Europa der Regionen – eine wünschenswerte Entwicklung?

In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass die Ausrichtung einer Kulturhauptstadt mit großen planerischen Anstrengungen sowie finanziellen und personellen Aufwendungen verbunden ist. Ein ganzjähriges Kulturprogramm zu gestalten und umzusetzen ist eine überaus anspruchsvolle Aufgabe. Einige Städte, insbesondere kleinere, ziehen es aufgrund beschränkter Kapazitäten daher vor, Kräfte und Ressourcen zu bündeln und sich gemeinsam den Herausforderungen und Chancen dieser Aktion zu stellen. Diese gemeinsame Vorgehensweise von Regionen erfolgt auch mit dem Ziel, und dies ist sowohl zu befürworten als auch wünschenswert, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklungspotentiale miteinander besser auszuschöpfen und die Region insgesamt zu stärken. Durch die Bildung neuer Partnerschaften und Netzwerke in der Region lassen sich die Ausstrahlungswirkungen erhöhen und die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit gewinnen.

Kulturpolitik wird immer noch zum Großteil als Hoheit der Mitgliedstaaten gesehen. Wird sich in absehbarer Zeit etwas daran ändern? Braucht es neben einer Sozialunion nicht auch eine Kulturunion, wenn Europa ernsthaft zusammenwachsen soll?

Wie bereits oben ausgeführt, ist die Förderung und Wahrung der Vielfalt der KulturEN in Europa ein konstitutives Element der EU-Verträge. Die Idee, Europa als eine Kulturnation zu entwickeln ist weder mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar noch hätte dieses Ansinnen die geringste Chance auf Unterstützung bei den Mitgliedstaaten. Wir alle müssen uns jedoch engagieren und insbesondere die Finanzverantwortlichen als Partner und Verbündete gewinnen, damit die Kulturkompetenz auf europäischer Ebene auch künftig nicht nur erhalten bleibt, sondern sich möglichst visionär weiterentwickeln kann. Dafür bedarf es auch eines eigenständigen, sichtbaren und wirkungsvollen Förderprogramms für die Kultur, das den Bedürfnissen, Besonderheiten und Herausforderungen der europäischen Kulturszene in einer möglichst umfassenden Form gerecht wird.

Die EU trägt meist nichts bis wenig zu den Budgets der Kulturhauptstädte bei. Wäre es nicht sinnvoll, mehr Mittel aus dem EU-Budget für die Kulturhauptstädte bereitzustellen?

Ich möchte betonen, dass generell für den Kulturbereich auf EU-Ebene sowie insbesondere auch für die Aktion Europäische Kulturhauptstadt mehr Mittel wünschenswert wären. Mit dem BREXIT geht der EU ein wichtiger Nettozahler verloren und die nun beginnenden Arbeiten und Überlegungen über einen künftigen mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020 geben nicht wirklich Anlass für Hoffnungen für Erhöhungen des EU-Kulturbudgets. Vielmehr sind Kürzungen vor diesem Hintergrund und der allgemeinen Stimmungslage zu befürchten. Auch wenn der finanzielle EU-Anteil insgesamt nur ein geringer ist, so entfaltet dieser eine beachtliche Hebelwirkung. Die Städte und das jeweilige Umfeld sowie die Landes- und Bundesebene werden durch EU-Förderungen angeregt, erhebliche Summen in die Kulturprogramme und damit verbundene sowie darüber hinausreichende Infrastrukturentwicklungen zu investieren.

Das Creative Europe Programm wird derzeit evaluiert. Die Interessenvertretungen wie auch die KUPF haben einige Kritikpunkte formuliert und mögliche Verbesserungen vorgeschlagen. Wie stehen die Chancen dafür, dass im laufenden Programm Adaptierungen vorgenommen werden? Beziehungsweise gibt es Chancen auf einen Ausbau des Programms in der darauf folgenden Förderperiode ab 2021?

Der Konsultationsprozess zur Evaluierung des Creative Europe Prozesses ist bereits seit einigen Monaten in vollem Gange und neigt sich allmählich dem Abschluss zu. Bis zum Jahresende sollen die Ergebnisse zu dieser Evaluierung vorliegen. Substantielle Adaptierungen, die eine Abänderung des Legislativvorschlages erforderlich machen, werden sich aufgrund eines damit langwierig verbundenen Verfahrensprozedere für die laufende Programmperiode zeitlich nicht mehr ausgehen. Kleinere Anpassungen könnten jedoch im jährlich zu erstellenden Arbeitsprogramm sehr wohl ihren Niederschlag finden. Die Ergebnisse und Vorschläge aus der Konsultation werden eine wichtige Grundlage für die Entwicklung und Ausrichtung der nächsten Programmperiode ab 2021 bilden. Bereits begonnen haben die Diskussionen und Überlegungen zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen, der die entscheidende Basis und Voraussetzung für alle EU-Förderprogramme bildet. Es gibt die berechtigte Sorge, dass aus Effizienzgründen kleinere Förderprogramme – wie eben auch das Creative Europe – in größere Fördertöpfe wie das Horizon 2020, COSME oder Erasmus+ eingebettet werden könnten. Um diese für den Kulturbereich nicht gewünschte Stoßrichtung und Entwicklung abzuwenden, wird sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten und ein neues, nicht ökonomisch orientiertes Narrativ, zu entwickeln sein.