Eine kleine Geschichte des Niedergangs: Das BZÖ im Kleinkrieg mit sich selbst

Im Linzer Gemeinderat sitzen derzeit sechs Parteien, doch keine hat ein derart hohes Unterhaltungspotential wie das BZÖ-Linz.

Dessen Obmann Reinhard Reiman ist ein, das muss man ihm lassen, umtriebiger Zeitgenosse: Er ist nicht nur Chef des Linzer BZÖs, sondern betreibt auch noch das „Kulturhaus Reiman“ mit prestigeträchtigem Sitz an der Linzer Promenade. Ein Politiker als Betreiber eines Kulturvereins? Nun, nicht irgendein Kulturverein, denn das Angebot des Kulturhauses ist manigfaltig: Neben einer Musikschule, einer Theaterschule und manigfaltigen Beratungstätigkeiten bietet man in einer eigenen Kommunikationsakademie auch Rhetorikkurse an. Und sogar Seminare zu Manipulationstechniken gibt’s zu buchen, angepriesen mit den Worten:

Manipulation ist allgemein hin negativ besetzt und im Prinzip das Gegenteil von Kommunikation. Sie ist eine bewusste oder unbewusste verdeckte Einflussnahme auf einzelne Personen oder Gruppen mit Lenkungsabsicht. Der Manipulierte handelt demnach fremdbestimmt.

Und wer wäre wohl besser für ein solches Seminar geeignet, als ein Berufspolitiker aus dem BZÖ/FPÖ Eck? Eben.

Kultur und Politik, hier in der perfekten Symbiose, und das nicht nur inhaltlich, sondern auch personell und strukturell: Vor ein paar Tagen erhielt ich den Newsletter des Kulturhauses Reimann zuerst vom Absender „newsletter@bzoe-linz.at“. Ein paar Minuten später hat jemand den Fehler bemerkt und das selbe E-Mail mit dem Absender „newsletter@reiman.at“ versandt. Hopperla. Herr Reiman beklagt sich im übrigen öffentlich immer wieder darüber, dass sein Kulturbetrieb keine Parteiförderungen Subventionen der Stadt Linz erhält. Hier klage ich ausnahmsweise mal nicht mit.

Aber diesem Artikel schreib ich eigentlich wegen etwas ganz anderem: Es kracht im Gebälk des Bienenzüchtervereins! Herr Reiman hat sich ausgerechnet mit Ursula Haubner angelegt, den meisten bekannt als Schwester des verstorbenen Rechtsaußen Jörg Haider. Und das schöne ist: Sie streiten nicht intern, sondern lassen uns alle daran teilhaben!

Doch „Streit“ mag untertrieben sein, denn ich zitiere aus einem heute von Reiman veröffentlichten Dokument:

Nun, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Frau Haubner ihre Funktion als Obfrau völlig missbrauchte und eindeutig statutenwidrig handelte und den BZÖ Linz Obmann regelrecht in einen für das BZÖ Linz geschäftsbedrohlichen Kleinkrieg verwickelt hatte, fordere ich Frau Haubner hiermit auf, ihre Funktion als Landesobfrau zurückzulegen!

Bier geholt, Popkorn in die Mikrowelle geschmissen, und zurücklehnen, ein Kleinkrieg ist angesagt. Reiman fordert Frau Haubner nicht nur zum Rücktritt auf, er spaltet das Linzer BZÖ von seiner Mutterpartei BZÖ OÖ ab, wie er in einem Brief an den Linzer Präsidialdirektor Dr. Ernst Inquart mit dem heutigen Datum 16.12.2011 festhält:

Als Obmann des BZÖ Linz und Mandatar des Gemeinderates der Stadt Linz sehe ich es als meine Verpflichtung an, die widmungsgerechte Verwendung der Parteienförderung durch die Stadt Linz sicherzustellen.

Im Zuge der Prüfung der mir und dem übrigen Vorstand vorliegenden Kontoauszüge wurden eklatante Ungereimtheiten aufgedeckt. Der inzwischen zurückgetretene Kassier Erich Pautsch und dessen Frau Margit Pautsch haben widerrechtlich (ohne Vorstandsbeschluss) Gelder entnommen. In Folge wurde die Landesleitung informiert, die aus unerfindlichen Gründen diesen Missstand gedeckt hat und es wurde der Versuch unternommen, die Fördermittel der Landespartei
einzuverleiben.

Das BZÖ Linz und dessen Vorstand konstituiert sich als Stadtpartei unter eigenem Statut.

Spannend: Der Obmann des BZÖ-Linz hat laut eigenen Aussagen anscheinend mehr als 18 Monate den Kassier seiner eigenen Partei ohne Erfolg aufgefordert, die eigenen Finanzen offen zu legen. Selbst eine Eskalation auf Bundesebene inklusive des BZÖ-Bundesvorsitzenden Josef Bucher hat nicht gefruchtet! Und im November kam es sogar so weit, dass die Landesvorsitzende Ursula Haubner die Konten der Stadtpartei plündern wollte, wie man in einer Sachverhaltsdarstellung Reimans lesen kann:

8. Frau Haubner wollte die BZÖ Linz Stadt-Finanzen (RECHTSWIDRIG!) auf ein eigenes Konto transferieren lassen, was ihr jedoch nicht gelang, da der BZÖ Linz Obmann Reiman das ursprüngliche Konto sperren ließ.

Doch das lässt sich ein Reiman nicht gefallen, der im übrigen gerne von sich selbst in der dritten Person spricht und schreibt:

9. Der BZÖ Linz Obmann Reiman konnte bei der von Erich Pautsch ausgewählten Bank mit allen Beweisen und Unterlagen nachweisen, dass er Verfügungsberechtigter über die Finanzmittel sei.

Warum er, als anscheinend Verfügungsberechtiger des Kontos, sich zuvor beschwert, dass er keine Bankbelege besaß, bleibt mir unklar:

1. Als BZÖ Linz Obmann forderte ich seit 1 ½ Jahren Herrn Pautsch auf, sämtliche Geschäftsunterlagen inkl. Bankbelege etc. gemäß Vorstandsbeschluss vorzulegen.

[…]

Vorstandsmitglied Horst Urban prüfte die unvollständigen Unterlagen, konnte jedoch ohne Bankbelege nicht schlüssig werden.

Ich bin gespannt, wie es weiter geht und halte euch am laufenden. Und wer in der Zwischenzeit mehr über Reiman lerne möchte, dem empfehle ich den Artikel „Linz(OÖ): BZÖ-Gemeinderat benutzt braune Leimrute“ des exzellenten Blog Stoppt die Rechten, der Reimans Anecken am rechten Rand dokumentiert.

Und zum Lachen noch dieses schöne Werbevideo des BZÖ Linz (kein Fake!):

http://youtu.be/GsIbVB0rb-w

Interview mit dem ehemaligen Linzer Kulturdirektor Sigi Janko

Ich kann mich genau ererinnern, ich lebte erst seit kurzem in der oberösterreichischen Landeshauptstadt, als ich überraschenderweise eine Einladung des Vizebürgermeisters Dr. Erich Watzl zu einem Umtrunk anlässlich der Eröffnung des Pflasterspektakels bekam. Ich kannte noch nicht viele Menschen in Linz und kam am Buffet mit einem eloquenten Herren älteren Semesters ins Plaudern. Wir sprachen über den chinesischen Kommunismus und Wege der Kapitalismuskritik in Kunst und Kultur, und mein Gegenüber war zwar einerseits klar vom Geist der 68er Bewegung beseelt aber dennoch überraschend radikal in seinen Sicht- und Denkweisen. Und genau so überrascht war ich später, als sich mein Gesprächspartner als der damals noch amtierede Kulturamtsdirektor Sigi Janko entpuppte.

Sigi Janko

Siegbert Janko (geb. 1945) war zwischen 1990 und 2010 Kulturdirektor der Stadt Linz und damit auch maßgeblich an der Entwicklung des ersten Linzer Kulturentwicklungsplan (kurz KEP) beteiligt. Dieser wurde im Jahr 2000 im Gemeinderat beschlossen und hat maßgeblich die kulturelle Entwicklung der Stadt beeinflusst. Unter Leitung seines Nachfolgers Julius Stieber soll nun ja ein neuer KEP erarbeitet werden.

Aus diesem Anlass haben Thomas Philipp und ich für die Zeitung Versorgerin der Stadtwerkstatt Siegbert Janko zu politischen Versprechungen der Kulturentwicklung und den Auswirkungen auf die freie Szene interviewed. Diesen und viele andere spannende Texte wie ein Interview mit Sigis Nachfolger Julius Stieber, eine Reflektion von Tanja Brandmayr zum KEP-Prozess oder einem Bericht zur Light-Kultur Aktion der KAPU könnt ihr in der aktuellen Ausgabe 12/11 der Versorgerin lesen. Und an dieser Stelle: Danke an Stephan Roiss für die schmeichelnde Zuschreibung im Light-Kultur Bericht: „Der kulturpolitische Tausendsassa Thomas Diesenreiter“ – das freut mich!

So, und jetzt endlich das Interview, viel Spaß!

Thomas Philipp: Die Stadt Linz arbeitet derzeit am neuen KEP. Wieso eigentlich? Was ist deiner Meinung nach der Hintergrund?

Siegbert Janko: Der erste KEP war von vornherein auf etwa zehn bis 15 Jahre angelegt und stand auch unter dem Aspekt „work in progress“. Damit war schon geplant, dass Entwicklungen während dieser Zeit immer wieder Berücksichtigung im KEP finden sollen. Der zweite Aspekt, der dazu gekommen ist, war das Europäische Kulturhauptstadtjahr. Damit hat es relativ schnell nach dem Inkrafttreten des KEP markante Änderungen in verschiedenen Bereichen gegeben. Ich glaube, es scheint die Zeit sehr richtig, dass jetzt über eine Neuformulierung des KEP nachgedacht wird.

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