Medienförderung im digitalen Wandel

Dieser Beitrag ist erstmals in der Malmoe #77 erschienen:

Es knarrt und kracht in Österreichs Medienlandschaft. Die Welt ist im Umbruch, und in wenigen Bereichen hat dies so große Auswirkungen wie in der Medienbranche. Daher kann die Medienförderung nicht so bleiben,wie sie ist.

Die technischen Möglichkeiten und die gesellschaftliche Sicht auf sowie der Anspruch an Medien unterscheiden sich massiv von jenen vor 20 Jahren. Besonders die Digitalisierung hat die Branche umgekrempelt, in allen Belangen: Ob in der Text- oder Bildproduktion, die heute durch Handy, Laptop und Digitalkameras früher ungeahnte Schnelligkeit und Effizienz erlauben. Oder in den Kommunikations- und Recherchemöglichkeiten, in denen die Gesprächspartner stets nur einen Tweet weit weg, die Archive der Menschheit nur eine Googlesuche entfernt sind. Ob in Grafik, Layout und Satz, in der ganze Berufsgruppen verschwunden sind. Oder im Druck, der heute hochautomatisiert die Herstellungskosten von Printprodukten radikal gesenkt hat. Die danach mittels effizienter Logistikprozesse den Weg zu ihren LeserInnen finden. Und schließlich haben sich die Gewohnheiten der MedienkonsumentInnen geändert. Sie können heute jederzeit, an jedem Ort aus einer so unglaublichen Vielzahl an Medienkanälen auswählen wie noch nie zuvor.

Die legistischen Rahmenbedingungen wurden an all diese Umwälzungen nicht oder nur mangelhaft angepasst. Die Medienförderung und -gesetzgebung ist derzeit grundsätzlich in zwei Bereiche gespalten: In Rundfunk und Print. Die Gesetzgebung fokussiert und fördert in beiden Sparten gezielt klassische, physische Verbreitungskanäle: Wer seine Texte nicht auf Papier druckt, sondern nur ins Internet stellt, hat keine Chance auf Förderung. Wer interaktiven Datenjournalismus betreiben will und damit nun mal seine Inhalte im Internet verbreiten muss, zieht den Kürzeren gegen die klassische Tortengrafik in der Zeitung. Wer Förderungen für ein Radioprogramm beziehen will, muss dieses terrestrisch ausstrahlen, wer nur Onlinestreams anbietet oder On-Demand Plattformen betreibt, hat Pech. Selbst der „Digitalisierungsfonds“ der Rundfunkregulierungsbehörde schließt in seinen Richtlinien reine Onlineprojekte aus und fördert nur jene, die ebenfalls terrestrisch-digital (dazu zählt auch Digital-Kabel) senden. Die Fördermodelle im Printbereich unterstützen physische Druck- und Vertriebskosten, Geld für den Betrieb von Onlineportalen gibt es keines.

Die Diskrepanzen enden aber nicht in der Frage der technischen Verbreitungswege. Auch die inhaltlichen Kriterien sind unterschiedlich gesetzt: Die GIS Gebühren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind an die Einhaltung des öffentlichen Auftrags geknüpft, dessen Definition naturgemäß eine schwierige und umkämpfte ist. Gleichzeitig sind die Subventionen an privat-kommerzielle und gemeinnützig-freie Medien aus EU-beihilfenrechtlichen Gründen nicht als Basissubventionen sondern contentorientiert geregelt – zumindest scheinbar. Denn tatsächlich gibt es, typisch Österreich, inoffizielle Schlüssel, die unabhängig der tatsächlichen Programmgestaltung jährlich zu ähnlichen Förderverteilungen führen. Und während das öffentliche Interesse an der Unterstützung von werbefreien, nichtkommerziellen freien Medien klar argumentiert werden kann, ist bei der ungleich größeren Subventionierung von privatkommerziellen Medienbetreibern oft zweifelhaft, ob die produzierten Inhalte tatsächlich den Qualitätsansprüchen und dem öffentlichen Interesse genügen.

Ob dossier.at, neuwal.com, cba.fro.at oder mimikama.com: In den letzten Jahren haben sich in Österreich allen Widrigkeiten zum Trotz viele neue journalistische Onlineprojekte gegründet. Oft inhaltlich innovativ, aber wirtschaftlich meist unrentabel. Eine zeitgemäße Medienförderung muss daher einen Weg finden, wie sie qualitative Medienprojekte unabhängig von ihrem technischen Verbreitungsweg fördern kann. Das schließt Onlineplattformen dezidiert ein, alles andere wäre im Jahr 2016 widersinnig. Dabei muss es möglich sein, nicht nur eine reine Contentförderung zu betreiben, sondern wo nötig auch den Basisbetrieb zu sichern. Denn viele Medienprojekte erfüllen neben der reinen journalistischen Arbeit auch weitere Aufgaben im öffentlichen Interesse: Bildungsangebote, beispielsweise in Bereich von Medienkompetenz oder Demokratieverständnis, Partizipation und Vernetzung von unterrepräsentierten Gruppen, wissenschaftliche Aufarbeitung, oder die zeitgeschichtliche Dokumentation. Solche Angebote können nicht über eine minuten- oder zeilenbasierte Contentförderung abgedeckt werden, brauchen aber politische Anerkennung und Unterstützung.

Als zentrales Problem bleibt dabei die Tatsache, dass „Qualität“ kein einfach abzugrenzendes Kriterium ist, sondern im Auge des Betrachters und hier des politischen Entscheiders liegt. Wer eine moderne Medienförderung einführen will, muss sich daher auch die Frage stellen, wie man den Prozess der Fördervergabe so gestaltet, dass er klar geregelt, transparent gestaltet ist und fair und professionell abläuft. Eine Möglichkeit wäre hierfür die Einsetzung von Beiräten oder Jurys. Ein Modell, dass im Kunst- und Kulturbereich, bei dem ebenfalls die Frage der Qualität ausschlaggebend ist, als eines der besten gilt – bei allen Schwächen. Ein solcher Beirat müsste angesichts der überschaubaren Größe des österreichischen Mediensektors unbedingt auch mit externen, unabhängigen ExpertInnen besetzt sein und regelmäßig ausgetauscht werden um mögliche Einflussnahmen zu verringern. Und ihm muss von der Politik ein klarer Auftrag gegeben werden, wie die gesellschaftlichen und inhaltlichen Ziele der Presseförderung aussehen.

Es ist klar, dass die Politik mit einem solchen Modell ein Stück direkten Einflusses auf die Medienförderung und damit die Medien selbst aufgeben muss – was angesichts der Inseratenkorruption und dem parteipolitischen Gerangel im ORF keine leichte Übung sein wird. Dennoch ist es aufgrund der hohen Relevanz der Medien für unser demokratisches System wichtig, auch die Medienförderung zumindest ein Stück weit demokratischer zu gestalten und sie der modernen, digitalen Welt anzupassen.