Hallo OPÖ

Eine Partei ist schnell gegründet, und so gesellt sich zu den 770 im Innenministerium hinterlegten Parteisetzungen (Stand 2005) eine weitere: die der Online Partei Österreichs, kurz OPÖ.

Nach einem ersten Studium der verfügbaren Quellen (Homepage, Interviews, Pressaussendungen) stellen sich mir und meinem Ko-Autor Michael Eibl viele Fragen zu eurer Interpretation direkter Demokratie, von denen wir hiermit einige an euch stellen möchten:

Als Voraussetzung für das Funktionieren Direkter-Demokratie-Ansätze wird im theoretischen Diskurs immer auf die Notwendigkeit eines gleichen Wissens-, und damit z.B. Bildungsniveaus, unter allen Teilnehmenden verwiesen. Seht ihr dieses in Österreich gegeben? Wenn nein – wie wollt ihr dieses erreichen?

Habt ihr euch damit auseinandergesetzt, wie Meinungs-Mehrheiten in unserer Gesellschaft gebildet werden? Stichwort Kronenzeitung, Heute oder ORF. Was macht ihr, wenn sich eine Mehrheit für das Abschieben aller MigrantInnen findet – in einem Land, dass statistisch die höchste AusländerInnenfeindlichkeit Europas aufweist?

Ihr sprecht von der Weisheit der Massen. Wie geht ihr damit um, dass die „Mehrheit“ historisch oft genug falsch gelegen ist? Viele Kriege etwa wurden von Mehrheiten in den Bevölkerungen, zumindest anfangs, begeistert aufgenommen – und das auch in Zeiten des Internets, wie man am Beispiel der Angriffe auf Afghanistan oder den Irak nach 9/11 sieht. Auch der Ausbau von Überwachungs- und Repressionssystemen wird in vielen Staaten von Mehrheiten gestützt.

Ein wichtiger Mechanismus in der bürgerlich-parlamentarischen-Demokratie ist das Suchen nach Konsens oder Kompromissen. Welche Rolle sollen eure Abgeordneten, bis zum Erreichen einer Verfassungsmehrheit um das Wahlrecht zu ändern, im parlamentarischen Diskurs einnehmen, wenn eure Positionen absolut (durch Community-Votings) festgelegt und nicht verhandelbar sind?

Wie gehen eure Abgeordneten damit um, wenn sie sich explizit gegen ihr eigenes Gewissen, gegen ihre Überzeugungen aussprechen müssen? Beispiele gibt es, gerade bei weltanschaulich umstrittenen Themen, zur Genüge, wie beispielsweise bei Gleichberechtigungsfragen, Fragen zu Schwangerschaftsabbrüchen, Tierrechten?

Ihr sprecht von der Beteiligung aller ÖsterreicherInnen. Wen meint ihr damit? Österreichische StaatsbürgerInnen? Menschen, die hier leben? Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt hier haben? Menschen mit österreichischer IP-Adresse?

Ihr seid eine sehr homogene Gruppe (drei junge Männer). Welche Schritte wollt ihr setzen, um die Diversität der österreichischen Bevölkerung in eurer Partei abzubilden und z.B. eine adäquate Frauenquote zu erreichen?

Was ist die Motivation dahinter, nicht alle Spenden im Sinne größtmöglicher Transparenz offen zu legen? Wie geht ihr mit Spenden über 10.000 € um, die nach dem Parteigesetz offengelegt werden müssen? Wie soll ein zufällig ausgewähltes Communitymitglied den Missbrauch von Geldern verhindern können? Wollt ihr wirklich, im Kontext der aktuellen Debatten um Korruption und intransparenter Parteienfinanzierung, damit werben, dass ihr „Anfüttern“ begrüßt?

Warum sollten wir eine Partei wählen, die zwar potentiell alle unsere Interessen vertreten könnte, genauso gut aber auch keine oder sogar entgegengesetzte?

Fazit
Jede Initiative für ein demokratischeres Gesellschaftssystem ist zu begrüßen, bei der OPÖ sind derzeit aber noch zu viele Fragen offen, Standpunkte ungeklärt, schwammig oder schlicht nicht vorhanden. Und generell drängt sich die Frage auf: Ist es erfolgversprechend, das System „von innen aufbrechen“ zu wollen?

PS: Wir haben diesen Text basisdemokratisch verfasst, es hat länger gedauert als gedacht, und ganz zufrieden sind wir mit dem Ergebnis auch nicht.

PPS: 50% von uns finden, dem PS fehlt noch eine Schlusspointe.

Mama, der Mann mit der Zensur ist da

Der folgende Artikel ist in der Märzausgabe der KUPF-Zeitung erschienen:

Wie politisch Kunst sein darf, sein muss oder es doch nicht sein sollte, ist seit ehedem ein beliebtes Streitthema unter KünstlerInnen und Kulturschaffenden. Ob Kunst mit politischem Anspruch oder Politik mit den dem Mitteln der Kunst, die Grenze zu ziehen fällt oft schwer, ist meist aber auch müßig. Der israelische Künstler Ronen Eidelman meinte dazu vor kurzem: “Zieht man als Künstler eine deutliche Grenze, sichert man sich durch die Autonomie der Kunst ab, geht aber das Risiko ein, ihr die Effektivität zu nehmen. (…) Wer auf dem Autonomiestatus der Kunst beharrt, macht ihre Rezeption und Bewertung vorhersehbar.”

Dass die Rezeption von Kunst mit politischem Anspruch daher oft anders ausfällt, als man erwartet, zeigt der jüngste Zensurvorfall in Tirol. Dort existiert unter Leitung der KUPF-Schwesterorganisation TKI – Tiroler Kulturinitiativen – ein dem oberösterreichischen Innovationstopf ähnliches Fördermodell namens TKI Open. 2011 rief die TKI unter dem Motto „kein thema“ auf, Projekte zu realisieren, die in der öffentlichen Wahrnehmung kein Thema waren, aber eines werden sollten. Eine von der TKI eingesetzte, politisch unabhängige Jury entschied sich für die Förderung von sieben Projekten. Doch zwei dieser Projekte schienen der ÖVP Kulturlandesrätin nicht ins politische Konzept zu passen. Die Förderung von Oliver Resslers „Wahlen sind Betrug“ und Tal Adlers „Alpenländische Studien“ wurde abgelehnt.

In offiziellen Stellungnahmen wurde mit formalen Gründen für die Ablehnung argumentiert, in persönlichen Gesprächen auch mit inhaltlichen. Und zwar durchaus dreist: „Die Arbeit kann nicht gefördert werden, da der Text auf dem Plakat falsch ist.“ hieß es zu Resslers Arbeit. Er wollte den 68er Slogan „Wahlen sind Betrug“ über einem Alpenpanorama großflächig in der Innsbrucker Innenstadt plakatieren. Tal Adlers Projekt sollte sich dem Umgang der TirolerInnen mit der NS-Vergangenheit widmen, auch dieses wurde mit windigen Argumenten zuerst abgelehnt. Nach einer ersten, breiten Protestwelle signalisierte das Land bei Tal Adlers Projekt Verhandlungsbereitschaft, eine schriftliche Förderzusage gibt es aber bis heute nicht. Zu Resslers Projekt möchte man sich lieber gar nicht mehr äußern.

Was bleibt nun nach diesem zweiten großen Zensurvorfall in der österreichischen Kulturlandschaft innerhalb von zwei Jahren? Werden die Vorfälle Innovationstopf 2010 und TKI Open 2011 weiter Schule zu machen? Warum hat der zivilgesellschaftliche Protest in beiden Fällen nicht gereicht, um die Entscheidungen rückgängig zu machen? Die Tiroler Kulturrätin verkündete, dass nicht alles, „was Kunst zu sein beansprucht, auch gefördert werden kann. Die Entscheidung darüber ist gerade aus demokratiepolitischen Gründen der Politik vorenthalten, auch wenn Expertinnen und Experten anderer Meinung sind.“ Ist die demokratische Kulturförderung damit am Ende, wenn die Freiheit der „unabhängigen“ Jurys dort endet, wo die politischen ReferentInnen die Linie ziehen?

Nein, natürlich nicht. Fördersysteme wie TKI Open, LINZimPULS oder KUPF Innovationstopf werden zurecht auch international als innovative Erfolgsmodelle gesehen. Allerdings hat die Kulturszene in der Vergangenheit zu sehr auf die Handschlagqualität der Politik vertraut. Die genannten Beispiele sind im unterschiedlichen Maße vertraglich geregelt, alle drei sehen lediglich ein Vorschlagsrecht der Jury an die politischen ReferentInnen vor. Um politische Einflussnahme in Zukunft zu verhindern braucht es meiner Meinung nach klare und strikte Regeln. Die drei wichtigsten werden lauten:

  1. Die Auswahl des Themas geschieht ausschließlich durch die Trägerorganisation.
  2. Die Auswahl der Jury bleibt der Trägerorganisation überlassen, die Gebietskörperschaft hat lediglich einen Beobachtungsstatus.
  3. Die Auswahl der Projekte bleibt der Jury überlassen und ist rechtlich bindend.

Darüber hinaus ist natürlich für eine möglichst transparente und demokratische Abwicklung zu sorgen, durch offene Jurysitzungen oder auch offenen Themen- und Jurywahlen wie es beim Linzer Impulstopf seit Jahren erfolgreich praktiziert wird. Nur wenn es gelingt, diese Eckpunkte vertraglich zu vereinbaren, kann in Zukunft Zensur und Einflussnahme ausgeschlossen zu werden.

Und eines ist klar: Die Zukunft der Demokratie wird mehr und mehr solche und ähnliche Fördermodelle hervorbringen. Unter dem Begriff BürgerInnenhaushalte lassen alleine in Deutschland schon mehr als 100 Kommunen ihre BürgerInnen über Teile der Mittelvergabe direkt mitbestimmen. Damit das in auch Österreich funktioniert, müssen aber wohl einige PolitikerInnen noch eine paar Stunden Demokratieunterricht nachholen.

Mein Feminismus ist der bessere. Über Sexismusvorwürfe an die KAPU

Weder die KAPU noch die Stadtwerkstatt sind nach unseren Kooperationsanfragen bereit, eine Frauen*Party mit uns zu veranstalten.

So steht’s zumindest in der aktuellen Ausgabe der Malmoe geschrieben, verfasst von drei Fiftitu Aktivistinnen. Kennt man die Szene und die handelnden Personen, so sorgt das erstens für Interesse am näheren Sachverhalt und zweitens für ein Stirnrunzeln. Kann es in der Linzer KAPU und der Stadtwerkstatt, zwei allgemein der Linken zugeordneten Räumen, überhaupt Sexismus geben?

Nona. Würden die beiden etwas anderes behaupten, wäre das wohl der Beweis für eine unreflektierte Auseinandersetzung mit dem Thema. Aber: Das tun beide nicht. Kann im Umkehrschluss das Nichtzustandekommen einer Kooperation aber als Beweis für das komplette(!) Fehlen eines  „feministische“ Verständnisses von KAPU und Stadtwerkstatt gewertet werden? Natürlich auch nicht.

Was mich in der Argumentation von Fiftitu aber am meisten stutzig macht, ist deren Erstaunen über einen Nebensatz in einer E-Mail Konversation mit der KAPU:

„Besonders die Frauen in der Betriebsgruppe wären gegen eine FrauenParty gewesen. Hä? Ganz abgesehen davon, dass es uns schwer fällt, zu verstehen, warum sich linkspolitische Frauen überhaupt gegen Frauenräume aussprechen, geht dieses vermeintliche Argument für die Partyabsage am Thema vorbei.“

Da schwingt mit: Unser Feminismus ist der einzig richtige, eine andere Form kann es nicht geben. Und es klingt so, als hätten sich beide (!) Seiten zu wenig mit den Positionen des Anderen und vor allem der Organisationsstruktur des Gegenübers beschäftigt. Denn dass die KAPU eine schwer basisdemokratisch-organisierte Struktur hat, weiß jede/r, der/die schon mal bei einer Betriebsgruppensitzung war, die jeden Mittwoch um 19:00 Uhr für alle Interessierte offen stehen. Da reicht es halt vielleicht nicht, ein E-Mail zu schreiben und damit zu rechnen, dass sofort der Samtteppich ausgerollt wird, da muss man schon auch Überzeugungsarbeit für sein Ansinnen leisten. Wenn die Frauen der KAPU Betriebsgruppe angeblich gegen „Frauenräume“ sind, wäre es ratsam zuerst bei diesen nachzufragen, warum sie es denn sind, anstatt ihnen prompt medial zu unterstellen, dass sie sich widerstandslos in radikalsexistische Strukturen einfügen. Eine Frauenparty impliziert auch, dass sie organisatorisch von den KAPU-Frauen betreut und umgesetzt werden müsste, und das im Übrigen großteils ehrenamtlich. Dass da vielleicht keine allzu große Begeisterung aufkommt, sich auf Zuruf von Außen unreflektiert für ein Ansinnen einzusetzen, ist verständlich. Und zeugt leider auch von einer etwas absolutistischen Sichtweise der Ruferinnen, die ich so von ihnen eigentlich gar nicht kenne.

Sich anklagend medial zu äußern, ist natürlich legitim. Der Grad der Empörung und ihrer Argumentation lässt aber auf einen Herrschaftsanspruch innerhalb des feministischen Diskurses schließen, den ich für fatal halte. Es gibt aber nun einmal nicht DIE Feministische Theorie und DIE daraus abgeleitete Praxis. Es gibt eine Vielzahl von Positionen und Meinungen, es gibt nicht nur Alice Schwarzer, sondern auch Charlotte Roche. Und es gibt beileibe spannendere Punkte, an denen feministische Kritik in linken Räumen wie der KAPU oder der Stadtwerkstatt ansetzen könnte: Frauenquoten auf der Bühne, Arbeitsaufteilung, Organisationsmodelle, versteckte Hierachien, etc. Aber zu unterstellen, dass es in diesen beiden Räumen gar kein Verständnis für feministische Anliegen gibt, ist nicht haltbar, wie zahlreiche Projekte der beiden Häuser – auch gemeinsame mit Fiftitu – zeigen. Und es schadet auch dem berechtigten Anliegen, den Sexismus im Alltag der linken Strukturen zu thematisieren. Es macht auch die Arbeit der Menschen nicht einfacher, die sich innerhalb der KAPU und der Stadtwerkstatt mit genau diesem Thema beschäftigen. Denn die gibt es, auch wenn der Artikel von Fiftitu anderes vermuten lässt.

Niemand bestreitet, dass es Sexismus in linken Strukturen gibt. Niemand bestreitet, dass es eine Auseinandersetzung damit braucht. Aber über die Art und Weise, wie diese Auseinandersetzung geschieht, über die lässt sich vortrefflich streiten, wie man sieht.

An verschiedenen Fronten wird derzeit über Sexismus in (österreichischen) linken Räumen diskutiert, einen guten Überblick über den Stand der Debatte gibt dieser Indymedia Beitrag wieder.