Rechnungskontrolle

Dieser Artikel ist ursprünglich in der KUPFzeitung #159 erschienen.

Die KUPF beobachtet, kommentiert und kritisiert seit ihrer Gründung die Verteilung öffentlicher Gelder im Kulturbereich. Thomas Diesenreiter hat sich diesmal das Zahlenwerk des Rechnungsabschlusses 2015 des Landes OÖ näher angesehen.

kupfzeitung-159Die zunehmende Transparenz des Staates ermöglicht neue Einblicke in die konkrete Verteilung der Subventionen, auch wenn viele wichtige Details in den dicken Förderberichten noch immer fehlen. Die jährliche Analyse des Rechnungsabschlusses und des Subventionsberichtes des Landes OÖ bringt dennoch interessante Tatsachen zu Tage. Beispielsweise, dass trotz eines angekündigten Sparkurses im gesamten Kulturbudget 8,7 Mio. € bzw. 5 % mehr als im Voranschlag- und Nachtragsbudget geplant ausgegeben wurden. Gleichzeitig wurden im Budgetansatz für Initiativen der Zeitkultur und regionale Kulturprojekte 173.000 € oder 7,1 % weniger ausgegeben als geplant. Dazu wird in der Fußnote auf die von der KUPF kritisierte „verbliebene Kreditsperre“ verwiesen, die „zu einer Einsparung führte“. Bei anderen Budgetposten wurde weniger sparsam gewirtschaftet: Das Landesmuseum lag 1,9 Mio. € über Plan (+ 14 %), das Landesmusikschulwerk 2,1 Mio. € (+ 2,8 %). Die Kosten für die Landessonderausstellung „Mensch&Pferd“ stiegen von 6,0 auf 6,8 Mio. € (+ 11,8 %).

Das Kulturbudget ist ein Ponyhof

Dazu passend ist im Förderbericht eine Subvention an den „Landesverband der Pferdezüchter OÖ“ in Höhe von 570.000 € ausgewiesen – aus dem Kulturbudget wohlgemerkt. Wofür dieses Kulturgeld verwendet wurde? Das kann ohne Einblick in die Unterlagen nicht zweifelsfrei gesagt werden. Recherchen führen aber zu einem Bericht der OÖNachrichten vom 12. März 2015, laut dem sich unter dem früheren Geschäftsführer und ehemaligen ÖVP Landtagsabgeordneten Wolfgang Schürrer ein Schuldenberg im Pferdezentrum angehäuft hatte. Dessen im Mai 2015 bestellter Nachfolger Karl Platzer kommentierte dazu in einem Interview in der Fachzeitschrift ProPferd: „Die Situation ist sehr ernst. Es ist aber Gottseidank in Zusammenarbeit mit der OÖ Landwirtschaftskammer, Hrn. LH Josef Pühringer und Hrn. LR Max Hiegelsberger gelungen, eine finanzielle Beteiligung zu erhalten, durch die wir einen Großteil der bestehenden Verbindlichkeiten, die sich in den letzten drei Jahren angehäuft haben, abdecken können.“ Wurde hier der Pferdezuchtverband mit Kulturgeldern entschuldet?

Konjunktur und Kirchen

Aus dem 100 Mio. € umfassenden Konjunkturpaket, das im Herbst 2015 vorgestellt wurde, gingen 5 Mio. € in den Kulturbereich. Laut dem Landesrechnungshof wurden diese „zur Gänze für investitionsfördernde Maßnahmen ausgegeben, und zwar 2,5 Mio. Euro für das Oö. Landesmusikschulwerk, 0,6 Mio. Euro für Restaurierungsmaßnahmen privater Rechtsträger, 0,2 Mio. Euro für das Oö. Blasmusikwesen, 1,3 Mio. Euro für langfristige Großprojekte und 0,4 Mio. Euro für sonstige Maßnahmen der Kulturpflege.“ Er kritisiert weiter, dass „es sich mitunter um Zahlungen für zugesagte Förderungen, die ohnehin aus dem Budget zu leisten gewesen wären, wie beispielsweise Ratenzahlungen zur Förderung von Musikprobenlokalen und Pfarrämtern“ handelt. Gerade die Pfarrämter und andere kirchliche Träger stechen dann auch aus dem Subventionsbericht hervor. Sieht man sich die einzelnen Posten an, summieren sich die Zahlungen an diese auf mehr als 3,5 Mio. €, alleine aus dem Kulturbudget. Diese Zahl ist indes eine Näherung, da der Subventionsbericht nur Zahlungen über 4.000 € ausweist. Fakt bleibt aber, dass die Kirchen 2015 damit mehr als halb soviel Kultursubventionen wie der gesamte Sektor der initiativen Kulturarbeit erhielten.

Open Castle

Spannend ist ebenfalls eine Förderung in Höhe von 250.000 € an Niklas Salm-Reifferscheidt. Dieser ist der Besitzer des Schlosses Steyregg und Sohn des früheren ÖVP Vize-Bürgermeisters*. Die Kulturförderung im Jahr 2015 war ein Beitrag zur Sanierung des Schlosses, da dieses von der „Eigentümerfamilie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“ wird, wie der Eigentümer im Internet selbst schreibt. Interessant ist nun, dass am 23. Juni 2016 in den OÖNachrichten angekündigt wurde, dass das Schloss für öffentliche Veranstaltungen gesperrt wird. Der Schlossbesitzer begründet dies damit, dass sich die kleinen Feste für ihn finanziell nicht rechnen würden. In der Kommentarsektion schiebt er die Schuld auf das Finanzamt: „Erst im vergangenen Jahr erhielten wir einen niedrigen 6stelligen Betrag. In der Zwischenzeit wurde das Schloss vom Finanzamt aber in die Liebhaberei eingestuft, was hohe Steuernachzahlungen mit sich brachte. Übrigens werden auch Förderungen vom Finanzamt als Einnahme gesehen und besteuert.“ Ob nun die gewährte Förderung für die öffentliche Zugänglichkeit zurückgezahlt werden muss, bleibt offen.

Fazit

Natürlich, alle diese einzelnen Subventionen und Ausgaben können für sich gesehen sinnhaft und gut begründet sein. Die Ausrede, dass aus Spargründen nicht mehr Gelder in das zeitgenössische Kulturschaffen investiert werden können, ist damit aber endgültig hinfällig geworden. Das Land OÖ schreibt in seinem Kulturleitbild, dass „der öffentliche Beitrag zur Kulturfinanzierung die unverzichtbare Basis für das bestehende und zukünftige kulturelle Angebot und Schaffen im Land“ ist. Das mutet angesichts dessen zynisch an, dass immer mehr Kulturvereine ins Minus schlittern, wie die Basisdatenerhebung der KUPF zeigt. Will man faire Kultursubventionen erhalten, sollte man in Oberösterreich halt ein Pferdeverband, Schlossbesitzer oder eine Kirche sein.

* Erratum: In der Printausgabe sowie in der ersten Onlineversion wurde aufgrund der Namensgleichheit angegeben, dass der junge Niklas Salm-Reifferscheidt selbst als ÖVP Bürgermeister angetreten ist. Dies war eine Verwechslung mit seinem namensgleichen Vater, wir bitten um Entschuldigung.

Re-Publik

Dieser Artikel ist ursprünglich in der KUPFzeitung #159 erschienen.

Thomas Diesenreiter über das Öffentliche im Zeitalter des Individualismus: Was kann alles „Öffentliches“ sein und wer ist dafür zuständig?

kupfzeitung-159Das Öffentliche ist seit der Aufklärung die zentrale gesellschaftliche Diskurszone. Befeuert von der Digitalisierung und dem Fortschreiten des neoliberalen Umbaus werden nun lange festgezogene Grenzen des Öffentlichen wieder neu verhandelt. Zentrales Konstrukt ist dabei das sogenannte öffentliche Interesse, das bedeutet, das Gemeinwohl über das Wohl eines Individuums zu stellen. Die Trennlinien des Öffentlichen verlaufen dabei nicht zwischen der staatlichen und der privaten Sphäre, wie manche glauben. Denn im öffentlichen Interesse denken und handeln ist Aufgabe aller Teile einer Gesellschaft, egal ob Partei, Behörde, Firma, Kulturverein oder Individuum. Das Thema führt uns daher zur GIS und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den für alle zugänglichen öffentlichen Raum und auch zu den Subventionen für das Staatstheater und den kleinen Kulturverein ums Eck.

Wie wir in dieser Ausgabe der KUPFzeitung zeigen, sind alle diese Bereiche derzeit heftig umstritten. Nicht wenige fordern, die öffentlichen Subventionen für Medien, seien es öffentlich-rechtliche, private oder freie, abzuschaffen oder zumindest stark zu kürzen. Die Ausgaben der öffentlichen Hand für Kultur sind in den letzten Jahren anteilsmäßig gesunken und in den besten Fällen in absoluten Zahlen gleich geblieben. Wer im öffentlichen Raum betteln, wer Bier trinken, wer werben und wer sich wie präsentieren darf, Stichwort Burkaverbot, wird täglich im Boulevard ausgehandelt. Aber überall dort, wo das Gemeinwohl private Profitinteressen bedroht, kommt es stark in Bedrängnis und Erklärungsnot. Im Diskurs werden private Interessen von einzelnen AkteurInnen pointiert vertreten, doch wer vertritt im öffentlichen Diskurs dann das Gemeinwohl?

Die Antwort ist einfach: Es ist die Aufgabe der Politik, dass das Gemeinwohl nicht zu kurz kommt. Damit der Interessensausgleich im gesellschaftlichen Diskurs nicht nur zwischen einzelnen Partikularinteressen geschieht, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes im Auge hat, braucht es politische AkteurInnen, die das abstrakte Gemeinwohl konkretisieren und vertreten können. Es ist diese Fähigkeit, die man derzeit bei unserer Politik, aber auch in unserer Gesellschaft am meisten vermisst. Der Pluralitätszuwachs, bei dem sich jede und jeder selbst in den sozialen Medien am öffentlichen Diskurs beteiligen kann, haben den Stimmen der Individuen eine noch nie dagewesene Aufmerksamkeit beschert. Doch vor lauter Einzelinteressen verlieren wir allzu oft den Blick auf das Gemeinsame.

Es gibt Gegenströmungen: Die Open Everything Bewegung, das Recht auf Stadt, die Gemeinwohlökonomie, die Freien Medien und nicht zuletzt die alternative Kulturszene arbeiten daran, das Bewusstsein für öffentliche und gemeinschaftliche Räume, Wissen und Gesellschaften zu schärfen und diese auszubauen. Mit Creative Commons und der Open Source Community haben sich im digitalen Bereich gemeinwohlorientierte Modelle etabliert, die weit über Nischenphänomene hinausgehen. Die wachsende Zahl kultureller Initiativen eröffnet Räume, erobert den öffentlichen Raum zurück und versucht, unterprivilegierten Ansichten mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Neue Wirtschaftsinitiativen versuchen, nachhaltig und fair zu arbeiten und damit ein anderes, kooperatives Denken statt der auf bedingungsloser Konkurrenz aufbauenden klassischen Wirtschaft zu etablieren.

Während die herrschende Politik das öffentliche Interesse in den letzten zwei Jahrzehnten primär im Ausbau des Überwachungsstaates und der Verstärkung des Sicherheitsapparats gesehen hat, blieb sie dort untätig, wo das Gemeinwohl von privaten Profitinteressen bedroht ist. Die oben skizzierten Gegenströmungen und die Wahlerfolge progressiver Parteien lassen aber auf ein neues Bewusstsein, gerade der nachkommenden Generation schließen. Es wird noch Jahre dauern, bis die derzeitige Hegemonie des neoliberalen Denkens und Wirkens von einem neuen Paradigma abgelöst wird. Doch der aktuelle Diskurs zeigt, dass darin das Gemeinwohl wieder einen stärkeren Platz einnehmen wird.