(Über) die Bande

Aktuell findet in Wien der erste Spaziergang der österreichischen Pegida-Bewegung statt. Wen man Twitter und die Liveticker der Medien verfolgt, kann man schon vor Ende der Demo erste Schlüsse ziehen:

Was Pegida Österreich ist

Pegida Österreich ist keine Massenbewegung, sondern der harte Kern einer rechtsextremen, nazistischen Szene:

Pegida Oesterreich Hitlergruss via @JChristandl

Hitlergrüße, via @JChristandl

Deutschlandfahnen

Deutschlandfahnen, via @msulzbacher

Hitlergrüße, Deutschlandfahnen, „Heil Hitler“-Rufe, Sprechchöre wie „Wer nicht hüpft, der ist ein Jude“: Die TeilnehmerInnen von Pegida Österreich zeigen ihre Gesinnung bewusst offen und stolz vor hunderten PolizistInnen und dutzenden VertreterInnen der Presse. Wer heute an diesem Spaziergang teilnimmt, kann wohl mit Fug und Recht als rechtsextrem eingestuft werden.

Anders als in Dresden, wo je nach Schätzungen zwischen 5.000 und 15.000 Personen auf der Straße waren, sind es in Wien aber gerade mal 300-500. Doch warum ist das so? Dazu gibt es zwei plausible Antworten: Erstens konnte die deutsche Pegida lange Zeit mehr oder weniger unbeobachtet wachsen, es dauerte einige Zeit, bis sich zivilgesellschaftlicher Widerstand artikulierte und organisierte. Die österreichische Öffentlichkeit war aus Deutschland vorgewarnt, die linken politischen Kräfte haben von Anfang an offen dagegen mobilisiert und heute etwa 5.000 Menschen auf die Straße gebracht. Das dürfte doch manche der möglichen Sympathisanten davon abgeschreckt haben, heute mitzumarschieren. Die zweite Erklärung lautet, dass jene Positionen, die Pegida in Deutschland vertritt, in Österreich schon lange im politischen Mainstream eine Heimat haben – eine Heimat namens FPÖ.

Wie die FPÖ mit PEGIDA umgehen wird

Da sich Pegida Österreich zu einer Zeit gründete, als die Bewegung in Deutschland nach einem Medienhype an ihrem Höhepunkt angelangte, war die erste Reaktion eine wohlmeinende: „Wir würden Pegida in Österreich unterstützen!“ (30.12.14, Strache in der TT)

Während im Dezember noch alles gut zu laufen schien, ging die FPÖ nach den ersten Krisen von Pegida sofort auf Distanz: „Ich brauche keine PEGIDA (dazu)“ (9.1..15). Es gab keine offene Empfehlung der FPÖ zur Teilnahme an der heutigen Pegida-Demo, in Beiträgen auf Straches FB Seite und unzensuriert.at wurde lediglich in einem halbwegs neutralen Ton auf die Veranstaltung hingewiesen:

Strache Facebook

Nachdem der Plan eines gemäßigten, ersten Auftritts von Pegida Österreich wohl ordentlich schief gegangen ist, kann man davon ausgehen, dass sich Strache in den nächsten Tagen öffentlich von der neuen Bewegung distanzieren wird. Er wird dies aber wohl nicht tun, weil er inhaltlich anderer Meinung ist. Im Gegenteil ist sowohl die zugrunde liegende Geisteshaltung als auch die konkrete inhaltliche Ausrichtung von FPÖ und Pegida deckungsgleich. Er wird sich distanzieren, weil auch die Mehrheit der eigenen potentiellen WählerInnenschaft von einer so extremen Gruppierung wie Pegida Österreich eher abgeschreckt ist. Ohne den strukturellen Support der FPÖ ist die Bewegung aber auf lange Sicht zum scheitern verurteilt.

Die rechtsextreme Szene wird in Österreich strukturell von der FPÖ erhalten. Ohne deren monetären Zuwendungen, die im Endeffekt von öffentlichen Förderungen stammen und einem Netzwerk, in dem sich besonders viele Rechtsanwälte tummeln, die bei Bedarf Neonazis kostenfrei vertreten, wäre die rechtsextreme Szene in Österreich viel schwächer. Ohne diesen Support kann Pegida Österreich auf Dauer kaum überleben, angesichts der offenen nazistischen Positionierung wird sich die FPÖ eine offene Unterstützung kaum leisten wollen. Sie wird aber dennoch weiterhin insgeheim mit ihr sympathisieren und sie mit Aufmerksamkeit wie in obigem Posting oder Symbolen und versteckten Botschaften hofieren. Pegida ist damit als weiterer, verlängerter Arm einer rechtsextremen und vielschichtigen Bewegung zu sehen, die in Österreich mittlerweile für ein Viertel der Bevölkerung konsensfähig geworden ist. Ob Pegida doch ein Erfolg wird, oder nicht, ist zweitrangig: Über sie kann die österreichische Rechte ihre politische Agenda über eine weitere Bande spielen.

Wie Restösterreich mit PEGIDA umgehen wird

Ohne Verbündete in Politik und Medien wird Pegida nach den heutigen Vorfällen in den nächsten Tagen wohl keine Gnade in der öffentlichen Meinungsbildung erwarten können, wie es sie in Deutschland wohl aufgrund der Überrumpelung und dem Druck der AfD durchaus bis heute gibt. Die Medien werden Pegida Österreich das nennen, was sie ist – eine neonazistische Bewegung. Die FPÖ wird daher auf Distanz gehen. Und die anderen Parteien, allen voran ÖVP und SPÖ, werden froh sein, dass es ihnen Pegida Österreich leicht gemacht hat, auch auf Distanz zu gehen. Denn während in Deutschland die VertreterInnen durch die mediale Unterstützung als ernstzunehmende DiskursteilnehmerInnen von CDU und sogar SPD wahrgenommen wurden, sind sie das in Österreich offensichtlich nicht.

Die öffentliche Meinung wird wohl bald den Konsens finden, dass Pegida keinen Platz in Österreich hat. Was grundsätzlich zu begrüßen ist, wirft aber die Frage auf: Wenn sich die FPÖ auch selbst zuschreibt, dass es in Österreich keine Pegida braucht, weil es ja die FPÖ gibt, wenn man also davon ausgehen kann, dass die Geisteshaltung und die politische Ausrichtung großteils deckungsgleich ist – müsste man dann nicht die selbe Schlussfolgerung zu Pegida wie zum Akademikerball in der Hofburg ziehen? Nämlich dass der Protest gegen die tanzenden Burschenschafter von letzten Freitag die selbe Legitimation haben sollte wie der gegen den heute stattfindenden Spaziergang der Pegida.

Man kann aber davon ausgehen, dass sich jene Medien und Parteien, die den antifaschistischen Protest gegen den WKR Ball in den letzten Wochen kriminalisiert, skandalisiert und mit völlig falschen Maßstäben gemessen haben sich nun auf der richtigen Seite wähnend voll gegen Pegida stellen werden. Und damit eine für österreichische typische Doppelmoral erkennen lassen werden: Nazis im T-Shirt sind abzulehnen, Nazis im Nadelstreif sind ernstzunehmen.